Platsch! Ich kam plitschnass und nach luftringend wieder an die Oberfläche. Dann strich ich meine blonden Haare aus der Stirn. Als ich mich aufrichtete, könnte man annehmen, ich sei der Schwarm aller Mädchen. Das war ich auch. Aber ich lehne jegliche Einladungen ab. Wieso? Ich hatte kein Interesse an Mädchen. Zumindest nicht an den Mädchen, die ich kannte.So wurde ich nach und nach uninteressant.Sie ignorierten mich. Ich bespritzte meine Freunde mit Wasser. Tom, George und ich waren mal wieder bei unserer gemeinsamen Lieblingsbeschäftigung- dem Schwimmen .Martin! schrien sie gleichzeitig und bespritzten mich ebenfalls. Tom war der einzige aus ihrer Clique, der ausserdem noch ein anderes Hobby hatte. Nämlich lernen für irgendwelche Teste, Hausaufgaben machen, und sich bei den Lehrern beliebt machen. Kurz gesagt: Sein Hobby ist Streber sein.Er hatte fast keine Zeit für andere Dinge. Daher war es auch nicht weiter verwunderlich, dass er aussah, als hätte er eine Phobie gegens Waschen.Das braune Haar stand wirr vom Kopf ab,sein Gesicht war voller Akne und er roch immer nach Schweiß.George war groß und ein wahrer Sonnenschein. Seine blauen Augen und sein unschuldiges Lächeln waren unverwechselbar.Ihm war die Schule relativ egal.Wenn er eine 2 schrieb (was aber selten passierte) freute er sich.Wenn er eine 4 - schrieb freute er sich genauso. Tom schob mit dem Zeigefinger seine Brille hoch. Das war eine Geste, die er sich angewöhnt hatte, als er noch ganz klein war. Seine große Hornbrille war schon oft an den Bügeln gekebt worden, denn er schlief oft ein, wenn er, tief über ein Buch gebeugt, Hausaufgaben machte. Dann fiel sei Kopf auf die Seiten, und seine Brille zerbrach.Kommen wir wieder zurück zum weiteren Verlauf der Geschichte. Wir hatten oft über legt, warum der Leugartsee Leugartsee heißt, waren aber nie zu einem Ergebnis gelangt. Über dieses Thema konnten wir stundenlang diskutieren.Am liebsten in unserem Lieblingscafe. Tom musste , wie so oft schon, als erster nach Hause. Ich muss noch für Geschichte lernen, wenn ich noch mal nur ne 3+ schreibe kriegt meine Mutter nen Kollaps! Er grinste und entblößte dabei eine Reihe dreckiger Zähne. Er schnallte seinen roten Rucksack um und stieg auf sein altes klappriges Fahrrad. Dann verschwand er hinter den Bäumen, die den Kiesstrand säumten. Eine Weile unterhielten wir uns über die Schule und unsere dumme Lehrerin, die wir nicht mochten. Dann beschloss auch George nach Hause zu fahren. Ja ist gut, ich tauch noch mal! rief ich hinterher. Tauchen war meine große Leidenschaft.. Hier im Leugartsee tauchte ich am liebsten. Hier war das Wasser immer klar und man konnte vier meter bis auf den Grund sehen. Ich holte tief Luft und tauchte. Es war wunderschön, wie immer wenn die Sonne schien. Die Algen bewegten sich mit der leichten Strömung auf und ab.Schillernde Fische umringten irgendetwas auf dem Grund. Als sie bemerkten, dass ich näher kam, suchten sie schnell das Weite. Ich schaute ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren. Als ich dann erkannte, was sie umringt hatten, bekam ich fast einen Ohnmachtsanfall. Eine verschimmelte, halb gefressene, und so schien es, schon sehr alte Leiche lag auf dem Boden. Das strähnige, von Algen übersäte, rotbraune Haar wiegte sanft mit der Strömung mit. Der Bikini war kaputt und