Krimis & Thriller
Timothy Bafflegab (Kapitel 3) - Auf der Jagd nach der Schwarzen Lady

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"Timothy Bafflegab (Kapitel 3) - Auf der Jagd nach der Schwarzen Lady"
Veröffentlicht am 11. August 2009, 28 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Über den Autor:

Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man ...
Timothy Bafflegab (Kapitel 3) - Auf der Jagd nach der Schwarzen Lady

Timothy Bafflegab (Kapitel 3) - Auf der Jagd nach der Schwarzen Lady

Beschreibung

"Timothy Bafflegab - Auf der Jagd nach der Schwarzen Lady" ist auf dem Wege, ein nicht ganz ernst gemeinter Kriminalroman zu werden. Alle Orte und Protagonisten sind frei erfunden oder, soweit es für mich sinnvoll und von Vorteil ist, auf verfremdete Art an real existierende Personen und Schauplätze angelehnt. Und da ist es, das dritte Kapitel. Viel Spaß beim Lesen. Ausdrucken wird von Doktor PhanThomas wie immer dringend empfohlen.

Scherben bringen Glück

Am frühen Samstag Abend tauchte eine goldene Sonne die Grundstücke am Rande Bondfords, die so herrlich schillernd um die Wette grünten und zumeist so gar nicht typische Häuser in Einheitsgröße auf sich beherbergten, in ein warmes Licht. Ein laues Lüftchen pfiff unbeschwert einen Haufen an Sauerstoffmolekülen und all den anderen Kram über die gepflegten Rasenflächen, die eher Miniaturfußballplätzen als Gärten glichen. Passend zum gleichmäßigen Wind wogten die Grashalme gemeinsam hin und her, so als würden sie beim Bier im gemütlichen Pub hocken und eingängige Fußballhymnen grölen. Es war ein idyllischer Abend, ein Bondfordabend, wie man ihn sich in den Geschichtsbüchern der Stadt gewünscht hätte. Einige Anwohner hatten sich deshalb spontan dazu entschlossen, im Garten ihre unverschämt großen Grills aufzustellen und die Nachbarschaft mit ihren Düften nach Grillanzünder und Acrylamid zu bereichern. Möge das aromatischste Steak siegen.

Nur in einem Garten wurde offensichtlich nicht gegrillt, und das, obwohl der Rasen so wunderbar frisch gemäht aussah, dass man im Vorbeigehen am liebsten über den Zaun gehechtet wäre, um sich auf dem appetitlichen Grün zu wälzen. Stattdessen jedoch spuckte das Grundstück soeben einen blauen Mini durch sein Gartentor, hinaus ins Freie. Im Inneren des klaustrophobisch engen Gefährts hockte ein zerknirschter Timothy Bafflegab, der sich soeben auf den Weg zum Bondford-Postamt machte. Der Mini  bog auf den leicht geschlängelten Pewley Way und beschleunigte so akkurat wie eine Schnecke, die ehrgeizig einen Komposthaufen hinabkroch. Im Kofferraum des Minis befand sich ein großer Karton mit Unmengen an Geschirr, das an die ach so bedürftige Tante Francine gehen sollte. Eine Schande, wie Timothy fand. All die schönen Teller. Doch was tat man nicht alles, um sich ein wenig Ruhe vor dem Ungetüm des Hauses zu erkaufen? Außerdem konnte Timothy den Kurierdienst gut mit seinem geplanten Besuch bei den ›King Brothers‹ im Lepale Club verbinden. Man musste einfach das Gute in der ganzen Sache sehen, nicht wahr?

Unweit des Bafflegab‘schen Anwesens stand ein Mann in einem langen schwarzen Mantel wie ein vergessener Zinnsoldat auf einer von Baumkronen schattigen Anhöhe. Er blickte stumm und konzentriert durch ein Fernglas, mit welchem er Timothys Fahrt akribisch verfolgte.

