Sie war die seltsamste Frau, der ich jemals begegnet bin. Alles an ihr erweckte den Eindruck einer großen Raubkatze. Ihr geschmeidiger Körper, ihre von schleichender Bewegung, die großen grünen Augen, mit denen sie einen Mann anzusehen pflegte als ob sie beutehungrig wäre. Die Art, in der sie zuschlug, wenn sie meinte, einen Angriff zuvorkommen zu müssen, hinterlistig, mit einem einzigen Sprung, ohne dem Opfer Zeit zu lassen etwas zu bemerken. Die Art, in der sie sich wie eine Katze in eine Ecke verkriechen konnte, wenn sie mit sich und der Welt zufrieden war. Vollkommen war dieser Eindruck, wenn sie sich in ihren Leopardenmantel hüllte, der nur dazu geschaffen schien, das raubtierartige in ihr noch zu untersctreichen.
Unsere erste Begegnung fand in einem kleineren amerikanischen Hotel statt. Ich hatte ein Zimmer mit einem Bad was ich nur zur hälfte nutzen konnte, das bedeutete, ich hatte das badezimmer mit einer Nachbarin zu teilen. Sie stand vor der Wanne und war vollkommen nackt als ich eintrat. Ich murmelte eine Entschuldigung und dachte bei mir, "Ob sie wohl die Bedeutung eines Schlüssels nicht kennt," aber da drehte sie sich lachend nach mir um und forderte mich ungeniert auf einzutreten.
Obwohl ich eine Frau bin, starrte ich sie sekundenlang an, starrte auf diesen markelos schönen Körper und ich weiß wirklich nicht, warum mir schon im selben Moment der gedanke durch den Kopf ging,"Raubkatze." Sie mußte wohl meinen Blick aufgefangen haben, denn sie warf plötzlich, mit einer nachlässigen Bewegung, ihren Bademantel um die Schultern und bemerkte mit einem bezauberndem Lächeln:" Ich bin fertig, hoffentlich sehen wir uns bald wieder."Und schon halb in der Tür die zu ihrem Zimmer führte:" Sie gefallen mir." Ich gebe zu, von diesem Moment an, in ihrem Bann gewesen zu sein. Während ich mir ein Handtuch um den Kopf schlang und das warme Wasser in die Wanne lauden ließ, überlegte ich, wer sie wohl sein mochte und was für ein Schicksal sie wohl in diese kleine Stadt getrieben mochte. Aber als ich in die Wanne glitt, hatte ich sie schon wieder über meinem Tagesprogramm vergesses.
Wir wurden Freundinnen. Wie gut, daß Gefühle wie Eifersucht und Neid, mir unbekannt waren. So stand unserer Freundschaft eigentlich nichts im Wege. Es schien, als ob Fortuna ihr mit vollen Händen einfach alles in den schoß legte. Wo immer wir erschienen war sie im Mittelpunkt. Sie hatte alles um ihre Schönheit noch unterstreichen zuu können. Kleider, Pelze, Schmuck. Männer umschwirrten sie wie die Motten das Licht. Sie boten ihr alles an. Sie überboten sich gegenseitig. Aber sie Lachte nur. Nie sah ich sie ein Geschenk entgegennehmen, es sei denn, man schenkte ihr Liebe. zuerst nahm ich an, sie machte sich über die Männer nur lustig, aber das war nicht so. so lange ich sie kannte, war sie immer verliebt. Und immer war es gerade die ganz große Liebe. und jedesmal waren noch ein paar kleine Lieben nebenbei. Sie kam mir manchmal vor wie ein Jongleur, der mit flinker hand Bälle durcheinander wirft, sie auffängt, sie wieder fallen lässt, ganz nach belieben.
Sie war eine vollendete Schauspielerin, wenn es darum ging, einen Mann zu überzeugen, daß sie die einzige Frau ist, die zu ihm past. ich ertappte sie einmal dabei, wie sie einem Drummer klarzumachen versuchte, sie habe jahrelang auf die Chance gewartet, in einer Rockband zu singen. Mit der gleichen Leichtigkeit, erklärte sie einem angehenden Arzt, von Kindheit an, den Wunsch gehabt zu haben, Medizin zu studieren, obwohl ich wusste, wie sehr sie Krankheit, und alles was damit zusammenhing hasste. Ertappte man sie bei einer Lüge, nahmen ihre Augen einen unschuldigen und ein wenig beleidigten Ausdruck an:" Nun, man kann sich ja auch mal irren, ist das denn so überhaupt so wichtig?" Pflegte sie dann zu sagen. Einmal sprach jemand über sie und ich hörte gerade noch die Worte:" Eigentlich ist sie ja unmöglich, aber ebenso unmöglich ist, ihr böse zu sein."
Es war zu der Zeit, als ich halb skeptisch, halb amüsiert, ihr beim jonlieren zusah, als der erste Mann in mein Leben trat, der darin eine größere Rolle spielen sollte. Wir saßen zusammen in einer kleinen Gesellschaft und ich glaube, ich schenkte nur deshalb diesem Mann meine Aufmerksamkeit, weil er der erste Mann zu sein schien, der nicht sofort in den Bann dieser Frau geriet. Das machte ihn mir ungemein sympatisch. Ich beobachtete ihn heimlich, aber dem Mann war weder Zuneigung, noch Abneigung anzumerken, nur Gleichgültigkeit. Da begann ich mich für ihn zu interressieren. Was mich dann mit diesem Mann verband, war mehr als Kameradschaft und Freundschaft und es war aufgebaut auf gegenseitiges Verstehenund Vertrauen. Ich war in dieser Zeit sehr glücklich mit ihm.
