Mehrmals wurde ich nahezu gedrängt diesen Titel in irgendetwas Kreatives umzuwandeln et voilà hier ist es. Ich hab lange überlegt, was ich daraus machen soll.
Ich bin ja Hauptberuflich on air. Und ob man es glaubt oder nicht. Der Charme des Berufes einer Stewardess ist schon lange verflogen. Viele denken, wir seien alle wunderschöne Mannequins mit ultra langen Beinen, die sich den ganzen Tag schminken, sich mit ihrem leicht naiven Charme in die Herzen der männlichen Fluggäste schleichen und an den schönsten Stränden der Welt Mittagspause machen. Nee, so ist es nicht. Leider :-(
Ich möchte gerne einen Tag als Flugbegleiter beschreiben, beziehungsweise versuchen zu beschreiben.
Der Tag beginnt um 3 Uhr morgens. Man steht auf, gönnt sich eine kalte Dusche, weil keine Zeit ist zu warten bis das Wasser heiß wird. Aufwändiges Make Up und akkurate Hochsteckfrisur sind Grundvorrausetzung für meinen Job. Auch wenn manchmal nur Zeit ist für einen einfachen geflochtenen Zopf ist. Schnell ein Stück Schokolade und eine Zigarette, dann geht’s auch schon los. 4 Uhr ist Abfahrt zum Flughafen. Um 5 Uhr ist Check In. Nach etlichen Kontrollen dann erst mal ab in die Kaffeeküche. Kaffee steht schon bereit und wird genüsslich im Raucherraum mit einer obligatorischen „Wir lernen uns kennen Zigarette“ geschlürft. Denn man fliegt nur selten mit den gleichen Kollegen. Auf den letzten Drücker kommt man dann zum Briefing (Flugbesprechung bei der alles besprochen wird). Man lernt die Nichtraucher kennen und macht sich auf den Weg zum Flugzeug. Der Plan für heute sieht wie folgt aus. Von Berlin geht es nach Wien und gleich wieder zurück und noch mal nach Wien und wieder zurück.
Alles wird vorbereitet. Was bedeutet, wir untersuchen das Flugzeug sorgfältig auf gefährliche Gegenstände, checken das Catering und legen die Zeitungen aus (Berliner Morgenpost, Bild, Frankfurter Allgemeine, Handelsblatt, Financial Times, Die Welt, Berliner Zeitung, Bunte, Playboy, Focus, Spiegel, Life and Stile, Brigitte, Freundin, Der Aktionär). Noch schnell ein Körbchen mit Bonbons fertig machen und die Gäste (liebevoll die Irren genannt) können kommen.
Und dann kommen sie. Es ist 5:30 Uhr morgens. Jeder Mensch hat schlechte Laune um diese Zeit. Da wir Flugbegleiter „Übermenschen“ sind, betrifft uns das nicht. Jeder einzelne Gast wird mit einem freundlichen Willkommen begrüßt, selten wird es erwidert. Einige Gäste brummen, andere nicken, wenige grüßen zurück. Egal, wir stehen darüber, ist ja verständlich um diese Zeit. Ein Geschäftsmann betritt mit mürrischem Gesicht die Kabine. „Gibt’s keine BZ?“ freundlich weisen wir darauf hin, dass wir leider keine BZ beladen haben, dafür jedoch die Berliner Morgenpost, Bild, Frankfurter Allgemeine, Handelsblatt, Financial Times, Die Welt und die Berliner Zeitung außerdem haben wir ja noch sämtliche Magazine im Angebot und das alles für lau. Nein der Tag des Gastes ist vorerst gelaufen und er stampft stinksauer davon. Andere Gäste kommen verunsichert in die Kabine zeigen ihre Bordkarte und warten darauf, dass wir ihnen Einlass gewähren.
Die Gäste schleichen zu ihren Plätzen, stellen sich in den schmalen Gang, packen in Ruhe ihre Habseligkeiten aus und nerven damit die Gäste, die weiter hinten ihren Platz haben. Weil Menschen wie Lemminge sind machen sie das dann aus Trotz später auch und so dauert das Boarding eine halbe Ewigkeit. Aber auch das ist uns egal, wir lächeln, versuchen alles zu beschleunigen in dem wir selbst die zehn Kilo Trolleys in die oberen Ablagen wuchten.
Endlich sitzen alle und die Türen können geschlossen werden.