lag in schimmeligen Fetzen auf der Leiche. Aber das war nicht schlimm, denn eigentlich war es nur noch ein Skellett. Der Unterkörper lag merkwürdig verformt auf den Resten schimmeliger Haut, die den Großteil des Bodens bedeckten. Der Ober körper war von Algen bedeckt, so dass man nicht genau sah, dass es überhaupt einen gab. Zwischen den Rippen wucherte dichtes, immergrünes Gras, das ebenfalls mit der Strömung mitwippte. Um den Hals (oder jedenfalls das, was davon übrig war) hatte sie eine Kette. Ich konnte den Anhänger deutlich sehen. Er war rosa. Ich wachte aus meiner Trance aus. Wie lange hatte ich sie angestaart?fragte ich mich.Eine Minute? !0 Sekunden? Ich schwamm mit hastigen Zügen an die Oberfläche, denn obwohl ich ein guter Taucher war, brannte meine Lunge jetzt trotzdem wie Feuer. Ich atmete die frische Luft ein, und beruhigte mich erstmal. Was ist los? schrie George vom Strand. Ich achtete nicht auf ihn und tauchte schliesslich noch mal. Hatte ich sie wirklich gesehen? Ja. entschied ich. Ich konnte sie mir nicht eingebildet haben. Sie war so echt. Erschreckend echt. Doch da war nichts. Absolut nichts. Sie war nicht mehr da.
Ich war dann nach Hause gefahren. Aber George wollte ich vorerst nichts erzählen. Erst am nächsten Tag in der Schule.
Sie war da, glaub mir!Ich knallte meine grüne Schliessfachtür zu.Dann hob ich meinen Rucksack vom Boden und hievte ihn mitsamt Inhalt auf den Rücken.Wir rannten Richtung Schulausgang. Hast du ne` Uhr? Ich will nicht schon wieder den Bus verpassen.sagte ich mit einem Seitenblick auf Georges`s Arm. Nee, Tom ist der Streber. Ausserdem fahr ich ja mit dem Fahrrad. Aber ich nicht! fuhr ich ihn bissig an und beeilte mich, durch die Schultür Richtung Tor zu gehen.Warum hast du es denn so eilig? wollte George wissen, der mich jetzt einholte. Seine Schulsachen klapperten im Rucksack mit.Hab ich doch gesagt, der Bus! sagte ich. Da gibt’s doch sicher noch einen anderen Grund?! fragte George misstrauisch. Na toll. dachte ich. Warum war ich nur so ein schlechter Lügner? Ich holte einmal tief Luft und sagte mit fester Stimme:Ich geh nach der Leiche suchen! Ich hatte die ganze Zeit mit starrem Blick geradeaus geschaut. Jetzt wandte ich den Kopf langsam nach George, um seine Reaktion abzuschätzen. Er kämpfte sichtlich um einen kontrollierten Gesichtsausdruck.. Wie willst du etwas finden was es gar nicht gibt? fragte er mich mühsam beherrscht.Ich wusste, dass er jeden Moment ausflippen konnte. Ich wandte mich ab. Dann lief ich ohne ein weiteres Wort zur Bushaltestelle. Wie konnte George nur glauben, dass ich lüge? Mein Kumpel? Mein bester Freund? Ich war tief getroffen, dass George mir nicht glaubte.Nachdem der erste Schmerz überwunden war, machte sich Wut in mir breit. Wie konnte er nur?Jetzt würde er bestimmt allen erzählen, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hätte. Ich beschloss, nie mehr mit ihm zu reden. Aber tief in mir drin wusste ich,dass ich das sowieso nicht tun würde. Aber ich werde trotzdem zum Leugartsee fahren. Das war beschlossene Sache.Ich musste diese Leiche finden. Ich wusste selbst nicht warum, warscheinlich, damit ich mich überzeugen konnte, dass ich nicht verrückt war. Noch nicht. Ich hatte keine Lust auf Getuschel in der Schule.Wenn George mir nicht helfen wollte, musste ich eben allein gehen...