»Bafflegab, Bafflegab, Bafflegab«, murmelte er zu sich selbst. »Du hättest dich nicht einmischen sollen. Diese Angelegenheit ist eine ganze Nummer zu groß für dich.« Er wieherte ein hässliches Lachen in die sonst so wunderbar klare Luft und zog ein Mobiltelefon aus seiner Manteltasche. Nach dem zweiten Klingeln wurde sein Anruf angenommen.

»Ja, bitte?«, gab das Handy blechern von sich.

»Der Elefant ist auf dem Weg zum Porzellanladen. Ich wiederhole: Der Elefant ist auf dem Weg zum Porzellanladen«, sagte der Mann auf der Anhöhe und wusste wahrscheinlich nicht, dass er damit ziemlich nahe am Fakt lag - nicht was den Elefanten betraf, sondern natürlich all die Teller und Tassen.

»Habe verstanden«, tönte der andere Mann aus dem Telefon. »Die Elefantenbüchse ist durchgeladen. Wiederhole: Die Elefantenbüchse ist durchgeladen. Over and out.«

»Over and out.«

Der Mann auf der Anhöhe stopfte sein Mobiltelefon wieder in die Tasche seines Mantels zurück. Durch sein Fernglas konnte er in weiter Ferne gerade noch erkennen, wie der blaue Mini den Pewley Way verließ und auf die Harvey Road einbog. Er setzte das Fernglas ab und lachte so bitter in den Abend hinein, dass die Bäume um ihn herum erzitterten und die Sonne sich am liebsten hinter ein paar Wolken versteckt hätte. Doch die waren natürlich nicht da, wenn man sie mal brauchte, und so schien die Sonne protestierend weiter, und keine der mit Zangen  oder Gabeln bewaffneten Einsatzkräfte am Grill bemerkte den Spion in schwarz, der sich an ihr friedliebendes Nest herangeschlichen hatte.


Timothy, dem im, von der energisch brütenden Sonne mächtig aufgeheizten Mini, der Schweiß in Strömen über Gesicht und Körper floss, folgte der Harvey Road etwa fünf Meilen weit. Nicht mehr als weitere zwei Meilen, und er hätte lediglich den Blinker betätigen müssen, um nach rechts in die Warren Road einzubiegen und anschließend abermals nach rechts, um auf den St. Luke‘s Square zu kommen, auf dem sich auch das Postamt befand. Nun ja, hätte. Denn schienen doch ausgerechnet besonders warme Samstage zumindest in Timothys Leben die unangenehme Angewohnheit zu besitzen, einem den dicksten Strich durch die wohl überlegte Rechnung zu machen, der mit einem besonders großen Stift überhaupt möglich ist. Kurz: Stau.

Mitten in der Bondforder Innenstadt war ganz offensichtlich ein Geldtransporter umgekippt, und nun versammelten sich ganze Scharen von sabbernden Passanten um das freilaufende Bare, die derweil von einigen wild fuchtelnden und schwitzenden Sicherheitskräften wie Schmeißfliegen fern gehalten wurden. Timothy, der sich in einiger Entfernung aus dem Seitenfenster seines stehenden Minis gelehnt hatte, hatte einen sehr hübschen Blick über die Szenerie. Schön, dass nicht nur ich einen beschissenen Tag habe, dachte er und musste spontan grinsen. So wie es jedoch aussah, würde es noch eine ganze Weile dauern, bis sie die Kiste von der Straße geräumt hätten. Was blieb also übrig? Timothy konnte das ganze Theater umfahren, was, den einfallsreichen Straßenplanern sei dank, mindestens eine weitere halbe Stunde gedauert hätte, oder er stellte die alte Schachtel irgendwo hier ab und machte sich zu Fuß auf den Weg.

