Mein zweites Buch, an dem ich schreibe, wenn Zeit und Muße da sind (Und die Stimmung heiterer ist). Schwierig daran ist nur Eines: Ist es wirklich ein Roman? Oder Horror? Oder Grusel-Komödie? Entscheidet selbst und viel Spaß- Meinungsäußerungen der konstruktiven Art sind gern gesehen.
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DingDong. Wenn, dann schon richtig- hier wurde nicht vorgetäuscht- Horror so autentisch wie möglich. Hinter der Tür scharrte und quietschte es, als würde jemand noch schnell die Leiche im Keller verschwinden lassen. Und dann ging die Tür auf- ohne Knarren.
Vielleicht hatte ich einen älteren Herrn mit Umhang und langen Beißerchen erwartet, der sagte: „Willkommen auf meinem Schloß. Fühlen sie sich wohl und bleiben sie lange- ich bin- Graf Dracula.“ Oder einen verrückten Professor, der seltsame Experimente im Keller durchführte und meine Körperteile interessant fände- aber das wäre alles zu einfach gewesen. Vor mir stand ein nicht ganz unattraktiver Mann höchstens 40 in Blue Jeans und schwarzem Shirt. Und der lächelte auch noch so schüchtern. Gott- tu mir das nicht an!
„Oh- Entschuldigung- ich habe den Bus nicht gehört. Ich versuche gerade, das Licht zu reparieren. Ich bin- Richard Wilson.“ Er reichte mir lächelnd die Hand. Sie war kühl. Seltsam. Es war erstickend heiß draussen. Und wie konnte er wissen, daß ich mit dem Bus kam? Bloß nichts einbilden.... Hinter ihm baumelte ein loses Kabel von der Decke- und am Ende des langen Flures brannte Licht.
„Ähm- die Sicherung haben sie hoffentlich rausgedreht?“
„Oh- ja- das sollte ich wohl tun!“ Er stürmte etwas verwirrt zu dem Kasten und schaltete sie aus. Nun war es stockfinster in diesem Gang. Wie das Loch zur Hölle. Okay- dieser Mann lebte entweder noch nicht lange hier- oder er hatte mehr als einen Schutzengel.
„Ich bin Elisabeth Meihausner- aber sie können Betty sagen- das tun alle hier.“
„Na gut- Miss Betty- wenn sie so wollen- kommen sie doch herein- oh- ich hol ihre Tasche- kein Problem.“ Er stürmte etwas übereifrig an mir vorbei und hob sie mit Leichtigkeit hoch. Ziemlich sportlich- was machte er beruflich?
Sonnenlicht schien ihm also nichts auszumachen- obwohl der Wildwuchs einen regelrechten Gang um den Eingang bildete. Ich hätte letzte Nacht nicht diesen Vampirfilm im Fernsehen sehen sollen- aber was tat man sonst in einem runtergekommenen Motel?
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An dieser Stelle hatte ich ein paar Sekunden, mein Gegenüber einzuschätzen- und was ich sah war nicht das, was ich erwartet hatte- im Gegenteil.
Untypischer Ami, warnte mich eine Stimme. Kein eindeutiger Dialekt, überschwenglich höflich- aber eher britisch unterkühlt. Er nannte mich Miss- das war altmodisch. So wie sein Haus. War das der erste Amerikaner, den ich traf, der nicht amerikanisch war? Ich meine- die Rollos am hellichten Tag runterzuziehen und dann Licht anzuschalten war für diese Menschen noch normal- und so kühl war es im Haus wohl nur, weil die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Aber etwas war seltsam- geradezu beunruhigend vertraut. Wenn man 2 Jahre das Land der unbegrenzten Möglichkeiten kennen gelernt hatte, achtete man nicht mehr darauf, was sich von Deutschland unterschied- dieses Leben gab man eigentlich am Flughafen ab, wenn man klug war. Man sah vielmehr die Grenzen dieses Landes. Und die waren auf dem Lande vielleicht etwas enger- sagen wir 50 Meilen Umkreis, in Städten wie New York scheinbar weiter- auch wenn das täuschte. Man begab sich freiwillig in ein Informationsvakuum. Meinungsfreiheit war theoretisch genauso vorhanden wie das Wissen um den Rest der Welt. Es war da- aber wen interessierte es? Ich war mir schon damals sicher, daß eine Rückkehr nach Deutschland nicht so leicht werden würde- weil mir 2 Jahre Weltgeschehen fehlten. Aber für den Amerikaner war sein Land -allein durch die Größe- die halbe Welt. Und da er nicht einmal die komplett kennen konnte- wozu dann noch mit den Dingen befassen, die so weit über den Ozean waren? Trotz allem meinte jeder Amerikaner, mich zu kennen. Und wenn einer fragte, wo ich genau hersei- als wüßte er mehr über Europa als das Paris in Frankreich liegt- sagte man schlauerweise- Dresden, Germany (Europe). Das mit dem Sächsisch und dem Bayrisch waren dann schon böhmische Dörfer- also war auch ich so eine lustige, biertrinkende Trachtendame, die gern Bratwurst ißt und Polka tanzt. Das ich alles andere als das war, war nur eine Einbildung von mir. Das wäre ja dann Individualismus gewesen- eine Eigenschaft, die hier gefürchteter war als Psychotherapie und Klassendenken. Aber wer wird denn so kritisch sein?
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All das galt anscheinend in diesem Haus nicht. Es wirkte für amerikanische Verhältnisse keineswegs einladend. Man konnte den Staub nicht übersehen, auch wenn es dunkel war- wegen der bereits erwähnten Vorhänge und Fensterläden. Waren das wirklich dicke Spinnweben in der Ecke? Wow- hier wohnte mit Sicherheit keine typische Hausfrau! Nicht einmal eine Italienische- und die waren ja schon für ihre freien Ansichten zum Thema Sauberkeit berühmt.
„Entschuldigen sie bitte, wie es hier aussieht- aber dafür brauche ich sie ja. Wir haben keine Klimaanlage- und- naja- die Fenster sind ziemlich-.“
„Staubig?“ Ich wollte nicht unhöflich sein- und davon abgesehen konnte man nicht sagen, daß es hier dreckig wäre- im Sinne von lebendiger Masse. Hier war alles eher tot als lebendig. Und kühl- ohne Klimaanlage? Sehr verdächtig. Selbst das Farmhaus in Kentucky hatte Klima- und das war wirklich auf dem Land gewesen.
„Ich sehe, wir verstehen uns?“ Er wies mich ins anscheinende Wohnzimmer. Das einzig Moderne daran war ein großer Fernseher und eine Playstation. So viel zum Kind des Hauses- sein Lieblingshobby, wenn man von der Platzierung der Couch und den Chipstüten ausging.
„Darf ich ihnen eine Frage stellen?“ Du hast nur noch eine Chance zur Flucht, sagte eine kleine Stimme in mir. Aber meine Abenteuerlust übertönte sie.
„Meine Frau starb vor fünf Jahren bei einem Unfall. Wenn sie das meinen.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Oh- verstehe. Das tut mir leid.“ Ein überforderter Witwer im besten Alter- wenn das mal nicht gefährlich wurde. Aber es kitzelte- verdammt- wenn ich die Chance nicht wahrnahm!
„Sie erwähnten ein Kind in der Anzeige-?“ Half ich ihm weiter, weil er etwas verlegen wirkte.
„Ja- Timmy. Er ist 6 und kommt dieses Jahr in die Schule. Er ist eigentlich ganz nett- nur etwas- scheu. Er ist gerade bei meiner Mutter. Sie sorgt für ihn in letzter Zeit, weil ich kaum noch da bin- wegen dem Job. Ich arbeite bei Barkley und Partnern- in der Chefetage. Letzte Woche ist der Big Boss in Pension gegangen- und nun sind wir Junioren dafür zuständig. Viel Arbeit- aber gutes Geld. Wenn ich nicht bald jemanden finde, der das Haus auf Vordermann bringt und sich um meinen Sohn kümmert, muß ich das aufgeben.“
„Verstehe.“ Und wie gut ich verstand- ich hab eine Karriere und keine Frau, die mich unterstützt. Und weil ich die auch nicht will such ich mir eine Haushälterin für den Fulltime- Job. Mir war es eigentlich recht. Es bedeutete ein ganz anderes Leben für mich wie bisher- aber vielleicht sehnte ich mich auch danach, wirklich gebraucht zu werden. Ehelos zu sein ist meines Erachtens entschuldbar, auch wenn da andere Menschen die Krise kriegen und lieber dreimal falsch heiraten als einmal richtig glücklich sind. Der Mann wurde mir immer sympathischer. Individualist. Der hatte keine Scheu vorm Alleinsein. Ich beschloß, meine Einstellung zu amerikanischen Männern zu überdenken- aber nur zu Männern wie Richard Wilson- die Anderen- die Typischen- konnten mir gestohlen bleiben.
