Fantasy & Horror
Gottes Engel

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"Gottes Engel"
Veröffentlicht am 30. September 2009, 56 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Das zweite Gesicht aus früheren Zeiten fasziniert mit seinem Endzeitglauben, aber auch der Kraft, das zu sehen, was wir heute verlernt haben. Meine Werke spiegeln die andere Welt wieder, das, was jenseits des Bekannten lauert- auf der anderen Seite der Schwelle.
Gottes Engel

Gottes Engel

Beschreibung

Dies ist der Anfang meiner Gargoyle-Trilogie, die seit 5 Jahren mit mehreren Unterbrechungen heranreift. Die ersten Kapitel spielen in der Vergangenheit (auch in ihrer Ausdrucksweise und heute vielleicht anders interpretierten Worten!), um die Charaktere vorzustellen. Im Verlauf wird man bemerken, daß dies keinesfalls ein Mittelalter- Roman ist, auch wenn der Anfang vielleicht so klingt. Mit dem Haupttitel für die gesamte Trilogie hadere ich allerdings noch...

Die Hure

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Die Liebe ist alles.

Sie verführt, sie gibt- aber sie nimmt umso mehr.

Und manchmal ist sie so stark, daß sie uns selbst verführt.

Sind wir nicht unsterblich?

Wir sind es- in unserer Liebe zum Tod.

 

 

Die Hure

 

Sie muss sterben!“ antwortete Bischof Friedhelm mit starrem Blick ins Feuer. Er wusste, es bräuchte eine List, um sie ergreifen zu können- ER würde sie schützen.

Friedhelm! Ihr wisst selbst, dass das unmöglich ist!“ Bischof Marzik wirkte sichtlich angespannt. Nicht zum ersten Mal führten sie dieses Gespräch- und auch nicht zum letzten Mal würde er versuchen, den deutschen Bischof von der Unmöglichkeit seines Sinnens zu überzeugen.Auch wenn er bereits ahnte, daß es leere Worte in den Ohren seines Verbündeten waren. Friedhelm war besessen von der Vernichtung der Person, die ihm gefährlich werden konnte- denn niemand wußte, was sie wirklich durch IHN erfuhr.

Sie ist nicht einmal katholisch- nur eine Frage der Zeit, bis das Volk gegen IHN und seine Geliebte rebellieren wird. Ob wir das nun ein wenig beschleunigen- wer wird uns aufhalten? Sie bedroht die heilige Mutter Kirche mit ihrer bloßen Anwesenheit. Sorge dafür, dass sie eingesperrt wird. Noch heute.“ Er entließ den schwitzenden Bischof mit einem müden Handwink. Es war zum Verrückt werden. Drei Jahre war es her, seit dieses russische Hurenkind nach Paris gekommen war und Kardinal Raymond direkt vor die Füsse gestolpert war. Friedhelm war sich sicher, daß sie die Gesandte des Teufels war, die sich durch Raymond in die heilige Mutter Kirche einschlich, um sie von innen heraus zu vergiften. Nur ein schwacher Mann konnte ihr unterliegen- und das war Raymond- schwach, wenn es um Frauen ging- diese Ausgeburten der Hölle. Wäre er nicht selbst aus einer geboren worden- er hätte sie alle ausgerottet. Aber diese Besudelung seiner Reinheit durch das Blut seiner Mutter wollte er lieber vergessen- allein die widerwärtige Vorstellung, wie sich eine Frau anfühlen mußte- schrecklich. Leider mußte es sie geben, um die Menschheit erhalten zu können- aber diese ganze Sache mit dem Blut und dem Schmutz, der an ihnen haftete war einfach widerlich. Aber er war dem überlegen. Gott hatte ihm eine höhere Aufgabe gestellt- die wilden Barbaren zu missionieren, um sie der heiligen Mutter zuzuführen und natürlich auch, um sie politisch in der Hand zu haben. Niemand seiner Glaubensbrüder konnte ihm weismachen, sie würden uneigennützig handeln- nicht einmal Clairvaux, auch wenn er seinen Nutzen daraus noch nicht offenbart hatte. Raymond war durchschaubarer. Er war ein Grafensohn- aber nicht der Älteste. Also wurde er ins Kloster geschickt und durchlief eine harte Ausbildung. Mir dem Erfolg, zum Kardinal ernannt zu werden. Friedhelm wußte ob der weltlichen Interessen des Franzosen- er las Ovid, kritisierte ihn gar, und vertrat die Auffassung, es könnte Liebe unter den Menschen geben. Und dann seine Vorstellungen vom neuen Gottesreich- Hinwendung zu himmlischen Lichtern, oder wie er diese Überzeugung nannte. Ein Scholastiker der Kirche- der sich somit nicht an die alten Regeln hielt. Aber sollte das Zölibat endlich Gesetz unter ihnen werden, würde es ihm schlecht ergehen.

 

 

Ihr solltet nicht soviel arbeiten, eure Eminenz!“ Sie strich im Vorbeigehen über den ergrauten Haarschopf und ließ sich neben seinem Stuhl auf den Boden. Er legte seine Hand auf ihren Kopf und sah sie nachdenklich an. Sie war noch genauso schön wie damals- und wenn sie ihn so liebevoll, aber trotzig von unten herauf ansah, gab es seinem Herzen einen Stich. Er würde sie niemals offiziell lieben dürfen. Nur, weil Luis und Frederic älter waren. Doch das tat ihrem Glanz keinen Abbruch. Ihre langen, braunen Locken fielen über das rote Kleid und wurden nur von einem Stirnreif aus dem Gesicht gehalten. Waren es ihre katzengrünen Augen gewesen? Oder die hohe Stirn? Sie sah so jung aus- niemand würde glauben, daß sie schon 20 war. Irgendwie hatte sie sich diese Jugend erhalten können. Es lag wohl daran, daß sie nicht verheiratet war und den Kummer von Totgeburten und Krankheit erleben mußte. Innerlich dankte er wie so oft der Gräfin, daß sie nicht darauf bestand, ihre Dienerin zu verheiraten. Sie war selbst im gleichen Alter- und man sagte, die beiden Frauen wären beste Freundinnen und teilten alles. Nun- ihn teilte Lucilla nicht mit ihrer Herrin, auch wenn diese genau Bescheid wußte und sie manchmal mit einfachen Botschaften zu ihm schickte, damit es nicht auffiel. Sein Dank war ihr gewiß- und er hatte ihr versprochen, beim Herrn ein gutes Wort für sie einzulegen.

Wenn ich dich nicht hätte! Du bist die einzige Freude in meinem Leben- weißt du das?“ Er zog sie nach oben und küsste sie erst auf die Stirn, dann auf die Wangen und schließlich auf den Mund.

Aber ihr habt sie doch alle unter euch- ihr befehlt, und sie gehorchen. Ist das denn nichts?“ Flüsterte sie rau. Sie wollte ihn verstehen- aber er sprach mit ihr nur wenig über seine Geschäfte, und das, was sie wußte, hatte sie nur heimlich aufgeschnappt- und es hatte sich umso mehr in ihre Seele gebrannt. Der Mann, der so liebevoll sein konnte, hatte eine schwarze Seele, die ihn skrupellos machte, wenn es um seine Macht ging. Und in den letzten Jahren war es schlimmer geworden- oder war ihre Blindheit der ersten Liebe nur der Realität gewichen? Vielleicht hatte sie sich nur verändert- war erwachsen geworden- und somit berechnender. Schließlich gab es das Risiko, entdeckt zu werden, daß sie selbst ihm gegenüber vorsichtig machte. Denn er würde es nie verstehen.

