Teles erscheint und mischt sich in die Unterhaltung zwischen den dreien ein. Er bittet Mera und Cian zu gehen um alleine mit Fey über den Vorfall zu reden. Darauf folgt eine Unterhaltung mit Mera, die zu einem erschreckenden Ergebnis führt.
Kapitel 9
Teles
„Jetzt mal nicht den Herrscher der Unterwelt an die Wand Mera.“ schallte plötzlich eine ruhige Stimme vom unteren Ende der Treppen zu uns hoch. Ich mochte sie immer noch nicht. Irgendwas an Teles Stimme wollte mir nicht gefallen. Aber auch Mera wurde plötzlich sehr reserviert und überdeckte die Wut in ihren Augen und die Sorge in ihrem Gesicht mit einer ernsten Maske aus Gleichgültigkeit. In kurzen Abständen hörte man das Knarren der Treppenstufen und sobald er oben angekommen war überkam mich erneut eine Welle der Abneigung. Ich schätzte ihn auf Ende 40, er hatte graue Haare, trübe braune Augen, ausgeprägte Wangenknochen, einen überdurchschnittlich langen Hals, ein breites Kreuz und eine eher korpulentere Statur. Er war alles andere als ein beeindruckender Mann, obwohl er nur wenig kleiner war als Mera und mich somit immer noch um einige Zentimeter überagte. Seine verträumten Augen wanderten von einem zum anderen, blieben kurz auf mir hängen, was dazu führte, dass sich mein Magen, fast schon hasserfüllt, verkrampfte, und verweilten dann auf Fey. Die beiden Frauen verneigten sich vor ihm und murmelten respektvoll: „Vorsitzender.“ Ich wusste ich hätte es ihnen nachmachen sollen, aber mein Stolz wollte es nicht zulassen. „Fremder, erzähl uns bitte was vorgefallen ist.“ murmelte er abwesend und wendete seinen Blick erst von Fey ab nachdem das letzte Wort seine Lippen verlassen hatte. Ich tat wie mir geheißen und berichtete von meinem Kampf gegen die Bestien. Allerdings ließ ich ihm gegenüber die Erscheinung des blonden Mannes aus und endete damit wie Fey meine Wunden versorgt hatte. „Beeindruckend. Mein Dank sei dir gewiss.“ kommentierte er meinen Bericht. Auch wenn ich nichts dergleichen heraushören konnte, meinte ich, dass sein Lob mit Sarkasmus nur so überladen war. Nun ruhte sein Blick erneut auf Feys Wunde und nach einem kurzen Augenblick der Stille bat er: „Ich würde gerne mit Fey unter 4 Augen reden. Hättet ihr etwas dagegen euch kurz zurückzuziehen?“ Schweigend gehorchte Mera und ging lautlos die Treppen runter. Zögernd warf ich einen fragenden Blick zu Fey, die jedoch nur lächelnd nickte. Beunruhigt gehorchte nun auch ich und folgte Mera.
Ich stand wieder im Flur und fragte mich wieso ich solch eine Abneigung gegenüber Teles hegte, als ich bemerkte wie mich Mera, die am anderen Ende stand, gedankenverloren anschaute. Ich beschloss sie etwas zu fragen und stieg gerade über die Leichen der Bestien als sie sich umdrehte und aus der Tür ins Freie ging. Verwundert folgte ich ihr und sah wie sie sich auf einen kleinen Grashügel kurz vor dem Wald setzte und mir einen Platz anbot. Lächelnd setzte ich mich neben sie und überlegte wie ich sie am besten darauf ansprechen sollte. Doch da kam sie mir zu vor: „Du magst Teles nicht oder?“ Ein abwertiges Schnaufen entfuhr mir und ich antwortete ehrlich: „Nein... Nicht im geringsten, aber frag mich nicht wieso... Ich hoffe das bleibt unter uns?“ „Natürlich... Du bist damit nicht alleine. Ich habe auch von Anfang an etwas gegen ihn gehabt... Aber er hat immer richtige Entscheidungen getroffen die unserem Dorf Wohlstand und Schutz bereitet haben.“ „Mag sein... Aber trotzdem... Ich traue ihm nicht.“ Mera ließ ein freudloses Kichern erklingen: „Warum? Kannst du es näher beschreiben?“ Ich grübelte kurz und erklärte dann vorsichtig: „Ich glaub er ist die Art von Person die nach Macht strebt, um sie für sich einzusetzen. Er hat so etwas... hinterhältiges an sich.“ „Jetzt wo du es sagst... Ja du hast Recht. Das würde auch zu meinem Gefühl passen.“ Überrascht sah ich sie an. „Du fühlst das auch?“ „Natürlich... Ich dachte Fey hätte dir zumindest erzählt, dass ich ebenfalls eine Kandidatin für das Amt der Eloi war.“ lachte sie freudlos. Schweigend schaute ich zum blauen Himmel hinauf und dachte laut: „Also fühlt Fey auch diese Abneigung ihm gegenüber?“ „Ich hoffe es...“ erwiderte Mera und biss sich dann besorgt in die Lippen. „Sie war schon immer etwas gutgläubig.... Aber sag, darf ich dich etwas persönliches Fragen?“ „Tus einfach, wenn es zu persönlich ist wirst dus schon merken.“ lachte ich, doch Mera blieb ernst. „Willst du sie wirklich beschützen?“ „Natürlich! Wäre ich sonst noch hier nachdem sie mir verraten hatte, dass ihr mich eventuell umbringt? Ich hätte so schnell wie ich es gekonnt hätte meine Beine in die Hand genommen.“ Meras blick wanderte zum oberen Geschoss des Hauses. „Wenn du jetzt auf deine Siel Kyrj horchst... Was fühlst du dann?“ Verdutzt meinte ich: „Wahrscheinlich gar nichts. Ich kann nur das durch sie wahrnehmen, was Fey mir freiwillig zeigt. Aber ich kann es gerne mal versuchen.“ Ich schloss die Augen und konzentrierte mich so gut es ging auf das Seelenband, die Siel Kyrj wie es anscheinend Fey und Meras Volk nannte. Wie ich erwartet hatte spürte ich zunächst nichts. Keine Regung, kein Gefühl brachte den Seelenfaden zwischen uns in Schwingung. Ich wollte mich gerade wieder aus meinem Inneren zurückziehen, doch da verspürte ich eine zaghafte Vibration. Ich konzentrierte mich auf diese winzige Empfindung und begab mich immer weiter in den Bann der Siel Kyrj. Und da spürte ich es deutlicher. Je weiter ich mich wagte, desto stärker wurde es. Ich erkannte ständig wechselnde Züge von Misstrauen, Scham und Widerwille. „Wieso sind sie so unbeständig? Versucht sie die Gefühle vor mir zu verheimlichen? Über was reden die beiden, das sie so fühlen lässt? Egal was es ist, Teles gehört dafür mindestens einmal geschlagen. Das steht schon mal fest!“ grübelte ich, als ich mich langsam aus den Tiefen unserer Seelen zurückzog.