„Wissen sie- dieses Haus baute mein Urgroßvater. Mutter zog mit 18 aus- und als meine Großeltern starben- vor 10 Jahren, stand das alles leer. Meine Mutter und ich beschlossen vor 6 Jahren, daß wir mit Emma hierher ziehen könnten. Leider mochte Emma das Haus nicht besonders-und ich gebe zu- es ist viel zu düster und braucht eine Kompletterneuerung. Ich hab nur leider nicht die Zeit, mich mit den ganzen Bauleuten auseinanderzusetzen- und ein Innenarchitekt war auch schon da- er wollte alles so sehr verändern, daß es mir fremd wäre. Vielleicht fällt ihnen ja etwas Brilliantes ein- Frauen haben doch da ein Gespür dafür.“ Er hängt am Alten- unter anderem an seiner Mutter. Bedenklich individuell. Wenn sich rausstellte, daß er nicht in Therapie deswegen war, sollte ich das Weite suchen- wäre ich Amerikanerin. Aber war ich nicht- bin ich nicht- werd ich nie sein. Dann lieber sture Deutsche, die erst begreift, daß der Krieg zu Ende ist, wenn es wirklich zu spät ist. Und die ihn garantiert anzettelt. Wegen der egoistischen Grundeinstellung, daß es mir besser gehen könnte, wenn ich mich der Mittel anderer bediene. Und schließlich bin ich ein unsoziales Wesen. Ich hasse Massenverdummung in jeglicher erdenklicher Form- das fängt bei angesagten Pop-Sternchen an und hört bei Gruppentreffen zur Selbstfindung auf. Und Anpassung wurde vor Jahren aus meinem Lexikon gestrichen. Das bedeutete Gleichschritt, Nichtdenken und letztendlich politische Aufgabe. Wer jetzt denkt, daß ich damit eine Einzelkämpferin in diesem riesigen Land war- Irrtum- Amerikaner sind Anarchisten ihrer selbst- sie wissen es nur noch nicht.
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„Warum fragen sie dann nicht ihre Mutter?“ Mir war schlagartig etwas bewußt geworden- nicht das Kind war das Problem- auch nicht der Mann an sich- es war eine übermächtige Mutter vorhanden- und eine Altlast namens Emma, die er wohl sehr geliebt hatte- und die nicht viel zu sagen gehabt hatte.
„Wenn es nach der ginge, sollte alles so bleiben. Ich muß sie vor ihr warnen- sie wird es ihnen nicht leicht machen- aber ich kenne sie sehr gut- und ich werde mich bemühen, nicht zu viel auf ihr Gerede zu geben. Sicherlich ist das alles zuviel verlangt- aber mein Leben ist derzeit so konfus, daß ich nur noch auf ein Wunder hoffen kann. Wenn sie mir ein wenig dazu verhelfen könnten, wäre ich schon dankbar.“ Dieser hilfesuchende Blick war einfach zuviel. Wie konnte man da nur nein sagen?
„Wenn wir eine Vereinbarung treffen können, dann bin ich dabei.“
„Angesichts der Umstände ist es nur fair, daß auch sie Bedingungen stellen können.“
„Vertrauen sie mir. Ich werde nichts tun, was gegen ihre Interessen für das Haus, Timmy oder ihren Job verstößt. Auch wenn ich wohl manchmal etwas anders handeln werde, als man es von einer Haushälterin erwartet- oder meine Methoden etwas unamerikanisch sein sollten. Ich weiß, das es Gerede geben wird- und das ihre Mutter in mir eine Konkurrentin sehen will. Das muß ihnen klar sein. Wenn wir zusammenhalten, wird es gut gehen- dann ersetze ich ihnen in fast allen Dingen die Ehefrau, solange sie mich brauchen. Dieser- Job- endet natürlich vor ihrer Schlafzimmertür- damit wir uns richtig verstehen.“ Ich wußte um die Wirkung dieser Worte- er war ein recht offener Typ- aber das ließ ihm die Röte ins Gesicht steigen.
„Na- Natürlich- ich erwarte nichts in dieser Richtung. Sie scheinen ein sehr- ehrlicher Mensch zu sein.“ stotterte er verlegen.
„Dann sind wir uns ja einig. Immer offen für Neues sein- dann kommen wir gut klar- verstanden? Wenn sie so wollen, haben sie ab heute eine rein platonische Ersatz-Frau. Nennen sie mir ihre Probleme- ich finde eine Lösung.“ Ich reichte ihm die Hand- und er schlug dankbar ein. Also waren wir uns einig. Und ich hatte mal wieder einen Job, der nicht so alltäglich war- als wenn das etwas Neues wäre.
„Könnte ich noch ihre Referenzen sehen- nur, falls meine Mutter mich fragt. Da sollten wir uns etwas einfallen lassen, wenn sie bisher so etwas noch nicht gemacht haben- was ich vermute.“
„Oh- so neu ist mir das nicht. Ich komm grad aus Kentucky, wo ich für drei Kinder und eine Farm zuständig war. Die Frau war krank geworden und da sprang ich ein. Steht alles hier drin.“ Ich gab ihm triumphierend den dreiseitigen Bericht des Farmers, der mich in den höchsten Tönen lobte.
„Oh- das ist ja noch besser- ich zeig ihnen ihr Zimmer, einverstanden?“ Er führte mich die Treppe hoch- und auch oben war es dunkel und leer. Das Licht schien nur durch ein buntes Bleiglasfenster am Flurende und zauberte seltsame Farben auf die Wände. Sie waren holzvertäfelt und darüber hingen Porträts- wie eine Ahnengalerie. Ein Bild war vor sehr kurzer Zeit entfernt worden- ein hellerer Fleck an der Wand verriet es. Ich spürte fast die Anwesenheit dieser Ahnen- so reell kam mir alles vor. Aber genauso irreal. Als die Haustür hinter mir ins Schloß gefallen war, schien ich die mir bekannte, wenn auch kulturell manchmal unverständliche Welt verlassen zu haben. All das Helle, das Offene und scheinbar Freundliche, das mich bis dato irritiert hatte, war einfach vor dieser Tür geblieben. Und hatte Platz gemacht für Dinge, die ich im alten England erwartete. Ein einsames Haus, um das die Nebel zogen und in dem es spukte. Dunkel, alt, staubig. Mit seltsamen Bewohnern. Ich gebe zu, daß die Wirkung wohl gerade durch die bunte Welt, die ich akzeptiert hatte, verstärkt wurde. Auf meinem vertrauten Boden, in einer Stadt, die stolz auf Historie und Kultur war, wäre dieses Haus wohl weniger beieindruckend gewesen. Aber so- so war es fast, als hätte ich endlich heim gefunden. Als wäre ich angekommen.
„Hoffentlich sind sie nicht abergläubisch- es ist das Zimmer meiner Frau gewesen- aber sie starb nicht da- also keine Sorge. Ich meine nur- sie sagten ja, ich soll offen sein.“
„Warum tun sie das?“ Ich hielt ihn am Arm zurück.
„Was meinen sie?“ Seine Augen blickten mich furchtsam an. Was war hier wirklich los? Dieser Mann war sicherlich verzweifelt- aber das war es nicht nur. Er wollte sein Leben ändern- und ich sollte ihm helfen- hin zum Normalen. Aber warum suchte er sich keine richtige Frau dafür?
„Warum tun sie sich das alles an? Sie geben mir ihr Zimmer- sie wollen das Haus verändern- ist ihnen bewußt, daß sie eine vollkommen Fremde in ihr Leben lassen? Die die Position ihrer Frau einnehmen soll? Vor was haben sie Angst?“ Volltreffer. Er sah mich mit Tränen in den Augen an, die er versuchte, zu verstecken. Dann fing er sich wieder.
„Wissen sie- Emma ist tot. Ich denke, es ist Zeit, loszulassen. Ich weiß, daß alle Welt erwartet, daß ich mich wieder verlieben könnte- und auch irgendwann wieder heiraten- aber es gibt Dinge, die diese Menschen nicht wissen. Mein Vater sagte einmal: Eine Frau, die dich liebt, ist viel wert- aber eine Frau, die deine wahre Freundin ist, lügt nicht. Sie wird dir gnadenlos die Wahrheit sagen. Sie waren in der letzten viertel Stunde ehrlicher zu mir als je eine Frau zuvor. Deshalb mag ich sie- und deshalb will ich, das sie bleiben. Enttäuschen sie mich nicht, dann können wir gute Freunde werden und es wird ihnen gut gehen.“ Es tat weh. Ich hätte ihn am liebsten in den Arm genommen, aber das war nicht angemessen- und so beließ ich es bei einem Nicken. Aber warum wurde ich das Gefühl nicht los, daß sich da jemand nach Nähe sehnte, sie aber nicht zulassen konnte oder wollte? Ich ahnte wohl da schon, daß Vieles anders war, als es scheinen wollte. Das ich den Punkt erreicht hatte, es nicht mehr aus der Distanz zu sehen. Nach zwei Jahren Fremde war da plötzlich jemand, dessen Gefühle über all das gingen, was Äußerlichkeiten vertuschten. Der mir ein offenes Buch bot, in dem ich lesen sollte- und dessen Geschichte ich fortsetzen konnte. In einer viertel Stunde konnte viel passieren. Für mich entschied sie über mein weiteres Leben, das, so war mir bewußt, sehr schlimm werden könnte, wenn er wieder eine andere Frau fand- sich verliebte. Und ich dann gehen müßte- weil ich alles Andere nicht ertragen könnte.
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Wenn ich absichtlich nicht mehr solch typische Vergleiche zwischen Deutscher und Amerikanischer Mentalität bringe, dann aus einem Grund: Ich sah sie nicht mehr ab diesem Moment. Es war mir ganz plötzlich egal geworden- denn ich verlor die Distanz. Und wenn etwas anders war, als ich es kannte, dann war das für mich ein Zeichen für die Wilson- Familie, keine Zuordnung zu einer erdachten Mentalität, die so sehr differierte, daß man wahrlich nicht vom typischen Amerikaner sprechen konnte. Vielleicht verliert man in dem Moment den Blick für seine Umwelt, wo man akzeptierter Teil davon wird. Und wohl auch deshalb waren am Ende wieder alle gleich- weil sie eins waren. Dieses Gefühl war mir 27 Jahre fremd gewesen, und doch ist es Das ,woran ich mich am intensivsten erinnern kann. Richard Wilson gab mir mehr, als ich je erwartet hatte. Er vertraute mir. Und ich wurde Teil eines Vorortes, ohne mich dabei schlecht zu fühlen- auch wenn ich das bisher verpönt hatte und als amerikanische Macke ansah. Zum ersten Mal im Leben hatte ich das Gefühl, zu jemandem zu gehören. Eine Familie zu bekommen- vor der ich einst aus Deutschland geflüchtet war. Und doch war es anders. Denn es war, so wie alles in diesem Land- meine freie Wahl.