Nun waren lange Fußwege nicht eben Timothys Metier, ganz besonders, wenn sie mit vielstufigen Treppen und Fahrstühlen oder aber mit schweren Paketen voller Porzellan in engem Zusammenhang standen. Doch noch länger als nötig in diesem motorisierten Brutkasten würde er wohl auch nicht überleben, dachte Timothy, weil er schlicht in der salzigen Suppe ertrinken würde, die sein Körper ohne Unterlass absonderte, als würde es ihm ungeheuren Spaß bereiten. Ganz klar, der Fußweg schien die bessere Idee zu sein. Das bisschen Schlepperei würde ihn nicht umbringen und seinen gesunden Appetit auf die leckeren Waffeln vorbereiten, die Sandra heute Abend versprochen hatte. Hätte Timothy etwas mehr Zeit gehabt, seine Gedanken zu sortieren, wäre ihm vielleicht in den Kopf gekommen, dass Bondford unweit von London platziert war, dass London Englands Hauptstadt war, dass noch immer Samstag war, dass Postämter in England in der Regel, zumindest samstags, um dreizehn Uhr schlossen und dass diese Assoziationskette unweigerlich dazu führen musste, dass er mit einem schweren Paket vor verschlossenen Türen stehen würde.

Doch da dem nicht so war, hätte ein Beobachter Timothy, nachdem dieser sich aus der Autoschlange herausgefädelt und den Mini am Straßenrand an einer Parkuhr abgestellt hatte, nun genüsslich dabei beobachten können, wie er schwer schnaufend einen wahrscheinlich ziemlich schweren Karton den Fußgängerweg entlang schleppte und dabei aussah wie ein Möbelpacker mit irreparablem Haltungsschaden.

Als er an dem Geldtransporter vorbeikam, der offensichtlich in der Kurve von einem PKW seitlich gerammt worden, dabei ins Schlingern gekommen und schließlich umgekippt war, konnte Timothy einige Diskussionen zwischen Sicherheitskräften und den geldgierigen Bondfordern aufschnappen. Ein Mann, beispielsweise, war gerade dabei, sein, ihm von Gott gegebenes, Recht auf frei herumliegendes Bargeld geltend zu machen.

»Ich wohne hier seit zeeeehn Jahren und muss die Straßenbauarbeiten  jedes verdammte Mal mitbezahlen. Jetzt liegt hier mal ein bisschen Kohle herum, und dann darf ich mir nichts wegnehmen?«, rief er durch seinen ungepflegten Vollbart und spuckte ohne Übertreibung dabei Gift und Galle.

»Es tut mir leid. Gehen Sie doch bitte einfach wieder in ihre Wohnung zurück. Sie können sich hier nicht bedienen«, sprach einer der Sicherheitsleute, der trotz all des Stresses und der Fuchtelei mit seinen Armen ziemlich ruhig zu sein schien.

»Ja, das könnte ihnen so passen, was? Ha ha!«

»Beruhigen Sie sich doch bitte.«

»Klar, wenn es darum geht, mir die Kohle aus der Tasche zu ziehen, dann steht ihr alle Schlange, was? Aber wenn ich mal zulangen will, dann ist das nicht recht. Schönes scheiß Empire ist das hier. Wo ist der dämliche Premier, damit ich ihm ans Bein pinkeln kann?«

Der Sicherheitsmann schüttelte nur den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er und schwieg dann. Auf eine Diskussion mit diesem übrig gebliebenen Wikinger aus grauer Vorzeit wollte er sich verständlicherweise nicht einlassen.

»Was machen Sie denn, wenn ich einfach durchgehe und zugreife, hä?«, fragte der Wikinger und legte dabei ein zynisches Grinsen auf.

»Dann schlage ich sie k.o.«, bekam er so kurz und bündig wie trocken zur Antwort.

»Ha ha, das wollen wir doch mal sehen«, sagte Mister Wikinger und begann sofort, sich seinen Weg zum großen Geld zu bahnen. Anderthalb Meter brachte er hinter sich, dann machte der Sicherheitsmann seine Drohung wahr und schlug ihn k.o. Wie ein durchnässter Sandsack ging er zu Boden und blieb dort auf seinem Bart liegen. Endlich ein bisschen Ruhe, mochte der Sicherheitsmann nun vielleicht denken.

