Beschreibung
Zane führt das ganz normal abnormale Leben eines pubertierenden Teenagers. Er steht auf Kriegsfuß mit manchen Lehrerern, hat einen außergewöhnlichen Freundeskreis, hat gewisse Problemchen mit seinen Eltern und steht auf Metal. Vielleicht würde er sogar zu der ein oder anderen Saufparty gehen, oder sich anfangen für Mädchen zu interessieren, wäre da nicht der zweite, nicht ganz so gewöhnliche Teil seines Lebens. Sein Leben als Kreatur der Schatten. Aus Gründen, die er selbst nicht kennt, besitzt er die Kontrolle über die Mächte der Finsternis und Dunkelheit. Er nutzt diese um sein und das Leben der anderen Menschen in seinem Umfeld vor anderen Kreaturen zu schützen. Das gelingt ihm auch ganz gut, bis plötzlich ein geheimnisvolles Mädchen in sein Leben tritt...
Der Hinterhalt
„Wie wäre es, wenn du mal etwas zum Unterricht beitragen und meine Frage beantworten würdest Zane?“ schallte die schrille Stimme meiner Lehrerin aufgebracht durch den kleinen Klassenraum und riss mich aus meinem erholsamen Halbschlaf. Mein Blick schwenkte gemächlich vom Fenster zurück zu dieser kleinen, nervigen Frau, deren Halsschlagader mich zu erschlagen drohte. Mit gekreuzten Armen und ihrer altmodischen Dauerwelle stand Frau Genen vorwurfsvoll vorm Pult und funkelte mich wütend an. „Also?“ wiederholte sie und zog dabei ihre gezupften Augenbrauen hoch, sodass sich ihre Stirn in eine exakte Nachbildung der Rocky Mountains verwandelte. Mal wieder zweifelte ich daran, ob sie wirklich erst 28 war, wie sie es uns weiß machen wollte. „Wenn sie aufhören ihr richtiges Alter zu vertuschen, dann gerne liebe Frau Genen.“ erwiderte ich träge und ignorierte das Kichern und Lachen, das durch die Klasse schwappte. „Das bringt dir ein weiteres Mal die Hausordnung ein! Damit wären wir beim achten Mal.“ fauchte sie und ein siegreiches Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Ach kommen Sie! Erst acht Mal? Ich wollte eigentlich meinen Rekord vom letzten Jahr brechen, aber wenn sie nicht mitarbeiten wird das ein hartes Stück Arbeit.“ meckerte ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Irgendwo von hinten zischte Lia, eine gute Freundin von mir, zwischen zusammengepressten Zähnen ein „Übertreibs nicht!“ hervor, während der Rest der Klasse in Gelächter ausbrach. Bevor die Lehrerin etwas erwidern konnte, meinte ich noch unwirscht: „Es war übrigens ein 3/8 Takt.“ Frau Genens Schultern bebten und alles was sie erwidern konnte war ein: „Wir sprechen uns noch!“ Dann kehrte sie mit vor Wut zitternder Stimme zu ihrem monotonen Vortrag über ungerade und gerade Taktarten zurück. Ich schüttelte den Kopf, wunderte mich über ihre Unfähigkeit eine elfte Klasse zu unterrichten und schaute dann wieder aus dem Fenster. Die Wolken türmten sich vor dem Himmel auf und verschlangen gierig jedes Anzeichen, das es überhaupt eine Sonne gab. Ein mulmiges Gefühl, als ob irgendetwas die Schule beobachtete breitete sich in meinem Magen aus. Wahrscheinlich, ja sogar höchst wahrscheinlich war ich der einzige, dem es so ging. Ich spürte es schon den ganzen Morgen, auch wenn es jetzt besonders deutlich, trotzdem flüchtig war. Ich hasste solche Vorahnungen. Nicht nur, dass sie furchtbar unangenehm waren und die Lehrer es dann meistens zu spüren bekamen, nein normalerweise stellten sie sich am Ende auch noch als zumindest teilweise zutreffend heraus. Dieses Mal sollte es keine Ausnahme sein.
