Beschreibung
Elmar ist unauffällig und konfliktscheu, Elmar ist kein Trendsetter, er ist Mitläufer. Aber Elmar ist hundert Prozent politisch korrekt. Seine heile Welt immer wieder ein Stück ins Wanken zu bringen, macht mir einfach Spaß. Aber manchmal schafft er das auch bei mir. Danke, Elmar.
„Warum soll ich für alten Krempel Geld bezahlen, nur weil andere Leute zu faul sind, ihren Müll zu entsorgen?“ Dieser Satz fasste Elmars Grundhaltung zu Trödelmarkten kurz und prägnant zusammen. Ihn von dieser ablehnenden Haltung ein wenig abzubringen, das war meine Tagesaufgabe für heute und so betrat ich nun mit ihm im Schlepptau den für einen Tag zum Basar umfunktionierten Baumarktparkplatz. Den Eingangsbereich dominierte ein älterer Verkaufsanhänger, der mit einer handgemalten Werbebeschriftung versehen war. „Karin’s Crepe’s Kiste“ prangte in dunkelroten geschwungenen Lettern auf dem caramelfarbenen Imbisswagen und der süssliche, zimthaltige Duft animierte mich auch gleich, Karin ein oder zwei „Crepe’s“ abzukaufen. Elmar hatte seinen Blick eher auf die künstlerische Gestaltung gelenkt. „Falsch geschrieben!“, monierte er die orthographischen Unzulänglichkeiten. „Na und? Das ändert am Geschmack doch nichts. Willst du auch einen?“ „Ja, aber ohne was drauf.“ Also orderte ich zweimal Mehlspeise, eins mit Nutella und eins ohne Geschmack – für Elmar.“ Mit zwei Nussnougatflecken auf dem T-Shirt schritt ich dann mit ihm die Reihen ab. „Guck mal“, hielt ich Elmar eine alte ‚Best of Heino’-LP hin. „Wäre das nichts für dich?“ „Was soll ich denn damit? Ich hab ja nicht mal nen Plattenspieler“, lehnte er mein nicht ganz ernst gemeintes Angebot ab. „Ich auch nicht.“ „Und warum wühlst du dann in den Schallplatten?“, wunderte sich mein kritischer Begleiter. „Hm, auch wieder wahr.“
Auf diesem Trödelmarkt wurden neben altem Kram auch Unmengen von minderwertiger Neuware angeboten und so prüfte Elmar gerade am Nebenstand die fragwürdige Qualität der Elektronikartikel, die ein Superverchecker mit Migrationshintergrund lautstark anpries, als ich zu ihm herüberrief „Elmar, komm mal, die haben hier ein Bild von dir!“ „Hä?“ Er ließ das geschmackvoll gestaltete Handycover fallen, kam zu mir herüber und blickte in einen alten, angelaufenen Spiegel mit schwülstigem Goldrahmen. „Ha ha, sehr witzig!“ verzog er die Mundwinkel, nutze aber die Gelegenheit, schnell den tadellosen Sitz seiner Frisur zu überprüfen. Ich stellte den Spiegel beiseite und entdeckte dann unter dem Tisch einen Karton mit alten Jugendbüchern. „Hier, guck mal, Bücher für deine Kids. ‚Fünf Freunde’, hab ich früher alle gelesen.“ „Ich auch“, stimmte er zu und hockte sich neben mich vor den Karton. Aha, immerhin hatte ich sein Interesse geweckt! Elmar nahm eins der Bücher, blätterte ein paar Seiten durch und legte es dann zügig zurück in den Karton. „Was ist? Zu gewalttätig?“ „Nein, aber die Bücher sind ja alle noch nach der alten Rechtschreibung. Sowas bekommen meine Kinder nicht zu lesen.“ Fassungslos schaute ich ihn an. „Elmar, du bist nicht mehr zu retten.“ Diesen Satz hatte er aber von mir schon öfter gehört und so stand er ungerührt auf und schlich weiter skeptisch durch die ihm noch unbekannte Welt aus wertlosem Zeug und sinnlosem Gerümpel.
Kurze Zeit später, ich hatte gerade meine Barmittel um 4 Euro reduziert und meine TKKG-Hörspielcassettensammlung um fünf fehlende Ausgaben - alte Abmischung - ergänzt, war Elmar verschwunden. Hatte er genug von dem überflüssigen Müll hier und war schon zum Auto gegangen? Ich hielt Ausschau nach seiner lindgrünen Sommerjacke, die sich im übrigen hervorragend in die hier angebotenen Second-Hand-Klamotten einfügte. Da sah ich ihn, im Gespräch mit einer Frau mittleren Alters. Worüber unterhielten sich die zwei nur? Kannte der die Frau? Und plötzlich griff Elmar zu seinem Portemonnaie, das bei ihm ja mittlerweile Portmonnee hieß und ich sah ihn einen 20-Euro-Schein über den Tisch reichen. Im Gegenzug erhielt er dafür ein quadratisches, flaches Objekt. Eine LP? Ich ging auf ihn zu und rief "Elmo, ich dachte, du hast keinen Plattenspieler?" Er antwortete nicht, sondern nahm mich am Arm und zog mich einige Meter von dem Stand der, vorsichtig ausgedrückt, etwas ungepflegt wirkenden Frau weg. Als wir um die nächste Tischreihe gebogen waren, zeigte er mir seine Neuerwerbung, eine AC/DC-LP im einfachen grauen Cover. "Eine extrem seltene Promo-Ausgabe. 20 Euro!", freute sich Elmar und schaute in mein ratloses Gesicht. "Weißt du, wie die bei Ebay gehandelt weden? Da kriege ich locker das zehnfache dafür", jubilierte er.
"Moment, erst erzählst du mir, das ist alles Müll hier, mäkelst an allem und jedem rum, und dann zockst du hier die Leute so eiskalt ab und machst den Superschnapp des Tages? Das darf ja wohl nicht wahr sein!" "Stimmt doch gar nicht, sie wollte nur n Zehner, ich hab ihr das Doppelte gegeben", protestierte Elmar. "Und außerdem werde ich den Erlös einem guten Zweck zukommen lassen." Fassungslos schaute ich ihn an.
"Wir gehen nochmal rum, okay?" freute sich Elmar. "Ja gut, vielleicht entdeckst du noch irgendwo was. Das Bernsteinzimmer oder so."