Ich habe schon immer deine Naivität geliebt. Nicht ich bin es, der die Macht hat. Wenn du danach strebst, solltest du dich an die Bischöfe um mich herum halten. Ich bin nur eine Puppe, die sie lenken- und irgendwann werde ich sterben- freiwillig oder auf weniger freiwillige Art- und ein neuer Mann tritt an meine Stelle. Nur eines wird sich wohl nie ändern- wir schwören die Abstinenz- aber ihr kleinen Teufel kriegt uns doch.“ Er lächelte und streichelte ihre Wange. Als sie ihn damals zum ersten Mal sah, war er noch schwarzhaarig und wirkte jung und lebenslustig. Aber drei Jahre der ständigen Sorge um die schwindende Macht der Kirche hatten ihn altern lassen. Und insgeheim wußte sie auch, daß ihn noch etwas anderes quälte- er liebte eine Frau. Vielleicht sogar mehr als seinen Gott- und das machte ihm Angst. Und gerade diese Frau war nicht einmal Christin. Ein Skandal, der, wenn er bis zum Papst dringen würde, ihn die Stellung und alle Ehren kosten würde. Aber zum Glück hatte der andere Sorgen. Die Heiden im Osten waren noch nicht geschlagen, die heilige Stadt nicht fest in der Christen Hand. Da war eine kleine Hure in Frankreich nicht von Belang.

Die Bibel hat eben immer recht. Gott schuf den Mann, und der Teufel die Frau.“ Sie stand auf und beugte sich mit ihrem Ausschnitt verführerisch lächelnd über sein Gesicht.

Da hat aber meine kleine Heidin nicht aufgepasst- das steht nicht in der Bibel- das haben sich ein paar Männer ausgedacht, die Frauen verachten. Ich dagegen muss sagen, dass ihr durchaus eure schönen Seiten habt.“ Sanft fuhr er den Ausschnitt ihres Kleides nach und spürte den festen jungen Busen, der sich hob und senkte.

Laßt das nicht euren Gott hören!“ warnte sie leise.

Der hat anscheinend nichts dagegen- oder siehst du irgendwo einen Blitz auf mich niederfahren? Glaub mir- wenn es nicht Gottes Wille wäre, würde er mir ein Zeichen geben.“

Wie ihr meint. Lest mir etwas vor. Bitte!“ quängelte sie und legte ihm die Bibel hin.

Nein- heute nicht mehr. Und wir sind doch bald fertig damit- siehst du- nur noch die Offenbarung- das hat Zeit. Sonst kannst du nicht schlafen wegen all der greulichen Dinge, die der Welt am jüngsten Tag zustoßen werden.“ Er seufzte leicht. Sie war so wißbegierig, daß es ihm manchmal Angst machte. Wieso interessierte sie sich so sehr für die Bücher? In den drei Jahren hatte er ihr alles vorlesen müssen- besser gesagt übersetzen aus dem Lateinischen und dann erzählen- Ovid, die ganzen alten Griechen, die er besaß, die Bibel- sogar die Vita der Päpste. Und nun waren sie fast fertig. Er würde neue Bücher brauchen, wenn sie weiterhin so versessen darauf war.

Wenn ich lesen könnte, müßte ich euch nicht damit quälen.“

Wer kann das schon? Nicht einmal die Männer, die sich Könige nennen, können es- warum sollte da eine kleine russische Heidin es können- es ist doch schon unglaublich, wie schnell du französisch gelernt hast.“ Es konnte unmöglich sein, daß sie intelligenter war als die Männer, die das Reich regierten! Manchmal beschlich ihn diese leise Angst- wieviel von dem, was er ihr sagte, merkte sie sich? Wieviel davon könnte sie gegen ihn verwenden? Er liebte sie wie seine Tochter- und wie seine Geliebte- aber sie war nur eine Frau. Sie könnte nie seine Vertraute sein- oder ihm ebenbürtig.

Nur für euch.“ Sie zog ihn langsam hoch und führte ihn zum Bett. Dann half sie ihm aus seinem Talar und aus dem langen Untergewand. Er war nicht mehr so jung- etwa 35- doch trotzdem noch gut gebaut und nicht so verweichlicht wie all die anderen Bischöfe und Kardinäle, die sie zwangsläufig kennen gelernt hatte. Aber er war auch etwas Besonderes- er war immerhin ein Kardinal. Und sie war sein.

 

Lucilla, oder Lischka, wie sie eigentlich einmal hieß, bevor sie nach Paris gekommen war, schlich sich vor Sonnenaufgang aus seinem Schlafzimmer. Er war bereits wach- so wie jeden Tag- und verabschiedete sie, um sie in zwei Tagen wieder zu sehen. Ihr Weg führte über eine steile Hintertreppe, durch die Gänge der Bediensteten und dann über einen Hohlweg an der äußeren Mauer entlang durch ein Schlupfloch. Wie oft war sie diesen Weg schon gegangen? Wie oft hatte sie befürchtet, jemand könnte sie entdecken? Die Huren der Geistlichen waren zwar bekannt, aber wenn man sie nicht in flagranti erwischte, konnten sie nicht verurteilt werden, schließlich würde das die Autorität der Obrigkeit angreifen. Und sie war vielen ein Dorn im Auge- das wussten sie Beide. Schließlich war sie mehr als nur eine Geliebte, die für kurze Zeit Favoritin war- sie hatte das geschafft, was andere niemals wagen würden- sie war sich der Liebe dieses Mannes sicher. Er, der nicht lieben dürfte- ausser seine Schäfchen. Nun, sie war eines von ihnen- vielleicht sogar das kleine Schwarze- schließlich hatte er nie von ihr verlangt, katholisch zu werden- was wohl daraus resultierte, dass sie dann selbst nach den Regeln hätte leben müssen- und Keuschheit war wohl nicht gerade ihre Stärke, wenn er schon seinen Gott anrief, weil sie mal wieder Dinge tat, die wohl sämtliche Kirchenmänner als Teufelswerk verurteilt hätten. Aber er war anders, auch wenn er sie stets ermahnte, dieses und jenes nicht zu tun, weil es die Bibel verbat. Und sie dann sanft zurückwies und ihr nur das erlaubte, was er für richtig hielt. Was nicht viel war- aber das wußte sie nicht, denn er war ihr erster Mann.

Hinter sich hörte sie plötzlich Schritte. Lucilla zog das Kopftuch enger und beeilte sich, auf die große Strasse zu kommen. Ängstlich drehte sie sich noch einmal um, sah aber zu spät den Knüppel auf sich zufliegen und dann war alles schwarz. Sie sackte ohnmächtig zusammen und fiel in den tiefen Matsch, der sich in der Gasse angesammelt hatte.

 

Eure Eminenz- ich weiß nicht, wie ich anfangen soll-!“ wehrte sich Bischof Friedhelm, als er das düstere Gesicht des Kardinals bei seiner morgendlichen Audienz wahrnahm. Es hatte sich bereits herumgesprochen- die Hure des Kardinals war erfasst worden. Das er dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle gespielt hatte, verschwieg er natürlich- schließlich galt er als Vertrauter seiner Eminenz.

Aber ich weiß es. Ihr werdet zu dieser Hexe gehen und sie um den Zauber bitten.“

Eminenz! Das ist Blasphemie! Ihr könnt doch nicht auf zweifelhafte Wesen zurückgreifen- dass würde euch um so verdächtiger machen! Noch können wir darauf hoffen, dass es als Beleidigung euch gegenüber angesehen wird und alles ein schnelles Ende findet.“

Er bemühte sich, so ehrfurchtsvoll wie möglich zu wirken, aber innerlich triumphierte er. Das war das Ende für diesen Mann- und dann würde ein Stuhl frei- wer weiß, wer diesen besetzen würde. Wenn er schon auf Hexenkunst zurückgreifen wollte, war es weit mit ihm gekommen. Die Hure hatte ihn also in ihrem Netz gefangen. Wie konnte er es nur wagen, diesen Weg zu wählen? Andererseits- wer sagte, daß Hexenkunst im Namen der Kirche wirkte? Und dann auch noch an Einer, die nicht dem Papst unterstand?