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Mein Zimmer war groß und altmodisch- mit einem Himmelbett und einem riesigen, viktorianischen Kleiderschrank. Wenn Emma das toll fand- mir war es zuviel der Nostalgie- vor allem die Wände mit ihrer ausgebleichten pinkfarbenen Stofftapete trafen nicht meinen Geschmack. Und überall standen kleine Porzellanfiguren herum. Das Fenster war von plüschigen Vorhängen so stark verdeckt, daß man die Scheiben kaum sah. Wie das Reich einer durchgeknallten Prinzessin auf der Erbse. Aber ich sagte nichts. Vielleicht erkannte er es irgendwann selbst. Mein Stil war eher schlicht- zwar auch romantisch- aber bitte nicht rosa in allen Nuancen und Kleinmädchenkitsch. Hätte er eine kleine Tochter gehabt, wäre das wohl ihr Zimmer gewesen. Aber was viel seltsamer war: Dieses Zimmer war absolut rein- und ich meine nicht sauber im normalen Sinne. Die Gardinen waren wohl gestern erst frisch aufgehängt worden- und auf dem Seitenschrank lag kein einziger Fussel. Wie schaffte man das in so einem verstaubten Haus?
„Sagen sie mir bitte, daß ich nicht der Einzige bin, der es schrecklich findet. Mutter liebt es- und Emma wollte es so.“ Ich mußte lächeln- wurde das hier zum neuen Standard- bitte geben sie mir Recht, daß etwas getan werden muß, weil ich allein nicht den Mut dazu habe?
Aber das sagte viel aus. Zum einen über den Amerikaner, der alles erstmal rein demokratisch ausdiskutiert- aus Angst, selbst eine Entscheidung treffen zu müssen. Aber davon wollte ich nicht mehr sprechen...
Wahrscheinlich hatte die Mutter es immer in einwandfreiem Zustand gehalten- lebte sie am Ende sogar hier? Aber wieso sah dann der Rest so aus?
„War das der Grund, warum sie ein eigenes Zimmer hatte?“ Manche Leute scheiden sich sogar wegen unterschiedlichen Einrichtungsvorstellungen. Wenn das Haus Richard Wilson war- und dieses Zimmer Emma- Grusel. Weder das Eine noch das Andere war wirklich angenehm.
„Nein. Sie war sehr- Konservativ. Um nicht zu sagen- bieder. Zumindest mir gegenüber.“ Aja. Pflänzchen Rühr- mich- nicht- an mit Starallüren. Wenn dieser Mann auf so was stand- und Mama der wichtigste Mensch für ihn war, sollte nicht auch ich den Warnschuß hören? Diese Art von Mann flippte irgendwann aus, tötete die Mutter und danach alle Frauen, die ihm zu nahe kamen. Norman Bates- mäßig. Aber wie immer war ich taub. Ist eben so, wenn Frauen Mitleid haben- oder lange keinen richtigen Mann mehr im Bett genießen dürften.
„Sie hatte bestimmt sehr viele gute Seiten.“ Ich wollte nicht, daß er seine Frau so schlecht machte- aber irgendwie war da eine Enttäuschung zu spüren- etwas, daß ich noch nicht genau verstand. Hatte sie ihn etwa betrogen? Er ging zum Fenster und starrte nach draussen- und plötzlich schluchzte er. Er lehnte die Stirn gegen die Scheibe und versuchte merklich, sich zu beruhigen. Jetzt konnte ich nicht mehr anders- irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. Ich zog ihn herum und drückte seinen Kopf gegen meine Schulter.
„Sch- es ist okay. Lassen sie es einfach raus.“ Anstatt sich zu wehren- oder irgendetwas dagegen zu unternehmen, legte er seine Arme so fest um mich, daß ich gar nicht wußte, was mir passierte. Er zitterte am ganzen Leib- und kurzzeitig dachte ich darüber nach, daß das alles nur eine Show sein könnte- wer würde mich hier schreien hören? Aber langsam beruhigte er sich wieder und sah mich an- mehr über sich selbst erstaunt als verzweifelt.
„Oh Gott- es tut mir leid- ich wollte nicht-!“ Vorsichtig wich er zurück. „Es war nur- vergessen sie das bitte ganz schnell- und sagen sie nichts meiner Mutter- versprechen sie es!“ flehte er.
„Ich verspreche es unter einer Bedingung. Sie sagen mir, was los ist. Und wenn es ihnen hilft- weinen sie, soviel sie wollen- ich sage es niemandem. Aber sie haben wohl sehr lange mit niemandem reden können. In Zukunft werden sie reden- verstanden? Ich kann da penetrant werden- ich weiß- aber wenn ich merke, daß ihnen was an der Seele nagt- lassen sie es raus. Besser als schlecht gelaunt zu sein oder mir das Gefühl zu geben, ich würde etwas falsch machen. Und jetzt setzen sie sich hin- hier ist ein Taschentuch.“ Ich dirigierte ihn zum Bett und reichte ihm meine Papiertaschentücher. Er brauchte wohl etwas Zeit, um wieder die Fassung zu gewinnen, also ließ ich ihn einfach sitzen und sah zum Fenster hinaus auf das Wildwuchsgelände mit Schlammbecken, daß wohl einst ein Garten war. Auf was ließ ich mich hier ein? Aber jetzt konnte ich nicht mehr gehen- es war zu spät. Ich wußte, daß ihn etwas quälte- und mein dummer mütterlicher Trostinstinkt hatte eingesetzt. Das mußte Schicksal sein. Ich war dazu verdammt, diesen Mann glücklich zu machen- auf welche Art auch immer. Mein Glauben an Gottes Wille war nie so groß gewesen, aber dieses eine Mal- da wußte ich es. Es war wie Vorhersehung. Ich mußte in Kentucky auf Sophie treffen- ich mußte hierherkommen- und ich sollte hierbleiben. Der Wilson- Clan war meine Zukunft. Ob diese gut oder schlecht sein würde, dafür müßte ich selbst sorgen.
„Sie hat mich all die Jahre belogen.“ flüsterte er traurig. Ich hörte es stillschweigend- und irgendwie hatte ich es geahnt.
„Glauben sie, daß eine Frau so berechnend sein kann?“ Er sah mich an, das spürte ich.
„Was hat sie getan?“ Ich setzte mich neben ihn auf das Bett und nahm seine kalte Hand.
„Als ich neulich hier aufräumte, fand ich ein Tagebuch. Darin stand, daß sie nur bei mir blieb, weil sie wußte, daß ich Geld geerbt hatte. Von Großvater. Er hatte es schon zu Lebzeiten, nach der ersten Herzattacke, aufgeteilt- an Mutter- an Robert und mich- aber dann mich zum Alleinerben eingesetzt. Weil Mutter ja Dad hatte- und Robert schon damals erfolgreich war und in eine reiche Familie geheiratet hatte. Emma sollte es nie erfahren, sagte Mutter immer- sie sei gierig. Mein Gott- sie hatte so recht. Wahrscheinlich hat sie doch irgendwelche Dokumente entdeckt. Das ist zehn Jahre her.“ flüsterte er fassungslos. Ich brauchte nicht lange nachzudenken, um es zu verstehen- Emma hatte ihn weitere fünf Jahre in dem Glauben gelassen, sie würde ihn lieben. Vielleicht sogar immer in der Hoffnung, er würde an Ãœberarbeitung sterben- oder sie hätte irgendwann nachgeholfen. Da sollte nochmal jemand sagen, in dieser Idylle gäbe es keine Leichen im Keller!
„Hat sie sich anders verhalten in der Zeit?“
„Nein- außer- nein- nicht Timmy! So weit bist du nicht gegangen!“Er sprang wütend auf.
„Was ist mit Timmy?“
„Er ist jetzt sechs. Wir wollten nie Kinder- und dann war sie schwanger- ganz plötzlich. Es hatte öfters Streit gegeben- vor sieben Jahren fing es an. Wegen dem Haus. Ich wollte einziehen- ihr war es nicht schick genug. Und- naja- wegen anderer Dinge. Sie drohte sogar, mich zu verlassen. Sie hat ihn nur bekommen, weil er im Falle einer Scheidung-.“
„Sehr viel Geld bringen könnte. Glauben sie wirklich, ihre Frau hätte so gehandelt?“ Ich glaubte es jedenfalls- und er auch. Und das Erschreckende war, daß er fünf Jahre um diese Frau getrauert hatte- in dem Glauben, sie hätte ihn geliebt. Das war wohl mehr als heftig.
„Verdammt- Emma- und ich hab dich geliebt!“ Was er daraufhin tat, war eigentlich nur logisch. Er schnappte sich die wunderschöne Spieldose mit der süßen, harmlosen Ballerina und knallte sie gegen die Wand. Es zuckte nicht einmal in mir. Ich hätte fast gesagt- da drüben sind auch noch Figuren- die mag ich auch nicht- aber ich ließ es beim Schweigen. Deshalb die Annonce. Deshalb eine rapide Änderung. Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, faßte ich ihn an der Schulter und drehte ihn zu mir.