Der Kapitän macht eine kurze Ansage, die sich niemand anhört, dann macht ein Flugbegleiter eine Ansage die sich niemand anhört und dann kommt das Video mit den Sicherheitsinstruktionen, das sich niemand ansieht. Da treffen wir auch wieder den Geschäftsmann, der nun keine BZ lesen kann und immer noch sehr aufgebracht deswegen ist. Er sitzt an einem Notausgang. „Notausgänge“ so hat die Kollegin in der Ansage gesagt, „müssen immer frei von Gepäck und Kleidung sein“. Da der Geschäftsmann aber nicht zugehört hat, weiß er das nicht. Wir weisen ihn freundlich noch einmal darauf hin. Und da er schon etwas sauer wegen der BZ war, treibt ihn das nun zur Weißglut. „Ich fliege zweimal die Woche und muss niiiiiiiieeee meine Sachen nach oben legen“. Am liebsten würde ich sagen „Ich fliege viermal am Tag und jeder Gast muss seine scheiß Sachen nach oben legen!!!“
Stattdessen sage ich „Das ist ein Notausgang, da muss alles nach oben. Nach dem Start können sie ihre Sachen wieder runter nehmen“ Es drückt mir erbost seine 20 Kilo Tasche in die Hand und ich verstaue sie mit einem Lächeln „Sehr gerne“.
Nachdem dann endlich alle angeschnallt sind und sämtliche Taschen, Jacken, Tüten und Koffer verstaut sind, geht es los. Mit dreihundert km/h geht es gen Himmel. Und da ist es, dieses Gefühl, das man nicht beschreiben kann und das ich auch gar nicht beschreiben will. Man träumt ein wenig vor sich hin und dann macht es auch schon „Bing“. Das Startsignal. Schnell Kaffee und Tee kochen. Trolleys aufbauen und ab in die Höhle des Löwen. Raubtierfütterung. Denn wenn es etwas umsonst gibt sind die Leute sehr ungehalten. Nein, sie sind gierig. Nun gilt es schnell zu sein, schließlich muss man 186 Mäuler in 50 Minuten Flugzeit stopfen. Normalerweise kein Problem, wenn die Leute sich die Ansagen anhören würden, in denen die Kollegin ausführlich beschreibt, was wir anbieten. „Meine Damen und Herren, wir freuen uns ihnen auch heute wieder einen KOSTENLOSEN Service anbieten zu können. Wir servieren ihnen gleich kalte und warme Getränke und sie können zwischen einem Käse- oder Salami-Sandwich wählen.“
Dann geht’s los im Marathon durch die Kabine sprinten. Mit dem gefüllten Getränkewagen kommen wir zum ersten Gast. Erschrocken darüber dass wir neben ihn stehen hat er die Frage „Was darf es bei ihnen zu trinken sein“ nicht verstanden und antwortet prompt mit „Käse“. Weil keine Zeit für die gehobene Kunst des Servierens ist (bedeutet erst Getränk, dann die Speisen), drücken wir ihm ein Käsebrot in die Hand. „Möchten Sie etwas dazu trinken?“ Ein dickes fettes Fragezeichen über den Kopf des Gastes erscheint. „Was gibt es denn?“ Am liebsten würde man den Gast nehmen, kräftig schütteln und sagen „Schau mal auf die Uhr, wir haben nur noch 40 Minuten und 185 andere Geier, die auf ihre Fütterung warten“ Aber weil das zu lange dauern würde, antworten wir mit einem Lächeln „ Wir haben Cola, Fanta, Sprite, O-Saft, A-Saft, Tomatensaft, Wasser mit Sprudel, Wasser ohne Sprudel, Kaffee, Tee, Bier, Wein und Sekt“ Das Fragezeichen wird nun noch größer. „Hmmm. Dann, Ääähm, einen Kaffee und einen Tomatensaft“. „Arschloch“ denken wir. „Gerne. Den Kaffee mit Milch und Zucker?“ sagen wir. „Ääääääähm. Mit Milch“ Jetzt wird es langsam eng mit der Zeit, da wir schon mindesten eine Minute für einen Gast brauchen. „Den Tomatensaft mit Salz und Pfeffer?“ Wieder Fragezeichen. „ Ääääääh ja“. Alles wird in Windeseile zubereitet und auf den Tisch gestellt ohne ein „Dankeschön“ zu erwarten. Der Gast direkt daneben hat sich die Prozedur angesehen und sich seine Worte bereits zu Recht gelegt und so dauert die Bestellung samt Ausführung nur ca. 2 Sekunden. Die nächsten Reihen sind unkompliziert und wir haben wieder einen leichten Vorsprung gegenüber der Zeit. Da kommen wir am Notausgang an. Unser netter Herr „Arschloch“. „Was darf es bei Ihnen zu trinken sein“ Ohne uns anzuschauen, weil er uns jetzt hasst, sagt er „Ein Sekt und ein Wasser“. „Bitte“ hat er aus Versehen ausgelassen und wir sehen darüber hinweg. Wir reichen ihm den Sekt (sorgfältig mit einem Serviettenschal gebunden) und das Wasser. „Darf es ein Käse- oder Salami-Sandwich sein?“ Ohne uns anzusehen antwortet er „mit Schinken“. „Oh man du Penner! Salami oder Käse“ hätten wir nun gerne geantwortet. Aber wir sagen lieber „Tut mir leid, wir haben nur Käse oder Salami“ Jetzt haben wir den Gast fast soweit, dass er aus dem fliegenden Flugzeug springt, so sauer ist er. Aber weil er kurz vor dem Herzinfarkt steht und die anderen Gäste ihn beobachten sagt er „Salami“
Weil wir „Übermenschen“ und der Inbegriff der Freundlichkeit sind, reichen wir ihm das Salamibrot mit einem Lächeln, das die Sonne heller scheinen lässt.
