Kinderbücher
Der letzte freie Tag - der erste Schultag

Der letzte freie Tag
    

Es ist ein schöner, sonniger Spätsommertag. Die Mutter bereitet gerade das Frühstück, als Heinzi verschlafen aus dem Kinderzimmer taumelt.

„Guten Morgen!“

„Guten Morgen, Mami! Kann ich dir den Tisch decken helfen?“

Verwundert schaut die Mutter auf. „Natürlich. Danke!“
 

            Später, im Laufe des Vormittags, geht Heinzi zum Spielzeugschrank. Aber nicht, wie du vielleicht denkst, um zu spielen. Nein – um Ordnung zu machen.

Mit wichtiger Miene sortiert er Karten- und Brettspiele, Mal- und Bilderbücher, spitzt alle Buntstifte – und räumt alles wieder fein säuberlich geordnet ein. Ein Kartenspiel, ein Mal- und ein Bilderbuch legt er beiseite.

„Susi! Soll ich dir diese Spielkarten schenken?“ Susi - musst du wissen -  spielt nämlich für ihr Leben gern „Schwarzer Peter“.

Sie freut sich sehr und bettelt Heinzi, mit ihr zu spielen. „Später!“ vertröstet er sein kleines Schwesterchen, „ich hab´ noch so viel zu tun.“

Er schnappt sich das Bilderbuch. „Das gehört meinem Freund Werner. Mama, darf ich hinauf gehen und ihm das Buch zurück bringen?“

„Aber ja! Bleib´ nicht zu lange – das Mittagessen ist in einer Stunde fertig.“

Und es ist eine köstliche Mahlzeit geworden – Grillhähnchen mit vielen Pommes – eine Lieblingsspeise der beiden Kinder. Auf den Salat könnten sie allerdings verzichten, doch Mama besteht darauf.
 

            Nach dem Mittagessen versetzt Heinzi seine Mutter abermals in Erstaunen.

Auch der Vater schaut ungläubig hinter seiner Zeitung hervor. „Na, so was!“, murmelt er, denn Heinzi hat unaufgefordert nach dem Geschirrtuch gegriffen und trocknet nun das Geschirr ab. „Weil ich heute grad noch Zeit habe!“ meint er erklärend.

Ungeduldig umtänzelt Susi ihren Bruder. „Aber nachher spielst du mit mir Schwarzer Peter? “ 

„Ja, ja – aber nicht lange. Ich muss auch noch das Malbuch voll malen.“

„Warum?“

„Na, weil ich Zeit habe, weil ich heute noch ein bisschen Zeit dafür habe.“
 

            Am Abend kontrolliert Heinzi seine Schultasche. Er schaut nach, ob das Heft und das Bleistift-Etui drinnen sind. Ob er alle Stifte gespitzt hat und auch der Radiergummi nicht fehlt. Dann stellt er die funkelnagelneue Schultasche neben seine sauber geputzten Schuhe und seufzt zufrieden.
 

            Es ist Zeit, schlafen zu gehen.

Als ihm Mama die Gute-Nacht-Geschichte erzählt hat, schlingt er seine Arme um ihren Hals.

„Morgen ist dein großer Tag!“, sagt Mama, „Dein erster Schultag!“

„Ich weiß!“, flüstert Heinzi ein wenig beklommen, „“Darum hab´ ich ja schnell noch alles  erledigt.......weil heute war ja mein letzter freier Tag!“

                                                ******
 

Zwei Jahre später ist auch für Susi, Heinzis Schwester, der erste Schultag gekommen, in der Geschichte "Bekehrung" - aber da läuft es ganz, ganz anders.

 ( C ) Ingrid  Höttinger