„Sehen sie mich an- und dann sagen sie mir, ob sie ein anderes Zimmer für mich haben- oder ob sie wollen, daß nichts mehr hier an ihre Frau erinnert. Es ist ihre Wahl. Wir können den Raum zuschließen- und sie werden immer wissen, daß er noch da ist- das Emma noch da ist. Dann denken sie damit an die guten Zeiten. Oder- wir räumen das alles raus- und machen ein neutrales Zimmer daraus- in dem nichts mehr an sie erinnert. Aber verlangen sie nicht von mir, den Schatten ihrer Frau auszufüllen. Sie würden mich hassen- und ich denke nicht, daß ich das verdient habe.“
„Krieg ich Bedenkzeit?“ schniefte er mit leerem Blick.
„Okay. So viel sie wollen. Aber bis dahin ist das hier Sperrzone. Wie oft waren sie hier drinnen?“ Sein Blick sprach Bände.
„Ich verstehe. Sie sollten ihren Tagesrhythmus ändern. Geben sie mir den Schlüssel, das macht es leichter.“ Ich nahm ihm den Schlüssel aus der zitternden Hand. Wenn er dazugeschrieben hätte, er bräuchte auch psychologische Hilfe- wer weiß, ob ich dann jemals angerufen hätte. Dafür gab es auch Profis. Und zwar wie Sand am Meer- denn etwas verrückt waren wir doch alle, oder?
„Sie können das Gästezimmer haben.“
„Ist gut- waschen sie sich das Gesicht, gehen sie nach unten und warten sie auf ihren Sohn. Er kann nichts dafür- denken sie immer daran. Wo ist das Zimmer?“
„Links hinten. Aber es ist nicht aufgeräumt- tut mir leid. Ich kann das noch schnell tun, wenn sie wollen.“
„Nein- ich kümmer mich schon. Sein sie für Timmy da- wenn sie so viel arbeiten sollte er jede ihrer freien Minuten für sich haben. Für alles Andere bin ich jetzt zuständig.“ Und so schickte ich den hilflosen Mann zurück ins Leben- er war wohl selbst schockiert, wie sehr ihn das aus der Bahn geworfen hatte. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, der in allem perfekt sein wollte- und dessen größte Schwäche es wohl war, von Frauen dirigiert zu werden. Ich hatte nie erlebt, daß ein Mann so wehrlos alles tat, was ich ihm sagte- als hätte er keine Kraft mehr, selbstständig zu denken. Verdankte er das der resoluten Mutter? Da sagte er wohl auch immer Ja und Amen- und zeigte nie Gefühle, denn das traf ihn wohl am meisten. Er hatte vor einer Fremden geweint- wenn das mal nicht am Ego kratzte. Es war klar, daß ich das niemandem erzählen würde.
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Natürlich war es einer dieser winzigen Vororte einer unbedeutenden amerikanischen Kleinstadt im mittleren Westen, in den es mich im Juni verschlug. Wo auch sonst passieren solche Dinge, als in der perfekten Idylle von englischem Rasen, weißen Gartenzäunchen und Sprinkleranlagen, die mit ihrem TsTsTs die gnadenlose Stille des Mittags durchbrachen. Ein schneeweißes Haus reihte sich an das Nächste, dazwischen etwas roter Backstein- aber immer in Harmonie mit den weißen Fensterrahmen und den blankgescheuerten Stufen, die auf die hübsche Veranda vorm Haus führten. Vielleicht hätte es mich nachdenklich gemacht, daß hier kaum Vögel sangen- das es hier so still war, daß das Rattern des Busses unter meinem Hintern wie der Angriff eines Schwadrons Tiefflieger geklungen haben muß. Aber genau dieses Geräusch gab mir Geborgenheit- bis der Bus hielt und der Fahrer mich munter ansah.
„Wir sind da- Miss. Willkommen in Timbletown!“ Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Neben mir lag auf der Reisetasche die Zeitung, aus der ich die Anzeige hatte.
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Suche dringend vollkommen selbstständige und familiär unabhängige Hilfe für Haus und Kind- Zimmer, Verpflegung und entsprechende Bezahlung nach Absprache.
Und eine Telefonnummer. Die hatte ich vorgestern gewählt und einen Mister Wilson an der Leitung- er schien der Hausvater zu sein. Er fragte, ob ich den Ort kenne, und als ich verneinte, schien er erleichtert. Das hätte mich aufhorchen lassen müssen, schließlich bot er mir gleich an, eine Woche probearbeiten zu kommen, bevor er mich je gesehen hatte. Wie verzweifelt mußten Menschen sein, daß sie mich einstellten? Mir war es in diesem Moment egal, denn ich brauchte Geld- und möglichst einen Job, um weiterhin legal hierbleiben zu können. Eine Hand wäscht die Andere- und wenn es nur eine Weile war- er schien nett zu sein, wenn man auf seine Stimme schlußfolgerte.
Warum es eine selbstständige und unabhängige Person sein mußte, sollte mir bald klar werden- aber es gab wohl nur wenige Menschen, die nur eine Reisetasche besaßen- und somit den Inbegriff der Unabhängigkeit prägten. Dafür war ich ja hergekommen.
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Nun stand ich also an der Haltestelle, der Bus fuhr weiter und kam nach knapp 3 Minuten wieder, was bestätigte, was ich vermutet hatte. Diese Kleinstadt war eine Sackgasse. Man kam her- und als Fremder wurden dir alle Knüppel in den Weg geworfen, die bei so gepflegten Gärten noch zu finden waren. Hier kannte Jeder Jeden- nach 22 Uhr wurden die Bürgersteige hochgeklappt, am Samstag traf man sich zum Barbecue und Weihnachten erfolgte die offizielle Kampfansage wider dem guten Geschmack und Plastik- Rentiere, bunte Blinklichter und Kunstschnee übertünchten die gespannten Familiennerven. Perfekt. Und das war hier garantiert Jeder. Mir fielen wieder diese amerikanischen Kleinstadtserien ein. Desperate Housewifes, Picket Fences und was es sonst so gab. Das war hier das Original. Nur würde niemand seine Leichen im Keller offen zur Schau stellen. So was tat man nicht. Diese Serien entsprangen der Phantasie gereizter Freidenker, die hinter Allem und Jedem etwas vermuteten. Das hier war vollkommen normal. Und kleine Hoppelhäschen im Vorgarten und blühende Bäume hätten den Zuckerguß ausgemacht. Wie zum Teufel aber paßte ich hier hinein???
Ich meine- hallo?- Ich bin Deutsche- und von Idylle im Grünen und nett lächelnden Hausfrauen die auf ihre noch viel netteren Kinder und Ehemänner warten verstand und hielt ich etwa so viel wie von Schnulzenromanen. Wenn da nicht wenigstens Einer starb war es uninteressant. Aber den Gefallen tat man mir hier garantiert nicht- obwohl- was war an all dem wirklich verdächtig? Miss Marple hätte einen Fall gewittert- eine betrogene Ehefrau, die ihren Mann mit einer Lammkeule- oh- das war Edgar Ellen Poe. Meine Witterung sagte mir, daß ich direkt vor einem Einkaufscenter- wenn man fünf aneinandergereihte Geschäfte so nennen dürfte- stand- und der Duft von frischen Backwaren mich daran erinnerte, heute noch nichts gegessen zu haben. Es war nicht schwer, die „Bäckerei“ zu erkennen, denn sonst gab es nur einen Lebensmittelladen- einen Drugstore- warum auch nicht, einen Klamottenladen, der die Fashionignoranz der hiesigen Hausfrauen prägte, ein FastFood- Restaurant, dessen Namen ich aus rechtlichen Gründen verschweige und so etwas wie einen- wir haben alles zu Sonderpreisen- Markt. Ach ja- da fühlte man sich doch gleich heimisch. Ich hätte gewettet, daß die Einwohner dieses schönen Ortes das Ganze „The Mall“ nannten- aber dummerweise war Wetten mit sich selbst sinnlos. Also ging ich in die Bäckerei, die auch noch das obligatorische Eiscafé beiinhaltete. Die Bedienung war eine ältere, füllige Dame mit eingeschränktem Vokabular. Sie musterte mich die ganze Zeit und sagte mir so: Ich weiß, daß du anders bist. Was zum Teufel willst du hier?
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Nach einem small Milkshake- der durchaus ausreichend war und einem Bagel mit Schinken kam neuer Mut auf, der mich für kurze Zeit verlassen hatte, nachdem ich all das Gesehene sortiert hatte und mir davor graute, in einer dieser supersüßen Minivillen zu verschwinden- auf Nimmerwiedersehen. Unser Kind braucht Betreuung, bis es zur Highschool geht. Gratulation- es ist gerade im süßen Alter von 2 Jahren und eine echte Nervensäge! Nicht, daß ich Kinder nicht mochte- aber amerikanische Kinder konnten seltsam werden- wenn sie es nicht sowieso schon waren, wenn sie entdeckten, daß ich nicht jedes Schimpfwort ihrer Sprache kannte. Die Erfahrung hatte ich in den letzten Monaten auf einer Farm in Kentucky gemacht- und klein Sophie war der Grund für meine Flucht. Aber so schlimm konnte kein weiteres Kind sein. Kein amerikanisches Kind war so naturverbunden wie diese Rotzgöre, die mir schon mal Frösche und Schlangen ins Bett legte- oder Spatzen mit dem Katapult abschoß. Aber der kleine Sonnenschein war Daddys Liebling- und das dumme Kindermädchen wußte nicht, wie man mit antiauthoritär erzogenen Kindern umging. Das stimmte wohl so- und ehe ich der Versuchung verfiel, diesem kleinen arroganten Mistkäfer ihren Katapult mitsamt den Steinen, die sie nach mir geworfen hatte, sonstwohin zu stecken, bat ich lieber um meine Entlassung. Das brachte mir eine gute Beurteilung- trotz brüllender Sophie, die nun mit anderen Opfern spielen mußte. Und wenn ein Vater freiwillig zugab, daß sein Kind ein „schwieriger Fall“ sei- das war doch die halbe Miete, um gut dazustehen.
