Sonstiges
Mein Leben mit U2 - Kann nicht mal jemand das verdammte Lied ausmachen

Der alte Mann und U2

März 04


Die erste Frühlingssonne schielte in mein Fenster und ich begab mich zusammen mit mei-nem treuen Hund in die warme Frühlingsluft. Wir spazierten zuerst durch unser Viertel, in-dem man den Verfall unseres Landes wohl am besten wieder erkennt und gingen zu dem Neuangelegten Park im Süden unserer Stadt.
Frühlingsdüfte umgaben mich. Wiesenkräuter, der Duft von frischem Gras, die Luft schmeckte nicht mehr so schal wie in unserem Viertel und die Sonne streichelte mein Gesicht und stach mir in den Augen. Mein Hund hechelte im Takt neben mir und sein Schwanz we-delte freudigst’ hin und her. Ich dachte, ich sei Glücklich. Das war es was zählte: Freiheit, Natur und Frühling. Für einen Moment dachte ich die Welt sei im Einklang mit mir.
Hier herrschte kein Krieg, keine Armut, kein Kapitalismus!
Hier war ich wer. Ein Teil vom Ganzen.
Kinder mit Rollerskates kamen uns entgegen, Liebespaare, andere Menschen mit Hunden.
Dann kamen wir zu einer Bank, auf der sich eine Gruppe Rentner gesammelt hatten. Ein Mann, ziemlich verwahrlost, wilde weiße Haare und Kleidung, als würde er in irgendeinem Garten das Land umgraben, stimmte gerade eine Rede an, wie schlecht es doch in Deutsch-land sei. Mit tief polnischem Akzent fluchte er über die Rentenreform, Gesundheits- reform und über den Euro, (Denn egal was kommt, der Euro der bleibt!) die Zuwanderung von Aus-ländern, die allen die nichtvorhandene Arbeit stehlen. Also im Klartext: Rote Refor- men.
Als ich so mit meinem Hund an den Alten vorbei schlenderte und mich meines Lebens freute, wütete der Alte mich plötzlich an: „So ein junger Bursche und läuft mit einem dicken Hund! Schämen solltest du dicht, lieber Kinder in die Welt setzen, damit unsere Renten sicher sind!“
Klar dachte ich mir, bis meine Kinder Arbeiten, lebst du Beulenpest auch noch!
Dann stürzte die Welt auf mich ein. Meine Kehle schnürte sich zu, Gift und Galle stiegen in mir auf und ich wollte Schreien:
Weißt du eigentlich was mit meiner Familie ist? Mein erstes Kind ist von einem Verrückten vergewaltigt und ermordet worden, mein zweites Kind liegt drogenabhängig am Bahnhof Zoo, mein drittes Kind hat sich erhängt, weil es die Miete und das Essen für die Familie nicht nach Hause bringen konnte und zu guter letzt meine ach so liebende Frau!
Sie liegt mit dem Briefträger in meinem Bett und vögelt jeden meiner Freunde! In was für einer Welt lebst du eigentlich, alter Mann?
Ich bin dreiunddreißig und ein Bursche?
Doch es kam kein Wort über meine Lippen, stattdessen dröhnte der alte U2- Song in meinem Stammhirn:

Ich hab’ die höchsten Berge bestiegen, die tiefsten Täler durchschritten, bin überalle sieben Meere gereist, doch selbst in diesen Stadtmauern konnte ich es nicht finden, was ich suche

Und ich kann nicht finden, wonach ich suche
Und ich kann nicht finden, wonach ich suche


Der alte Mann starrte mir böse in die Augen. Ich gab ihm keine Antwort, zuckte mit den Schultern und ging meiner Wege. Ich habe noch nicht gefunden was ich suche und nur viel-leicht werde ich es finden und dann, aber auch das nur vielleicht, werde ich wirklich glücklich sein.

Das kleine Mädchen und U2

11.03.06



Jetzt ist es fast zwei Jahre her dass ich den alten Mann getroffen habe. Es müsste wieder die gleiche Zeit sein, doch der Frühling will nicht kommen und ich schaue in den verschneiten Himmel und warte auf die Sonne, die mich erwärmt und die mir neue Kraft schenkt.
Ich kann nicht mehr einfach mit meinem Hund spazieren gehen, er ist noch da, ist alles, und natürlich der alte Teil meiner Wohnung, was ich von meinem alten Leben noch habe. Nicht einmal der Name ist mir geblieben. Er ist mit der Freiheit und dem vermeintlichen Glück da-von. Stimmt das wirklich?
Habe ich jetzt nicht viel mehr Glück? Die kleinen, braunen Augen meiner Tochter und ihr herzzerreißendes Lachen? Sind sie nicht das Glück, das man immer gesucht hat? Die warme Haut meiner Frau, die nachts neben mir liegt und leise schnarcht?
Zwei Jahre ist es her, dass ich mich gefragt habe, ist das alles? Jetzt habe ich nichts mehr davon und doch soviel mehr. Neue Freunde, eine Familie und ich bin kein Bursche mehr!
Doch bin ich immer noch kein echter Mann, das zeigen mir die Kinder auf meinem 1Eurojob. Ich gehöre immer irgendwie zu ihnen, denn ich bin immer noch nicht erwachsen. Ich bin nur alt und starre in die Augen dieses kleinen Mädchens, die mich fragen: Bist du glücklich Papa? Bist du froh, dass du Mama und mich hast? Das wir so Gott will, ein Leben lang zusammen bleiben?
Ich schwöre dir meine Kleine, die Antwort ist: Ja von der Tiefe meines Herzens wünsche ich mir nichts mehr, als immer dein Lachen zusehen und Mamas Schnarchen zuhören, genau wie das von Cubi. Der natürlich auch immer zu meinem Leben zählen wird. Dennoch!
Wie soll ich es euch erklären. In dieser heilen Welt ist ein kleines Loch, wie das Loch in unserer Wand. Man kann nicht durchsehen, aber man kann hören, was da hinter ist, so höre ich das Gitarrenspiel von The Edge und ich vernehme den stampfenden Sound der Bassdrum und Bonos Stimme, die immerzu sagt, dass ich noch nicht gefunden habe, wonach ich suche.
Ich dachte immer, ich suche nach euch. Das ich die höchsten Berge erklommen, die tiefsten Meere durchschwommen und alle Städte durchwandert habe, nur um euch zu finden.
Doch ich muss ehrlich mit euch sein: Ihr seid nur ein Teil davon!
Kleines Mädchen ich hoffe ich finde den Rest auch und die Musik verschwindet aus meinem Kopf und wir haben alle drei gefunden, wonach ich suche!
So Gott will! Inschalah!