Das ersehnte Schellen beendete die Stunde und entließ uns ins Wochenende. Ich seufzte erleichtert, schwang mir meine Tasche auf den Rücken und wartete geduldig auf Lia. Sie warf mir einen ihrer typischen das-wird-dich-noch-einmal-den-Kopf-und-Kragen-kosten-Blicke zu und folgte mir dann aus dem Klassenzimmer. Zum Glück blieb einer ihrer belehrenden Vorträge aus, stattdessen unterhielten wir uns über unwichtigen Kram bis sich unsere Wege vor der Schule trennten. „Tut mir Leid, aber ich werde heute einen anderen Weg nehmen. Ich muss noch ein paar Nachforschungen für meine Eltern betreiben..“ meinte ich zu ihr. Sie seufzte: „Schon wieder? Können deine Eltern nicht mal ihre faulen Hintern selbst bewegen? Warum sind die überhaupt umgezogen? Das versteh ich immer noch nicht. Ständig schicken sie dich wie einen Laufburschen hin und her... “ „Das frag ich mich auch, aber was will ich machen? Wenn ich nicht nach ihrer Pfeife tanze, muss ich hier weg.“ log ich gekonnt. Meine Eltern würden lieber sterben, als noch einmal mit mir in Kontakt zu treten, geschweige denn mich bei ihnen aufnehmen. Und das sollte auch so bleiben.
„Da hasst du auch wieder Recht... Nun gut, dann sehen wir uns morgen wieder okay? Du hast hoffentlich nicht vergessen, was wir abgemacht haben oder?“ „Kino richtig?“ „Gut denk ja dran! Wir wollten in die Mittagsvorstellung und anschließend noch in die Stadt. Vergiss es ja nicht!“ „Keine Sorge, werde ich schon nicht. So lückenhaft ist mein Gedächtnis nun auch wieder nicht.“ „Ich nehme dich beim Wort. Und wenn du es brichst, dann lass ich mir für dich etwas ganz besonderes einfallen.“ Sie warf mir einen nachdrücklichen Blick zu und ich hob abwehrend meine Hände. „Schon gut schon gut, aber damit das auch wirklich klappt, muss ich jetzt wirklich los. Sonst werde ich damit nie fertig und müsste morgen noch einmal los.“ „Okay, dann bis morgen und...“ Doch ich unterbrach sie lachend: „Ja ja ich werde es schon nicht vergessen.“ Ich verabschiedete mich mit einem Winken und machte mich auf den Weg.
Ich ging in die entgegengesetzte Richtung und verschwand nach wenigen Schritten unbemerkt in einer engen Seitenstraße. Ich folgte ihrem Verlauf einige Meter und nahm dann eine Abzweigung in eine dunkle Gasse. Missmutig legte ich den Kopf in den Nacken und spähte mit zusammengekniffenen Augen eine Hauswand hinauf. Eigentlich wusste ich nicht, wofür dieses Gebäude gebaut wurde, ich vermutete es war eine alte Fabrik, aber es war verlassen und zudem das höchste Haus im Umkreis der Schule. Somit gab es keinen geeigneteren Ort, um die Umgebung ungestört in genaueren Augenschein zu nehmen, auch wenn einem die dunklen, leeren Fenster einen gruseligen Schauer über den Rücken jagen konnte. Mein Blick wanderte langsam wieder runter und dann zur Seite zu einer schäbigen kleinen Feuerleiter, die sich bis zum Dach durchzog. Ein erschöpftes Seufzen entglitt mir. „Es hilft ja doch nichts. Ist immerhin ein gutes Training.“ murmelte ich mir selbst aufmunternd zu und schlenderte lustlos weiter die Gasse entlang, bis ich direkt unter der Leiter stand. Mit einem einzigen beherzten Sprung erreichte ich die letzte Sprosse und zog mich mit einem Ruck immer weiter hoch. Das rostige Metall schnitt mir in die rauen Hände und während ich kletterte, kroch dessen Kälte langsam durch meinen Fingerspitzen in meinen ganzen Körper. Das flaue Gefühl in meiner Magengegend wurde immer stärker, was definitiv nicht an der Höhe lag. Egal wie sehr ich versuchte es zu ignorieren, irgendwie gelangte es immer wieder zurück in mein Bewusstsein. Mittlerweile befand ich mich schon über den benachbarten Dächern und kletterte unbeirrt weiter die Leiter entlang. Da mir nun der Schutz der anderen Häuser fehlte, kannte der Wind kein Erbarmen. Eisig peitschte er mir ins Gesicht, fuhr mir unter die Kleidung und jagte mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. „Verflucht, irgendetwas wird heute dafür bluten müssen!“ fluchte ich düster, als ich durchgefroren das Dach erreichte.