Ein Ende? Wie sieht denn eurer Meinung nach ein schnelles Ende aus?“ Der Kardinal war außer sich, und nur schwer konnte er sich auf seinem Stuhl halten, ohne den Bischof zu packen und vor lauter Wut zu verprügeln.

Das wisst ihr genau. Natürlich müsste ein Schuldiger oder vielmehr eine Schuldige gefunden werden. Würde euch also nachgewiesen werden, dass sie bei euch war- und zweifelsohne wird sich ein Beweis finden lassen, könntet ihr euren Kopf immer noch retten. Die Frau an sich ist ein teuflisches Wesen. Gerade eure Geliebte- wie heißt sie doch gleich- Lischka- ein sehr christlicher Name, wie ich finde, könnte doch durchaus eine Hexe sein. Sie hat euch verzaubert- und ihr seid ihr verfallen.“ Er konnte sich ein diabolisches Lächeln nicht verkneifen. Letztendlich war es doch auch so- dieses Weibsbild war irgendwann aufgetaucht, und hatte ihn sogleich bezirzt mit ihrem frechen Augenaufschlag, wo doch jeder wusste, dass man seiner Eminenz immer unterwürfig zu begegnen hatte. Aber sie hatte vor ihm gestanden wie eine Fürstin, dabei war sie nur eine dumme Magd, die es aus reinem Zufall bis nach Frankreich geschafft hatte.

Ich würde nie zulassen, dass man sie hinrichtet! Lieber-.“ Er verkniff sich die nächsten Worte, aber der Bischof hatte verstanden.

Lieber würdet ihr eure Macht aufgeben? Ist es das, was ihr wollt? Nur zu eurer Information- einen Kardinal abzuwählen ist nicht so einfach- vielmehr passieren seltsame- sagen wir- Unfälle, die ganz schnell einen neuen Mann auf euren Thron setzen.“

Es klingt, als wolltet ihr mir drohen.“ Langsam wurde dieser Bischof widerlich. Was immer er plante- er hatte eindeutig die schlechteren Karten. Schließlich war Friedhelm einer der einflussreicheren Bischöfe im Vatikan- und er wusste mehr, als er dürfte.

Mitnichten. Wie käme ich dazu? Aber ich schlage euch einen Handel vor. Ich werde niemandem erzählen, was ich weiß- womit es Sache der Richter ist, über die kleine Hure zu entscheiden.“ Er machte eine demonstrative Pause. „Und ihr gebt mir dafür ein paar Kirchengüter- sagen wir etwas hübsches im Süden- ich würde mich gerne auf meine alten Tage etwas zurückziehen.“

Nein.“

Denkt darüber nach.“

Nein. Ihr könnt froh sein, wenn ich euch nicht wegen Erpressung und Unterschlagung von Kircheneigentum- ja, davon habe ich erfahren- vor Gericht stelle. Aber ich schlage euch einen Handel vor. Ihr sorgt dafür, dass Lucilla zu dieser Hexe gebracht wird, sie eine der neuen Krieger wird und somit vor Scharlatanen wie euch sicher ist. Und als Gegenzug erlaube ich euch, weiterhin eure Stellung zu behalten, was ich zweifelsohne angesichts eurer Missetaten nicht müsste. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.“ Er funkelte ihn unverhohlen böse an.

Aber-!“ wollte der Bischof aufbegehren, aber der Kardinal unterbrach ihn.

Ihr dürft euch jetzt entfernen! Ach- und das wir uns richtig verstanden haben- sollte Lucilla auch nur ein Haar gekrümmt werden, werde ich persönlich dafür sorgen, dass ihr in der Hölle landet. Unser Herr ist immer gerecht- was meint ihr- welche Torturen hat er für euch ersonnen?“ Nun war er es, der sich ein boshaftes Lachen nicht verkneifen konnte. Denn eines wusste er genau- wenn Bischof Friedhelm auch nicht vor den schlimmsten Verbrechen zurückschreckte, hatte er doch, so wie viele Andere, Angst vor der Hölle. Er selbst hatte sich damit abgefunden, wohl für seine Liebe leiden zu müssen- aber die Regeln darüber, wie keusch ein Mann der Kirche leben muss, hatten Menschen gemacht, nicht Gott. Und er wusste, dass Lucillas Liebe rein und gut war. Es hatte ihr weder Vorteile noch Reichtum oder Macht gebracht, mit ihm verbunden zu sein- eher nur Verachtung und Spott. Aber sie hatte es ertragen- drei lange Jahre. Wenn dies nun das Ende ihrer Liebe sein sollte, so würde er wie ein Mann dazu stehen. Oder zumindest alles ihm mögliche tun, um das schlimmste zu verhindern- denn ohne sie würde er nicht mehr leben wollen. Alles wäre grau und tot ohne ihr Lachen und ihre Neugier. Vielleicht war sie sogar zu etwas Höherem bestimmt, und dies war nun Gottes Zeichen, daß er sie zu sich holen wollte. Nichts konnte die Kirche nun mehr brauchen als die Krieger, die ihr in das neue Bewußtsein verhalfen und sie schützten. Und den Menschen zeigten, wie groß Gott wirklich war.

Gefangen

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Holt sie raus- Befehl von oben.“ Knurrte der Wächter und schloß das Verlies auf, indem Lucilla angekettet und in schimmeligem, stinkenden Stroh lag und vor Angst und Kälte zitterte.

Mädchen- du musst verdammt einflussreiche Freunde haben.“ Bemerkte er, als sie an ihm vorbei geführt und die Treppe nach oben gezerrt wurde.

Draussen blendete sie das grelle Sonnenlicht, und sie versuchte, ihre Augen mit der Hand zu schützen, aber sie wurde ihr heruntergeschlagen. Sie war wie betäubt von dem Gestank und der Dunkelheit da unten, den sie drei lange Tage hatte ertragen müssen. Die Knechte zerrten sie zu einem Karren, der von zwei alten, klapprigen Schindmähren gezogen wurde. Man warf sie auf die modrigen Planken und der Wagen polterte los. Als sie sich langsam erhob, sah sie die engen Gassen an sich vorbeiholpern. Die Menschen wandten sich sofort von ihr ab oder bespuckten sie. Als sie am Markt entlang kamen, wurde sie als Hure beschimpft und altes Obst und stinkende Eier folgten darauf. Wer immer für ihre Verlegung- oder was auch immer folgen mochte, verantwortlich war, musste sie sehr hassen- sonst hätte er es doch auch nachts tun können, wenn sie wenigstens niemand sah. Mit Schrecken bemerkte sie, wie sie die Stadttore erreichten. Wo brachte man sie hin? Sie versuchte, sich aufzurichten, was beim Holpern des Wagens nicht besonders einfach war.

Wo fahren wir hin?“ fragte sie den Kutscher.

