Beschreibung
Auszug aus meinem Buch "Mein Leben als Pfalzgraf"
Ehre wem Ehre gebührt Es begab sich vor langer Zeit – um genau zu sein: In den späten Sechzigern des letzten Jahrhunderts. Der Pfalzgraf verlebte damals seine Gymnasialzeit in einem österreichischen Internat. Modisch lag er voll im Trend. Und dieser Trend besagte 1968, dass Phantasieuniformen angesagt waren. Schuldig daran waren die Beatles, welche auf deren Album „Sgt. Pepper“ mit solchen Uniformen abgelichtet waren. Um dem Zeitgeist gerecht zu werden und dennoch seinen Körper nicht in eine lächerliche Phantasieuniform stecken zu müssen, erstand unser Pfalzgraf auf dem Flohmarkt eine alte GI-Jacke aus US-Beständen. Er hatte dieses verrottete und verwaschene Kriegsprodukt also erstanden und trug es voller Stolz. Aber dennoch war es nicht wie es sein sollte. Etwas fehlte. Als überzeugter Beatles-Fan wollte er diesen Musikern den gebührenden Respekt erweisen und seine Ansicht dementsprechend nach außen tragen. Eines Tages pilgerte er durch die Altstadt und sein Auge erblickte ein kleines Lädchen, in welchem neben Pokalen auch Orden und Ehrenzeichen feilgeboten wurden. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Die Auslage bestand, außer den Pokalen vorrangig aus bunten Karnevalsorden, welche ihm nicht besonders gefielen. Aber rechts – in einer Ecke – fand er einige Teile nach welchen sein Herz begehrte. Kleine Orden aus unechtem Silber. Diese sollten – an seine Brust geheftet – den gewünschten Zweck erfüllen. Er trat in das Geschäft ein und fühlte sich unmittelbar wie in einer Zeitreise zum Beginn des letzten Jahrhunderts. Pokale standen in Holzvitrinen hinter schmutzigem Glas. Der Holzfußboden knarrte wie die Planken eines Segelschiffes und ein altes Männlein, den die unglaublichen Gerüche im Inneren wohl nicht störte erfragte sein Begehr auf herrlich altmodische Weise.. Er erkundigte sich nach den gesehenen Orden und stellte fest, dass die Preise sein Budget nicht sprengten. So erstand er 3 solcher silberfarbenen Orden, welche er sich unverzüglich anheftete. Jetzt fühlte er sich gut und trat den Heimweg ins Internat an. Jedoch hatte der neugeborene Kriegsheld nicht lange Gelegenheit sich dieser Orden zu schmücken. Lag es daran, dass diese Orden zu realistisch ausschauten? Lag es daran, dass ein Hippie wie unser damaliger Pfalzgraf sie trug? Oder lag es daran, dass der Leiter des Internates als überzeugter Kriegsveteran mit aufrecht rechter Gesinnung hier gar keinen Spaß verstand? Dieser sah den Grafen und stand wie angewurzelt. Wie Lots Frau nach der Flucht aus Sodom – zur Salzsäule erstarrt. Er musste sich auch vorkommen wie in Sodom. Der durch die markanten Hängebacken allgegenwärtige Speichel auf seinen Mundwinkeln schien trotz der angenehmen Temperaturen gefroren. Die Hängebacken blähten sich auf als wollten sie aus dem Gesicht entfliehen. Die Arme ruderten auf eine Weise, als stünde Joe Cocker singend auf der Bühne. Und diese Augen: Der Pfalzgraf sah nur noch das Weise in dessen Augen. Die Gesichtsfarbe dieses Herrn wechselte abwechselnd von rot zu weiß und wieder zu rot zurück. Ein hübsches Schauspiel. Dann erfolgte ein Schrei. Ein Schrei, wie ihn unser jugendlicher Held bisher nie gehört hat und nie wieder hören sollte. Verbale Kommunikation, welche jeglicher menschlichen Ausdrucksform entbehrte. Lediglich steinzeitähnliche Völker in