Also machte ich mich auf den Weg nach Hause. Nachdem ich meine Physikhausaufgaben gemacht hatte,packte ich schnell meine Badehose und das blaue Handtuch meiner Mutter in meinen Schwimmrucksack und schwang mich auf mein silber-glänzendes BMX. Ich wusste, dass ich beim Fahrrad fahren fantastisch aussah. Mein blondes Haar wehte nach hinten und mein enges T-Shirt betonte meine Muskeln. Der Leugartsee war nur 15 Minuten von meinem Haus entfernt. Erst musste ich über die stark befahrene Hauptstrasse aus der Stadt raus, danach einen kleinen Waldweg entlang und schon war der steinige Strand in Sicht. Als ich langsam zu den Umkleiden auf der anderen Seite des Strandes ging, hörte ich ein Plätschern aus der Richtung des Sees. Blitzschnell drehte ich mich um, schaute über die glatte Wasseroberfläche und fragte mich ernsthaft, ob ich jetzt wirklich verrückt wurde. Langsam drehte ich mich wieder um. Dann lief ich zu den Umkleidekabinen und während ich mich umzog, legte ich mir eine Art Plan zurecht. Zuerst werde ich Ausschau nach der Leiche halten. Danach (egal , ob ich sie fand oder nicht) würde ich in die Stadt gehen, um für meine Mutter ein Geschenk zu kaufen, denn sie hatte übermorgen Geburtstsag ( Gott sei Dank hatte Dad mir gestern noch Bescheid gesagt). Anschliessend werde ich mich zuhause neben das Telefon setzen und warten, dass George anruft. Ich war nicht sehr nachtragend, das hasste ich an mir, ich verzieh immer viel zu schnell. George würde auch nicht lange auf sich warten lassen. Ich wette, wenn ich nach Hause komme, sind schon zig Nachrichten auf meiner Mailbox! dachte ich mit einem erwatungsvollem Lächeln. Dann raffte ich meine Klamotten zusammen, stopfte sie in meine Tasche und schleppte sie zu meinem Fahrrad. Die Handtücher legte ich nah ans Ufer, denn das Wasser würde kalt sein. Langsam und in gebückter Haltung schlich ich näher ans Wasser. Dann richtete ich mich auf. Was mache ich da? fragte ich mich selbst laut. In normalem Tempo ging ich ins Wasser.
Dann tauchte ich.Plötzlich fiel mir auf dem Grund des Sees etwas rosa glänzendes auf. Ich tauchte tiefer und nahm es in die Hand.Es war eine Kette. Der Kreuzanhänger war mit rosafarbenen Steinen besetzt. Einer war bereits ausgefallen. Ich betrachtete die verblasste Goldlackierung der Kette und die perfekt ausgearbeitete Form des Kreuzes. Dann nahm ich sie mit. Ich trocknete mich ab. Behutsam legte ich die Kette auf meine Tasche und zog mich erstmal um. Als ich zurück kam, schaute ich mir die Kette genauer an. Ich drehte die Kette um. Ein langsam verblassender Name war eingraviert worden. Ich hielt sie näher an die Augen. Endlich konnte ich den Namen entziffern. Leonie Leugart. Leugart? kam dort der Name des Sees her? Aber warum? Anscheinend war Leugart ein Nachname. Ich hängte mir die Kette um, und ging langsam zu meinem Fahrrad. Die Kette war kalt und ich bekam Gänsehaut.Ich stieg auf mein BMX und fuhr vorsichtig über den Kiestrand zum Wald, der ihn säumte. Danach, anstatt rechts abzubiegen, bog ich links Richtung Stadtmitte ab, dort war das Einkaufszentrum und mein Lieblingscafe. Als erstes ging ich in einen Schmuckladen, fand aber nicht das richtige Geburtstagsgeschenk für meine Mutter. Nach tausend weiteren erfolglosen Versuchen auf der Suche nach einem Geschenk, was ihr gefallen könnte,entschied er ich mich für eine Duftkerze. Mit der Tüte von dem Geschäft und meinem Rucksack, trat ich in die Nachmittagssonne hinaus.Ich blinzelte. Schräg