Achtung, Achtung, jetzt wird‘s ein wenig anstößig. Zuweilen könnte der folgende Text Ihre Gesichtsfarbe einem Hummer bei einhundert Grad angleichen, Sie peinlich berühren, vielleicht sogar das so bekannte wie paradoxe Fremdschamgefühl auf Ihrem erhitzten Gemüt auslösen. Also sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Es ist nämlich so: In dem Haus, in dem ich mein derzeitiges Domizil habe, gibt es einen Sexshop. Direkt neben der Eingangstür. Eine spannende Sache, vor allem von innen. Und es brennt mir unter den Nägeln, davon zu erzählen, denn dort, nun ja, findet man mich schon des Öfteren mal.
Nicht, was Sie Ferkel jetzt denken! ich hole da lediglich meine Pakete ab - im Ernst. Die Besitzer sind so freundlich, während meiner Abwesenheit meine Post anzunehmen, und so marschiere ich dann mit meinen regelmäßig eintrudelnden Lieferungen tunnelblickend durch die eng gestellten Regale. Für das draußen vorbeiziehende Fußvolk sicher ein süffisanter Anblick, gerade, wenn die Pakete nicht mit »Amazon« und Konsorten beschriftet sind, sondern, nett mit bunten Blümchen- und Käferstickern beklebt, aus dem elterlichen Nest eingetrudelt sind. Ein Typ kommt schwer schleppend mit Bananenkisten-großem, bunt beklebtem Paket aus dem Sexshop. Reges Sexualleben? Eine Sammelbestellung? Oder schlimmer?
Schlimmer, nun, schlimmer geht es bekanntlich meistens. Gerade bei dem »Spielzeug«, das man in solcherlei Läden (natürlich nur im Vorbeigehen) zur, nun, rein zufälligen Ansicht natürlich, vorfindet. Zu den harmloseren Vertretern industriell erzeugter Lustspender gehören hierbei die Unmengen an Vibratoren und Dildos, die in allen erdenklichen Formen und Farben die Gänge wie aufgereihte Zinnsoldaten säumen und synthetisch vor sich hin stinkend auf läufige Kundschaft mit Liebesleben warten. Wozu gibt es eigentlich so viele unterschiedliche Varianten, könnte man sich fragen. Eine Sache des »Look and Feel«? Wohl eher nicht. Schließlich möchte doch sicher niemand verharren und stöbern, als herrsche Sommerschlussverkauf. Und in der Anwendung unterscheiden sich die Kunststoffphalli nicht wirklich von Tampons, oder? Die gibt‘s doch auch nicht in allen erdenklichen Farben und wahlweise im Bananen- oder Delfinformat. Immer dieses Überangebot! Pah.
Aber ach, ich war bei Dingen, die schlimmer sind als beklebte Plakate. So war ich vor einiger Zeit in einem anderen Erotikshop, um, nun, Handschellen zu kaufen (Ehrlich, als Scherz für ein Geburtstagsgeschenk!) und entdeckte dabei durch puren Zufall in einer gut ausgeleuchteten Ecke den Krösus nachempfundener Männlichkeit. Seinen beeindruckenden Namen habe ich mittlerweile vergessen oder verdrängt, nicht jedoch sein Format. Hergestellt aus den originalen Gussformen jener Torpedos, die von den Japanern vor 1945 hergestellt und zur manuellen Steuerung bemannt wurden, nahm diese Ungeheuerlichkeit einen guten Kubikmeter Luft für sich ein, möchte ich meinen. Durchaus verkäuflich, trotzdem hoffentlich eher als Dekorationsutensil für die alternative Behausung gedacht, denn andernfalls möchte ich zu bedenken geben, dass solche Dinger im Mittelalter von rumänischen Schreckensfürsten noch aus Holz gefertigt wurden, um unliebsame Menschen darauf aufzuspießen.