Wir? Nirgendwo. Du wirst nach Prag gebracht.“ Es traf sie wie ein Schlag. Prag. Das war unglaublich weit entfernt! Der Wagen hielt etwa eine halbe Meile hinter den Stadttoren und es schien so, als würden sie auf etwas warten. Dann tauchte ein anderes Gespann vor ihnen auf. Schon von weitem erkannte Lucy den verschlossenen Aufbau, der nur eins bedeuten konnte- ein Wagen für Gefangene! Sie war also nicht frei- ganz im Gegenteil! Die Panik stieg in ihr hoch- wenn es stimmte, und sie sollte nach Prag, würde ER keine Macht mehr haben, ihr zu helfen. Und dann bemächtigte sich ein viel schlimmerer Gedanke ihrer Selbst- Prag war Sitz des Bischofs, der immer mit Bischof Friedhelm verhandelte. Sollte etwa der Bischof dahinter stecken? Aber dann bedeutete das etwas viel schlimmeres- Kardinal Raymond war in Gefahr! Und sie konnte ihn nicht warnen. Vor innerem Schmerz sank sie weinend zusammen und bemerkte kaum, wie sie zum anderen Wagen gebracht, dort hinein gesperrt wurde und es weiterging.

 

Wir haben euren Befehl ausgeführt. Leider erforderten es die Umstände, dass wir sie aus der Stadt bringen- das Volk ist äußerst aufgebracht. Wir konnten sie davon überzeugen, dass es nicht eure Schuld ist. Aber ihr müsst euch dem Volk zeigen. Es will von euch hören, dass es nicht so ist, wie es scheint.“ Einer der Helfer des Bischofs war vorgeschickt worden- wohl auch, weil es Friedhelm selbst nicht mehr wagte, ihm unter die Augen zu treten.

Ich kann nicht. Ich fühle mich nicht wohl. Entfernt euch.“ Antwortete er nur matt. Wahrscheinlich war es nur der Schmerz, sie verloren zu haben- aber seit gestern ging es ihm nicht gut- er spürte ein ständiges Stechen in der Brust.

Noch ein Glas Wein- Carlo.“ Murmelte er und versuchte, das seltsame Gefühl zu vergessen.

Es war nicht so, daß er sie liebte und deshalb jetzt litt. Er brauchte sie. Schließlich hatte sie sich doch um ihn gekümmert- hatte ihm zugehört und versucht, ihm zu helfen. Sicher- für sie war er ihre große Liebe, daß hatte er akzeptiert- aber hätte es etwas gegeben, für das es sich zu kämpfen lohnte, und demzufolge ihr Opfer forderte, er hätte wohl nicht zu zögern gewagt und sie für Gott aufgegeben. Aber das hatte er ihr nie gesagt. Sie war nur so lange bei ihm geblieben, weil es nichts Wichtigeres gab. Nichts, für das er sich hätte einsetzen müssen. Alles war Alltag. Während sich die Ritter im heiligen Land durchschlugen saßen die ehrwürdigen Vertreter der Kirche herum und warteten. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis man den leiblichen Lastern verfiel. Der eine aß übermäßig, andere brauchten jeden Tag Unmengen von Wein- und Männer wie er suchten sich Geliebte, die ihnen die Abende verkürzten.Welch göttliche Ironie, daß nur er dafür bestraft wurde!

 

Lucilla reagierte kaum noch darauf, was um sie herum geschah. Der Hunger war nach kurzer Zeit vergangen, auch wenn ihr der Kutscher ab und an etwas trockenes Brot abgegeben hatte und auch bemüht war, sie bei seinen Rasten nach draussen zu lassen. Er hatte es zwar erst getan, nachdem sie ihm versprechen musste, nicht wegzulaufen- aber wahrscheinlich sah er auch, dass sie dafür viel zu schwach war. Nach wenigen Tagen hatte er dann angefangen, von seiner Familie zu erzählen- aber er vermied es, sie zu fragen, warum sie eine Gefangene war. Vielleicht wusste er es auch. Es war ihr nicht mehr wichtig. Alles erschien ihr leer und tot. Warum konnte sie nicht einfach sterben? Und warum um alles in der Welt hatte die Gräfin ihr nicht geholfen?

Wir müssen die Nacht im Wald verbringen. Es gibt hier kein Wirtshaus.“ Murmelte er, als sie gehalten hatten und fluchte unverständliches Zeug. Dann schob er den Riegel weg und machte die Tür für sie auf.

Denk an unsere Abmachung.“ Er entfernte sich wieder und suchte Feuerholz.

Sie kroch aus ihrem Verschlag und hockte sich hinter den nächsten Baum, damit er sie nicht sehen konnte, wenn sie ihre Röcke hob. Wenigstens war er ein anständiger Mensch, der nicht von ihr verlangte, in den Wagen zu machen. Dann hockte sie sich mit angezogenen Knien neben sein Feuer und betrachtete ihren Wächter. Er war vielleicht 30 Jahre alt, groß gewachsen und blond. Ein zerzauster Bart zeugte davon, dass er schon sehr lange unterwegs sein musste. Sein Dialekt ließ auf Normandie schließen. Wie konnte es seine Frau nur so lange ohne ihn aushalten? Er musste 3 Kinder versorgen- vermisste er sie denn nie?

Wo bringst du mich wirklich hin?“ fragte sie leise. Er reichte ihr etwas Dörrfleisch und den Wasserschlauch.

Prag, dass weißt du doch.“ Antwortete er knapp.

Zum Bischof?“ Es durchzuckte ihn kurz, und so kannte sie die Antwort.

Warum?“

Das weiß ich nicht.“ Er kaute verbissen an seinem Dörrfleisch.

Haben sie dir gesagt, wer ich bin?“

Nein.“ Ein seltsamer Blick in ihre Richtung verriet das Gegenteil.

Du bist ein schlechter Lügner.“ Sie nahm einen Schluck aus dem Schlauch.

Und du sehr klug. Aber anscheinend nicht klug genug, um sich von Gefahren fern zu halten.“ Er schüttelte traurig den Kopf. „Du bist noch so jung.“

Ich habe ihn geliebt, wenn du das wissen willst.“

Wahrlich eine sehr zukunftsträchtige Liebe.“

Das war uns egal.“ Sie knabberte unwillig an dem zähen, salzigen Fleisch herum.

Uns?“ Zweifelnd betrachtete er sie jetzt länger. Wenn das stimmte, war der Kardinal wohl in Gefahr- denn sollte er darauf bestehen, dass es sein freier Wille war-.

Sie werden ihn umbringen- wenn er nicht schon längst tot ist.“ Sie erschrak fast über die Kaltblütigkeit, die in ihren eigenen Worten lag- aber irgendwo hatte ihr Herz aufgegeben, noch zu hoffen. Nicht einmal darauf, dass er sie beschuldigen würde und es somit für ihn erledigt wäre, wollte sie hoffen. Er war stur- und er war zu stolz, um so feige zu handeln.

Der Kardinal? Wer würde das wagen?“ Ihr Gegenüber hörte auf zu kauen.

Die Bischöfe. Menschen, die in seine Nähe kommen können.“

Der Vatikan?“

Auch die. Was haben sie wirklich mit mir vor? Ich bin doch ihr Feind- die Teufelin, die in drei Jahren mehr über sie erfahren konnte, als ein Sterblicher wissen darf. Lass mich raten- der Bischof von Prag plant etwas besonders Grausames mit mir. Er wird die Hexe seinem Volk vorführen. Welche Hinrichtungsart ist die Widerlichste? Verbrennen? Vierteilen?“

Hör auf!“ unterbrach er sie schockiert. „Er plant nichts dergleichen. Der Befehl kommt vom Kardinal. Du sollst in Sicherheit sein- und- ich weiß es auch nicht recht. Sie sprachen in Latein, als ich den Befehl bekam. Es tut mir leid, dass ich das nicht verstehe- ich bin nur ein Gefangenenwächter und Kutscher.“

Ich weiß. Raymond hat es befohlen?“ Plötzlich stieg ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihr auf. Vielleicht konnte alles wieder gut werden. Aber ohne ihn?

 

    Prag im Jahre 1207

 

Willkommen in Prag- Lucilla- oder sollte ich besser sagen- Lischka- russische Heidin und Teufel, der einen Kirchenmann verführt hat?“ Der Bischof thronte vor ihr und schien sie durchbohren zu wollen. Sie sah ihn trotzig an, antwortete aber nicht.