Sie nahm nicht viel Notiz von mir. Sie war wie immer ziemlich viel mit sich selbst beschäftigt. Sie lebte ihr Leben weiter, sorglos, lachend, spielend, nehment und wieder wegwerfend, immer auf´s neue verliebt und anscheinend glücklich. Aber ich wußte, daß sie nicht wirklich glücklich war, ja es garnicht sein konnte, wollte ich aber einmal über ernstere Dinge mit ihr sprechen, pustete sie komisch verzweifelt ihre Locken aus der Stirn und sagte:" Hör bitte auf, du weißt, ich hab kein Verständniss für solche Dinge. Du bist ein kleines, naives, sentimentales Dummchen. Sei mir nicht böse, sicher mußt du so sein." Aber sie wußte sehr gut, was ich meinte und ebenso gut wußte sie auch, daß es ihr nicht möglich war ein wirkliches Glück zu empfinden. Und da war etwas, das ein anderer Mensch hatte und sie nicht bekommen konnte. Das war entsetzlich, der Gedanke war unerträglich. Sie wartete sehr lange, aber einmal kam doch der Moment auf den sie gewartet hatte. Und dann schlug sie zu.
Ich war wieder allein. Allein mit meinen Erinnerungen, die trotz allem schön waren und von denen ich wünschte, sie würden auch bleibend sein. Sie kam zu mir als Freundin. Sie schien alle ihre bekannten und all die Dinge, die ihr sonst so wichtig waren, vergessen zu haben und blieb bei mir. Am Abend zog sie mich in einen bequemen Sessel, zündetet mir und sich selber eine Zigarette an und zwang mich einen Kognac zu trinken. Ich schüttelte mich und fragte:" was soll ein Kognc mir schon nützen?"
"Du nimmst alles auf dieser lächerlichen Welt zu schwer.", gegann sie, ohne sich um meine Frage zu kümmern:" Ich muß die jetzt etwas erzählen, aber versprich mir, ruhig zu bleiben." Ich nickte nur und sie begann:
"Ich sagte dir einmal, das du ein kleines, naives Dummchen bist. Nun, damals wunderte ich mich, wie wenig du von dem, was wirklich geschehen ist, bemerkt hast. Siehst du, der Mann um den du trauerst ist es gar nicht wert. Du mußt ihn vergessen. Er hat mich geliebt. Er war mit dir nur zusammen um mich bekommen zu können. Er hat alles versucht, um in meiner Nähe zu kommen, verstehst du nun? Sicher wäre es auch sehr schön gewesen, vielleicht ein Spiel, vielleicht mehr, ich weiß es nicht. Aber ich wußte, wie sehr du ihn liebtest und ich wollte dich nicht kränken. Und dann kam er zu mir und bot mir alles, seinen Namen, sein Geld, seine Liebe und sein Leben, wenn ich mit ihm in ein neues Land fahren sollte und ein neues Leben mit ihm beginnen würde. Es war sehr verlockend, aber ich wollte es nicht. Ich habe dich in all dieser Zeit so lieb gewonnen, ich konnte es einfach nicht. Immer hatte ich dein Gesicht vor meinen Augen. Er tat alles um mich umzustimmen, aber ich blieb hart. Ich glaube, es war wohl das erste Mal, das ich hart geblieben bin. Als er dann alleine abfuhr, kam mir mein Opfer erst recht zum Bewusstsein, denn auch ich habe ihn sehr geliebt, ja ich glaube fast, er war meine große Liebe. Aber ich werde ihn vergessen und auch du mußt ihn vergessen, siehst du denn nicht, wie sinnlos es wäre, noch einen Gedanken an ihn zu verschwenden? Sei vernünftig."
Es war sehr still im Raum al sie geendet hatte. ich fühlte mich unsagbar müde und hatte nun den einen Wunsch, sie nicht mehr ansehen zu müssen. Sie stand sofort auf und sagte mit einem zärtlichem Unterton in ihrer Stimme: geh jetzt schlafen, ich ich mußte dir das sagen, bitte sei nicht böse. Morgen ist auch noch ein Tag und wie gesagt, du nimmst alles zu schwer. Take it easy!"
Jahre später hat sie einmal so nebenbei bemerkt, alles, was sie mir damals gesagt hätte, wäre frei erfunden gewesen. Aus Freundschaft um mich über den Verlust möglichst schnell hinweg zu bringen. Da erinnerte ich mich an den ersten Eindruck den ich von ihr hatte, in jenem Badezimmer und an den Gedanken >Raubkatze<
War sie wirklich einem Raubtier so ähnlich? Fast glaube ich heute, sie war es doch nicht und wenn, dann wohl nur äußerlich. Raubtiere morden, weil sie sich bedroht fühlen, oder weil sie Hunger haben, sie morden, weil sie der gedanke krank gemacht hatte, daß ein anderer Mensch einmal satt gewesen war.
evchen Das ist echt... - ...ne starke Story. Sicher ist dieses Verhalten unter Freunden nicht unbedingt etwas neues aber ich finde den Vergleich von einer Frau und einer Raubkatze einfach stark. Sicher habe ich ähnliches schon in Film und im Fernseher gesehen aber Deine Geschichte ist sehr gut geschrieben und die Wortwahl ist klasse. Toll gemacht! Liebe Grüße und einen schönen Pfingstmontag für dich. Evi |