Weiter geht’s und wir kommen zu einer netten Schulklasse, die ihre Klassenfahrt an der Donau verbringen möchte. „Darf es etwas zu trinken sein?“ Der erste Jugendliche nimmt seine Kopfhörer aus dem Ohr und schaut mich fragend an. „Was zu trinken?“ kürzen wir jetzt ab, da der Vorsprung sonst verloren geht. „Nee“ und schwuppdiwupp sind die Kopfhörer wieder in den Ohren verschwunden. Der zweite Schüler wird gefragt. Nur Kopfschütteln. Der dritte winkt auch ab und wir freuen uns, dass die Kids so leicht zu handeln sind. Also ab in die nächste Reihe. „Was zu trinken?“ nun an ein Mädchen gerichtet. „Kostet das was?“ lautet die gefürchtete Frage. „Nein alles umsonst“ „Dann nehme ich `ne Cola“ „Gerne. Ein Sandwich dazu?“ „Kostet das was?“ „Nein ALLES umsonst!“. „Dann nehme ich Käse“ Und nun geht das natürlich rum wie ein Lauffeuer und die Reihe von Jungs, die gerade noch nichts wollten, tippen mir schon von hinten auf die Schulter und der Vorsprung ist wieder futsch.
Nach 25 Minuten sind dann endlich alle Mägen mehr oder weniger gefüllt und die Gäste widmen sich wieder dem neusten Tratsch und Klatsch aus der Presse.
Die Anschnallzeichen gehen wieder an und man freut sich darüber, dass zumindest ein Flug fast geschafft ist. Wir kontrollieren wieder ob alle Gäste angeschnallt sind und ob alle Taschen, Tüten, Koffer, Jacken, Tiere und Kinder da sind wo sie hin gehören und kommen wieder zu unserem Lieblingsgast am Notausgang. Der natürlich seine Tasche fein säuberlich unter den Sitz gestellt hat. „Darf ich ihre Tasche zur Landung wieder nach oben legen?“
Genervt gibt er uns die Tasche. Ohne „Bitte“, „Danke“ oder sonst einen Kommentar. „Würden Sie bitte ihren Tisch wieder hoch klappen“ fragen wir ihn höflich, obwohl die Kollegin die Gäste vorher über eine Ansage informierte. Ohne Kommentar klappt er den Tisch hoch, mit einer Wucht, dass der Gast vor ihm unsanft aus seinem Nickerchen gerissen wird. „Kost ja nix! Hau ruhig ordentlich rauf!“ denken wir. Da Herr „Arschgesicht“ aber super wichtig ist, muss er noch eine Weile mit seinem ultra modernen handyählichen Dingens spielen. Obwohl die Kollegin bereits per Ansage darauf aufmerksam gemacht hat, dass alle elektronischen Geräte ausgeschaltet werden müssen, weisen wir den Gast noch einmal gesondert darauf hin. „Gleich“ kommt nur kurz. „Nein Jetzt“ Antworten wir weil wir auch ein klein wenig unter Zeitdruck stehen und die Maschine in 5 Minuten landen soll. „Das ist kein Handy“ Antwortet er zornig. „Was auch immer es ist. Es muss jetzt ausgeschaltet werden.“ Sein Gesicht wird langsam rot und seine Hände zittern. „Wieso, es ist doch kein Handy?!“ (Weil ich von Natur aus böse bin und es dir einfach nicht gönne die letzten 5 Minuten mit dem Scheiß Handyding rumzuspielen du elendiger Arschf***er )
„Aber es ist ein elektronisches Gerät. Und alle elektronischen Geräte müssen zur Landung ausgeschaltet sein. Wenn sie es nicht ausschalten, werde ich dem Kapitän sagen müssen, dass wir nicht landen können. Ich denke nicht, dass er sich darüber freut.“