Etwas härter als ich es eigentlich wollte, schmiss ich meine Schultasche direkt neben die Leiter und ließ meinen Blick vorsichtig über das Dach schweifen. Alles war wie immer. Vor mir am anderen Ende der rechteckigen Fläche sprossen zwei graue Schornsteine von mehreren Metern Durchmesser aus dem Boden hervor und überdeckten alles mit ihren gigantischen Schatten. Von der Mitte aus etwas nach rechts versetzt waren ein paar Treppen, die zu einem Durchgang führten. Zumindest musste es früher so gewesen sein. Heutzutage kam man nicht weiter als drei Schritte und stand dann vor einer massiven Wand aus Trümmern der alten Decke. Ich hatte versucht sie zu beseitigen, um eventuell einen bequemeren Weg hier hoch zu finden, aber nach drei Tagen harter Knochenarbeit, geschätzten 20 Beulen am Kopf durch herunterfallende Steine und kaum einen Fortschritt hatte ich es aufgegeben.
Nachdem ich mich versichert hatte, dass es keine bösen Überraschungen geben würde und mein ungutes Gefühl völlig unbegründet war, schlenderte ich zum Rand des Daches, stieg auf die Sicherheitsmauer und ließ meinen Blick über die Dächer der Stadt wandern. Mit einem genervten Seufzen, schloss ich die Augen und erweckte die Kräfte, die tief in mir schliefen. Die vertraute Energie durchströmte mich, füllte mich aus und vertrieb jegliche unangenehme Kälte. Mein ganzer Körper kribbelte und für einen kleinen Moment fühlte ich mich so lebendig wie noch nie zuvor. Langsam öffnete ich wieder meine Augen, doch der Anblick, der sich mir bot vertrieb jedes noch so kleine Hochgefühl. Ungläubig wanderten meine Augenbrauen hoch und mit tonloser Stimme fragte ich den Wind: „Ihr wollt mich doch wohl verarschen oder?“ Missmutig blickte ich in die andere Richtung und stellte erleichtert fest, dass ich dort keine mehr entdecken konnte. Mein Blick wanderte zurück und trotz meiner wärmenden Kraft fröstelte ich. Ich zählte mindestens 20 dieser verdammten schwarzen Nebelwolken. Sie schwebten alle im unmittelbaren Umkreis der Schule, manche waren in ständiger Bewegung, andere verharrten still auf einem Fleck. „Das wird ein äußerst langer Tag.“ murmelte ich und versuchte mir die Positionen aller Wolken zu merken. Mit einem Seufzen wandte ich mich ab, um meine Tasche zu holen. Und das gerade noch rechtzeitig. In dem Moment, in dem ich mich umdrehte schoss plötzlich etwas von der Größe einer Bulldogge aus dem verschütteten Durchgang auf mich zu. „Wie zum...?“ fluchte ich überrascht, doch das Wesen gab mir keine Möglichkeit auszusprechen. Mit einem Brüllen riss es sein Maul auf und sprang mich gefletschten Zähnen an. Ich rettete mich im letzten Augenblick mit einer geschickten Rolle zur Seite. Seine messerscharfen Klauen erwischten mich trotzdem und ich spürte, wie es meine Seite entlang der Rippe aufschlitzte. Warmes Blut tränkte meine Kleidung und ein atemraubender Schmerz brachte mich aus dem Gleichgewicht. Meine Knie knickten ein, die klaren Züge der Welt verschwommen vor meinen Augen. Nichtsdestotrotz wirbelte mit dem Kopf zu dem Untier herum und entdeckte es mit gierigem Blick seine blutige Klaue leckend auf der Sicherheitsmauer stehen. Instinktiv beschwor ich meine Magie herauf, streckte meine Hand aus und entlud einen unspektakulären, aber wirksamen Schockwellenzauber. Er traf den überraschten Dämonen genau auf dem Kopf und schleuderte ihn in einem hohen Bogen das Dach herunter. Schon im Flug begann er sich zu dematerialisieren. Kleine Teilchen lösten sich von seiner schwarzen Silhouette, verdichteten sich zu dünnen Nebelschwaden und flirrten für den Bruchteil einer Sekunde in den verschiedensten Farben, um anschließend ins ewige Nichts überzugehen und von der Welt zu verschwinden. Ich bezweifelte, dass von ihm noch was übrig sein würde, wenn er den Boden erreichte.
