Beschreibung
Von Kriegsschrecken und der Erfahrung, Freunde zu verlieren.
Jennas Hydraulikflüssigkeit rann ihr über die verdreckten Finger.
Jenna lag sterbend in ihren Armen, demonstrierte ihr erstmalig und in der plastischsten nur vorstellbaren Form wie sinnlos dieser Krieg doch war, und wie wenig sie nur tun konnte.
Der Kampf tobte ungestört um sie herum weiter, doch es schien, das dieses kleine Fleckchen Erde, auf der sie mit Jenna in ihren Armen hockte, aus diesem Geschehen ausgeblendet sei.
Jenna versuchte etwas zu sagen, doch sie konnte sich nicht sofort artikulieren. Sie schluckte gequält, bewegte den Mund, doch Naima verstand nichts, vielleicht sprach Jenna auch gar nicht. Jenna schluckte nochmals. Sie begann nochmals zu sprechen, nun verstand Naima, glasklar, als ob sie nicht irgendwo im Dreck im Nirgendwo lägen, sondern zu Hause im Wohnzimmer säßen, doch diese Illusion erstarb rar, als Naima die Worte vernahm: “Lauf, solange du noch kannst! Geh! Geh, lass mich zurück, du kannst mir nicht mehr helfen!“. Sie verstand nicht. Auch nicht, als ein Projektil neben ihnen einschlug. Jenna bäumte sich ein letztes Mal auf, und verstarb. Doch Naima dachte nicht daran, Jenna hier so zurückzulassen. Sie zog ein Messer aus einer der Beintaschen ihres Kampfanzuges und schnitt Jennas Kopf hinter dem rechten Ohr auf. Ein metallischer Schädel offenbarte sich, und Naima drückte einen Knopf. Mit einem hydraulischen Zischen öffnete sich der Metallschädel, und Naima griff hinein. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen Chip darin, welchen sie in ihre Brusttasche steckte. Naima richtete sich auf. Tränen rannen aus ihren Augen, zeichneten helle Linien auf ihren Schmutz verkrusteten Wangen. Sie begann zu schreien, markerschütternd, und doch nur ein Winseln in diesem Toben. Naima rannte in einer aberwitzigen Geschwindigkeit los. Sie hetzte über Trümmer, Leichen und sterbende hinweg, noch immer schreiend, was ihr nicht einmal bewusst war. Nun striffen die ersten Energieladungen ihren Körper, doch Naima rannte ungehindert weiter und weiter. Hände griffen in einem Akt letzter Verzweifelung nach ihr, doch sie riss sich los, auch ohne nur zu merken, was geschah. Die Einschläge der konventionellen Waffen rückten immer näher, ein sicheres Zeichen, dass die Ostallianz immer näher rückte, und auch ein Zeichen dafür, wie sehr sich diese Allianz um die eigenen Leute scherte, denn Naimas Schulter ziert das Symbol der Ostallianz. Druckwellen jagten über die graue Trümmerwüste, bei jeder einzelnen rechnete Naima fest damit, mitgerissen zu werden, oder gar von einem Projektil getroffen zu werden. Dort, der nächste Einschlag, er riss Naima nun wirklich beinahe von den Füßen, jedoch fing sie sich nun abermals im allerletzdem Moment. Nun feuerte auch Naima aus der mitgeführten Strahlenwaffen. Sie rannte weiterhin, unbeeindruckt von dem Rückstoß ihres Plasmagewehres, was eigentlich für unmöglich gehalten wird.
Ihr halbblinder, da noch immer tränenverschleiertem Blick fokussierte nur den einen Punkt: Den Ranger. Sie rannte weiter auf ihn zu, weiter, weiter wie von Höllenhunden gejagt, nur weg von hier, selbst wenn sie nicht wusste wohin, oder warum.
Irgendwann erreichte sie den Ranger. Sie wusste nicht, ob es Minuten waren, Stunden oder eine Ewigkeit, sie wusste nicht wie sie herkam, sie wusste nur, dass sie hier war, und schnell weg musste. Sie bestieg das Gefährt und fuhr los.
Sie hatte es wieder einmal geschafft. Doch sie fragte sich, ob sie es wirklich war, die es geschafft hat, oder die Maschine in ihr. Doch all ihre Zweifel verschwanden, als sie ihn das erste mal spürte. Ein leichter Druck zuckte durch ihre Bauchdecke. Sie spürte nun erstmals das Wunder des Lebens in ihr. Und sie verstand, dass der Mensch noch so hochentwickelte Maschinen entwerfen konnte, oder man noch so hochentwickelte Maschinen in sie montieren konnte, keines dieser Dinger war fähig, dieses Wunder zu vollbringen. Vielleicht war dies der letzte Vorteil des Menschen. Doch nun viel etwas klappernd zu Boden. Es war Jennas Wesenschip. Naima erinnerte sich, als sie ihn aufhob, wofür sie kämpfte. Konnten Maschinen doch menschlicher sein, als Naima ihnen zutraute? Eine Träne fiel auf den Chip. Ja, Naima war sich sicher, dieser Krieg würde das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine für immer prägen. Und Jenna war ihre Freundin. Dies machte diese Maschine, diesen Androiden Jenna menschlicher für sie als viele dieser Kriegsherren da draußen. Der Ranger piepte zur Bestätigung der Zeilerkennung. Dies riss Naima kurz aus ihren Gedanken. Sie lehnte sich zurück. Vor Erschöpfung schlief sie bald ein. Sie träumte von Jenna und ihrem Sohn. Es war der erste Traum seit Monaten, an den sie sich erinnern sollte. Es war ein schöner Traum, frei von Vorurteilen und frei von Gewalt.