Auf Schönes folgt Schreckliches
Rauch stieg aus den Löchern an den Hängen. Das sollte so auch sein. Die Arbeitsstelle vieler Männer und Frauen, die als Sklaven genommen worden waren.
Trotz der erbarmungslosen Sonne wurden die Menschen über die Wüste geschickt und die unstabilen Leitern hinauf, um zu den Minen zu kommen.
Unbarmherzig und keines Mitleides fähig wurden die Sklaven aus den eroberten Gebieten eingesetzt, um den wichtigsten Rohstoff für den Prinzen zu beschaffen. Der Ratorion. Ein Stein der in der Nacht blau wie das Meer ist und am Tag rot wie das Feuer, und dann ist da noch eine Macht des Ratorion, die keiner kennt, außer anscheinend der Prinz. Jeder wäre hoch erfreut, wenn er nur ein Stück Ratorion für sich erklären könnte. Doch der Fürst der dieses Land regierte, erlaubte es rein niemandem.
Dank ihm, ist die Stadt die er führt in einem unmöglichen Zustand. Aber die Menschen dort, haben keine andere Wahl…
„Mir ist richtig heiß. Die Sonnengötter sollten uns lieber gnädig sein…“, keuchte einer der Wachposten vor den Toren zum Schloss. „Jetzt sei endlich still, es ist unser Job.“, man sah den Aussagenden erst mal dumm an, da die anderen zwei Wachen es nicht verstanden hatten. Die Bildung der Wachposten war unterbemittelt und brachte rein gar nichts.
„Sei verdammt nochmal still, du hast hier gar nichts zu sagen! Ich bin nur froh wenn dieser Tyrann von Fürst endlich aus unserem Land verschwindet!“, rief einer der Wachen, nicht darauf achtend, dass der Fürst neben ihm stand.
Die Wachen zuckten unwillkürlich zusammen und starrten den jungen Fürsten an. Er war attraktiv, seine Haut rein und hell. Seine Zähne weiß und seine Haare seidig schwarz. Wenn man seine Stimme hörte, verglich man es mit etwas verzauberndem, doch er redete nicht gerne. Er hält es immer für nutzlos, denn Blicke waren bei ihm ausreichend. „Entschuldigen Sie mich!“, die Wache, die ihn beleidigt hatte warf sich sofort auf die Knie. Seine Lanze rollte Klimpernd über den Pflasterboden zu den Füßen vom Fürsten.
Die Anderen hielten die Luft an und starrten die Lanze an.
Ihre Blicke hoben sich langsam, als mit leisem Geräusch sich die Lanze in die Luft erhob. Sie glitt langsam durch die Luft nach oben und blieben über dem Kopf des Fürsten stehen. Die Spitze sah dabei genau auf den Kopf der Wache.
Ein Schrei erhellte die Straßen der heruntergekommen Stadt. Eine Frau schrie fast schon um ihr Leben und schnappte immer wieder nach Luft. Ihre Hand krallte sich in die schon blutige Decke unter sich. Ihren Kopf wandte sie immer hin und her. Schweißtropfen flogen von ihrer Stirn und landeten auf dem Boden.
„Pressen sie!“, gab eine Hebamme an und stand direkt vor der Frau. Es war sonst niemand da, außer einem kleinen Mädchen, das gewappnet, vor was auch immer, auf das schmerzverzerrte Gesicht ihrer Mutter starrte. „Hören sie nicht auf zu atmen!“.
Die Geburt eines Jungen dauerte noch dreißig Minuten. Erfreut über ihr Kind, drückte es die Mutter an die Brust und ließ es noch währenddessen, von der Hebamme waschen. „Gottesgeschenk…“, flüsterte die siebenjährige Nika und sah aus dem Fenster, welches nur von einem schwarzen Stück Stoff verdeckt wurde.
Das Schreien des Babys dauerte noch eine Weile, dann wusste die Mutter sie würden gleich kommen. Bei Nika hatte es die Mutter geschafft sie noch zu retten und zu verhindern, dass sie zu einem speziellen Krieger ausgebildet wird. Aber bei dem kleinen Jungen, den sie nun in der Hand hielt… Sie wollte ihn nicht registrieren bei den Soldaten des Fürsten. Sie hatte Angst um das Leben ihres Sohnes. Nika sah ihrer Mutter in die Augen und fasste sofortig einen Entschluss. Sie raste zu dem Tisch und schob ihn dann mit aller Mühe zur Tür um diese zu verriegeln.
„Nika, hör auf! Wir kriegen noch Ärger deswegen!“, schrie die Mutter ihre Tochter an, doch Nika ignorierte sie. Die Kommode, wo nur wenige Anziehsachen lagen, schob Nika mit aller Kraft zum Tisch und kippte diese dann, damit es sich gegen den Tisch lehnte.
