Biografien & Erinnerungen
Ein kleiner Chinese oder wie der Zufall so spielt

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"Ein kleiner Chinese oder wie der Zufall so spielt"
Veröffentlicht am 11. Juni 2009, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Literatur war mir in meinem Leben schon während der Schulzeit sehr wichtig. Doch ich habe erst seit ein paar Jahren die Zeit gefunden, selbst zu schreiben. Ich freue mich über Lob, bin aber für alle Verbesserungsvorschläge offen. Ich lese immer wieder in Literaturgeschichten, weil ich meine,dass wir nur so entdecken können, wie wir einen ganz bescheidenen Beitrag dazu leisten können, dass Literatur sich weiter entwickelt.
Ein kleiner Chinese oder wie der Zufall so spielt

Ein kleiner Chinese oder wie der Zufall so spielt

Dies ist ein Bericht von einer klassenfahrt aus der Sicht des Lehrers.
 

Eines vorweg: Klassenfahrten erfüllen manchmal auch deshalb nicht die „Traumvorstellungen“ von SchülerInnen, weil LehrerInnen, die eine hohe Verantwortung für die Sicherheit ihrer Schüler haben, im Vorfeld solcher Fahrten per Unterschrift juristische Verpflichtungen eingehen müssen, die sie teilweise verkrampfen lassen. In meiner Erzählung über eine Klassenfahrt von Linz nach Wien auf einem Donaudampfer konnten meine Frau und ich als Verantwortliche gar nicht den Humor verlieren, weil wir ausgesprochen liebenswerte Schüler leiteten.
 

Also, wir hatten 1976 den ersten Teil unserer Klassenfahrt mit einer 10. Klasse - sehr schöne Mädchen waren dabei - in Passau glücklich hinter uns gebracht und befanden uns auf der Donaureise. Sie müssen wissen, unter meinen im Durchschnitt 16jährigen SchülerInnen aus einer Kleinstadt befanden sich einige, die noch nie in einem Hotel genächtigt hatten. Entsprechend groß war ihre Erwartungshaltung, und so kamen sie einzeln zu mir, um Näheres über unser Hotel in Wien zu erfahren, von dem ich auch nur wusste, dass es mit seinen 2-3 Sternen nicht gerade ein Palast sein würde. Allmählich begannen mich die Einzelinterviews aber zu nerven, und so rief ich sie alle zusammen und sagte, ich würde ihnen nun erschöpfende Auskunft über das Hotel geben:

„Das ist ein ganz tolles romantisches Hotel“ ließ ich mit leiser Ironie vernehmen. Die hohen Zimmer sind mit schöner Stuckatur verziert, und morgens kommt ein kleiner Chinese, um euch zu wecken und fragt: ‚Wünschen die Damen Tee oder Kaffee.’“

„Ach, Sie nehmen uns doch nur auf den Arm“, meinten meine Schüler, verübelten mir aber nicht, dass ich die Sache ins Lächerliche zog.

Nun, was soll ich Ihnen sagen. Wir kommen bei unserem Hotel mit einer Drehtür an und hinter dieser wartet tatsächlich ein kleiner Chinese, lächelt charmant die Damen an und singt: Ich welde ihnen volausgehen, um ihnen ihle Zimmel zu zeigen.“. Und diese waren wundervoll kitschig und schufen tatsächlich mit ein wenig Stuckatur romantische Stimmung, wenn man nicht so genau hinsah. Aber wer will das schon, wenn er jung ist in Wien. Seit diesem Empfang war sich die Klasse nicht mehr ganz sicher, ob sie meine Ironie nicht doch manchmal für bare Münze nehmen sollte.

An einem der nächsten Abende war „Grinzing“ angesagt. In dem Gartenlokal war es nicht möglich, dass wir alle an einem Tisch saßen, und so konnten meine Frau und ich feststellen, dass einige der jüngeren und älteren Herren, die nicht zu uns gehörten, versuchten, den Wiener Charme auf die Maderln aus der Provinz wirken zu lassen. Also bliesen wir rechtzeitig zum Aufbruch. Aber da gab es noch ein kleines Problem. Im Windschatten einiger Wiener Hotels – das unsere gehörte auch dazu - liefen damals ein paar „Pferdchen“ umher, die mit der Hotelkundschaft anbandelten. Ich wollte, dass diese meine jungen Herren verschonten, lief der Gruppe voraus und bat den Portier, den Bordsteinschwalben nach Möglichkeit ein wenig Zurückhaltung zu empfehlen. Der Mann schien ein Zauberer zu sein. Als meine Klasse mit  meiner Frau ein wenig später eintraf, waren die Schwalben entfleucht. Ich kam mir wie ein Super-Pädagoge vor, der in weiser Voraussicht alle Versuchungen entfernt hatte.