gegenüber, neben einem schäbigen kleinen Geschäft namens "Earl`s Zauberladen" lag das Cafe, das ich so liebte. Dort gingen viele Kinder aus dieser Stadt hin. Hier konnte man wunderbar entspannen, Freunde treffen und die Preise waren nicht zu hoch. Ich bestellte mir eine Cola und ließ mich auf einen der weichen Sessel fallen. Es war gerade nicht so viel los, ausser einen Gruppe Jungs, die ich nicht kannte, und zwei Mädchen, die an den Tresen saßen. Der Blick des einen Mädchens streifte mich und sofort flüsterte sie ihrer Freundin etwas zu und zeigte auf mich. War ja klar! dachte ich entnervt. Doch trotzdem konnte ich den Blick nicht abwenden. Das eine Mädchen war wirklich hübsch. Sie schaute mich an. Ein entzücktes Lächeln lag auf ihren Lippen, dann blieb ihr Blick an meinem Hals hängen. Das wunderbare Lächeln verschwand. Sie rutschte von ihrem Stuhl und kam langsam auf mich zu. Die mittellangen, rotbraunen Haare fielen ihr in die Stirn, aber sie beachtete sie nicht. Langsam kam das Mädchen auf mich zu. Ihr schwarzer Mantel wehte hinter ihr her. Die grauen Turnschuhe machten keinerlei Geräusch auf dem Parkettboden. Mit einer Stimme, weich wie Samt, fragte sie:Wo hast du die her? Sie blickte starr auf meinen Hals. Wo hab ich was her? fragte ich verdutzt und blickte an mir herunter. Dann begriff ich. Die Kette? fragte ich und nahm sie in die Hand. Sie war immer noch eiskalt, obwohl ich sie länger als eine Stunde gtragen hatte. Ja! sagte sie und kam noch näher an Martin heran. Er konnte ihren süßen Atem riechen. Er roch nach Erdbeere. Ähm.... aus dem L-Leugartsee, wieso? stammelte ich. Mehr brachte ich nicht zustande. Es war ungewohnt, Gefühle für ein Mädchen zu hegen.Doch sie schien nicht interessiert. Das war noch ungewohnter. Erschrocken begriff ich, dass ich es inzwischen normal fand, wenn ich den Mädchen den Kopf verdrehte. So eine hatte meine Schwester auch. antwortete sie und riss mich aus meinen Gedanken. Ich stutzte. War diese Leiche im See etwa ihre Schwester gewesen? Zugegeben, ein bisschen Ähnlichkeit hatten sie ja schon. Die Haarfarbe, die Figur.Ähem.Ich räusperte mich. Das ist mir jetz ein bisschen peinlich das zu fragen aber...Lena, ich gehe nach Hause! sagte das Mädchen was vorher mit ihr an den Tresen gesessen hatte. OK, bis morgen in der Schule. erwiderte Lena. So hieß sie also! Darf ich? fragte sie und zeigte auf den Sessel vor mir. Klar. sagte ich,nervös, wie ich meine nächste Frage formulieren sollte.Ist deine Schwester zufällig tot?konnte ich schlecht fragen. Am besten erstmal ein nettes Gesspräch anfangen. Lena setzte sich. Ich heiße Lena. erklärte sie mir unnötiggerweise.Martin. erwiderte ich. Ich nahm die Kette ab. Schweigend schaute sie mir zu. Hier! sagte ich und reichte ihr die Kette. Sie betrachtete sie von allen Seiten. Dann drehte sie sie um. Der Kellner kam und reichte mir meine Cola. Für sie bitte auch eine! sagte ich. Der Kellner ging. Endlich waren wir wieder allein. Ich schaute zu Lena. Betrachtete ihr stummes Entsetzen. Endlich sagte sie etwas. Die gehört meiner Schwester.sagte sie und versuchte ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen. Das habe ich mir gedacht. sagte ich ruhig. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Dann begann sie die schreckliche Geschichte zu erzählen:
