2002-04-17
Heute ist Mittwoch. Noch zwei Tage und wir fliegen gen Süden. Etwas mehr als 60 Stunden bis zum Take Off. Viele Dinge sind wichtig, wer kann schon alles bedenken. Am wichtigsten ist das Wetter. Der Verkehr geht „anders herum“ in Zypern – ein Erbe der Kolonialzeit. Dort gibt es auch noch Pfund als Währung und da müssen wir wieder umdenken. Eine Stunde muss man der MEZ hinzurechnen. Aber eigentlich hat es was mit EUROPA zu tun, der Unterschied liegt somit in der Differenz der Dinge. Wir fliegen von Tegel (TXL) nach Paphos oder Pafos (PFO) und müssen uns bis Polis durchschlagen. Und das Mitten in der Nacht und am Sonntag. Da schießt mir unsere Reise auf die Insel Poel durch den Kopf. Wir waren mit dem Nachtzug bis Wismar gekommen und standen dann verlassen am Bahnhof. Mit Sack und Pack – gut das es im Kapitalismus für jede Nachfrage auch Angebote gibt. Alles ist käuflich, aber verkäuflich?
2002-04-19
Schon schreibe wir Freitag. Alles ist besorgt, die Koffer blecken schon die Zähne und uns steht nur noch eine Nacht bevor. Wenn man eine Reise tut, dann hat man seine Träume. Ich dachte daran, einmal nur mit Unterwäsche zu wechseln zu verreisen, mit kleinem Handgepäck und im Urlaub alles zu kaufen, was man so zum Leben und Bekleiden braucht. Speziell vor Ort und man kommt nach Hause mit neuen Koffern und vielen Erinnerungen. Reiche Zeitgenossen machen das bestimmt so, oder auch nicht. Am Abend sollen noch mal die lieben Nachbarn kommen, eine kleine Party als „Dankeschön vorher“. Das Wetter geht hoffentlich auf, die Umstände werden sich entwickeln und der Linksverkehr ist meine einzige Sorge. Wie selbstverständlich wir nach 12 Jahren reisen ist schon ein wenig verrückt, alles ist möglich, so man Zeit und Geld hat. Mit PC wird mich begleiten und das Tagebuch oder so was ähnliches wird oder besser ist schon am Entstehen. Eventuell werde ich den Arbeitstitel noch verändern bzw. anpassen.
2002-04-21
Und schon sind wir da. Eigentlich ging es am Sonnabendvormittag los. Die erste Etappe von Tegel nach Zürich war ein Klacks. Aber dann... Warten, warten und nochmals warten. Von 14:30 bis nach 20:00. Wir stromerten im Flughafen rum, stellten fest, dass er gar nicht das Flair eines Großflughafens hat, gaben Geld aus (Monika war’s wie immer zu teuer) und studierten die Gewohnheiten der Anderen. Irgendwann geht mal die zäheste Zeit rum und der langweiligste, weil verspätete Flieger steigt in den eidgenössigen Abendhimmel und entschwebt gen Zypern. Ab dann „Say it in English, please!“, aber dass ist ja kein Thema für “Weltbürger”... Ein Film verkürzt die Flugzeit von über 3 Stunden und gegen 1:00 gehr der Jet auf dem Internationalen Flughafen Pafos nieder. Es gibt einen Stempel in den Pass, die Koffer kamen auch mit und der Eingang oder Ausgang ist mit Taxen umzingelt. Der Driver steigt auch noch auf der falschen Seite ein und vorher hat er den Preis definiert. Im Sinne einer Förderung eines fernen Landes über EU- Mittel, akzeptiere ich den Preis. Die Müdigkeit setzt die Hemmschwelle und die Kritikfähigkeit stark herab und so brausten wir auf der linken Highwayseite in die Nacht von Pafos hinaus. Der Driver hätte uns sonst wo absetzen können, wir dösten vor uns hin und registrierten erst seine Worte, als er „Polis“ sagte. Mitten in einer nicht eben hellen Innenstadt stiegen wir aus, entlohnten den Fahrer und da standen wir – nirgendwo ein Cafe von Savvas zu sehen. Gut, wenn man ein Handy nebst einer Nummer hat. Da war dann die Taverne und Savvas nebst Tina aus Mek/Pom. Wasser und Brandy nebst Grapefriut gab’s zur Begrüßung. Alle kennen Christo, der uns als Foto über den unzähligen Schnapspullen heruntergrüßt.