Hat es der stolzen Hexe die Sprache verschlagen? Glaub mir- ich finde Mittel und Wege, das zu ändern.“ Er erhob sich langsam und ging zu einem Feuerbecken, wo er einen glühenden Schürhaken herausnahm und ihn demonstrativ vor ihr Gesicht hielt, wodurch sie die sengende Hitze des Metalls spüren konnte. Sie wich keinen Millimeter zurück.

Aber- aber, mein lieber Bischof Marzik- wir wollen doch nicht so unfreundlich zu unserem Gast sein!“ tönte eine wohlbekannte Stimme aus dem dunkleren Teil der Halle zu ihnen.

Bischof Friedhelm! Wie hätte es auch anders sein können!“ entfuhr es ihr. Ihr Wächter zog hörbar die Luft zwischen den Zähnen durch und schien sie ob ihres losen Mundwerkes warnen zu wollen.

Danke, dass du sie so heil und gesund hierher gebracht hast!“ Friedhelm warf dem Kutscher einen Geldbeutel zu und deutete ihm an, er könne nun gehen.

Es tut mir leid- ich wünschte, wir würden uns wiedersehen- in einer anderen Situation.“ Verabschiedete er sich kurz von ihr und beeilte sich, wegzukommen.

Lucilla- schöne- einfältige- aber trotz allem viel zu kluge Lucilla! Du glaubst ja gar nicht, wie gerne ich dich tot sehen würde. Wie gerne ich euch alle tot sehen würde! Allen voran unser geliebter, kränkelnder Raymond de la Plague!“

Krank?“ entfuhr es ihr.

Krank vor Liebe- wer weiß. Ein schlechtes Beispiel für die armen kleinen Schäfchen. Wie soll ein Mann in dieser Situation noch einen klaren Gedanken an sein Reich haben? Nur leider nicht so krank, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Dein Glück- oder auch- oh nein- mein Glück!“ Auf einmal schien ihm eine viel größere Gemeinheit einzufallen.

Liebst du eigentlich deine Schönheit, Lucilla? Deine kindlichen, so unschuldigen Gesichtszüge, deinen makellosen, jungen Körper?“ Er trat nahe an sie heran und fuhr ihr hart über die Wange, was sie angewidert zurückschrecken ließ. Was immer er plante- es war mehr als ihr Tod.

Jugend ist doch so vergänglich- findest du nicht?“

Wir werden alle alt- Gott will es doch so, oder?“ Sie konnte sich einen ironischen Unterton nicht verkneifen. Er würde vor ihr alt sein, wenn sie das je erreichen sollte- und seine Hölle würde eine schrecklichere sein als ihre.

Nun- ich habe keine Zeit, mich mit solchen Kinderspielchen zu beschäftigen- willst du also die Güte haben den Befehl des Kardinals zu erfüllen?“ Er wirkte plötzlich unwirsch und wütend. Wahrscheinlich war er im Moment in einer Position, die ihm keine andere Möglichkeit gab, als Befehle zu befolgen. Oder es war alles nur ein weiteres Spiel, um sie zu demütigen.

Willst du den Befehl lesen?“ Er reichte ihr einen Brief hinüber, der eindeutig das Siegel des Kardinals trug.

Nein.“

Oh- ich vergaß- du kannst ja nicht lesen. Eigentlich seltsam- wenn er dich so sehr geliebt hat, wie du es dir einbildest- wieso hat er es dich nicht gelehrt? Schon möglich, dass er befürchtete, du könntest seine Briefe lesen- die vielen Befehle, die er ausgegeben hat und die so einfachen Leuten wie dir nur geschadet haben. Wer weiß- hättest du es gewusst- wäre das Volk dir vielleicht sogar dankbar gewesen, wenn du die Politik für ihn gemacht hättest. Aber so- es sieht ganz so aus, als hätte er sehr viel Geld für dich ausgegeben- das er von seinen Schäfchen zurückgeholt hat. Schon verständlich, warum sie dich nicht gerade mögen.“

Das stimmt nicht, und das wisst ihr.“ Wehrte sie sich.

Ich weiß Vieles- mehr als du denkst, würde ich sagen. Und deshalb weiß ich auch, dass dein Raymond dein eigenes Todesurteil unterschrieben hat. Oh- sei nicht böse auf ihn- er weiß es nicht besser. Sein Befehl lautete nämlich, dich zu der Hexe zu bringen und einen Zauber auf dich anzuwenden. Natürlich will er dich nur schützen- aber manchmal gehen solche Zauber nicht gut aus. Tja- wir werden sehen.“

Was für einen Zauber?“ Sie hatte schon etwas von dieser Hexe gehört. Offiziell gab es sie natürlich nicht- aber wenn die Kirche mal wieder in der Klemme steckte, war sie meist die Helferin in der Not. Sie war ein Geheimnis, dass so gut gehütet wurde wie die Bibelschriften, die nie in der Bibel auftauchten oder andere Dinge, die einen Zweifel an Gott hätten aufkommen lassen können und deshalb in den Katakomben des Vatikans für immer verschwanden. Dinge, die die Gräfin gerne gewußt hätte- und die sie nun nicht mehr herausfinden würde.

Besprich das am besten selbst mit ihr- sozusagen von Hexe zu Hexe. Vielleicht kannst du ihr ja noch ein paar Tricks verraten, wie du IHN so weit bringen konntest.“ Er winkte ein paar Wächter heran, die sie ergriffen und in die Keller des Hradschin brachten, der von nun an wohl ihr neues Gefängnis sein würde.

 

Was ist mit euch, Eure Eminenz?“ der junge Priester beugte sich über ihn und fühlte seinen Puls. Etwas stimmte nicht mit dem Kardinal. Es war nun schon 6 Wochen her, seitdem Lucilla weggebracht worden war. Doch seit diesem Ereignis ging es ihm von Tag zu Tag schlechter. Er lehnte in seinem Stuhl und atmete schwer.

Ich fühle, wie es mich zerreißt. Und es wird immer schlimmer. Was passiert mit mir?“

Ich weiß es nicht- aber wenn ich ehrlich sein darf- ihr trinkt zuviel Wein, denke ich. Ich werde euch Wasser holen, das ist besser für euch.“ Der junge Priester ging nach draussen, um wenig später mit einem Krug zurück zu kommen. Raymond schluckte das Wasser nur widerwillig, schließlich hatte er immer Wein getrunken. Wasser war etwas für Tiere und Bauern, und man konnte sich damit waschen.

Legt euch etwas hin- ich werde euren Diener rufen.“

Nein- wartet.“ Er hielt ihn an seinem Gewand zurück.

Paulus- so heißt ihr doch, oder?“

Ja, Eure Eminenz.“

Werdet mein Diener- ich habe einen schrecklichen Verdacht.“ Müde sank er in die Kissen zurück und atmete durch. Warum war er nicht eher darauf gekommen. Carlo, sein Diener, war auf Empfehlung des Bischofs von Prag vor etwa einem Jahr zu ihm gekommen. War es möglich, dass die Bischöfe über Carlo versuchten, ihn zu vergiften?

Ihr müsst etwas für mich herausfinden. Wo kommt der Wein her, den ich immer trinke? Wer kommt außer meinem Diener noch in Kontakt damit?“

Ihr meint-?“

Nur eine Ahnung. Ich wünschte, es wäre nur ein Hirngespinst. Aber vorerst kein Wein mehr für mich. Und mein Essen müsst ihr auch überprüfen.“

Ich werde herausfinden, was hier vorgeht. Schlaft nun.“ Der junge Priester ließ ihn in die Kissen zurücksinken und deckte ihn zu, bevor er leise den Raum verließ.