Meine Schwester tauchte sehr gern. Am liebsten in dem See. Er hatte damals noch keinen Namen.Wir standen uns total nahe und unternahmen viel miteinander. Deshalb ging ich gern mit ihr zu dem See, auch wenn es für mich immer ein bisschen langweilig war. Im Sommer kam ich mit ins Wasser, aber sie ging ja zu jeder Jahreszeit tauchen. Man konnte fast schon zusehen, wie sie Fortschritte machte. Sie schaffte schon ca. eineinhalb Minuten. Ich war sehr stolz auf sie. An einem Tag , es war Anfang Oktober, war ich wieder mit. Ich habe ihr Ringe geworfen. Sie tauchte gerade nach dem zweiten Ring, da kam sie nicht mehr hoch. Ich lachte und rief: Hör auf mit dem Quatsch! Aber das war kein Scherz. Sie kam nicht wieder hoch. Gut, dass ich mein Handy dabei hatte. Aber es hätte ja eh nichts geändert. Jedenfalls rief ich die Feuerwehr und die Polizei. Sie kamen nach fünf Minuten. Den darauffolgenden Tag haben sie immer noch die Rettungstaucher ausgeschickt. Trotzdem wurde sie nicht gefunden. Lenas Stimme war ein bisschen beherschter als vorher, totzdem konnte ich mir denken, das es ein schwerer Schlag für sie gewesen sein musste. Sie hatte die ganze Zeit auf ihre Hände gstarrt. Jetzt hob sie langsam den Kopf und schaute mich an. Der Kellner kam und brachte ihr ihre Cola. Sie bedankte sich und nahm einen Schluck.. Wir starrten uns schweigend an. Das ist eine sehr traurige Geschichte. Ich hätte mich ohrfeigen können! Natürlich war die Geschichte traurig. Aber Lena lächelte mich unglücklich an. Ich sah, wie schwer ihr das fiel. Trotzdem konnte sie ihre Gefühle wesentlich besser verstecken als ich. Danke, dass du mir zugehört hast. sagte sie zu mir und trank noch einen Schluck von der Cola. Auch ich nahm mein Glas und trank.. Wie alt war deine Schwester? Ich fragte es vorsichtig, ich wollte nicht noch mal so eine tiefe Trauer in ihrem hübschen Gesicht sehen. Doch sie blieb ruhig. Wir waren Zwillingsschwestern. antwortete sie mir. Ohhh... ähhh... das wusste ich nicht. stammelte ich und sie musste über meinen verwirrten Gesichtsausdruck lachen. Ihr Lachen war schön. Wie ein Glockenton. Doch gleich darauf wurde sie wieder ernst. Deshalb heißt der See so. Ach so.sagte ich. Ich habe sie gesehen. sagte ich. Überrascht schaute Lena mich an. Echt? ihr Blick bohrte sich in meinen. Ja, sie sah scheußlich aus! etschuldigend schaute ich sie an, doch sie hatte es anscheinend nicht gemerkt. Ihre Leiche? fragte sie, um sicher zu gehen. Ja! Ich erzählte ihr von meiner ersten Begegnung mit der Leiche, von meinem Streit mit George, und wie ich die Kette fand. Aufmerksam hörte sie zu und unterbrach mich kein einziges Mal. Also ich glaube dir. versicherte sie mir. Glaubst du, das passiert irgendetwas...Ich suchte nach dem Richtigen Begriff. Übernatürliches? vollendete ich meinen Satz. Vielleicht. gab sie zurück.. Hilfst du mir, diese "Geistergeschichte" aufzudecken? fragte sie mich. Ich tat empört. Ich hab die Leiche zuerst gesehen! sagte ich. Sie lachte wieder ihr wundervolles Lachen. Du bist der schlechteste Schauspieler, den ich kenne! Jetzt fing ich auch an zu lachen. Also, ziehen wir das zusammen durch? fragte sie, nun wieder ernst. Ja! antwortete ich mit fester Stimme. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Dann tranken wir unsere Cola aus und der Kellner kam, um uns die Rechnung zu bringen. Natürlich bezahlte ich für beide Colas. Wir verabschiedeten uns. Sie gab mir noch ihre Telefonnummer. Danke noch mal für die Cola! rief Lena über die Schulter zurück. Dann war sie hinter Earl`s Zauberladen verschwunden. Ich lächelte glücklich vor mich hin und fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause.