Schnell legte ich meine Hand auf die Wunde und rief erneut die Mächte in mir an. Eine dicke, dunkle Flüssigkeit bildete sich unter meiner Hand, die ich so schnell ich konnte über meine Verletzung fließen ließ. Fast sofort trat eine erleichternde Milderung des Schmerzes ein. Ein erleichtertes Seufzen entglitt mir. Doch nachdem der Schmerz meinen Verstand wieder freigegeben hatte, verfluchte ich mich selbst für meine halsbrecherische Dummheit und mein Kopf wirbelte zu dem Durchgang aus dem das Vieh gekommen war. Alle meine Nerven waren bis zum zerreißen gespannt und ich erwartete jede Sekunde einen neuen Angriff. Ich kniff die Augen zusammen und schärfte meinen Blick so gut ich konnte. Aber da war nichts. Nichts außer die Dunkelheit des Ganges, die meine Augen ohne Probleme zu durchdringen vermochten. Doch das beruhigte mich nicht im geringsten. Nein es bewirkte eher das komplette Gegenteil. „Ich hätte ihn nicht übersehen können... Oder war er vielleicht...? Nein... Dann wäre er nicht so leicht gestorben“ grübelte ich fluchend und ließ meinen Blick, erneut ohne Erfolg, über das Dach wandern. Verwirrt beendete ich meinen provisorischen ersten Hilfe Zauber und ging in die Hocke, wobei ich vorsichtshalber, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, mit den Fingerspitzen den Boden berührte. Ich sammelte und konzentrierte meine Kraft bis ich sie nicht mehr in mir halten konnte. Ein dichter schwarzer Dampf strömte aus mir heraus, der sich kreisförmig um mich ausbreitete. Mir wurde schwindelig, als ich meine Kräfte so explosionsartig freisetzte und kippte beinahe zur Seite weg. Ich konnte mich gerade noch halten, atmete einmal tief durch und setzte den Zauber fort. Erst umschmiegte der Dampf meine Füße und kroch langsam meine Beine hoch, doch von einen auf den anderen Augenblick schoss er wie eine gigantische Flutwelle am Boden entlang und färbte das gesamte Dach pechrabenschwarz. Eine gigantische Fülle von Eindrücken und Informationen strömten auf mich ein, als mein Zauber langsam in alles, was auf dem Dach war, in jedes Molekül, jedes Atom vordrang und sie analysierte. Fast sofort erkannte ich die Fußspuren des Dämons, der mich angegriffen hatte und verfolgte sie bis zu dem verschütteten Durchgang zurück. Und da fand ich was ich suchte. An der Decke klebten der eindeutige Beweis, das es kein Zufall gewesen sein konnte.
Wenn ein Zauber gewirkt wird, dann muss der Wirker diesem Zauber eine gewisse Menge seiner magischen Energie zuweisen, um ihn wirken zu können. Sollte er ihm einen zu hohen Betrag zugewiesen haben, wird trotzdem die gesamte Kraft für diesen Spruch verbraucht. Unter Umständen kann es ihn verstärken, aber in den meisten Fällen wird nur eine festgelegte Menge an Energie gebraucht. Aber da die überschüssige Kraft nicht einfach verschwinden kann, wird sie nach Vervollständigung des Zaubers in Form von winzigen Ablagerungen, die charakteristische Merkmale des Wirkers tragen, zwischen den einzelnen Atomen der beteiligten Stoffe oder in der Luft abgelegt.
Und so war es auch hier. Zwar konnte ich die übrigen Partikel an einer Hand abzählen, aber sie waren da und bewiesen, dass auf die Decke erst kürzlich ein Zauber gewirkt wurde. „Es musste sich wohl um einen Teleportationsspruch gehandelt haben.“ folgerte ich und stand langsam auf. Ich schaute mich noch einmal vorsichtig um, überprüfte erneut die Informationen, die mir mein eigener Zauber lieferte und rief ihn dann beruhigt, dass ich vorerst in Sicherheit war, zurück. Wie als ob der Dampf ein Eigenleben hatte setzte er sich auf meinen Befehl hin in Bewegung und floss zurück zu mir. Er kletterte an mir hoch, mit tiefen Zügen atmete ich ihn ein und mit jedem Atemzug kehrte ein großes Stück meiner Kraft zu mir zurück. Nach einem kurzen Zögern drehte ich dem Durchgang den Rücken zu und hielt nochmal Ausschau nach den verräterischen Nebelwolken. Ich zählte durch und stellte besorgt fest, dass eine verschwunden war. „Ich werde in nächster Zeit vorsichtiger sein müssen...“ flüsterte ich mir selbst zu, wandte mich von dem tristen Anblick der Stadt ab, kletterte ohne weiteres Murren die Leiter herunter und begab mich auf die Jagd.