Ben Hur
Vor wenigen Monden erwarb sich der Pfalzgraf käuflich ein Rösslein. Ein englisches Rösslein – voll von Fehlern, wie es von englischen Rösslein nicht anders zu erwarten ist – aber dennoch edel und hübsch anzuschauen. Ein Rösslein mit der Kraft und Ausdauer von zweihundert Pferden. Ein Rösslein dem Pfalzgrafen ebenbürtig und angemessen.
Er wollte dieses Rösslein ausführen. Nicht auf die Weide – diese hatte es während langer Monde intensiv genießen dürfen. Es sollte –Ben Hur gleich – auf die Rennbahn. Seine Kraft und Ausdauer im Vergleich mit andern Rössern beweißen.
Doch wo sollte er eine angemessene Rennbahn finden?
Die A5 zwischen den Kreuzen Weinheim und Walldorf schien dem Pfalzgrafen angemessen, Sein Rösslein zwinkerte ihm Zuversicht zu. Es war ebenso erpicht auf das Wagenrennen wie sein Meister.
Also auf den Weg.
Es begab zu mittäglicher Stunde als Ross und Reiter die besagte Wegstrecke erreichte. Viele Rösser und Reiter in mannigfaltiger Ausführung befanden sich bereits auf dem Kurs. Er ordnete sich ein. Ein echtes Rennen war noch nicht im Gange. Die Gespanne behinderten sich gegenseitig. Zu viele Rösser waren auf dieser Strecke zugegen.
Vor ihm ein altes bayrisches Pferdchen. Mit einer Niere auf der Brust geheftet beförderte dieses erbarmungswürdige Tier eine Horde wilder Türken durchs teutonische Land. Junge Männer, die Hosen weit unterhalb des analen Ausgangs sitzend ritten sie das arme Tier fast zu schaden. Es konnte und wollte nicht mehr. Seine fünfzehn Lebensjahre wollten die Reiter wohl nicht wahrhaben. Die Baseballkappen rücklings aufgesetzt flogen sie dahin – viel zu laute Rapmusik erklang an des Pfalzgrafen Ohr. Lass sie rasen – dies ist nicht Deine Welt – sagte er zu sich und seinem Rösslein ins Ohr und machte den wilden Burschen Platz.
Doch er selbst wurde behindert. Durch ein japanisches Rösslein. Wie alle Japaner klein und in sich gekehrt verweilte es – quasi als Störenfried – auf der linken Rennspur. Geritten von einer älteren Dame. Einer Dame, welche wohl besser zu Hause flink und geschickt die Strickliesel bedient als sich hier in dieser Männerwelt zu beweißen. Auf ihrem kleinen Rösslein sitzend – verängstigt und die Zügel fest an sich gerissen – hoffte sie nur noch die nächste Ausfahrt lebend zu erreichen. Die Angst quälte ihr ohnehin schon viel zu hässliches Gesicht.
Hinter dem Pfalzgrafen erscheint plötzlich mit unglaublicher Geschwindigkeit ein großes und starkes Ross. Den Untertürkheimer Stern auf die Stirn geheftet, rauschte der Rappe breit und schwarz mit unglaublicher Geschwindigkeit an. Dicht gefolgt von einem Hengst aus Stuttgart. Die Augen hell erleuchtet wollte er unseren Helden von der Fahrbahn vertreiben. Der Pfalzgraf beobachtete das schnelle Treiben durch den Rückspiegel. Sein Reiter – wohl ein Herzog oder Fürst – bediente während des rasanten Rittes gleichzeitig sein Sprachrohr mit der linken Hand, wie auch seine rechte Hand zum Vertilgen einer halben Schweinshaxe beschäftigt war. Wie viele Hände besitzt solch ein Fürst eigentlich fragte sich der Pfalzgraf während er seinem Rösslein die Sporen gab und es anhielt die linke Spur zu verlassen. Lass die rasende Wildsau vorüberziehen.
Doch dies war nicht so einfach. Auf der rechten Rennspur tummelten sich die Kaltblüter. Schwere Pferde – langsam und bedächtig, aber in der Lage 30 Tonnen zu ziehen. Deren Reiter – wohl schon seit Stunden, wenn nicht Tagen im Sattel – hatten andere Sorgen als den Pfalzgrafen und sein armes englisches Rösslein einfädeln zu lassen. Sie waren beschäftigt sich während des Rittes die Fußnägel zu schneiden und ein Tagesblatt mit mehr Bildern als Text zu verschlingen. Sie ließen ihn nicht ein.
So gab er seinem Pferdchen die Sporen und hoffte nicht von den Untertürckheimer und Stuttgarter Hengsten niedergemäht zu werden. Sein altenglischer Gaul zeigte wahrlich sportliche Höchstleistungen.
Des Pfalzgrafen Hunger überkam ihn gleichzeitig wie seines Rössleins Durst. Sein geschultes Auge gewahr plötzlich ein Schild „Rasthof Hardtwald nach 1000 Metern“ am Straßenrand. Er huschte flux nach rechts zwischen den Kaltblütern hindurch zur Tränke für sich und sein Tier.
Wie es sich für einen ehrenwerten Reitersmann geziemt versorgte er zuerst sein Tier mit 95 Oktan um dessen Durst zu stillen. Danach begab er sich in die Taverne. Sein Auge gewahr – ebenso schnell wie sein Magen – ein Buffet. War dies jedoch der richtige Ausdruck für ein Sammelsurium ungenießbarer und übel riechender kurpfälzischer Spezialitäten? Er hätte weiterziehen sollen. Dennoch nötigte ihn sein Magen eine Bratwurst mit Sauerkraut zu vertilgen. Nicht ohne Folgen.
Bereits wenige Meilen auf der Rennbahn sollte er bemerken, dass die Tätigkeit seines Darmes die Geschwindigkeit der Stuttgarter Rösslein noch bei weitem überbot. Diese sportlichen Pferdchen galoppierten ebenso schnell auf der A5 wie sein Darm versuchte die Bratwurst in seinem Inneren zu verarbeiten. Der Darm war gestresst und wollte die Bratwurst zurück zum Magen befördern. Diese erschienen ihm wohl noch nicht ordnungsgemäß verdaut.
Der Magen jedoch verweigerte die Annahme, da diese – seiner Meinung nach – nicht sachgerecht zerkleinert und demnach zurück in die Speiseröhre gehöre. Während Speiseröhre, Magen und Darm sich zerstritten was wohl mit der Bratwurst geschehen solle wurde es dem Pfalzgrafen immer mehr unwohl. Er wollte sich nicht im Sattel seines edlen englischen Rössleins übergeben. Er sollte nach Hause.
Schnell nach Hause, wo ihn ein wohlbekannter Ort - gedacht zur Entsorgung bereits ordnungsgemäß verdauter Nahrung – erwartete. Sein Rösslein schien dies begriffen zu haben und führte ihn schnell zu jenem Platz.
Dort angekommen ergab er sich der Reklamation seiner Speiseröhre. Er liebkoste zärtlich die Kotflügel seines englischen Rössleins und versprach im niemals wieder wie Ben Hur die Rennbahn zu besuchen.