Der nächste Tag war dann ein Samstag.Endlich konnte ich ausschlafen! Zum Glück hatte George gestern noch angerufen, es täte ihm leid, er habe nicht nachgedacht. Es war wie vorher. Als wäre nichts gewesen. Wir beide hatten das Thema " Leugartsee" gemieden, doch ich konnte spüren, dass er mir immer noch nicht ganz glaubte. Aber jetzt hatte ich ja Lena. Ich mochte sie wirklich. Ich freute mich so sehr darauf, sie zu sehen, dass ich beim Frühstück vor mich hin summte und danach sogar freiwillig Geschirr spülte. Mein Vater schaute mir misstrauisch dabei zu. Was hast du denn? fragte er mich. So ein Mist! dachte ich. Wenn er erfuhr, dass ich mich mit einem Mädchen traf, würde er ausflippen. Wir hatten das Thema schon ein paar Mal gehabt. Er meinte, ich sei noch zu jung. Und manchmal staarten mir zwölfjährige Mädchen hinterher. Als wenn ich mit 15 Jahren noch nicht alt genug für eine Freundin wäre! Ich treff mich mit George! log ich schnell. Ich hoffte, dass es überzeugend klang. Und deswegen hast du jetzt so eine blendend gute Laune!? Er war immer noch misstrauisch.Ähhh.... ja! Meine Zuversicht schwand. Hör zu, Martin! sagte er ruhig, fast resignierend. Ich hatte mit deiner Mutter gestern Abend eine lange Unterhaltung, und sie hat mich überzeugt.Also wenn du willst,darfst du dich mit Mädchen treffen. Dad seufzte. Ich staunte. Konnte er Gedanken lesen oder irgend so was? Naja, ich treffe mich ja mit George... sagte ich und versuchte es gleichgültig klingen zu lassen.Wenn er rausfand, dass ich log.... Ich wollte es mir gar nicht ausmalen.OK! meinte Dad und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Ich schnappte mir meinen Rucksack und zog keine Jacke an. Es waren warme 25 Grad draußen. Ich verabschiedete mich von Dad und holte mein Fahrrad aus der Garage. Dann fuhr ich die Hauptstrasse entlang und bog in das Waldstück ein. Auf dem Weg traf ich Lena schon.Auch sie war mit dem Fahrrad unterwegs. Sie sah sehr blass und irgendwie verändert aus.Hi! sagte ich fröhlich. Hi! erwiderte sie. Wie geht`s? Gut. murmelte ich und erinnerte mich an das Gespräch mit meinemVater. Sie bemerkte es wohl, sagte aber nichts.