Also warf ich mir die Tasche über die Schulter und lief los. Es gab nur eine richtige Strasse, die den patriotischen Namen Jefferson Drive trug, von der kleine Wege abgingen, die zu weiteren Häusern in zweiter Reihe führten. Die Nummer 11 vermutete ich am Ende der Sackgasse- sozusagen der krönende Abschluß. Wie ich darauf kam, wußte ich nicht- und als ich so vor mich hertrottete und die Nummern der Häuser erspähte, hörte ich das Klappern eines Mülltonnendeckels. Das war also doch keine Geisterstadt mit einem Zombie als Bedienung- obwohl- konnte man sich da so sicher sein?
Ein alter Mann warf seinen Müllbeutel ein und schlürfte zurück zur Veranda seines kleinen Backsteinhauses. Er sah zwar so aus, als wollte er nichts mit Fremden zu tun haben, aber man konnte es ja versuchen- die Nachricht, daß eine Neue- eine Deutsche- im Ort wäre, würde sich eh wie ein Lauffeuer verbreiten.
„Hallo? Entschuldigung- können sie mir vielleicht sagen, wo ich die Nummer 11 finde? Familie Wilson?“ Er sah mich an, als hätte ich ihm den Krieg erklärt, aber dann legten sich seine Züge- und irgendetwas wie ein Lächeln huschte über seine Lippen. Was war das denn?
„Bis zum Ende der Strasse- sie können es nicht verfehlen. Sind sie wegen der Annonce da?“
„Oh- ja. Kamen schon viele Bewerber?“ Hier wußte man alles über dich!
„Nein- sie sind die Erste- und wenn ich sie so ansehe- ich hoffe, die Letzte. Tag noch.“ Und damit verschwand er hinter seiner Fliegengittertür. Wie war das denn zu verstehen? Sehr nette Nachbarschaft, wirklich. Langsam wurde das hier komisch. Dieser Ort wirkte fast wie ausgestorben. Aber die standen wohl alle hinter ihren Fenstern und beobachteten mich- das Telefon in der Hand, um mit der Nachbarin über die Neue abzulästern. Ihr seid mir sowas von egal.
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Irgendwie trugen mich meine Beine zielsicher vor ein Haus, das den gesamten Wendeplatz dominierte. Sie können es nicht verfehlen- wie recht er doch hatte. Von allen Häusern, die es hier gab, mußte ich natürlich den Exoten erwischen. Hätte es in einer deutschen Stadt gestanden, wäre es unscheinbar gewesen- aber hier war es das Addams- Schloß. Links und rechts nagelscherengestutzter Zierrasen, Buchsbaumheckchen und weiße Fronten- und dann das dazwischen! Eine schwarze Perle, vollkommen verwildert, mit Eisenzaun, wahrscheinlich quietschender Eichentür, verwittertem Holzbeschlag und Jugendstil- Elementen. Eine Art Turm an der Rückseite war zu erkennen, und die Veranda war wohl einst mal etwas Besonderes gewesen mit ihren verschnörkelten Eisengittern und Stützpfeilern. Der Vorgarten bestand aus etwas, das man hier wohl Unkraut nannte- kniehohes Gras, ausgeuferte Rosen und allerlei Gewächs, bei dem eine Machete gute Dienste leisten konnte. Preissenkend für die Umgebung, wenn man von amerikanischen Standards ausging- wieso wurde das akzeptiert?
Ich liebte dieses Haus sofort. Fragte sich nur, wer dort lebte. Die Hausnummer bestätigte es: 11. Angekommen. Das war es nun- und es widersprach allen Erwartungen. Lebten hier am Ende die Individualisten, die ich immer gesucht hatte? Oder war es vielmehr das wirkliche Horrorhaus, in dem grundsätzlich Kindermädchen und Haushälterinnen verschwanden? Um ehrlich zu sein- lebte hier überhaupt jemand- oder etwas? Das war das Widersprüchlichste allen amerikanischen Stolzes- es war alt- und in einem Land, wo Gadget an der Tagesordnung stand- sprich Technik um jeden Preis, zählte es eindeutig zur aussterbenden Sorte von europäischem Lebensstil.
Ich stellte die Tasche ab und nahm die fünf Stufen zur Tür. Eine verschnörkelte Eisenklingel sollte mein Leben verändern.
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Zimmer Nummer zwei war wohl jahrelang als Rumpelkammer genutzt worden- und man kam kaum zum Bett vor. Aber wenigstens war es bequem und nicht so verkitscht. Eher spartanisch einfach. Wenn ich die Hälfte des Krempels erstmal losgeworden war, dann konnte man was draus machen. Also flogen erstmal gestapelte Stühle und ein auseinandergenommener Schrank raus auf den Flur. Ich war mir nicht sicher, ob ich tun und lassen dürfte, was ich wollte, also hörte ich erstmal auf und ging, nachdem ich mir den Staub weggeduscht hatte, nach unten. Mister Wilson saß in der düsteren Küche und brütete vor sich hin. In seinen Händen knetete er auf einer leeren Kaffeetasse herum. Ich war also mit einem Psychopathen allein in einem alten Geisterhaus. Sozusagen. Die Küche war so uralt, daß man kaum noch eine Farbe des Holzes erkannte. Es gab keinen Spülautomaten, nur ein altes Steinbecken zum Abwaschen und einen alten Gasherd. Gekocht hatte hier wohl seit 10 Jahren niemand mehr. Das konnte ja heiter werden. Ein Museum mit Einwohnern- jeder normale Mensch hätte längst was dagegen getan- ganz zu schweigen von Mr. Wilsons Landesbrüdern. Aber topmoderne Küchen brauchten wohl nur topmoderne Hausfrauen- wenn es die nicht gab wurde nie gekocht- dann tröstete Fast Food über das Familienidyll hinweg. Und da ich altmodisch in diesem Sinne war, würde es hier noch viel schwerer als in Kentucky werden, wo die Familie es gewohnt war, zusammen Abend zu essen. Und dann auch noch richtiges, gesundes Essen. Ein Kampf gegen Windmühlen in einem Land, wo Verfettung an der Tagesordnung zu stehen schien. Aber ich war da unbeirrbar- und Geschäftsmänner brauchen gute Ernährung, Sport und viel Schlaf und Entspannung. Und das konnte eine Frau immer noch besser ermöglichen als die neueste Technik.
„Ich hab in der Firma angerufen- ich hab die ganze nächste Woche frei. Ich sollte wohl mal zum Arzt gehen- sie wissen schon, den Bestimmten.“
„Das wäre wohl gut für sie.“ Zumindest war er schnell, wenn es um Planung ging. Die Annonce war vom Donnerstag, also hatte er es vielleicht Montag erfahren. Immerhin eine Woche, die er schon damit lebte. Wieviel hatte er seitdem darüber nachgedacht? Und zu welchem Ergebnis war er gekommen? Hoffentlich nicht, daß er dran Schuld sei.
„Ich dachte so an 1000 Dollar- ist das okay?“ Das sollte wohl mein Lohn sein. Naja- nicht gerade viel für die Belastung- aber immerhin.
„Ich denke- ja.“ meinte ich nur. Es war nicht die richtige Zeit, um über Geld zu diskutieren- und ich konnte zufrieden sein- denn ich bekam freie Verpflegung und ein Zimmer dazu- also war das nicht so schlecht.
„Sie brauchen bestimmt noch Einiges gleich- ich schieß ihnen 500 für diese Woche vor. Ich möchte, daß sie sich in ihrem Zimmer wohlfühlen- also schmeißen sie all den Mist raus, den sie nicht mögen-packen sie es nur auf den Flur, ich räum es dann weg. Malen sie die Wände an- was weiß ich. Neue Gardinen oder sowas- alles kein Problem. Die Einrichtung bezahlen sie mit dieser Kreditkarte- so wie sie auch alles andere, was für das Haus, für Timmy oder für mich ist- also Essen, Sachen, etc. damit begleichen. Sie brauchen Arbeitskleidung, die vorerst wohl aus alten Sachen bestehen wird- schließlich wird es hier noch richtig dreckig, wenn sie erstmal loslegen. Alte Hemden können sie von mir kriegen. Ich kenn ihren Kleidungsstil nicht- aber das hier ist ein Kuhkaff, wie sie sicher bemerkt haben. Die Frauen bevorzugen Jeans und Shirts oder sowas- als Hilfestellung, damit sie nicht gleich anecken. Kein Aufdonnern für die Öffentlichkeit- aber tun sie mir die Genugtuung und sein sie ne tolle Frau- ich will auch mal angeben können!“ Er lachte wieder so verschmitzt wie zu Beginn. Anscheinend fing er sich wieder. „Wie lange können sie eigentlich bleiben?“
„Ähm.“ Sollte ich sagen, daß die Restplanung meines Lebens noch in den Sternen stand? „Ich weiß nicht. Wie lange brauchen sie mich?“
„Bis ich tot umfalle, denke ich.“ Er stellte die Tasse endlich weg.