2002-04-22
Schon ist der Sonntag away...Recht zeitig bin ich aufgeentert, wir frühstückten frische Bananen und Orangen. Dann sattelten wir Schusters Rappen zur „Eroberung der Küste“. Nur die Küste winkte aus der Ferne und winkte und winkte... da kann man schon die Lust zu Erobern verlieren... Unterwegs pflückten wir Orangen und futterten sie gleich vor Ort. Das Leben findet hier mehr in der Öffentlichkeit statt und auch an dem geheiligten Sonntag waren die „Südfruchtpflücker“ auf den Beinen. Durch einen Eukalyptushain erreichten wir das Ufer, den Campingplatz mit vielen „Strandburgen“ und wenig Gästen. Der Grund am Ufer ist glatt und steinig. Die wogende Strömung zieht mich hin und her, aber ich will ins Wasser. Es brennt auf der malträtierten Haut und das soll auch so sein. Monika steht mit ihrem neuen Badeanzug am Wasser und zittert, ob der zu erwartenden Kühle und kapituliert. Auf dem Rückweg registriere ich ein Schild einer Arztpraxis, die den Namen M. Visiliadou. Kann oder kann nicht sein – eine Schwester von Christo, die Ärztin ist, gibt es hier. Der Ort ist klein und die Mitte erschließt sich von allen Seiten schnell. Die Plattia am Tag hat eine Menge Stühle in ebenso vielen kleinen oder mittleren Bars und Restaurants buhlt man um die Gunst der Gäste. Wir landen per Zufall bei Savvas, nur er ist nicht zugegen. Nach einem Salat, einem griechischen versteht sich oder müsste der jetzt auch zypriotischer heißen, schlendern wir in unsere Bleibe, die JWD liegt. Es haut uns in die Betten und als es dem Abend graut, finden wir und mutig zum zweiten Gang in die City ein. Am Ortseingang ist ein Familienrestaurant, wir wollen „nur mal schauen, was es so gibt“ und werden höflich eingeladen ohne eine Aufdringlichkeit zu registrieren. Dann schwelgen wir in typischen Vorspeisen, vom Zatzsiki mit fresh garlic bis zu einem Taramas erster Güte. Der Kingfish als Hauptgang ist „die“ Ergänzung, dazu werden taufrische Zitronen gereicht. Der trockene Weißwein, so meint Monika, ist trocken und auch wieder nicht, seine Blume verrät die Reife der vollen Traube, wie in Kreta bei den Rosinenfeldern. Mit runden Bäuchen schleppen wir uns in Savvas Bar, aber er ist noch nicht da. Mit Tina ist gut schwatzen und meine Frau wird all ihre angestauten Neugierigkeiten los. Dann greifen wir beim Brandy zu und zu jeden Drink gibt es ein Teller mit einem Nussgemisch. Die Kneipersgattin Tina nimmt uns die Illusion mit der familiären Idylle. Ein Schritt ins Jahrhundert zurück sei es hier, mit einer scheinbar kastenhaften Regulierung von Schichten und Zugehörigkeiten. Das ist die Besonderheit von Insulanern gepaart mit der südlichen Eigenheit des Patriarchat (manchmal unter matriarchalischer Gewalt). Familienfeiern sind Pflicht und nicht selten kommt es zu verbalen Auseinandersetzungen, die für die nordeuropäische Mentalität schwer zu ertragen sind. Irgendwann erscheint Meister Savvas selbst, seltsam entrückt, was auch immer dahinterstecken mag. Er schwärmt nahezu vom Freund Christo und dessen Fähigkeiten. Diese „Homoerotik“ hat ihren südländischen Ursprung, die männliche Selbstherrlichkeit sowieso. Gleichzeitig hat man auf der Insel so gar kein Verständnis für Homosexualität. Wenn Tina aber die Vorliebe der „Alten Griechen“ für schlanke Knaben angesprochen hat, dann will das auch keiner wissen. Mit Sicherheit ist da ein Stück aus der überentwickelten Hochkultur, der ultimativen Liebe des Schönen inkarniert. Manchmal waren es auch schlanke, junge Frauen, die da auf Knaben machten und die Heterosexualität zur Arterhaltung muss ja wichtig gewesen sein. Was sich da eine schmale Oberschicht erlaubt hat, war eh nicht das Thema der breiten Masse. Wo unser Doc herkommt, erfuhren wir auch. Aus einem winzigen Dorf mit dem schöne Namen „Kritou Tera“ – also „ Weiße Erde“, von der Kreide oder Kalk abgeleitet. Ich denke, den Ort werden wir noch besuchen. Christo sagte, Savvas besorgt euch einen preiswerten Mietwagen, nur Savvas sagte so etwas verschlafen, dass er nicht Auto fährt und sich auch um dergleichen Dinge nicht gekümmert hat. Aber ein Nachbar sei so ein Mietwagenhändler und da und dort gäbe es auch noch Leihwagen. Also, wir werden sehen...