Dann kamen wir an. Der Kies knirschte unter unseren Reifen. Also, wo hast du die Leiche gesehen? fragte sie mich. Keine Ahnung, das Wasser sieht an jeder Stelle gleich aus. gab ich zurück. Sie lächelte. Stimmt. Lena hatte ihren Bikini schon unter, ich ging in die Umkleidekabine. Als ich wieder rauskam, stand Lena schon bis zu den Knöcheln im Wasser. Wir gingen zuammen rein. Ich tauchte die ganze Zeit, sie nur ab und zu. Es muss sie warscheinlich große Überwindung kosten, in diesem See zu tauchen, der ihren Namen trug. Doch tapfer tauchte sie wieder und wieder. Wir schwammen weit raus, das Wasser war warm, das machte das Tauchen leichter. Plötzlich roch ich etwas. Verwesung! flüsterte ich. Was meinst du? fragte Lena, die in einiger Entfernung getaucht hatte. Mit langen Zügen kam sie zu mir geschwommen.Riechst du das nicht? fragte ich sie. Sie zögerte, dann schien sie zu begreifen. Doch! sagte sie und rümpfte die Nase. Ekelhaft meinte sie. Wir müssen näher an der Leiche sein. sagte ich und tauchte. Ich sah nichts. Nur den Grund in der Tiefe und ein Fisch, der ziellos umherschwamm. ich schaute nach allen Seiten, doch überall dasselbe: Sandiger Grund. Ich tauchte wieder auf. Der beißende Geruch nch Schimmel stieg mir in die Nase. Komisch. Mein Herz pochte. Ich war ganz nah an der Leiche.Und dann fiel es mir auf. Wo war Lena? Ich drehte mich um und sah sie. Direkt hinter mir. Buh! machte sie. Hast du mich erschreckt! sagte ich, nachdem sich mein Herzschlag normalisiert hatte. Hmm? machte ich und schwamm näher zu ihr heran. Der beißende Geruch wurde stärker. Was denn? fragte sie. Ist das Schimmel? erwiderte ich. Was? Sie schaute an den rechten Träger ihres Bikinis. Ein großer, grüner und eklig aussehender Fleck war dort. Lena schaute an sich herunter. Das? Oh. Nein, Nein! Sie lachte. Ich stutzte. Ihr Lachen war ganz anders. Es ließ kein Kribbeln mehr in meinem Bauch entstehen. Nein. wiederholte sie nochmal. Das ist ein Fleck von unserem Waschmittel.sagte sie. Ach so.sagte ich. Machen wir dann Schluss für heute? Wir finden nichts mehr, glaube ich.OK. gab sie zurück und schwamm Richtung Ufer.
Am Abend rief ich Lena an. Es war sehr merkwürdig heute. dachte ich. Ich wählte ihre Nummer. Gut, dass ich einen eigenen Telefonanschluss hatte. Es piepte. Einmal. Zweimal. Hallo? Ich erkannte Lenas Stimme, doch sie klang brüchig. Anders. Was ist mit dir? fragte ich. Doch ohne auf meine Frage einzugehen sagte sie: Tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte, aber ich war krank. Nach dem Aufstehen ging es mir richtig schlecht. Ausserdem hatte ich deine Telefonnummer nicht, dann konnte ich dir nicht Bescheid sagen. Ihre Stimme klang schuldbewusst. Wieso, du warst doch da!? wunderte ich mich. Sie lachte leise. War ich nicht! sagte sie leicht verwirrt. Aber.... wir sind doch zusammen getaucht und du kamst auch mit dem Fahrrad und, und..... Meine Stimme brach weg. Martin, ich war heute nicht am Strand! sagte sie eindringlich. Ich erzählte ihr die Geschichte. Was? fragte sie ungläubig. Du glaubst mir nicht. sagte ich traurig. Doch! sagte Lena schnell. Leise fragte sie: Glaubst du es war......Leonie? Ich hörte sie Leonies Namen zum ersten Mal sagen. Dann fuhr sie fort. Wenn sie einfach wegspazieren kann, und die Kette verliert, die sie definitiv bei ihrem ....Tod umgehabt hatte.... Sie sprach nicht weiter. Schau doch mal nach deinem Bikini! schlug ich vor. Gute Idee! stimmte sie zu, und ich hörte, wie sie sich mühsam erhob und durch das Zimmer ging. Nach ein paar Sekunden meldete sich ihre Stimme wieder. Er ist noch da, am Träger ist auch kein Fleck, aber er ist eiskalt. Leonie! sagte ich tonlos. Leonie! sagte auch Lena. Wir legten auf und ich setzte mich auf mein Bett und dachte nach. Es gab so viele offene Fragen. War das heute wirklich Leonie? Hatte sie den Bikini getragen? Wie konnte sie auferstehen? Was hatte das mit Lenas Krankheit zu tun? Ich dachte gründlich nach. Es entstanden zwei Theorien in meinem Kopf, die aber beide noch offene Fragen ließen.