„Oh- wollen wir hoffen, daß ich dann eine alte Frau bin.“
„Ich liebe ihren Humor. Aber wieder im Ernst. Wenn sie es länger aushalten- sagen wir mal- bis nächsten Monat- wird es vorkommen, daß ich Geschäftspartner und Freunde der Firma- oder auch Private Freunde oder die Familie einladen muß- hab mich lange davor gedrückt und jetzt wirds ernst- wegen der Beförderung. Ich muß meinen Einstand geben- bei mir zu Hause. Das wäre in spätestens 4 Wochen, wenn wir es bis dahin schaffen, diesen Kasten aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Vorausgesetzt, sie sind dann noch nicht geflüchtet, wäre ich froh, sie würden mir dabei helfen. Das setzt voraus, daß sie das Essen organisieren, die Gäste mit empfangen und so. Ich weiß, daß das in Kentucky nicht so gefragt war- aber ich werde immer wieder eine weibliche Begleitung brauchen- oder eine Gastgeberin- können sie das auch?“ Er erwartete wohl, daß ich ihn entrüstet ansehen würde, aber ich war ja nicht auf den Mund gefallen.
„Können wir mal klären, wie meine Berufsbezeichnung lautet? Und wie ich mich dementsprechend zu verhalten habe? Ein Dienstmädchen oder eine Haushälterin tragen Uniform und verhalten sich wie Personal, während eine Begleiterin oder Gastgeberin eine Herrin darstellen. Was hätten sie denn gern?“
„Könnten sie Miss Betty sein? Ich weiß nicht, wie ich ihre Arbeit definieren sollte- also tun sie, was eine Miss Betty tut. Offiziell werde ich sie als Haushaltshilfe angeben- aber ich will keine Uniform sehen oder sowas. Kein Knicks, kein- wünschen sie noch etwas- sein sie natürlich- höflich, in ihrer charmanten Art reizend- und wenn Gäste da sind- kümmern sie sich um sie, aber klären sie ihren Standpunkt. Sie arbeiten so hart wie alle anderen- wenn nicht sogar noch mehr- sie sind kein Fußabtreter. Widersprechen sie mir, wenn sie es anders sehen.“
„Kein Einspruch.“
„Okay. Das bedeutet natürlich andere Kleidung. Das zählt unter Berufskleidung- aber Manolos kauft mir das Finanzamt nicht ab- und sollte ich solche Luxusartikel auf meiner Kreditkartenrechnung finden- ich warne sie. Dann lernen sie mich richtig kennen- haben wir uns verstanden? Ich weiß nicht, was Frauen mit soviel Geld sonst so treiben- aber sollten die 4000 nicht reichen und sie machen ihren Job gut und halten durch- das vor allem- reden wir weiter.“ Er hatte wohl meinen erstaunten Blick angesichts der 4000 bemerkt. Er meinte 1000 pro Woche du Dummerchen- also reiß dich zusammen!
„Oh- ich bin doch kein Sklaventreiber. Außerdem hab ich das Gefühl, daß das ein Ansporn ist, ehrlich zu sein, oder? Unterbezahltes Personal ist unzufrieden- und arbeitet schlecht- und ich weiß sehr gut, was ich ihnen da zumute. Sie werden hier Dinge tun müssen, die in keinem Arbeitsvertrag stehen- und ich würde sie bitten, Einiges, was sie sehen oder hören, so zu akzeptieren und zu schweigen. Ich verlasse mich da auf ihr Diskretionsgefühl. Meine Anweisungen und ihr daraus resultierendes Verhalten sollten sich der Situation anpassen, dann kann nichts schief gehen. Sieh mal an- meine geliebte Mutter und Sohnemann. Sagen sie nur das Nötigste- ich will sie schnell loswerden.- Hallo Mutter.“
Die Tür ging auf und der gefürchtete Drachen trat in Erscheinung. Sie war recht klein und zierlich, aber wirkte äußerst entschlossen. Ihre weißen gelockten Haare trug sie schick nach hinten frisiert, was durchaus jugendlich wirkte. Sie trug Jeans und ein etwas zu glitzerndes Shirt, um alltäglich auszusehen. Ihr Sohn mußte nach dem Vater gehen, denn er war mindestens einen Kopf größer als sie und hatte höchstens die Stirn von ihr- und die Augenfarbe, soweit das im Halbdunkel erkennbar war. Das kleine Pummelchen- anders konnte ich den Sohn nicht definieren, schlich an uns ohne ein Wort vorbei ins Wohnzimmer. Ein typisch amerikanisches Kind- übergewichtig, nörgelig und von Daddy und Granny verwöhnt. Aber eigentlich der kleine Tyrann im Haus, der alles dürfte. Als Miss Betty hatte ich ganz schlechte Karten- zumindest, wenn er glaubte, ich sei eine Standard- Nanny. Also würde wohl das volle Programm nötig sein.
„Oh- sie ist ja schon da- sie sind also das neue Hausmädchen? Ich bin Mrs. Wilson. Wie heißen sie, junge Dame?“ Okay- auch wenn sie kleiner war als ich- sie schaffte es, auf mich herabzublicken- als wäre ich eine unliebsame Kakerlake.
„Elisabeth Meihausner.“ Sollte ich doch einen Knicks machen? Oder war „Jawohl, Herr General“ angebrachter?
„Miss Betty.“ sprang er hilfreich ein. Er hatte diesen typischen genervter- Sohn- Blick drauf.
„Oh- hast du das bestimmt oder war das ihr Wunsch? Ich finde das klingt so- entschuldige, wenn ich es sage- so- bordellmäßig. Ich denke ein einfaches Elisabeth ist angebrachter für ein Hausmädchen. Welche Referenzen bringen sie mit? Ich hörte, sie sind Deutsche- naja- das zählt wohl nicht für meinen Sohn- ich hoffe doch, daß sie schon längere Zeit mit den Gepflogenheiten unseres Landes bekannt sind. Wir sind hier sehr- kultiviert und halten uns an gewisse- Regeln.“ Oh- und ich komm wohl aus dem Urwald von den Bäumen. Hey- Giftnatter- du mußt mir noch sagen, daß ich keinen Herrenbesuch mitbringen darf- und Anstand und Prüderie oberstes Gesetz sind. Wie im guten alten England! Die glaubte wohl auch, sie sei die Queen persönlich!
„Mutter- das kann ich ihr auch alles sagen!“ ermahnte er.
„Das wirst du aber nicht- ich kenne dich. Aber es muß sein- und du solltest es dir gut merken.“ Komisch- sie wandte sich mit den letzten Worten eher an ihren Sohn als an mich.
„Diese Stadt ist grundanständig, und der Name Wilson steht seit Generationen für ein angesehenes und gepflegtes Haus, in welchem das Personal sich nie beschweren konnte, wenn es sich an die Regeln hielt. Ich will nicht zu Ohren bekommen, daß dies durch eine, meiner Meinung nach viel zu junge Dame in diesem Haus, eine Änderung erfährt. Ich weiß, daß man bei ihnen zu Hause sehr viel freizügiger mit Männerbekanntschaften umgeht- aber hier herrschen nunmal unsere Gesetze- und ich möchte sie darauf hinweisen, daß unangemessene Kleidung, seltsame Ausschreitungen oder nächtliche Aktivitäten außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches zu unterlassen sind- habe ich mich deutlich ausgedrückt?“ Wow. Die volle Ladung. Matriarchat par excellence- und ich war die Zielscheibe.
„Natürlich, Mrs. Wilson- ich gedenke nicht, derlei zu tun. Mr. Wilson wird mich sicherlich in all meine Arbeiten einweisen, die ich mit Freude ausführen werde. Sollte ich einmal nicht weiterwissen, würde ich mich freuen, ihre Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen.“ Mr. Wilson verkniff sich ein lautes Lachen. Es war wohl lange her, seit er seine Mutter das letzte Mal sprachlos gesehen hatte- mein Gott- war das genial. Sie schnappte nach Luft und dachte wohl dabei nach, ob das mein voller Ernst war.
„Weißt du, Mutter- wir sind erwachsene Menschen- alle- auch Miss Betty- und du wohnst hier nicht. Ich werde schon mit ihr klarkommen- schließlich hab ich sie eingestellt, verstanden?“
„Das ist es ja eben. Du weißt genau, warum ich dagegen bin. Denke an die Tradition- auch du kannst dich ihr nicht widersetzen. Wenn eine Ehefrau im Haus wäre- dann bräuchtest du sie nicht- dann-.“
„Dann hätten wir vielleicht ein Kindermädchen- und wenn du dann auf die Erfüllung deiner bescheuerten Tradition schwören würdest, würde ich von bedenklicher Moral sprechen, verstanden?“ Uups. Ich stand daneben wie dumm. Hier gab es ein altes Haus, eine Tradition, eine Art Familienclan- und ich mittendrin. Da hätte ich doch eher die klischeehafte amerikanische Kleinstadtfamilie bevorzugt- mit deren Regeln war ich vertraut. Und eigentlich wollte ich doch nur arbeiten- aber Die tat ja gleich so, als würde ich ihren Sohn verführen. Nichts lag mir ferner, als den Boss anzugraben. Das gab nur Probleme- und die hatte der Mann sowieso schon- siehe Haus, Kind und Mutter. Und wahrscheinlich noch Job. Und tote Frau.
„Warum nicht Miss Tingle- das ist so eine liebe Dame!“ lenkte der Drachen ab.
„Weil sie über 70 ist, Kinder haßt und ihr Haus noch dreckiger ist als das hier- reicht das als Argument? Abgesehen davon brauche ich jemanden, der noch auf Leitern steigen kann und einen Besen in seiner Grundfunktion nutzt- und nicht darauf zum Blocksberg reitet!“ Er grinste in meine Richtung- er war wohl doch kein echtes Muttersöhnchen?