Timothy warf im Vorbeigehen einen Blick auf den Mann am Boden, und augenblicklich fielen ihm die armen Kerle wieder ein, die der Schwarzen Lady zum Opfer gefallen waren. Zumeist hatten sie ebenso irgendwo ausgestreckt herumgelegen - mit dem Unterschied, dass sie endgültig k.o. gegangen waren, während der Bärtige auf der Harvey Road wahrscheinlich bald wieder zu sich kommen würde, um den Rest des Abends zwar immer noch nicht reich aber immerhin mit einem dicken Eisbeutel auf dem Auge zu verbringen.

Wo die Schwarze Lady sich wohl gerade aufhalten mochte, fragte Timothy sich in diesem Zusammenhang. Und wo er schon bei schwarzen Gestalten war, was machte die Queen derzeit? Ob sie ihm wohl die ganze Zeit schon gefolgt war? Falls ja, wer hatte sie auf ihn angesetzt? Und weshalb hatte sie ihm geholfen, als er zum beherzten Sturz in, beziehungsweise auf den Asphaltpool angesetzt hatte? Fragen über Fragen, doch die Antworten würden sich finden lassen. Hier ging es schließlich um einen ziemlich dicken Batzen Geld. Anschließend wäre sogar ein neues Auto drin, eines das nicht auf Grund von Unwissenheit erröten würde, wenn man es nach der Definition des Begriffes Klimaanlage befragte. Selbst Sandra, seiner angeheirateten Hobbyfinanzberaterin, wären da wohl die Argumente ausgegangen (»Ja, aber der fährt doch noch.«), da war sich Timothy fast sicher. Fast.

Doch wo sollte er nun ansetzen, um in diesem Fall weiterzukommen? Wenn  das Gespräch mit Jack Browns alten Bowlingkumpanen nichts bringen würde, dann blieb ihm wohl kaum etwas anderes übrig, als Tee zu trinken und einige von Sandras köstlichen Waffeln mit Puderzucker oder Marmelade zu verdrücken, bis die Lady wieder zuschlug und er deshalb einen heißen Tipp bekäme. Und apropos, wer war nun eigentlich der geheimnisvolle Unbekannte, der ihn jedes Mal angerufen hatte, wenn ein neuer Mord geschehen war? Noch ein Puzzleteil in diesem kniffligen Rätsel. Timothy beschlich allmählich das Gefühl, dass er hier ein tausendteiliges Motiv vorgesetzt bekommen hatte, dass den Piccadilly Circus bei mondloser Nacht und allumfassendem Stromausfall zeigte. Doch all das Gejammer nutzte schließlich reichlich wenig. Es brachte Timothy ganz sicher nicht näher an die zweihunderttausend Pfund heran. Und außerdem war doch klar, dass es kein Kinderspiel werden würde, eine solche Summe einzustreichen. Das hatte der Bärtige, der nun einige Häuser hinter Timothy herumlag, schließlich soeben eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Also beschloss er, zumindest augenblicklich weniger über den ganzen Fall und die damit verbundenen Schwierigkeiten nachzudenken und sich stattdessen auf diesen Wuchtbrocken von einem Paket zu konzentrieren, das etwa so angenehm griffig und leicht zu transportieren war wie ein einbetonierter Stahlsafe. Doch allzu weit war es schließlich nicht mehr.

Timothy bog soeben auf den so unverschämt geräumigen wie leergefegten St. Luke‘s Square, als eine schwarz gekleidete Gestalt sich mit eidechsenhafter Behändigkeit in die enge Häusergasse hineinschlängelte, an der Timothy im nächsten Moment so langsam wie ein Nilpferd auf dem Weg zu seiner eigenen Beerdigung vorüberstampfen würde. Natürlich tat er sein Bestes, um die im Schatten ausharrende Person mit höchstwahrscheinlich niederträchtigem Anliegen zu unterstützen, und kündigte sein Vorüberziehen laut schnaufend wie eine kaputte Diesellok an.

Wie die Silhouette des Mondes, die sich allmählich vor die Sonne legte, um den Erdlingen für einige Minuten das Tageslicht zu rauben, schob Timothy sich gemächlich am Eingang zu der düsteren Gasse vorbei.