In diesen Tagen gab es in Wien den berüchtigten Schnürlregen, der unserem Kulturprogramm förderlich war, weniger aber meinen Füßen. Ich trug schwarze Halbschuhe mit geflochtenem Leder, das nach kurzer Zeit völlig durchnässt war. Deshalb wollte ich mir während einer Pause ein Paar neue Schuhe kaufen, und ein Teil „meiner Damen“ erbot sich, mich zu beraten.

Da saß ich nun mit meinen nassen Socken, und die neuen Schuhe sollten nicht verunziert werden. Bevor ich die von der Verkäuferin eilfertig bereitgestellten Ersatzsocken überstreifen konnte, sichteten meine Begleiterinnen meine schwarzen Füße, auf die das durchgeweichte Leder der alten Schuhe kräftig abgefärbt hatte. Ich beteuerte ihnen, dass meine Seele so schwarz wie die Füße nicht sei, aber das hielt sie auch nicht davon ab, lauthals über mich zu lachen.

Am Schluss hätten wir beinahe noch eine Panne erlebt. Ich hatte Karten für eine Faust I-Aufführung im Burgtheater bestellt, aber diese reichten nicht aus. Lassen wir die Ursache dafür auf sich beruhen. Als Alternative konnte ich Mozarts „Cosi fan tutte“ anbieten, aber nur in italienischer Sprache. Da wollte einer meiner Jungen nicht mitmachen. Ich schlug ihm vor, den Eintrittspreis bei Nichtgefallen zu übernehmen, aber er war so ehrlich, dass er sich nach der Aufführung sogar begeistert äußerte.

Am Nachmittag des letzten Tages war freier Ausgang in Gruppen geplant. Meine Frau und ich wollten uns gerade zu einem wohlverdienten Schläfchen zurückziehen, da pochte es an unsere Tür. Einige Schülerinnen mahnten an: „Wir haben aber Schönbrunn noch nicht gesehen.“ Wer hätte da als gewissenhafter Lehrer „Nein“ sagen können. So wurde das anspruchsvolle Kulturprogramm abgerundet.

Doch fast hätte ich es vergessen: die Rückreise, diesmal mit der Bahn. Ich höre helles Gelächter im Nebenabteil und werde neugierig. Was ging da von Hand zu Hand? Die Fotografien von den Pferdchen, die meine Herren schon am ersten Abend geschossen hatten. „Ja, zuschaun koan i net“ heißt ein altes Wiener Lied. Ich tat es aber doch, mit süßsaurer Miene. „Die Bilder legen wir am Elternabend unter den Projektor“, amüsierten sich die Jungen, und ich gab mir Mühe, echt betroffen zu wirken. Und wurde zum zweiten Male das Opfer einer Lachsalve.

Ich will Ihnen nicht erzählen, dass alle meine Klassenfahrten so harmonisch abgelaufen sind. Es müssen schon einige glückliche Umstände zusammenwirken. Um mit dem kleinen Chinesen zu sprechen: „Del Leiseleitel ist an die Lichtigen gelaten.“

(C) Ekkehart Mittelberg

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Phantasus
Literatur war mir in meinem Leben schon während der Schulzeit sehr wichtig. Doch ich habe erst seit ein paar Jahren die Zeit gefunden, selbst zu schreiben.
Ich freue mich über Lob, bin aber für alle Verbesserungsvorschläge offen.
Ich lese immer wieder in Literaturgeschichten, weil ich meine,dass wir nur so entdecken können, wie wir einen ganz bescheidenen Beitrag dazu leisten können, dass Literatur sich weiter entwickelt.