„Du bist unmöglich- aber ich liebe es, mit dir zu diskutieren. Naja- hast du ihr schon einen Plan erarbeitet- natürlich nicht. Typisch mein Sohn. Aber jetzt bin ich ja da- also- das Frühstück muß um acht auf dem Tisch stehen- Eier und Speck- Toast- Pfannkuchen-...“
„Du Mutter- nichts für ungut- aber erstens kann ich auch reden- schon vergessen- hast du mir mal beigebracht. Zweitens- du bist nicht hier- das wir uns verstanden haben- du hast fünf Jahre lang Timmy abgeholt und wieder hergebracht. Es hat dich nicht interessiert, ob ich immernoch diese Frühstücksbomben esse, wie es im Haus aussieht oder sonstwas- also tu nicht so, als würde sie deine Arbeit wegnehmen. Drittens- ...“
„Richard! Was ist denn los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht.“
„Dann lernst du mich jetzt kennen- ich habe diese Frau eingestellt, weil ich endlich mal etwas anderes hören will als die neuesten Skandale aus Timbletown, den Familienmist oder deine Bridgeabend- Lästereien. Ich habe es satt- verstehst du? Du bist ne tolle Mutter- und du hattest Recht mit Emma- aber vielleicht wäre ich ja früher drauf gekommen, wenn du mich nicht mit deinen Sticheleien abgelenkt hättest. Du kannst gerne mal zum Essen kommen- und wenn du Timmy besuchen willst oder ihr was machen wollt- kein Problem- aber gnade dir, du tauchst hier jeden Tag auf und machst ihr Vorschriften. Sie handelt nur- schreib dir das mit- nur in meinem Interesse. Und wenn sie nackt auf dem Dach tanzt- dann war das meine Idee, verstanden? Sie hat freie Bahn, dieses Haus, Timmy und mich auf Vordermann zu bringen. Beschwerden darüber kannst du mir schriftlich schicken- vielleicht beantworte ich sie ja bis Weihnachten. Ich habe einen tollen Job, für den ich fit sein muß- und für den ich keine besserwisserische Mutter brauchen kann. Wenn ich das jetzt nicht durchzieh, dann war´s das. Und glaub mir- das Letzte, was ich will, ist an meinem 40. mit meiner Mutter und meinem Sohn allein in dieser Höhle sitzen und mich fragen, was ich die letzten Jahre eigentlich getan habe. Akzeptier das- oder komm nicht wieder. Wenn du es begriffen hast, dann darfst du gerne zu Besuch kommen- bei Robert klappt es schließlich auch.“
„Robert ist verheiratet- während du- allein bist. Ich muß mich doch um dich kümmern.“
„Nein, Mutter. Du sagtest immer- wenn eine Frau im Haus ist, dann ändert sich das- so- bitteschön- ist das eine Frau?- Ich denke schon. Also hör endlich auf.“
„Das ist nicht dasselbe- was soll das? Willst du dieselben Fehler machen?“
„Hör endlich auf mit deiner Schwarzseherei- Generationen ändern sich. Denk mal drüber nach- sie macht ihren Job mit Sicherheit besser als eine verwöhnte Hausfrau. Also gib ihr eine Chance. Ach- und dein anderes moralisches Problem- du solltest am Besten wissen, wie du mich erzogen hast-oder? Also mach´s gut und hab Spass bei deinen Bridge- Damen- ich bin sicher, du hast heut genügend Zündstoff. Bye- Bye.“
Er winkte ihr demonstrativ zu- und sie ging wirklich. Sie schnappte wie ein Fisch an Land und ging. Resolut. Hocherhobenen Hauptes und stolz wie nach dem Sieg über Sparta. Ich war fast sprachlos- aber er grinste breit.
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„War das notwendig- ich meine- wird sie das nicht noch mehr verärgern- gegen mich?“ Na toll- die schärfte zu Hause bestimmt schon mal ihre Küchenmesser- im Falle eines Falles waren Hausmädchen die Verlierer.
„Oh- das war doch noch gar nichts- wissen sie- das passiert eigentlich ständig- sie macht die Regeln- ich breche sie- dann sag ich ihr die Meinung- und sie bleibt für ein paar Tage weg. Leider ist sie wie ein Bumerang- sie kommt gnadenlos wieder, weil sie niemanden sonst hat. Dann ist sie total nett, weil sie Angst hat, mich zu verlieren. Rechnen sie damit, daß sie sie furchtbar lieb behandeln wird- weil sie ja ein gutes Wort für sie bei mir einlegen könnten. Irgendwann tun sie es- sie fängt wieder damit an- und von vorn. Das Problem ist eben, daß eine Frau, die dem Wilson- Clan beitritt absolut standfest und selbstständig sein sollte- Duckmäuschen haben es bei uns schwer. Ich denke, sie machen das toll. Aber das Ding mit der Einschleimerei war genial- sie wußte genau, daß sie sich lustig über sie machen. Jetzt haben sie ihren Respekt.“ War das der Grund, eine Deutsche einzustellen? Weil wir als herrisch und wenig anpassbar gelten? Wenn er erwartete, ich würde hier den neuen Krieg vom Ziergartenzaun brechen- ohne mich! Die waren in der Ãœberzahl! Und in dem Sinne wollte ich doch nur meine Ruhe haben. Aber anscheinend mußte man 24 Stunden am Tag offen für die Gesellschaft sein, um ein Privatmensch sein zu dürfen, Abschotten war verdächtig und feige.
„Echt- das sah nicht so aus. Aber was ist eigentlich der Wilson- Clan?“ Ich hatte eine Ahnung- es gab diesen Robert, der sicherlich sein Bruder war- und der schien verheiratet zu sein.
„Das erkläre ich ihnen dann. Timmy- komm mal bitte her.“ Ich hatte den Jungen vollkommen vergessen- und das konnte wohl öfters passieren- schließlich verhielt er sich so ruhig wie ein Oppossum in der Winterstarre. Der Pummel kam lustlos angeschlürft.
„Was denn, Dad?“
„Hinsetzen, Kollege. Und sie auch, Miss Betty.“ Ich ahnte, das es jetzt die Kriegsbesprechung geben würde. Timmy sah seinem Vater nicht im geringsten ähnlich, was mich verblüffte. Da war gar nichts. Er hatte nicht einmal die Statur von ihm, auch wenn das bei einem Sechsjährigen nichts heißen mußte. Oje- wenn da mal nicht ein Kuckuck übers Nest geflogen war. Aber da mußte ich mich irren- ich hatte nur eine schlechte Meinung über Emma, das war alles.
„Also- wir haben das gestern besprochen, das weißt du noch, nicht wahr?“
„Ja Dad.“
„Und?“ Er sah seinen Sohn fragend an.
„Guten Tag, Miss. Ich bin Timmy.“ Er reichte mir die Hand, ohne hinzusehen, stattdessen starrte er auf den Tisch. Irgendetwas stimmte mit diesem Jungen nicht- und es war nicht sein Ãœbergewicht, was mir Sorgen machte. Er wirkte unerklärlich müde und abwesend, was ich bei Kindern in dem Alter nicht kannte.
„Hallo- ich bin Betty- du brauchst nicht Miss sagen-dein Vater auch nicht, aber anscheinend lernt er nicht so schnell. Ältere Männer sind da etwas langsam- also zeig ihm, wie´s geht.“ Und tatsächlich- er konnte lächeln- zwar nur heimlich- aber wir hatten es gesehen. Er starrte weiter auf den Tisch.
„Was hast du heute bei Granny gemacht?“
„Ich hab ihre Blumen kaputt gemacht- Dad- ich wollte das nicht. Die Kinder von nebenan haben Ball gespielt- und er flog in den Garten. Ich wollte ihn nur zurückwerfen- aber ich hab es nicht geschafft über die Mauer- und Granny war wütend. Sie sagte, ich müsse dir das sagen- und sie würde mich auch dafür bestrafen, wenn es nochmal vorkommt, daß ich ihre Blumen zerschieße.“ Ich sah ihn fragend an. Der Junge konnte nichts dafür- wieso war diese Frau so streng zu ihm?
Mr. Wilson rieb sich das Gesicht.
„Ist Granny öfters böse auf dich?“ fragte er leise.
„Naja- wenn ich Dummheiten mache. Sie will nicht, daß ich ihren Garten kaputt mache.“
„Und dann spielst du lieber deine Computerspiele- damit nichts kaputt geht, oder?“ Ich begriff langsam. Timmy war kein faules Kind- er wurde dazu gemacht, indem man ihn gar nicht erst spielen ließ. Auch eine bemerkenswerte Taktik, um Hyperaktivität zu vermeiden. Aber wahrscheinlich waren Timmys Tage der Normalität sowieso gezählt- sollte er es wagen, andere Gewohnheiten zu entwickeln, wäre die liebe Granny wohl die Erste, die ihn zum Kinderpsychologen schleifen würde.
„Granny sagt, ich soll nicht immer so rennen- ich könnte hinfallen. Und dann tu ich mir weh.“ Ich schloß die Augen. Sie wollte ihn vor allem bewahren- ein neues Muttersöhnchen heranziehen- der beim kleinsten Wehweh zu Oma rannte und nur sie hatte Recht. Mr. Wilson war ganz ruhig geworden. Es war wohl lange her, daß er so mit seinem Sohn sprach- oder das er überhaupt Zeit für ihn hatte. In seinem momentanen Zustand war es wohl besser, wenn ich die Sache übernahm.
„Okay- es ist nicht schlimm mit den Blumen- die wachsen wieder- und es war doch nur ein Versehen. Wir werden den Garten hinterm Haus ganz frei machen- dann kannst du da auch Ball spielen- ist das ein Vorschlag?“ Der Hausherr nickte erleichtert.