Er schaltet das Gerät aus und wirft es auf den Sitz neben sich. Die Kollegin informierte die Gäste ebenso darüber, dass die Rückenlehnen senkrecht stehen müssen. Mister „Arschgesicht“ hat es scheinbar überhört, so dass wir ihn auch darum bitten müssen. Jetzt haben wir es scheinbar zu weit getrieben. Wütend versucht er, den Knopf für die Rückenlehne zu finden, kommt aber vor lauter Aufregung nicht mit der Technik zurecht. Was mir ein sanftes Lächeln auf die Lippen zaubert. Ich gehe ihn zur Hand und stelle für ihn den Sitz nach vorn. „Scheiß-Laden ist das hier. Nächstes Mal fliege ich mit der Lufthansa.“ Ich schaue ihn lächelnd an, beobachte seine zitternden Wangenknochen und die pulsierende Adern an seinen Schläfen und sage ruhig und gelassen „Sehr gerne!“ und gehe.
Dann haben wir genau 5 Minuten Zeit für uns. Ich schaue dann aus dem kleinen Fenster und frage mich, warum ich ausgerechnet diesen Job gewählt habe. Ich schaue nach draußen. Dicke, fette Cumuluswolken malen eine hübsche Landschaft in den Himmel. „Über den Wolken scheint immer die Sonne“ heißt es. Am liebsten würde ich die Tür öffnen, aussteigen und für immer dort bleiben. Doch das geht ja leider nicht.
Sanft und sicher landen wir auf den Boden des Wiener Flughafens. Die Gäste klatschen nicht, das machen sie nur noch selten. Aber das ist uns egal. Manchmal, wenn wir wollen dass die Leute klatschen, machen wir es ihnen vor und da die Menschen Nachahmer sind, klatschen sie begeistert mit.
Eine letzte Ansage für diesen Flug wird durchgeführt. Am liebsten würden wir sagen „Meine Damen und Herren, sanft und sicher sind wir in Wien gelandet. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt sitzen bis wir zum.... Setz´ dich hin du Wichser... Entschuldigung. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt sitzen bis die Anschnallzeichen erloschen sind. Danach können Sie wieder wie gewohnt drängeln und schubsen. Vielen Dank, dass sie uns heute wieder um zehn Jahre haben altern lassen. Nächstes Mal könnten sie ja auch einfach mal unseren Ansagen lauschen. Aber da sie das ja jetzt auch nicht hören, wird das wohl ein unerfüllter Wunsch bleiben. So wir stehen. Macht das ihr raus kommt!“
Aber weil uns das unseren Job kosten könnte, gehen wir zu unserer Standard-Ansage über und sagen: „Mein Damen und Herren, Herzlich Willkommen in Wien. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt sitzen bis wir zum endgültigen Stillstand gekommen sind. Wir hoffen, sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen und wünschen ihnen noch einen schönen Tag in Wien.“
Die Gäste drängeln und schubsen sich gegenseitig aus der Maschine als gäbe es kein Morgen mehr und wir sind froh, dass wir eine Ecke haben, in der wir uns sicher fühlen können.
Wenn alle Gäste aus der Maschine verschwunden sind, heißt es in 20 Minuten Schlachtfeld aufräumen. Gut, dass wir fleißiges Cleaningpersonal haben, die weder mit uns noch wir mit denen tauschen möchten. In Windeseile beseitigen sie Tonnen von Zeitungen und Bechern, Windeln, Flaschen, benutzte Spucktüten und noch viel schlimmere Sachen. Zum Dank bekommen Sie von uns Schokolade und Obst und vor allem ein echtes Lächeln und ein „Dankeschön“ von Herzen.
Und dann stehen auch schon die nächsten „Irren“ vor der Tür und ich freue mich auf die 5 Minuten vor der nächsten Landung, um aus dem Fenster zu schauen...