Von hier aus war es höchstens noch der durchschnittliche Sprung einer mäßig trainierten Katze bis zur Treppe, die zum geschlossenen Postamt hinaufführte, und natürlich kam es, wie es kommen musste: Am Ende der Gasse hätte Timothy den Fuß heben müssen, um wieder auf den Bordstein zu kommen - was er natürlich nicht tat. Und nun fühlte er sich fast wie an jenem Abend, als er von der Regenrinne, irgendwo hoch oben in gefährlich luftiger Höhe, abrutschte. Nur fiel er dieses Mal vornüber und der Weg zum Boden maß lediglich ungefähr die Länge von seinen abgenutzten Schuhsohlen bis hinauf zum zerzausten Haupthaar.

Während Timothy nun also fiel und sich auf den schmerzlichen Aufprall gefasst machte, spürte er im Nacken, wie ein strebsames Insekt pfeilschnell eine Haarbreite hinter seinem Hals vorbeischwirrte. Nur war dies, was Timothy nicht ahnen konnte, gar kein pfeilschnelles Insekt, sondern eher ein insektenschneller Pfeil. Geladen mit einer nicht gerade sparsamen Dosis eines Betäubungsmittels, das selbst einen verirrten Dinosaurier aus den Wohlfühlpantoffeln gefegt hätte.

Die Gestalt in schwarz stampfte fuchsteufelswild mit dem Fuß auf, als hielte er sich für Rumpelstilzchen. Während das Porzellan für Tante Francine in dem großen Paket auf dem Boden aufkam und laut scheppernd darauf aufmerksam machte, dass sein Ende ganz offenbar gekommen war, lud der dunkle Attentäter seine Armbrust nach, um Timothy doch noch zu erwischen, der nun ebenfalls auf dem Boden aufkam und laut brüllend darauf aufmerksam machte, dass zumindest das Ende seiner wohlgeformten Nase eventuell gekommen sein könnte.

Die schwarz gekleidete Gestalt richtete die neu geladene Armbrust ziemlich feige auf Timothy, der sich am Boden wand und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, als ihn selbst ein Pfeil in den Hals traf, der von irgendwo links oberhalb seines Verstecks abgeschossen worden war.

»Ahhh«, gab er vor Schreck und Schmerz von sich und wirbelte augenblicklich herum. Er richtete seinen Blick nach oben und entdeckte die Queen, deren dauergrinsende Maske ihn glatt zu verhöhnen schien, auf dem Dach des Gebäudes neben sich. Sie trug ebenfalls eine Armbrust bei sich, mit der sie nun offenbar ihn erwischt hatte. So ein Ärgernis aber auch! Während der schwarze Attentäter bereits ins Wanken geriet, griff er eiligst in seine Tasche, zückte sein Mobiltelefon und wählte hastig eine Nummer.

»Queeeen... Hat mich... Gehen über... Plan B«, stöhnte die mittlerweile reichlich mürbe Gestalt ins Telefon, bevor sie seitwärts überkippte und hinter einer Abfalltonne zusammenbrach, um wie ein abgestellter Müllsack liegen zu bleiben. Derweil zog die Queen sich über die Dächer zurück, als wäre sie nie da gewesen.


Timothy kam einen Wimpernschlag später wieder auf die Füße. Er griff sich an die Nase und stellte erfreut fest, dass sie offenbar doch noch heil geblieben war. Genüsslich zog er die Luft durch selbige ein und stellte dann weniger erfreut fest, dass sein Karton ziemlich aufgeplatzt auf dem Boden lag und das zerbrochene Porzellan ins Freie entließ.

»Huch, was ist denn hier passiert? Sind Sie gestolpert?«, ertönte es hinter Timothy. Erschrocken drehte er sich um und sah auf eine recht kurz geratene, ziemlich junge Frau (vielleicht Mitte zwanzig, schoss es Timothy zufällig durch den Kopf) herab, die ein ebenso mitleidvolles wie elfenhaft schönes Gesicht zur Schau trug.