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tooshytowrite Du Lehlel? Wäl ich nie dlaufgekommen.
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus ich lehle mich immel wiedel zulückzuhalten. ;-))
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Klassenfahrten -
Zitat: (Original von Nuance am 16.06.2009 - 18:12 Uhr) Ein Lesegenuss deine Klassenfahrt und viele Erinnerungen weckend ;-)
Herzlichst Nuance


Lieben Dank für Deinen anspornenden Kommentar.
GhG Ekkehart
Vor langer Zeit - Antworten
Nuance Klassenfahrten - Ein Lesegenuss deine Klassenfahrt und viele Erinnerungen weckend ;-)
Herzlichst Nuance
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Mit einem Schmunzeln ... -
Zitat: (Original von Gunda am 11.06.2009 - 19:28 Uhr) ... gelesen und mich an all den Blödsinn erinnert, den wir HINTER den Rücken der Lehrkräfte veranstalteten, du uns aber mit Sicherheit auch für eine gaaaanz liebe Klasse hielten.

Amüsant geschrieben, lieber Ekkehart.

Lieben Gruß
Gunda
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Danke, liebe Gunda. Es stimmt, so lieb kann eine Klasse gar nicht sein, als dass sie nicht manchmal hinter dem Rücken ihres Lehrers irgendwelche Streiche ausheckte. Freilich habe ich mich zuweilen auch bewusst dumm gestellt, um den Schülern ihren Spaß nicht zu nehmen.
Schmunzelnde Grüße von Ekkehart
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Eine -
Zitat: (Original von anteus am 11.06.2009 - 18:56 Uhr) sehr schöne amüsante Geschichte lieber Ekki.
Du hast es sehr interesant geschildert


Ich freue mich immer besonders, lieber Anteus, wenn ich andere Menschen mit meinen Worten heiter stimmen kann.
LG Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Klassenfahrten -
Zitat: (Original von mukk am 11.06.2009 - 18:33 Uhr) - auch ich habe meinen Mann bei solchen Ausflügen, sowie bei Schul-Landwochen begleitet - dein Text hat Erinnerungen geweckt - mir haben dise Tage, Wochen mit den Kindern immer sehr gefallen. Einmal, mein Mann mochte nicht so gerne wandern und blieb mir einer Gruppe im Heim, während ich mit der anderen eine Wallfahrt nach Mariazell unternahm - mit einem anderen Lehrer und Schülern einer anderen Schule - bergauf, bergab, bergaufbergab ... - einen ganzen Tag lang - werde ich nie vergessen.
Danke für deinen amüsanten Bericht.
Liebe Grüße
Ingrid


Ich finde es schön, liebe Ingrid, dass auch Du Deinen Mann begleitet hast. Ich fühlte mich immer sicherer, wenn ich meine Frau an meiner Seite hatte. Danke und liebe Grüße von Ekkehart
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Schmunzelnd gelesen ... -
Zitat: (Original von MarianneK am 11.06.2009 - 18:08 Uhr) Sei froh dass Du so eine liebe Gruppe dabei hattest, denn wenn ich dabei gewesen wäre hättest Du sehr schnell graue Haare bekommen. Unsere Gruppenleiter bekamen schon immer Angstgefühle mit Schweißausbrüchen wenn sie sahen ich war dabei. Sie durften mich nicht aus den Augen verlieren, denn ich war immer zu Streichen aufgelegt und unter diesen mussten auch die Gruppenleiter leiden.

Lieben Gruß Marianne


Ich glaube Marianne, wir hätten uns auf der Humorebene getroffen und da hätte es Dir leid getan, mich traurig zu sehen.
Danke und schmunzelnde Grüße von Ekkehart
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Re: Eine wundervolle Erzählung :-) -
Zitat: (Original von Seni am 11.06.2009 - 17:49 Uhr) Und weckt Erinnerungen an unsere Klassenfahrt nach Wien im September vergangenen Jahres. Wir nahmen allerdings fürlieb mit einer Jugendherberge ;).
Was soll ich sagen - ich hab es einfach sehr gerne gelesen und für den Lesegenuss vergeb ich eine ganze Handvoll Sterne. :-)

Ps. Solche liebenswerten Schüler möcht ich auch später mal haben ;) *lach*

Sehr liebe Grüße von mir
Ines


Danke für Deinen sehr freundlichen Kommentar, liebe Ines. ich bin mir sehr sicher, dass Du die liebevollen Schüler gewinnen wirst, denn sie haben ein sehr feines Gespür dafür, ob sie von ihrer Lehrerin geliebt werden.
Herzliche Grüße von Ekkehart
Vor langer Zeit - Antworten
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