„Nika!“, das Geschrei des Babys fing wieder an.
Die Tür brach auf und Holzsplitter flogen umher. Nika wich zurück, voller Angst rannte sie zu ihrer Mutter, die sie unter ihren Arm nahm.
„Guten Tag, Madame…“, der hochnäsige Soldat mit einem Raubfischgesicht sah zu Nika. „Wer ist das!“, knurrte er sofort und stand plötzlich nach einer kurzen Druckwelle aus heißer Luft vor Nika und packte sie am Arm. „Nein, lass mich los, du Schwein!“, schrie sie und schlug dem Mann auf die Brust. „Hoho, die ist aber aggressiv, perfekt. Wieso habt Ihr sie verheimlicht, Madame?“, die widerlichen gelben Zähne des Mannes waren nun an die Mutter beider Kinder gerichtet. „Ich…“, doch der war die Sprache entglitte.
Ohne Willen händigte sie beide Kinder aus. Sie wollte nicht, aber sie wusste, dass sie es musste. Denn sonst wären die Leben beider dieser Kinder in Gefahr und ihres.
Nika und ihr kleiner Bruder, den sie fest in ihren Armen hielt, wurden ungemütlich in einen Hänger hinten rein geschupst. Nika stöhnte, sie hat sich ihr Knie am Rand angestoßen und setzte sich langsam auf. Ihr kleiner Bruder fiel in das Schreien von zwei anderen Babys ein und weinte sogar. Nika nahm ihn sofort in den Arm. Er sah sie an und seine Augen glitzerten in einem ozeanischen Blau. Erst als Nika aufblickte, sah sie in die vielen verschmutzten Gesichter anderer Kinder und keines davon kannte sie. Manche weinten immer noch, ihr Abschied war wohl noch härter gewesen, als der von Nika.
Nach einer Weile, taten Nikas Beine weh. Sie konnte nicht mehr stehen, vor allem nicht in einem Wagen, der jedes Mal rumpelte und durcheinander geworfen wurde, wenn er in ein Schlagloch fuhr.
Sie hatte auch schon fast mehrmals ihren kleinen Bruder, der noch keinen Namen hatte, aus den Händen verloren. Es war schwül im Anhänger des Wagens und alle stanken noch vom Smog der sich in der Stadt aufhielt. Der Smog war allen bekannt, er kam vom Industriegebiet der Stadt, der nicht weit vom Wohngebiet entfernt war.
Nika hatte noch nie mit anderen Kindern geredet. Manche waren älter als sie, andere um Jahre jünger und wiederrum andere genau so alt wie sie. „Komm hier rüber.“, rief sie dann ein Mädchen herbei und zeigte auf den leeren Platz neben sich. Noch stockend mit dem Denken ging sie zu dem Mädchen rüber, strich ihren Bruder über dem Kopf und setzte sich dann langsam hin. „Danke dir.“, flüsterte Nika und sah auf den Boden vor ihren Füßen. „Geht’s dir gut?“, die Langhaarige neben Nika lächelte, sie schien sehr nett zu sein. Nika kam es vor als wäre es ein Wunder, auf so etwas Nettes zu treffen wie sie. „Ich…ich komme schon klar…“, sie sah auf ihren Bruder, „Aber ich weiß nicht wie es ihm geht.“, meinte sie weisend mit dem Kinn auf ihren Bruder, der nuckelnd an seinem Daumen schlief. „Es scheint ihm gut zu gehen, er schläft doch.“, das Mädchen lächelte und sah Nika dann an. Sie schien nicht jünger als Nika zu sein, eher älter, ihre Augen verrieten irgendwie, dass sie sogar älter war, als sie selbst aussah. „Ich bin Miray.“, Miray bot Nika ihre Hand, doch dann lachte sie, als sie selbst bemerkte, dass Nika ihr ihre Hand nicht geben konnte. „Tut mir leid, aber ich bin Nika.“, „Ein schöner Name.“, „Huh? Danke dir.“, Nika fing an zu strahlen. Sie hatte noch nie ein Kompliment bekommen, selbst nicht von ihrer Mutter.