Doch seine Träume waren viel schrecklicher als die Realität. Lucilla beugte sich lüstern über ihn- und dann stürzte er in den feuerroten Abgrund, der in verbrannte und doch nicht den Schmerz darüber nahm, daß er sich vielleicht hatte hinreißen lassen. Das er nie die Gefahr gesehen hatte, die von ihr ausging. Das die Gräfin eine nicht unwichtige Rolle spielen mußte, sonst würde sie all das nicht erlaubt haben. Aber warum?

Das Wesen

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Lucilla erwachte mit schrecklichen Kopfschmerzen. Erst langsam konnte sie sich zurückerinnern, was passiert war. Sie hatten sie erst nach ein paar Tagen zu dieser Hexe gebracht.Wahrscheinlich sollte sie erst noch etwas leiden- zusammen mit anderen Gefangenen, angekettet an feuchten Steinmauern, die keinen Ton nach außen dringen ließen. Die Hexe war eine alte Vetel mit häßlichen, zerzausten Haaren gewesen. Man hielt sie in Prag versteckt, damit niemand von ihrer Existenz erfuhr. Wahrscheinlich gab sie den Bischöfen auch Ratschläge, wie sie zu noch mehr Macht gelangen konnten. Sie hatten sie auf einen Tisch gelegt und festgehalten, weil sie begann, sich zu wehren, als die Hexe einen Hahn über ihr abstach und das Blut auf sie tropfen ließ. Dann machte sie irgendwelche seltsamen Sprüche, die sie in eine Art Ohnmacht sinken ließen- und dann war alles schwarz und blutrot. Sie wusste nicht mehr, wie sie in diese Zelle kam, noch, wie lange sie geschlafen hatte. Vorsichtig kroch sie im Dunkeln zu dem Wassereimer, der an dem Gitter stand. Das Licht der Fackeln spiegelte sich darin wieder. Sie beugte sich darüber und schöpfte das Wasser mit beiden Händen, um ihr Gesicht zu waschen. An ihrer Stirn spürte sie seltsame Beulen. Verwundert tastete sie danach- und dann starrte sie ein schreckliches Wesen aus der Wasserspiegelung an. Kreischend fuhr sie zurück- aber ihre Stimme klang nicht mehr wie sie selbst. Panisch sah sie auf ihre Hände. Sie waren graublau und mit langen Fingernägeln bewehrt. Was war passiert? Sie sprang auf und sah an sich herab. Der Schock ließ sie ohnmächtig werden. Nur kurze Zeit später erwachte sie wieder- aber es war kein Traum gewesen. Ihr gesamter Körper war gräulich blau. Adern und Muskeln traten deutlich hervor. Sie war vollkommen nackt. Als sie ihren Rücken bewegte, ertönte ein schleifendes Geräusch. Erschrocken sprang sie zur Seite- und landete wie ein wildes Tier in einer Art Hockstellung. Doch da war nur die kalte Wand, die sie anstarrte. Und da war es wieder- das Schaben. Und diesmal hatte sie es GESPÜRT, nicht nur gehört. Ungläubig drehte sie ihren Kopf und begann vor Angst zu zittern. Zwei riesige Schwingen ragten hinter ihr auf, und wenn sie sich etwas bewegte, taten sie es auch- als wären sie an ihr festgewachsen. Sie sah alles- aber sie konnte es nicht begreifen. Wer oder was war sie? Sie sank ängstlich in sich zusammen und starrte vor sich hin. Nicht darüber nachdenken- das ist ein Alptraum. So etwas gibt es nicht! Aber ihre Hände und ihr Körper wollten einfach nicht wieder normal werden- sie blieben dämonisch. Wie sehr musste Gott sie nur hassen! Die Tränen rannen über ihre Wangen, als sie nach oben sah, als hätte er eine Antwort für sie. „Warum? Bitte hilf mir!“ flehte sie leise. Aber niemand hörte sie, und so schlief sie irgendwann vollkommen verstört ein. Lucilla erinnerte sich im Traum wieder an etwas, daß sie einmal gehört hatte, als sie gerade zu Raymond kam und ein anderer Geistlicher noch da war, der ebenfalls die neuen Lehren vertrat. Es ging um eine Art Kriegerschaft, die die Kirche fortan beschützen solle. Eine Art Dämonen- schrecklich von Gestalt, aber nur, wenn sie kämpften. Sonst wären sie normale Menschen. Einer hätte bis jetzt überlebt- aber er wäre kurze Zeit später gestorben, weil er unklug gehandelt hätte. War das die Strafe für ihr Dienen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entstanden durch einen heiligen Zauber

sind sie die neuen Wächter der Macht.

Sie sind Gottes Engel, gefallen herab,

zu richten die Falschheit der Menschen.

Nur das reine Herz gebiert ihre Schönheit,

sie seien unsterblich, zu richten bei Nacht,

zu schlafen am Tage im Stein.

 

Lucilla wachte von der flüsternden Stimme auf. Sie hatte es deutlich gehört, und es würde sich tief in sie brennen- aber da war niemand. Die wunderschöne Frauenstimme war verklungen, als sie erwacht war. Es war alles nur ein Traum. Seufzend schlief sie weiter- begleitet von Alpträumen aus Blut, Hunger nach Liebe und -Rachedurst.

 

Was? Wie kann das sein?“ Der Bischof war ausser sich.

Er hat Carlo hinausgeworfen. Und nun wird er in zwei Tagen hier sein. Er will sie sehen.“ Bischof Marzik hatte gerade erst die Nachricht erhalten und war nun in einer für ihn unschönen Lage. Sie hatten den Befehl befolgt- aber hätte jemand ahnen können, was für ein Monstrum dabei entstehen könnte? Wahrscheinlich ja- denn zumindest Friedhelm schien mit dem Ergebnis mehr als zufrieden zu sein. Marzik hatte sich nie um die Hexerei geschert- es war ihm egal, was da unter seinen heiligen Hallen geschah, solange er weiterhin im Amt blieb. Deshalb ahnte er nur, daß diese Hühnerblut- Sache nicht ganz dem offiziellen Ritual entsprach. Er hatte nur das tote Tier gesehen- aber so dumm war er auch nicht, daß er nicht wußte, wie man böse Geister beschwor- oder Seelen festhielt, um sie von der völligen Umwandlung abzuhalten.

Gut!- Nicht gut- meine ich- aber wir werden ja sehen. Vorerst sollten wir sie wohl ein wenig öffentlichkeitsfähig machen. Er wird es nicht mögen, wenn sie so verwahrlost aussieht. Sie sollen sie waschen- und ihr etwas anziehen. Aber warne sie- ich weiß nicht, wie gefährlich sie wirklich ist.“ Sehr, sehr gefährlich- solange sie lebte. Aber Raymond war dann abergläubisch, wenn er sah. Und ein Dämon direkt vor Augen würde auch ihn von der Notwendigkeit überzeugen können, dieses Biest zu vernichten.

Die werden sich hüten, sie anzurühren.“ Bemerkte Marzik trocken. Er hatte es nur einmal gewagt, sie anzusehen. Sie hatte geschlafen- aber der Anblick hatte gereicht. Dieses Monster würde, wenn es nach ihm ginge, niemals jemand zu Gesicht bekommen.

 

Ich geh da nicht rein!“ protestierte die Wache. Die anderen Wächter weigerten sich ebenfalls. Sie hatten es nicht einmal gewagt, ihr etwas zu Essen zu bringen- zu schockierend war diese Ausgeburt der Hölle, auch wenn sie nackt war und eindeutig eine sehr attraktive Frau- die Schwingen und ihre Hautfarbe machten sie zu etwas, dass nur der Teufel erschaffen haben konnte.