2002-04-23
Morgens halb sieben. Gestern sind wir relativ früh zu Bett und prompt war ich gegen 4:00 schon munter. Was brachte der vergangene Tag? Den Vormittag haben wir verbummelt, lange geschlafen und ausgiebig gefrühstückt. Es ist halt Urlaub...In der Mittagsstunde wanderten wir in den Ort, um ein Auto zu mieten. Nun kennen wir schon alle Wege und kamen schnell zu Savvas Bar. Doch nur sein Bruder war da. Fast schon obligat (die Tradition nach zwei Tagen) nahmen wir einen Salat, nebst Taramas und Tsatzsiki. Nach dem Essen kämpften wir mit aufkommender Müdigkeit, da erschien Savvas – wollte noch etwas in seiner „Galleria“ machen und käme dann zu uns. Es erschien uns ewig lang, aber er kam. Zwischenzeitlich hatte ich schon mit dem Brüderchen diskutiert und bei Doc Christo angerufen. Der hatte uns einen Händler „Metaxas“ genannt, uns empfohlen unbedingt nach „Corall Beach“ zu fahren (unbedingt vorsichtig sein) und gebeichtet, dass er mit der Schwester zerstritten ist. Ohne Hinweis auf den Grund (er hat davon zu Hause nichts erzählt), scheint er doch daran interessiert zu sein, wie es ihr geht. Ich solle mal vorbei schauen und scheinheilig fragen, ob da eine Verwandtschaft vorliegt, denn man kenne einen V. aus Berlin... Mit Sicherheit werden wir das nicht so machen. Meister Savvas kam dann doch wieder und wir machten uns auf die aufregende Expedition „Leihwagen“. Ich erwähnte unumwunden, dass wir denken, ohne seine Hilfe würden die Händler uns „übers Ohr hauen“. Das Auftreten des Nachbars, denn wir gingen nur schräg rüber, erbrachte die nennenswerte Einsparung von 30%, will meinen von 5 Pfund pro Tag. Da müssten wir viele Brandys zum Ausgleich trinken. Nach einem Vertrag, einer Kurzeinweisung in den Peugot 206, bestiegen wir das Gefährt und hangelten uns ums Karree zur „Galleria“. Dort hat er sich aus einer Ruine ein Straßenkaffe gebaut, an das sich eine niedliche, kleine Kirche anschließt. Ein junger Mann schloss uns die Kapelle auf und wir bewunderten die alten Ikonen, das Gestühl und die Empore, wo die Frauen sitzen mussten. Mit dem Peugot schwangen wir uns die Gassen hinab, zum Supermarkt. Für 10 Pfund erwarben wir tolle Ingredenzien für unsere Kohlsuppe und donnerten bergauf zum Quartier. Da die Zeit schon fortgeschritten war, beschlossen wir an dem Ufer entlang zu fahren und eine Badestelle zu suchen. Die Sonne war schon auf „Sparschaltung“ und ich nahm nur ein halbes Bad. Dann düsten wir gen Urlausunterkunft und der Abend sah uns bei Literatur und Zeichenstift.
2002-04-24
Am Morgen fallen die Handgriffe schwer. Es war spät und der Wein und ... Doch von Anfang an. Wir zweifelten an dem Wetter am Morgen, dem gestrigen. Dann düsten wir zum Meer, zwecks Eintauchen der Beine. Monika genoss die Wärme der Sonne und hatte schnell einen Sonnenbrand am Hals. Dann erforschten wir das „Bad der Aphrodite“ und die Knusprigkeit frittierter Sardinen. Ein kleiner Kater am Nachbartisch mit seiner Gier nach immer neuen Gaben amüsierte uns. Überall „Tommys“... Von dort ging es ins Quartier zum Abruhen und am Abend wollten wir zu Savvas. Dort war das Bauen in vollem Gange, die Tischlers waren da. Wir waren Gäste, nahmen Platz und wurden von Detlef (einem Westberliner) bedient und unterhalten. Im Lärm der Arbeit klönten wir bis 22:30 und dann fiel uns noch ein, dass wir Appetit haben. Da übernahm Detlef, der Inselinsider, die Führung und beim ersten ging es in die Hose, weil – die Küche war zu. Also zog das Trio in das „Mystery“, wo wir den köstlichen Kingfisch gespeist hatten. Dort war der Laden noch am Brummen und wir bekamen eine Meze, das der Tisch nicht ausreichte. Die Gesamtausgabe belastete unser Budget, weil es hätte nicht sein müssen. Interessant waren die Histörchen, die D. zu berichten hatte, er kommt seit mehr als 20 Jahren auf die Insel.