Die Stille brach wieder ein. Nur das Schreien der zwei Babys und das Schluchzen neu angekommener Kinder wurden immer wieder mit einem metallischen Geräusch unterbrochen, das aus der Fahrerkabine kam. Nika fragte sich, wo sie hingebracht werden würde. Ihr war bekannt, dass sie jetzt unter dem Dienst des Fürsten sein müsste, doch sie wusste nicht, wo das sein wird und ob es gleich sein würde. Ein kurzer Blick zu Miray, der netten Langhaarigen, neben ihr und Nika wollte sie sofort fragen, doch dann hielt sie inne. Miray hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen. „Schade…“, hauchte Nika, sah auf ihren Bruder und wischte diesem eine kleine Träne weg. „Er weint im Schlaf, es scheint er wird ein sehr kluger Junge.“, Mirays Stimme war laut und deutlich im Hänger zu hören und einige der Kinder fingen an leise zu lachen. „Wieso lachen die?“, Nika sah Miray irritiert an. „Es gibt nun mal keine Hoffnung, dass Kinder klug werden. Nicht hier in unserer Stadt“, sie seufzte und war wohl beschämt. Sie hatte den Kopf tief gesenkt und nicht mehr diese Freude von vorhin ausgestrahlt, auch wenn sie anscheinend wusste, wohin sie gebracht wird. „Entschuldige, wenn ich dich frage, aber…wohin werden ich und mein Bruder gebracht?“, Miray sah sie lächelnd an und stand dann wie die anderen Kinder auf, nachdem der Wagen anhielt und sie ein lautes Krächzen vernommen hatten. Nika sah auf, hielt ihren Bruder fest und stand auch langsam auf. Ängstlich sah sie, von hinten wie die Tür auf ging und dunkles, fahles Licht hinein kam. „Raus!“, rief eine schrille Stimme und die Kinder sprangen alle nach einander aus dem Hänger.
Als Nika dran war stoppte sie kurz. „Was soll der Säugling da! Ist er tot?“, der Mann zu Nikas Linken sah sie spottend an, doch sie schüttelte sofort den Kopf. „Er ist…ein Geschenk Gottes.“, „Wessen Gottes?“, der Mann schien kurz zu überlegen und fiel abrupt, in Nikas Satz. „Das sagst du lieber dem Begutachter, nicht mir. Ich verstehe nichts davon.“, er packte sie an der Schulter und zog sie als Letzte aus dem Hänger.
Diese Menschen oder Soldaten besser gesagt, hatten kein Selbstvertrauen mehr und sahen sich als etwas Minderwertiges an.
Als sie mit den nackten Füßen auf dem Pflaster ankam, schauderte sie vor der Kälte die ihre Füße berührten, aber auch davor, wie unheimlich und groß sich ein schwarzer Rabe vor sie alle hinsetzte und die Flügel ausbreitete. Der Vogel, der schon fast so groß war, wie der sechsjährige Junge vor ihm, verharrte in dieser Stellung.
„Neue Kinder? Drei Säuglinge?“, ein Mann kam mit schnallenden Schuhen zu dem Haufen von Kindern und hatte den Blick auf seinen Handschuh gesenkt, den er beim Gehen zu machte. „In einer Reihe aufstellen.“, seine Stimme klang noch nett, doch sobald die Reihe stand und er seinen Blick hob, zuckten die Kinder zusammen. Nika hatte noch nie so derart leuchtende Augen gesehen, aber sie sahen nicht anziehend aus, sie waren eher angsteinflößend, so dass einige sogar zurück wichen und aus der Reihe fielen. Nika hatte Glück, neben ihr stand Miray, die sich anscheinend kaum erschrocken hatte. Das beruhigte auch sie selbst. Miray sah zu Nika runter, die sie an der Hand antippte. „Seine Augen. Wieso funkeln die so?“, fragte sie sie so leise es ging. Miray lächelte wieder: „Das macht das Ratorion, ich erkläre es dir später, wenn Zeit bleibt.“, sie zwinkerte Nika zu und sah wieder nach vorne.
Der Mann vor ihnen schmunzelte und grinste schließlich. „Abmarschieren. Die Babys gebt ihr ab!“, rief er und Nika schnappte sofortig nach Luft. „Bitte? Ich soll meinen Bruder abgeben? In eure Hände. Nie im Leben! Ihr-“, sie wollte weiterreden, doch Miray hielt ihr den Mund zu und zischte sie sofort an. „Sowas darfst du hier nicht mal denken!“, „Aber der will mir meinen Bruder wegnehmen!“, „Jetzt beruhige dich erst mal, so ist das nun mal hier. Mach erst mal lieber keine großen Fehler, ich habe gehört, dass man hier auch wegen Beleidigungen an die Soldaten bestraft wird. „Ich kann doch nicht…“, „Doch du kannst, vertraue mir Nika. Du wirst ihn wieder sehen.“, Miray wurde von einem der Männer weggezogen, sie rief nochmal genau das Gleiche, was sie Nika vor fünf Sekunden gesagt hatte und winkte ihr dann zu. Kurz darauf wurde Nika ihr kleiner Bruder entzogen und sie selber wurde aussortiert aus der Gruppe.
Wohin es nun für sie ging, wusste sie nicht...
Sie wollte nur an die Worte von Miray denken…