»Oh, ähm, Sie meinen das hier?«, fragte Timothy mit gezwungen lässiger Stimme und zeigte auf den Scherbenhaufen vor sich. »Das ist halb so wild. Ähm. Das- das war eh nur altes Zeug und sollte so oder so weg.«

»Ach so, dann bin ich ja beruhigt«, sagte die junge Frau und kicherte. »Ich dachte, Sie wollten das verschicken, weil da auf der Seite so ein Adressaufkleber drauf ist.«

»Hm? Nein nein, das ist ein alter Karton. War eine Ebay-Bestellung«, entgegnete Timothy ziemlich spontan, wie er fand.

»Aha. Alles klar.« Himmel, was hatte diese Frau ein Lächeln! Hätte Timothy  nicht ohnehin stets im Kopf gehabt, dass daheim die beste Köchin der Welt auf ihn und seinen Gourmetmagen wartete, er hätte glatt schwach werden können.

»Ich- ich werd das mal schnell in die Tonne dort tun«, warf Timothy hastig ein, um die hübsche Frau mit der schwarzen Mähne nicht weiter ungeschickt anzustarren.

»Was? Ach, ähm, nein, lassen Sie das. Die Stadtreinigung macht den Platz hier sowieso jede Woche sauber. Die putzen hier so lange, bis Sie ihr Essen vom Fußboden verspeisen können«, sagte die junge Frau und deutete auf den tatsächlich unheimlich sauberen St. Luke‘s Square. Nun ja, sauber, wenn man von einem gewissen Karton absah, der ja ohnehin in den Müll getan werden sollte.

»Ach, ist das so?«, fragte Timothy. Gar keine schlechte Idee, wie er fand. Würde Zeit sparen und Mühe. Er schwitzte wie ein Büffel, der über die ganze Prärie gejagt worden war, ihm tat wirklich ausnahmslos alles weh und überhaupt hatte er doch vor, bei den ›King Brothers‹ reinzuschneien. »He he, dann ist‘s ja gut. Danke für den Tipp.« Er schaute zufrieden auf sein Malheur hinab und dachte mit ein wenig Schadenfreude an Tante Francine, die ihre Teller eben selbst kaufen müsste. Für seine Mutter würde er sich später eine nette, kleine Ausrede einfallen lassen.

»Victoria«, sagte das Mädchen und reichte Timothy ihre zierliche Hand. Hach, diese nussbraunen Augen. Fast wie ein Reh, dachte er.

»Das, ähm, ist mein Name«, fügte die junge Frau hinzu, als Timothy sie noch immer ziemlich perplex anstarrte.

»Ach so. Ha ha!« Meine Güte, das wäre ja fast peinlich geworden, dachte Timothy. »Ich, ähm, bin Timothy. Timothy Bafflegab.«

»Bafflegab?«, fragte die Kleine und kicherte wieder. »Das ist aber ein witziger Name.«

»Na ja, wir sind, ähm, eingewandert. Also mein Großvater. Nicht ich. Das, ähm, ist russisch oder so.« Timothy hatte keine Ahnung, woher sein Name stammte, russisch war er gewiss nicht, doch die Nussaugen hatten seinen geschärften Verstand kurzfristig in Beschlag genommen, was ihn nun selbst ärgerte. Ebenfalls ärgerte ihn diese dämliche Bemerkung bezüglich seines Namens. Herr im Himmel, den konnte man sich nicht aussuchen, oder? Schon gar nicht, wenn man den Mädchennamen seiner Frau auch vergessen konnte, weil dieser ›Awkard‹ lautete, was nicht nur wie ›ungelenk‹ geschrieben wurde, sondern im Prinzip ja auch genau das bedeutete.

»So so, interessant«, sagte die Frau, die sich als Victoria vorgestellt hatte.