2002-04-25
Der nächste Tag bringt in das „D – Bild“ eine Ernüchterung. Er lebt seit geraumer Zeit auf anderer Leute Kosten, trinkt gern einen über den Durst und das hat mit Sicherheit sein Charakter- und Handlungsbild verzerrt. Doch zur chronologischen Abfolge. Am Vormittag starten wir gen Kritou Tera. Wir finden ein fast verlassenes Nest, was aber hinter den Mauern und in den Höfen noch Leben verbirgt. Monika ist es unheimlich, mir gefällt es und ein alter Mann fragt uns, ob wir „Holidays“ haben. Leider fällt er umgehend ins griechische und wir verstehen so gut wie nichts, können auch unsere Absicht nach dem Wohnort des Freundes Christo zu suchen, nicht rüberbringen. Also machten wir eine typische Tourisafari, mit Bildchen knipsen und in den Ecken schnüffeln. Die trockenen Brunnen im Ort geben kund, dass 1957 hier noch ein lebendiges Gemeinwesen funktionierte. Die Kirchen wird inspiziert (leider nur von außen), wir finden einen alten Waschplatz, wo 6 kreisrunde Löcher im Naturstein als Waschkübel dienten. Ein kleines Ausbildungszentrum, wo junge Leute in einem Tümpel offenbar Wasserlebewesen fangen, gibt dem scheinbar leeren Ort etwas lebendiges. Trotzdem, man ist freundlich offen, grüßt – wünscht Kalispera und wir werden aus einem Auto heraus sogar auf deutsch angesprochen. Mit Wagemut und flatternder Hose sausen wir bergab, die Straßenränder sind extrem gefährlich, weil ausgewaschen. Der Straßenraum ist eingeschränkt und wenn die großen Schwerlastkipper uns entgegenkommen, werden wir von ganz alleine langsamer. Die Mittagszeit sieht uns in „Mikis Bar“ und wir ordern eine Local Meze (aus 22 Einzelteilen) nebst Village Vine . Nach dem liegenden Verdauen, fahren wir ans Meer und ich setzte mich der sehr schmerzhaften Therapie des Meersalzwassers aus. Vom Meer düsen wir nach Polis, zu Tina und Savvas. Bei einem Bier sitz man gemütlich auf dem Plattio, wo noch vor Jahren eine Straße durchging und unzählige Bäume ein Sonnendach bildeten. Wir klönen mit Nico und Tina und zu uns gesellt sich ein Gast, der sich als „Ossi“ Frank Hänig erweist. Ein Theatermann, ein Bühnenbildner und Regisseur. Beim Plaudern vergeht die Zeit, wir sehen ein Fußballspiel von Bayer Leverkusen gegen Manchester United. Gegen 11:00 wackeln wir noch mal in Savvas „Galleria“ und beteiligen uns am Aufhängen verschiedener Werke. Nun hängen meine Ölkreideskizzen und das Gedicht „POLIS im april“ auch dort und ich freue mich, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben. Von Frank erfahren wir so eine Menge News, dass wir ganz schwindlig sind und die Hälfte sofort wieder vergessen.Hier eine Wiedergabe von „ POLIS im april“
Gelandet auf dem fremden Stern,
der Cyprus – Insel irgendwo,
wo Schwalben cyprisch schwatzen,
versteckt Frau Luna brennt
und Brandy meiner Zunge schmeichelt.
Ewiger Wind,
Meerwasser – Künstler,
das Steinmuster zaubert
– unstet.
Den Stern zu betasten
öffnen wir Nasen und Ohren,
das Trugbild der Augen ist fast schon zu schön.
Was werden wir preisen?
In deutscher Unart?
Was zu Hause ersehnen?
Als Flachtaucher der Fremdtiefe.
Von Leuten,
die leben genauso anders,
wie wir.