Also schnappten sich die Wachen die Wassereimer und schleuderten den Inhalt einfach auf die schlafende Lucilla- die sofort aufsprang und gegen die Gitterstäbe krachte, weil sie vor lauter Wut auf diesen Angriff vergessen hatte, wo sie war. Sie knurrte und musterte die Wachen mit wütenden, durchdringenden Blicken. Diese standen wie erstarrt vor ihr und wagten kaum zu atmen.

Findet ihr das witzig?“ fauchte sie- bemerkte aber an den verwirrten Gesichtern, dass sie kein Französisch verstanden. Also versuchte sie es auf Russisch- aber auch da hatte sie keinen Erfolg. Langsam fiel ihr wieder ein, dass sie in Prag war. Die Chance, sich verständlich zu machen, lag also bei null. Sie deutete einem der Wächter, der noch am geistesgegenwärtigsten wirkte, dass er ihr einen Eimer mit Wasser geben sollte. Als die Wachen sie weiterhin anstarrten, merkte sie, dass sie nackt war- vielleicht war das ja auch der Grund für ihr Verhalten. Also sollten sie sich umdrehen- was nur mit Gesten scheinbar unverständlich war. Also starrte sie einfach zurück und deutete auf die Kleidung, die auf dem Boden lag und anscheinend für sie war. Mit dem Fuß schob einer der Männer sie näher an das Gitter, wagte es aber nicht, sie ihr zu reichen. Demonstrativ sagte sie auf Russisch und Französisch Danke und deutete ihnen, zu gehen. Wenigstens das verstanden sie und so konnte sie sich endlich waschen und anziehen. Die Kleidung erwies sich allerdings als weniger praktisch- wenn man es überhaupt Kleidung nennen konnte, so alt und abgewetzt, wie das Stück Stoff war, dass wohl einmal ein Kleid darstellte- ein gelbes, was in ihrer Situation wohl mehr als passend war. Wie sie da hinein kommen sollte, war ihr ein Rätsel- schließlich ragten Schwingen aus ihrem Rücken. Nach zwei Tagen hatte sie sich irgendwie damit abgefunden- wenn sie es auch für einen Scherz hielt. In schlimmen Situationen neigt der Geist eines Menschen manchmal dazu, dem Wahnsinn zu verfallen- und sie stand kurz davor. Gequält lachte sie, als das Kleid zerriß. Dann folgte wieder ein Weinkrampf. Wer immer ihr das angetan hatte- er würde büßen. Mit dem langen Kleid konnte sie sich weder bewegen, weil ihre Beine irgendwie anders zu funktionieren schienen als früher, noch war es praktisch. Also riß sie es so zurecht, wie es am besten erschien.Es wurde eine Art Lendenschurz und ein Stoffetzen, der ihre Brust verhüllte. Besser als nichts, aber schlimmer als alles, was eine Hure anziehen würde. Ein Hurengelbes Nichts, daß ihre Beine zeigte- und ihren Bauch der- zugegebenermaßen jetzt straffer aussah. Hatte sie schon immer so viele Muskeln gehabt? Irgendwie sahen ihre Beine so seltsam aus. Sie stand automatisch auf Zehenspitzen, was ihren gesamten Gang veränderte. Und am besten bewegte sie sich, wenn sie in der Hocke vor sich hin schleichen konnte- und das lag nicht an den Schwingen, die sonst an der niedrigen Gewölbedecke schabten. Sie hatte etwas Gefühl in den Spitzen bekommen- was komisch war, weil sie doch immernoch glaubte, daß es nur ein Traum war. Aber wenn sie sich bemühte, konnte sie die Schwingen bewegen. Abgesehen davon beschäftigte sie aber die Veränderung ihres Gesichtes und ihrer Fähigkeiten viel mehr. Sie hatte seltsame Knochenkämme , die sich von den Augen weit über den Vorderkopf zogen und die Haare bändigten, die auf unerklärliche Weise nun viel dicker waren. Und sehr viel länger, was dazu beitrug, daß sie verfilzten. Im Schein der Fackeln hatte sie es für eine Täuschung gehalten, daß sie lila waren, was ja vollkommen unmöglich war. Ihre Wangenknochen traten nun, da sie lange nichts mehr gegessen hatte, deutlich hervor. Ihre Lippen waren spröde geworden, weil sie ausser dem einen Eimer zum Waschen nichts bekommen hatte. Aber trotzdem fühlte sie sich von Tag zu Tag stärker. Sie spürte keinen Hunger- nur noch die Wut auf Friedhelm und Marzik, wie sie so etwas aus ihr hatten machen können. Sie würde fordern, daß sie es zurücknahmen. Das mußten sie doch- sie konnte unmöglich so weiterleben. Alle würden vor ihr davonlaufen. Und wenn sie es nicht freiwillig taten, würde sie sie foltern. Das wäre nur gerecht. Lucilla erschrak über ihre eigenen Gedanken. War das noch die junge Frau, die nur geliebt werden wollte? Die alles aufgegeben hätte für Raymond? Ein leises, ihr bisher vollkommen fremdes Gefühl beschlich sie. Raymond- es ist deine Schuld. Sie verdrängte es augenblicklich. Er wußte nichts davon- er hatte sie schützen wollen- und wenn er noch lebte, würde seine Liebe so stark sein, daß er sie auch so lieben könnte- denn sie war doch immernoch Lucilla, oder?

 

Eure Eminenz! Ihr seid zeitiger da, als wir erwartet haben!“ Friedhelm verbeugte sich tief.

Hört auf zu katzbuckeln! Wo ist sie?“ Raymond ließ dem verhassten Bischof, der wohl eindeutig dafür verantwortlich war, das er fast gestorben wäre, keine Zeit für Ausflüchte.

Sie ist sofort da. Vladschick- hol das Mädchen!“ ordnete er an. Die Wache blieb verwirrt stehen.

Das Mädchen? Holen? Ihr meint- ich soll sie-?“

Ja- hol sie. Kardinal Raymond will sie sehen- er wird sie sehen. Kommt doch herein- das Abendessen wird jeden Moment fertig sein!“

In eurer Gegenwart wage ich es kaum, auch nur an Essen zu denken. Haltet ihr mich für so dumm?“ Aber er ging mit hinein und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Die lange Reise war beschwerlich gewesen- und bald würde es Winter werden. Ob er überhaupt noch vorher zurück nach Frankreich kehren könnte, war unklar- schließlich waren Winterreisen heimtückisch und ein Schneeeinfall hatte schon so manchen das Leben gekostet. Aber wenn er sie erst mal zurück hätte, wäre alles egal. Er brauchte sie- das hatte er jeden Tag mehr und mehr gespürt. Es war wie eine Sucht. Er sah sie in allem- sah ihr Lächeln, ihre strahlenden Augen- und dann ,wenn sie sich allein glaubte, diesen ernsten Gesichtsausdruck, der ihr Innerstes zeigte. Sie war nicht so naiv, wie sie es vorgab. Aber sie war sein Leben- ohne sie war er so allein wie nie zuvor. Er wollte wieder das Kribbeln spüren, wenn sie ihn verführte, wenn ihre Lippen ihm Dinge versprachen, die er vorher nie zu träumen gewagt hätte.

Der Wachmann kam vorsichtig hinein und bemühte sich, reichlich Abstand zu seiner Verfolgerin zu haben. Er verbeugte sich kurz und trat dann zur Seite.