Dennoch, ähnlich drakonisch wirkende Monsterstäbe liegen tatsächlich zur Verwendung in den Regalen der Sexshops. Während meiner WG-Zeit meinte mein Mitbewohner offenbar (Ja, im Ernst, ich war‘s nicht!), ein Penis-verschlingendes Monstrum zur Freundin zu haben, dem er im Alleingang auf Dauer nicht gewachsen sein würde. Und so kaufte er schließlich in meinem Beisein den so genannten Innenreiniger - namentlich »Doc Johnson«. Dieses Teufelsding entsprach in seinem Durchmesser zwar lediglich einer gut gewachsenen, chemisch behandelten ISO-genormten Banane, dafür war es jedoch ungeheuer lang. Keine Ahnung weshalb. Denn im Ernst, sollte mein Zimmergenosse diesen gummiartigen Besenstiel tatsächlich eingesetzt haben, kann ich nur hoffen, dass er vorsichtig damit umging. Ansonsten hätte es wohl geheißen: »Hirn, mach Platz! Doc Johnson setzt zur Kollision mit der Schädeldecke an.« Uh.
Doch der Mensch wäre nicht die selbsterwählte Krönung der Schöpfung, wie ich schon so oft feststellen musste, könnte er nicht noch eins drauf setzen. In ominösen Onlineshops (Und ja, dieses Mal war ich aktiv beim Stöbern beteiligt.) gibt es weit Groteskeres: Latexunterschenkel inklusive Fuß! Im Sparpack mit Gleitgel. Hm. Für den Arschtritt mit erotischem Einschlag? Man will es lieber gar nicht wissen. Hände, quasi die Light-Variante, gab es natürlich auch, wobei sich mir deren Sinn nicht ganz erschließt, sofern man nicht gerade zwei Haken statt seiner zu Fäusten verformbaren Hände besitzt. Andererseits, bleibt man dann doch mal stecken, wird der eilige Anruf beim Notarzt mit nur einer Hand eventuell zum Ding der Unmöglichkeit. Unschön. Fast vergessen hätte ich ja, dass es in diesen Shops sogar umgerüstete Dampfmaschinen gibt, mit denen der gewillte Proband sich im Staccato selbst -ach, lassen wir das lieber, sonst veröffentliche ich bald meinen ersten Text im großen Stil - auf dem Index.
Wer ersinnt solche Dinge? Wahrscheinlich das kreativ ausgeartete männliche Wesen mithilfe seines Zweithirns im Taschenformat. Schließlich ist auch gerade der Mann an sich vorwiegend in den Sexshops dieser Welt vorzufinden. - zumindest immer dann, wenn ich zur Tür herein komme. Besonders witzig ist übrigens dabei der Blickkontakt mit krawattentragenden Geschäftsleuten am DVD-Regal in der Fetischecke, idealerweise sind die Filme aus der Kategorie »Frau trägt Penis, wo was anderes sein sollte« schon ausgewählt. So sehen nämlich Menschen aus, die sich böse, böse ertappt fühlen. Mir soll‘s ja egal sein, schließlich will ich nur an meine Post. Nur so zur Erinnerung. Schlimmer wog da kürzlich das einschneidende Erlebnis, als der Herr vor mir am Tresen nach einem Platz in der Videokabine fragte. »Ist noch besetzt«, bekam er höflich zur Antwort und entgegnete völlig trocken: »Ja, kein Problem. Dann warte ich.« Bah! Darf‘s vielleicht gleich ein Jahresabo sein? Sammeln Sie Bonuspunkte. Genießen Sie Rabatte. Ist doch kein Sonnenstudio. Soll der sich doch bitte daheim bei YouPorn tummeln und meine wertvolle Fantasie, nun ja, unbefleckt lassen.
Und nun werde ich das wenig angenehme Gefühl nicht los, dass sich die größeren der genannten Scheußlichkeiten tatsächlich unzählige Männerhirne ausgedacht haben - in bierlaunigen Bauarbeitergesprächen, dabei jedoch mit dem Geschäftssinn eines Josef Ackermann. Und so sitzen Sie jetzt wahrscheinlich gemütlich vor ihrem PC-Monitor, vielleicht ein wenig erheitert, dafür aber wenig beschämt. In dem Fall seien Sie sich gewiss, das Fremdschämen ist gerade dabei, in meiner eigenen Wohnung die Koffer zur längeren Bleibe auszuräumen.