„Kann ich wieder spielen gehen?“
„Klar Timmy- wir müssen noch viel besprechen- wollen wir heute abend weggehen? Was hast du bei Granny gegessen?“
„Pudding und Chips.“
„Laß mich raten- es schmeckte wieder nicht?“
„Nein. Ich mag das nicht essen- lieber Pizza.“ Und damit ging er wieder. Ich hatte es geahnt- null Bewegung, falsche Ernährung. Wenn die Beiden allein wären, würde er wohl jetzt mit ihm losfahren, der Junge würde vor Hunger eine ganze Pizza verschlingen und dann wunderten sie sich, daß er zunahm.
„Nicht gerade ein leichter Esser, oder?“fragte ich taktvoll nach.
„Ich weiß, daß es falsch ist. Aber sie kennen ihre Kochkünste nicht. Er ißt es wohl nicht, weil es wirklich nicht schmeckt. Ich denke, er würde auch andere Sachen mögen, wenn er sie kennen würde. Bevor er in die Vorschule kam, wollte er dieses Fast Food nicht- da war er zu dünn- aber jetzt ißt er das nur noch.“
„Denken sie, wir könnten ihn umerziehen?“
„Können sie kochen? Ich meine- ist das bestätigt worden von anderen Menschen? Meine Mutter bildet sich ein, kochen zu können- nur essen kann es keiner.“
„Welch hartes Urteil- die Ärmste. Aber ich hab nicht erst in Kentucky für Kinder gekocht- überlassen sie das mir- wir kriegen ihn schon dazu. Ich nehme an, wir müssen erstmal einkaufen, um das zu bewerkstelligen.“
„Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, was in diesen Küchenschränken auf sie lauert. Wir haben eine Mikrowelle und zur Not einen Ofen- aber eigentlich brauchen wir nicht nur ´ne Köchin, sondern die Küche gleich mit dazu. Womit wir bei der Planung für nächste Woche wären.“ Und so fing mein erster Arbeitstag im Wilson- Clan an.
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Mr. Wilson erklärte mir, daß er eigentlich nicht frühstückt, aber wenn wir es für Timmy einführen würden, dann wäre er bereit, das zu ändern. Dann zeigte er mir das Erdgeschoß, deckte gnadenlos sämtliche Schwachstellen auf und erklärte den bereits vorhandenen Plan, ein paar Wände zu entfernen, um größere Räume zu erhalten. Das sollte in der nächsten Woche erfolgen, und aus dem ehemaligen Eßzimmer würde die große, offene Küche entstehen, der lange Flur um die Hälfte verkürzt und dort der Beginn des Eß- und Wohnzimmers sein. Kurzgefaßt- alles sollte raus- nicht nur Möbel, auch ganze Baustrukturen und Zimmeraufteilungen. Ich war eigentlich nicht mehr überrascht- dieser Mann krempelte soeben sein ganzes Leben um- lag wohl an der Beförderung und das sein Sohn in die Schule kam. Und vielleicht auch, weil da jemand Angst vor der drohenden 40 hatte. Nannte man sowas schon Midlife-Crisis? Oder eher plötzlicher Anfall von Amerikanismus? Alles soll größer, besser, schöner, technischer und teurer sein. Dafür hab ich hart gearbeitet, darauf bin ich stolz.
Die ehemalige Küche würde zum Büro umfunktioniert werden, um mehr zu Hause arbeiten zu können. Und ich ahnte es bereits- morgen früh um acht sollte das Abrißkommando vor der Tür stehen und die Durchbrüche machen. Hatte dieser Mann bedacht, daß es auch noch Möbel in den Räumen gab? Die mußten eigentlich vorher raus, oder? Womit wir beim ersten Streitthema angelangt waren- er wollte alles wegwerfen- und ich fand den Eßtisch so toll, daß ich alles aufbot, um ihn zu retten. Er war original Art Deco- sowas warf man nicht weg! Und wer hatte schon 12 gleiche, total schöne Stühle dazu? Sicher- die Polster mußten erneuert werden- aber ich würde ihn umbringen, wenn er den Tisch weggab!
Erstaunlich schnell gab er nach- und siehe da- ich sollte sagen, was dableiben sollte und was wegkonnte. So rettete ich auf heldenhafte Weise die originalen Möbel aus dem Jahre 1905- und etwas restauriert würden sie mit Sicherheit diesem Haus ein ganz eigenes Flair geben. Sowas Europäisches- elegant und einzigartig. So wie das Haus und der Mann- und eigentlich der ganze Clan- denn eine ernsthafte Macke hatten sie schon. Die waren so wenig amerikanisch wie das Haus und der Garten- also paßte ich da wohl hervorragend hinein.
Es bedeutete zwar, entweder früh sehr zeitig aufzustehen- oder eine Nachtschicht einzuschieben, um die Schätze vor dem Staub zu retten, aber dazu waren wir bereit. Ich beschloß, allen Kleinkram in Emmas Zimmer zu verstauen- nur die alten Stücke seiner Großeltern. Byebye, Emma. Er wollte nichts davon behalten. Dann machten wir uns an die Möbel- und ich staunte, als Timmy mit anfaßte. Alles rückte in die Turmecke in dem Zimmer, dessen Funktion ich nicht erkennen konnte. Es war der schönste Raum- aber er stand fast leer- und so wie das Eßzimmer hatten sie ihn nie benutzt. An diesem Abend erkannte ich, daß Jugendstil auf Dauer verdammt schwer war- vor allem Vitrinen und große Tische. Der Monstertisch aus dem Eßzimmer blieb an seinem Ort und würde abgedeckt werden. Dafür brauchten wir noch Folie, aber die besorgten wir vor dem Essen im Restaurant- und es war ein Steakhaus und nicht dieses Schnellding an der Mall. Wenigstens ließ er sich nicht lumpen. Ich sollte Wein trinken- er würde fahren- aber das wies ich kategorisch ab- schließlich wartete noch viel Arbeit auf uns- und ich vertrug nichts- aber das sagte ich nicht. Wir Deutschen gelten bei ihnen als Trinkervolk, da war es unverständlich, wenn eine schon nach zwei Glas flach lag. Also einigten wir uns auf einen alkoholfreien Abend, was auch ganz nett war. Ich schaffte es sogar, Timmy etwas von meinem Salat unterzujubeln- und mal ehrlich- jeder, der uns sah, nahm mit Sicherheit etwas Anderes an. Wenn man überhaupt etwas sah, denn wie alle Restaurants war es hier zappenduster- aber genauso kinderfreundlich.
Und dann wurde ich in den Geheimbund Wilson- Clan eingeführt. Timmy dürfte mit den anderen Kindern spielen gehen und wir hatten Zeit zum Reden, weil das Essen warten ließ.
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„Der Wilson-Clan- tja- das ist etwas Besonderes. Seit 178 Jahren leben wir Wilsons hier. Wir sind ehemalige Schotten.“ Er lachte über die eben dargebotene Theatralik seiner Stimme, die an seine belehrsame Mutter erinnerte.
„Ist nicht wahr?“ Ich war überrascht. Ich hätte, wie erwähnt, auf Engländer getippt- etwas steif- formell- aber was für ein Humor.
„Mc Wilrson war ein kluger Mann, der nach Amerika kam, um Land zu bestellen- so wie alle Anderen auch. Sie siedelten sich hier an- und daraus entstand die lange Riege der Roberts, Richards und Ewans. Und es war üblich, diesen Namen auf Teufel komm raus zu erhalten- deshalb nahm mein Vater Mutters Namen an- sie war Einzelkind und der Name in erster Reihe wäre sonst ausgestorben. Und nun wird dieser Clan von Robert und Julie, ihren Kindern und meiner Wenigkeit- zusammen mit Mutter aufrecht erhalten. Dann gibt es noch die Bewleetown- Wilsons- das sind die Nachfahren des Bruders meines Großvaters. Die sind ein großer Verein von etwa 30 Leuten, von denen drei Familien in Bewleetown leben- und die Kinder in der ganzen Welt verstreut sind. Eine ist sogar Model in Paris. Zwei weitere kinderreiche Familien sind in Iowa- die kommen nur manchmal zu Besuch.“
„Was heißt- Kinderreich?“
„Oh- naja- ich bin sozusagen die Ausnahme dieser Generation. Robert und Julie haben 4 Kinder, die in Bewleetown 4, 3 und 5 und deren Kinder auch schon wieder so Einiges. Aber die in Iowa sind Spitzenläufer- 9 und 11 Kinder. Du kannst dir in etwa vorstellen, was passiert, wenn die aufeinandertreffen. Das passiert das nächste Mal in einem Monat- Gott bewahre, wenn Mutter 60 wird.“
„Und wann werden sie 40, wenn ich das fragen darf, Mr. Wilson?“
„Weißt du was- ich beantworte dir diese Frage nicht- aber dafür ist Schluß mit Mr- und Miss- verstanden? Nenn mich einfach Richard- zumindest, wenn wir allein sind- vor Arbeitskollegen oder so-.“
„Und vor Mutter-.“
„Ja- ich glaube, da sollten wir etwas förmlicher bleiben. Also- Betty- nicht wahr?“
„Sie haben es ja doch begriffen. Richard. Ist einfacher als Mr. Wilson- das macht so alt.“ Und von da an sollte ich seine Betty bleiben. Es wäre wohl zu erwähnen, daß es im Amerikanischen natürlich nur ein You gibt- aber für mich galt selbst Richard noch als eine Authoritätsperson- und ich vergaß nicht, daß er mein Boss war.