Kurzgeschichte
Das Spiel ist aus

Das Spiel ist aus

Henriette war schon eine Große. Sie war schon 5 und ihr Leben war noch so blütenrein, wie es die Waschmittelwerbung nicht hätte besser als Vorbild nehmen können.
Eigentlich! Eigentlich war es so rein, denn es gab da ein Geheimnis. Seit letzter Woche. An dem zweiten Tag wo sie nicht zum Kindergarten musste und wo die Geschäfte zu hatten. Henriette konnte sich den blöden Wochentagnamen eben nicht merken, doch seit diesem Tag war alles ein bisschen anders. Morgens, als sie mit Mama auf die Terrasse getreten war, hatten überall kleine Tautröpfchen in den Spinnen weben geschaukelt, und sie hatte schon die kratzige Wolljacke anziehen müssen, die Mama so schön fand. Naja eigentlich trug auch Henriette sie ganz gerne, weil da doch die Glitzerfee drauf gestickt war und sie war rosa.
Die Walnüsse im Garten hatte sie eingesammelt und ganz braune Finger davon bekommen. Fast so braun wie die von Tante Martha, die immer braun war. Dann hatte sie die Finger hochgehalten, in die Sonne und probiert ob sie noch brauner wurden. Mama hatte nur einen genervten Gesichtsausdruck gemacht, aber nicht gemeckert und dann die Gartenmöbel zugedeckt. "Für den Winter" hatte sie gesagt und Henriette war kräftig am Mithelfen. Dann war Mama damit beschäftigt, die Lichterkette mit den bunten Partyleuchten abzunehmen und dass Mückenlicht wieder in den Karton zu packen und Henriette hatte die ganzen Windlichter einsammeln dürfen, und Mama sagte noch:"Pass auf, dass Du keines kaputt machst".
Nein, nein. Henriette war schon groß. Sie war schon so groß, dass sie auf den Stuhl steigen konnte und das Windspiel mit den Glasröhren abnehmen konnte...Als Mama grade reingegangen war zum Telefonieren.
Auwei! Blöder Stuhl.
Eigentlich wollte sie es Mama sagen, aber die wurde immer ungemütlicher je länger sie an ihren braunen Fingern rumschrubbte. Das begann auch weh zu tun. Beim Abendbrot war für Henriette alles schon wieder vergessen.
So stand sie nun da. Eine Woche später. Und lugte über die Brüstung der Terrasse ob man nicht vielleicht doch etwas sah. Herr Bullhorn, der Nachbar, sagte grade zu ihrer Mutter: "Gut dass es vorbei ist, das Spiel ist aus!" und irgendwie kam es Henriette so vor als ob er Trauerpulver damit gestreut hatte. Dei ganze Woche hatte er es gewusst. Die Tränen liefen ihr die Wangen runter und sie schlich sich leise von hinten an Mama ran.
"Du Mama, das Spiel ist wirklich aus, es kann nicht mehr spielen!"
"Was meinst Du denn damit ?"
"Na das Spiel was da immer hängt!"
"Ach Du meinst das Windspiel, Ja stimmt wo ist das denn hingekommen?"
Da musste Henriette ganz doll weinen und Mama um den Hals fallen.
"Ich hab’s doch nur abnehmen wollen. und da ist es mir runtergefallen und nun ist es aus. Geht nicht mehr!"
Mama nahm sie in den Arm.
"Ach Jettchen, das mochte ich sowieso nicht mehr...Da kaufen wir mal ein neues und nun zeigst Du mir mal wo Du es gelassen hast, OK ? Soll sich doch keiner verletzen!"