Langsam öffnete ich die Augen und schaute verwirrt zu Mera. Schweigend und meinen Gedanken hinterher hängend folgte ich ihrem Blick, der immer noch auf das obere Geschoss gerichtet war. Plötzlich passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Erneut überkam mich ein unbändiger Hass auf Teles, in meinem Kopf explodierte eine Bombe, mehrere Bilder von meiner Schwester, die von 2 nackten Männern in eindeutiger Pose festgehalten und misshandelt wurde, spielten sich vor meinen Augen ab, ich bemerkte den traurigen Schein in Meras Blick und ein wütender Wind, der vehement an meiner Kleidung rüttelte und zerrte, erhob sich in meinem Rücken. „Beeile dich!“ flüsterte Mera noch leise, doch ich war schon mit dem Wind im Rücken losgestürmt. Die Wut der Erkenntnis pochte in jeder Faser meines Körpers und der Wind brüllte mir wie ein gewaltiges Monster ins Ohr. „Dieser Dämon! Wie kann er es wagen? Was für ein Druckmittel muss er haben? Allein die Tatsache, das ich über die Siel Kyrj ihre Gefühle gespürt habe heißt, dass sie mir diese mitteilen wollte. Aber gleichzeitig versucht sie diese vor mir zu verbergen?“
Gerade sprang ich über die 2 monsterhaften Körper im Flur hinweg und erreichte die Treppe, als sich plötzlich die schwachen Gefühle, die ich so kaum wahrgenommen hatte, in eine starke Abscheu und Angst vor Teles wandelten. Der Hass, die Wut schäumten immer weiter in mir hoch, nicht zuletzt, wegen einem plötzlichen Gefühl der Hilflosigkeit. „Bitte lass mich nicht zu spät kommen.“ flehte ich im Stillen. Geduckt sprintete ich die Treppe hoch und nahm dabei 3 Stufen auf einmal. In der Mitte der Treppe vernahm ich dann ihren quälenden Hilfeschrei. Die Siel Kyrj vibrierte und überflutete meine Seele mit Feys Entsetzen, Beschämung, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Ein grausamer Schrei brach aus mir heraus und ich erreichte mit brennendem Verlangen nach Teles Blut die obere Etage. Ich hörte leise Kampfgeräusche aus dem Zimmer gegenüber von dem, das ich erst vor wenigen Minuten verlassen hatte. Ich stürmte mit meiner Schulter gegen die verschlossene Tür und sprengte sie mit solch einer Wucht, dass die eisernen Befestigungen an den Seiten entsetzlich knirschten und komplett mit herausgerissen wurden.
Es war ein kleiner Raum, der nur durch die wenigen einsamen Lichtstrahlen, die durch das kaputte Dach drangen erhellt wurde. In einer der Ecken entdeckte ich sie. Teles stand breitbeinig vor Fey, hatte eine Hand auf ihren Kopf gepresst und die andere glitt gerade grob über ihre Brust zu dem Schmuckstein zwischen ihren Brüsten. Ich setzte mich wieder in Bewegung und hielt mit erhobener Faust auf Teles zu. Als er den Stein berührte erfüllte ein schwaches Leuchten, das plötzlich Fey gesamte Kleidung in Licht erstrahlen ließ, den Raum und eine Sekunden später war ihre gesamte Kleidung mit dem Leuchten einfach verschwunden. In diesem Moment erreichte ich ihn. Ich holte aus und wollte gerade diesem verdammten Dämon den Schädel brechen als er unglaublich schnell herumwirbelte und mich mit seiner anderen Hand am Brustkorb berührte. Augenblicklich wurden meine Muskeln schwer. Zu schwer. Ich ging nach einem kurzen, erfolglosen Kampf gegen seinen Bann auf die Knie. Zitternd hob ich den Kopf und schaute hasserfüllt in seine Augen, die nun jegliche Verträumtheit verloren hatten und seine Bosheit enthüllten. Da wurde die Vibration der Siel Kyrj nochmal stärker. Die Schwingung der Angst wurde heftiger und ich konnte das Echo von Feys endgültig verzweifelter Stimme in meinem Inneren hören: „Cian!“