Lucilla blieb erschrocken stehen. Mit keiner Silbe hätte sie erwartet, IHN hier wiederzusehen. Sie bekam Angst. Was würde er sagen? Würde er sich dermaßen vor ihr erschrecken, dass sie sie gleich töten würden? Oder würde er ein Monster in ihr sehen? Sie konnte ihm unmöglich unter die Augen treten! Nicht so! Sie war ein Dämon- er sollte sie als die schöne Lucilla in Erinnerung behalten. Sie ging einen Schritt zurück. Der Schatten verdeckte sie gut, er hatte sie noch nicht erkennen können.

Seid wann bist du so scheu- komm her!“ forderte er sie auf- und wollte schon zu ihr gehen.

Lucilla wandte sich schnurstracks um und rannte zur Tür, durch die sie gekommen war.Es war zu viel. Noch nicht jetzt. Er mußte doch erst darauf vorbereitet sein- und das war er bei weitem nicht, so viel hatte sie aus seinen wenigen Worten entnehmen können.

Packt sie!“ ertönte die Stimme des Bischofs. Die Wachen überlegten erst mal, mussten dann aber einsehen, dass es ein Befehl war, also stürzten sich gleich 4 Männer auf sie. Sie fauchte laut auf und wirbelte zwei der Angreifer wie Fliegen von sich. Eine unbekannte Hitze stieg plötzlich in ihr auf. Sie konnte es nicht kontrollieren- es bemächtigte sich ihrer und ließ sie ihre furchterregenden Zähne in die Kehle des Wächters vor ihr schlagen. Das Blut schoß in einer Fontäne aus ihm heraus und ließ ihn würgen und röcheln. Die zum Entsetzen geweiteten Augen des Mannes starrten sie gnadenlos an.

Was um Himmels Willen-?“ Raymond blieb wie angewurzelt stehen, als er das grausame Geschehen erblickte. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Lucilla kniete auf allen Vieren vor dem Wächter und weinte. Dann hob sie langsam den Kopf und schien ihn mit ihrem vorwurfsvollen Blick durchbohren zu wollen.

Anstatt mich sterben zu lassen, hat deine Liebe das aus mir gemacht.“ Flüsterte sie hilflos. Sie zitterte am ganzen Körper. „Warum?“

Raymond schluckte. Was immer passiert war- er hatte das nicht erwartet. Sie sollte eine Kriegerin sein- sicher. Aber doch nur im Kampf ein Dämon. Doch das hier war die wahre Lucilla. Er mußte sich zusammenreißen, um nicht seinem Instinkt zu folgen und sich von ihr abzuwenden. Sie konnte nichts dafür. Er hatte nicht gewußt, daß ihr Herz nicht rein war- daß sie nicht zu den schönen Kriegern gehören würde, weil sie ein Dämon war, bevor der Zauber wirkte. Nun fühlte er die grausame Bestätigung. Sie hatten recht gehabt. Ihr jetziges Aussehen spiegelte nur ihre verdorbene Seele wider. Er würde all seine Kraft brauchen, um sich nichts anmerken zu lassen. Langsam streckte er seine Hand nach ihr aus und berührte ihre Wange, an der noch das Blut des Wächters klebte. Er ließ sie aufstehen. Dann sah er in ihre verzweifelten Augen, die immer noch die von Lucilla waren.

Wasch dir das Gesicht.“ Flüsterte er und ging zurück zum Tisch. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben- und Friedhelm triumphierte.

 

Was bin ich?“ fragte sie nun, als er ihr angedeutet hatte, sie solle sich doch setzen. Die Dienerschaft fuhr ein wahres Festmahl auf- aber sie bekam keinen Teller. Verräterisch knurrte ihr Magen, als sie den Geruch von gebratener Gans wahrnahm. Wortlos schob Raymond ihr seinen Teller hin. Sie stürzte sich sofort darauf- und ihre schlechten Tischmanieren ließen den Bischof aufstöhnen. Sie schmatzte und biß von der Keule ab, als wäre sie ein Bauer.

Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“ fragte der Kardinal beherrscht und mit einem wütenden Blick an das andere Ende der Tafel, wo Friedhelm immer kleiner wurde.

Auf der Hinfahrt.“ antwortete sie mit vollem Mund und spülte alles mit einem riesigen Schluck Rotwein hinunter. Der obligatorische Rülpser folgte prompt. Er überhörte es. Was immer sie war- es wiederte ihn insgeheim an, obwohl er es nicht wollte.

Wirklich- sehr gastfreundlich. Habt ihr gehofft, sie würde schon irgendwann verhungern? Und was sind das für Sachen? Es sieht aus wie Fetzen!“

Sind Fetzen.“ Nuschelte sie. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals so schlechte Tischmanieren gehabt hatte.

Ihr habt mir immer noch nicht gesagt, was ich bin.“ Sie wischte sich mit dem Handrücken das Fett vom Mund und musterte ihn fragend. Er war kalt zu ihr- distanziert. Als würde er sie nicht kennen. Das hatte sie nicht erwartet. Sicherlich wäre auch sie nicht begeistert, ihn so zu sehen, aber sie hätte ihn darin gesucht und ihm wenigstens gesagt, daß es wieder gut wird- irgend etwas, daß sie trösten würde. Aber nichts.

Wo ist die Hexe?“ fragte Raymond stattdessen.

Fort.“

Ich nehme an, ihr habt damit nichts zu tun?“ Er wirkte beherrscht, aber innerlich focht er einen Kampf, den wohl nur sie verstanden hätte, wäre sie nicht zu einer Art Tier geworden. War das der Einfluß des Teufels? Er war immer ein rationaler Mensch gewesen- nur das hatte ihn so weit gebracht.Der Mensch konnte vieles selbst erreichen. Man musste nachdenken, dann konnte man auch Gottes Wort befolgen. Von blindem Religionseifer hielt er nicht viel.

Aber dieses Wesen ließ ihn alles anzweifeln, was er je geglaubt hatte. Und dabei war es seine Lucilla. Er würde sie nie wieder so sehen können wie bisher. Und das ließ eine erschreckende Erkenntnis in ihm aufkeimen. Sie wäre besser gestorben.

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Über den Autor

Ninth
Das zweite Gesicht aus früheren Zeiten fasziniert mit seinem Endzeitglauben, aber auch der Kraft, das zu sehen, was wir heute verlernt haben. Meine Werke spiegeln die andere Welt wieder, das, was jenseits des Bekannten lauert- auf der anderen Seite der Schwelle.

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Ninth Lange Texte und das Internet... - Tja- ich geb dir ja recht- hier sind meist nur sehr kurze Sachen vertreten. Leider bin ich ein Mensch, der meist sehr lange Sachen schreibt- "richtige" Romane sozusagen. Wie gesagt- es soll eine Trilogie werden. Wohl schwierig, so etwas im Internet zu veröffentlichen. Aber wenn ich jemandem damit eine Freude machen kann, und er oder sie gern eine Fortsetzungsfantasy mitverfolgen möchte, dann ist es mir das wert.

Danke für den lieben Kommentar. Ich werde versuchen, möglichst immer im gleichen Rahmen zu bleiben beim Veröffentlichen und mehrere einzelne Sachen draus machen.

LG Ninth
Vor langer Zeit - Antworten
Dutyfighter o.O!!!!! - Hallo Ninth,
Ich finde die Art wie du schreibst schön(meine Meinug da ich 16 bin und Texte in solchen formulierungen mag) nur hättest du diesen Text in viele kleinere zerstückeln müssen.
Ich kann selber nicht so gut schreiben, als ich begann deine Story zu lesen wollte ich wissen wie lange diese ist.
Über 20 Seiten, da war ich abgeschreckt denn so viel Zeit auf einmal habe ich jetzt nicht^^
Sorry aber ich werde mir bald Zeit nehmen und alles lesen da ich den Ansatz nicht schlecht finde...
Grüße Dutyfighter
Vor langer Zeit - Antworten
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