Eine Zugfahrt nach Tallinn
In unserer Urlaubszeit hatten die Freunde für uns eine Tour nach Tallinn geplant. Wir fuhren mit dem Nachtexpress, um die kostbaren Tagesstunden nicht zu vergeuden. Holzklasse war angesagt, aber ich erinnere mich an eine lustige Fahrt mit mannigfaltigen Kontakten. Auf dem Bahnhof in Tallinn sprach uns ein Herr an, der die Produkte seiner Heimat anpries – wir sollten Kognak und Fernseher kaufen.
Dann begann eine umfangreiche Stadtführung, die besonders auf die alten Baudenkmäler aus deutscher Zeit und die musikalische Prägung hinwies. Wir hatte mit der deutschen Vergangenheit wenig am Hut, uns fiel nur auf, dass es viele gut erhaltene Gebäude gab und vieles auch in deutschen Buchstaben beschriftet war. Der alte Stattturm „Bana Thomas“ und das Stadion für die Sängerwettstreite sind mir in Erinnerung geblieben.
Und etwas anders, dass immer nur mir passiert. Man hatte uns darauf hingewiesen, dass noch viele Menschen deutsch verstehen würden. Sei es drum.Ich weiß nicht mehr ob es auf dem Weg vom oder zum Bahnhof passierte. Jedenfalls kam uns eine Gruppe von Jugendlichen entgegen, die sich untergehakt hatten. Der am äußersten Rand Gehende rempelte mich voll mit der Schulter und ich sagte spontan und unwirsch: „Pass doch auf, du Rindvieh!“ und ging weiter. Keine 5 Schritte weiter tippte mich irgendwer auf die Schulter, ich drehte mich um und eine Faust kam geflogen. Meine Brille flog in hohem Bogen zu Boden und die Gläser waren hin.Die Schläger waren weg.Wir standen da, in einer kleinen Gruppe und ich schlotterte am ganzen Leib. Ein Milizionär hörte sich den Sachverhalt zwar an, nur was sollte er tun?Unser Zug fuhr eine Stunde später zurück nach Leningrad und ich hatte nur Glück, dass ich noch eine Sonnebrille dabei hatte.