»Tja, ja«, ergänzte Timothy. Ein hervorragender Kommentar! Wahrlich. Es wurde Zeit, dass er verschwand, bevor er sich vor dieser holden Schönheit noch völlig zum Hampelmann machte. »Nun, ich, ähm, ich muss dann auch schon wieder los. Bin noch zum Bowling verabredet. Und ich will Ihnen die Zeit nicht stehlen. Sie wollten ja offensichtlich gerade zur Post.«

»Zur Post? Quatsch. Die hat doch schon seit mittags geschlossen.«

»Ach ja, klar«, sagte Timothy lässig und explodierte innerlich ein kleines bisschen. »Nun denn, Miss Victoria. Hat mich sehr gefreut. Vielleicht läuft man sich ja mal wieder über den Weg. So ganz ohne Scherben, wenn Sie verstehen.«

»Würde mich wirklich freuen«, sagte Victoria und lächelte so freundlich, dass Timothy das Herz zu schmelzen schien wie ein herzhafter Käse in der Auflaufform.

»Auf Wiedersehen dann«, sagte Timothy, schüttelte ihr eilig die Hand und war bereits im Begriff zu gehen, während er sie eigentlich noch immer anstarrte.

»Auf Wiedersehen, Mister Bafflegab«, erwiderte Victoria.

»Oh, Timothy. Bitte.«

Nun strahlte sie noch mehr. »Gut, dann Timothy. Auf Wiedersehen, Timothy.«


Timothy war soeben um die Ecke gebogen, während sich die innerliche Detonation seines Ärgers über all die Zeitverschwendung fortsetzte wie eine atomare Kettenreaktion, als Victoria ein hübsches kleines Klapptelefon aus der Tasche zog.

»Hier Lydecha.« Ihre Stimme war nun bierernst und schien irgendwie um eine Oktave gefallen zu sein. »Ich würde sagen, ich habe sein Bild jetzt im Kopf. Seit den Zeitungsfotos hat er zwar etwas zugenommen aber sonst hätte ich ihn auch so erkannt. Falls ihr ihn nicht kriegt, nehm ich ihn mir vor, sobald wir mit Nummer sechs fertig sind. Okay?«

Der Mann am Ende der Leitung brabbelte ebenfalls etwas ins Telefon. Dann antwortete die Frau, die sich soeben als Lydecha entpuppt hatte: »Ja, das läuft nach Plan. Ich treffe ihn morgen Abend gegen zehn. Ja. Bye.«

Und während Timothy auf dem Weg zurück zu seinem geparkten Mini war, um sich nochmals mächtig zu ärgern, weil ein Schießhund von einem Verkehrspolizisten bereits ein Knöllchen an seiner rollenden Saunaschüssel befestigt hatte, da Timothy vergessen hatte, die Parkuhr zu füttern, hatte er keinerlei Ahnung, dass die Frau, die er eben wie ein gut durchgebratenes Steak begafft hatte, niemand geringeres als die Schwarze Lady höchst persönlich gewesen war.
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Über den Autor

PhanThomas
Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man trifft mich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Das scheint auf manche Menschen dermaßen gruselig zu wirken, dass die Plätze in der Bahn neben mir grundsätzlich frei bleiben. Und nein, ich stinke nicht, sondern bin ganz bestimmt sehr wohlriechend. Wer herausfinden will, ob er mich riechen kann, der darf sich gern mit mir anlegen. ich beiße nur sporadisch, bin hin und wieder sogar freundlich, und ganz selten entwischt mir doch mal so etwas ähnliches wie ein Lob. Nun denn, genug zu mir. Oder etwa nicht? Dann wühlt noch etwas in meinen Texten hier. Die sind, äh, toll. Und so.

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Luzifer Re: Re: Zwar -
Zitat: (Original von PhanThomas am 10.05.2010 - 20:03 Uhr)
Zitat: (Original von Luzifer am 10.05.2010 - 11:44 Uhr) habe ich keine Tränen gelacht, doch musste auch ich bei vielen Gelegenheiten schmunzeln. ^^

Ich hoffe natürlich, dass die Serie irgendwann weiter gehen wird ;)

LG
Luzifer

Achja, auf der letzten Seite finde ich das "..., die sich soeben als Lydecha entpuppt hatte." eigentlich überflüssig. Es ist ja schon klar, dass sie sich am Telefon mit einem anderen Namen meldet. ^^