den Tiefen des amazonischen Urwaldes werden durch solche Laute wohl ihre Feinde vertrieben haben. Während unser Pfalzgraf um seine Hörkraft bangte schälten sich doch zumindest einige mitteleuropäische Klangfolgen heraus. Er konnte aber nur „Was soll das“ diesen prähistorischen Gutturalen entnehmen. Aus Angst der Internatsleiter könne womöglich platzen und er, der Pfalzgraf müsse die Sauerei dann aufwischen versuchte er verbal zu erforschen um was es eigentlich ginge. Immerhin war er sich keiner Schuld bewusst. Diese Frage zu stellen war jedoch sein nächster Fehler. Sein Gegenüber sah dies wohl als die Höchstform der Provokation an, mit der man ihn reizen konnte. Wieder wechselte er die Farbe als sei er ein Chamäleon. Ein leichtes Purpur überzog nun seine Gesichtshaut, während die Ohren in sattem Dunkelrot erstrahlten. Es freute unseren Helden jedoch zu sehen, dass der Speichel wieder flüssig wurde und er nicht weiter um die Gesundheit seines Vorgesetzten bangen musste. Plötzlich – unser Freund hatte schon nicht mehr damit gerechnet – kamen zwar laute, aber dennoch halbwegs verständliche Worte aus dem schreienden Mund seines Gesprächspartners. Worte wie „Dafür sind deutsche Männer gestorben“. Der Pfalzgraf konnte sich hierauf keinen Reim machen. Schließlich hatte er die Teile käuflich erworben und niemanden im Rahmen eines Raubmordes dafür umgebracht. Wie konnte er als militärhistorisch völlig desinteressiert auch wissen, dass er sich eine Nachbildung des eisernen Kreuzes angeheftet hatte. „Wo hast Du das her?“ Der Pfalzgraf hatte den Versuch einer Antwort gewagt, diese ging jedoch im akustischen Inferno des Internatsleiters unter. Wahrscheinlich hat diesen die Antwort auch nicht wirklich interessiert. Dessen einziges Ziel lag darin unserem Helden dieses Abzeichen zu entfernen. Er schritt auf ihn zu. Ganz nahe. Die Kontrahenten standen Auge in Auge. Direkt vor dem gräflichen Antlitz erhob der Internatsleiter wiederum seine Stimme um weitere Töne mannigfaltiger Art abzusondern. Das Öffnen des Mundes entließ seinem Rachen jedoch nicht nur die gewünschte Wortwahl, sondern auch unangenehme Gerüche, welche die Geheimnisse seiner letzten Mahlzeit lüfteten. Unser Held fragte sich allmählich, ob dieser ihn nun durch körperliche Gewalt oder durch seinen Mundgeruch töten wollte. Mein Gott – lass ihn Gewalt anwenden, dachte er – dies geht wenigstens schneller. Nach diesem mehrere Minuten anhaltenden Terrors gestand sich der Pfalzgraf ein, dass er wohl der Unterlegene sei und löste freiwillig das eiserne Kreuz von seiner Brust. Er hielt das Corpus Delicti seinem Vorgesetzten entgegen als wolle er es ihm feierlich verleihen. Zum Glück hatte dieser diese Geste nicht erkannt. Jetzt hatte der Internatsleiter ein Problem. Wohin mit dem eisernen Kreuz? Vernichten oder Wegsperren war nicht möglich. Schließlich war es fremdes Eigentum. Dem Schüler zurückgeben? Unmöglich. Dann wäre die Konfrontation für ihn verloren. Am liebsten hätte er es sich wohl selbst umgehängt um bei seinem nächsten Kriegertreffen damit zu prahlen. Aber dazu fehlte ihm wohl der Mut. Also nahm er dieses Requisit aus unsäglichen Zeiten und schickte es zusammen mit einem Schreiben über Ehre und Vaterland an den pfalzgräflichen Vater. Der Vater sah dieses neuerliche Missgeschick seines Sprösslings zum Glück als wenig dramatisch an und verlor niemals ein Wort darüber.