Offene Frage: Warum?
Offene Frage:Wie ist das möglich?
Beides erschien mir sehr unwarscheinlich. Außerdem vertraute ich Lena. Wieso sollte sie mich, wie in Theorie 1) genannt, belügen? Ich war verwirrt.Also beschloss ich, mich schlafen zu legen. Ich ging nach unten, aß übrig gebliebenen Bohneneintopf von gestern und putzte mir die Zähne. Dann legte ich mich ins Bett und knipste das Licht aus. In dieser Nacht träumte ich von Lena. Sie stand da, Hand in Hand mit ihrer Schwester. Sie lebte noch. Doch plötzlich wurde der Traum zu einem Albtraum. Leonie zerfiel! Auf ihrem Schädel platzte die Haut auf und fiel in Fetzen auf den Boden. Ihre Klamotten zerfielen zu Staub. Nun platzte auch auf ihrem restlichen Körper die Haut ab. Bestürzt sah ich, dass ihre Augen hin und her rollten, dann fielen sie raus. Mit einem hässlichen Platschen fielen sie auf dem Boden. Leonie stand in nun in einer Pfütze aus Blut und Augenwasser. Die Augäpfel rollten unruhig auf dem Boden herum. Und was mich am meisten erschreckte: Lena lächelte immer noch. Hand in Hand stand sie mit einem Skellet da. Leonie sah nun haargenau so aus, wie die Leiche im See. Nur, dass sie diesmal die lächelnde Lena an der Hand hielt. Mit einem Schrei wachte ich auf. Es fühlte sich an, als hätte ich mir wie ein Baby in die Hosen gemacht, so nassgeschwitzt war ich. Meine Bettdecke lag zusammengeknüllt auf dem Boden. Zitternd hob ich sie wieder hoch und schüttelte sie aus, um mich abzulenken. Dann legte ich mich wieder hin und deckte mich zu. Jetzt fror ich. Ich schaute auf meinen Wecker. Viertel nach vier. Ich überlegte, was ich jetzt machen sollte, weiterschlafen kam gar nicht in Frage.Also dachte ich nach. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass Träume immer irgendeinen Sinn hatten. Wollte er mich darauf hinweisen, dass Leonie böse war?Das weiß ich. dachte ich.Oder? War sie wirklich böse, wie ich dachte? Nur weil sie eine Leiche war? Nicht jede Leiche ist böse. dachte ich scherzhaft. Aber....hatte Lena nicht gesagt, dass Leonie gerne tauchte? Dass sie schon eineinhalb Minuten schaffte? Das kriegte man nur mit intensivem Training hin. Das wusste ich. Ich meine, sie konnte ja nichts dafür, dass sie tot war. Mit Schrecken bemerkte ich, dass ich sie langsam sympathisch fand. Ich glaube, wir wären total auf einer Wellen linie. Aber, was wenn sie das heute doch war? dachte ich. Dass sie auferstand, nur um mir näher zu sein? Nein! entschied ich. Völlig unmöglich! Und dann schlief ich doch wieder ein.