Hallo Luzifer,

ach herje, dass hier noch mal jemand reinliest! :-) Nun, danke schön erst mal! Ich hätt die Geschichte seinerzeit gern weitergeschrieben, aber irgendwie ist mir die unbeschwerte Schreibe zusammen mit dem dazugehörigen Gemüt abhanden gekommen und seither nicht wieder aufgetaucht. Sollte sich das ändern, gibt's hier vielleicht eines Tages 'nen Reboot. ;-)

Liebe Grüße
Thomas

Ich arbeite meine Liste ab ^^
Würde darauf hoffen, dass es mal passiert =)
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Zwar -
Zitat: (Original von Luzifer am 10.05.2010 - 11:44 Uhr) habe ich keine Tränen gelacht, doch musste auch ich bei vielen Gelegenheiten schmunzeln. ^^

Ich hoffe natürlich, dass die Serie irgendwann weiter gehen wird ;)

LG
Luzifer

Achja, auf der letzten Seite finde ich das "..., die sich soeben als Lydecha entpuppt hatte." eigentlich überflüssig. Es ist ja schon klar, dass sie sich am Telefon mit einem anderen Namen meldet. ^^

Hallo Luzifer,

ach herje, dass hier noch mal jemand reinliest! :-) Nun, danke schön erst mal! Ich hätt die Geschichte seinerzeit gern weitergeschrieben, aber irgendwie ist mir die unbeschwerte Schreibe zusammen mit dem dazugehörigen Gemüt abhanden gekommen und seither nicht wieder aufgetaucht. Sollte sich das ändern, gibt's hier vielleicht eines Tages 'nen Reboot. ;-)

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Zwar - habe ich keine Tränen gelacht, doch musste auch ich bei vielen Gelegenheiten schmunzeln. ^^

Ich hoffe natürlich, dass die Serie irgendwann weiter gehen wird ;)

LG
Luzifer

Achja, auf der letzten Seite finde ich das "..., die sich soeben als Lydecha entpuppt hatte." eigentlich überflüssig. Es ist ja schon klar, dass sie sich am Telefon mit einem anderen Namen meldet. ^^
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Grashalme ... -
Zitat: (Original von Gunda am 12.08.2009 - 14:54 Uhr) ... die Fußballhymnen grölen ...
errötende Autos in Erklärungsnöten ...
Dinos in Wohlfühlpantoffeln ...

Mehr muss ich wohl nicht sagen. *Tränchen*aus*dem*Augenwinkel*wisch*
lg
Gunda
Hallo Gunda,

oh, lieben Dank! Ich freue mich sehr, wenn das dritte Kapitel auch bei dir gut angekommen ist. Ich glaube, die Story lebt letztlich vor allem von dieser Art Klamauk. Aber das ist ja meistens in derlei Geschichten so. :-)

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Grashalme ... - ... die Fußballhymnen grölen ...
errötende Autos in Erklärungsnöten ...
Dinos in Wohlfühlpantoffeln ...

Mehr muss ich wohl nicht sagen. *Tränchen*aus*dem*Augenwinkel*wisch*
lg
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Lieber Thomas, -
Zitat: (Original von LadyLy am 12.08.2009 - 07:33 Uhr) hatte es ja schon bewertet, war aber nicht zum kommentieren gekommen. Lachtränen können das Schreiben abtöten. *lacht*

Einfach geil.

Liebe Grüße dir
Einen schönen guten Morgen wünsche ich dir,

danke schön. :-) So soll's sein. Schauen wir mal, wo der arme Timothy noch so hineinstolpert. Einige Dinge fallen mir da schon noch ein. ;-)

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
LadyLy Lieber Thomas, - hatte es ja schon bewertet, war aber nicht zum kommentieren gekommen. Lachtränen können das Schreiben abtöten. *lacht*

Einfach geil.

Liebe Grüße dir
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: wäre eine gute vorlage -
Zitat: (Original von Himmelskind am 11.08.2009 - 10:34 Uhr) für ein drehbuch...

lg

birgit
Hallo Birgit,

ich hab auch eine Art Film vor Augen, wenn an der Geschichte schreibe. :-) Könnte ein ziemlicher Klamaukfilm werden. ;-)

Danke schön fürs Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
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