Beschreibung
Kommissar Lindströms Zielperson ist ein Phantom, das er seit Wochen jagt. Nur seinen Namen kennt die Polizei, kein Bild. Seine Spuren sind seit einem Afrikaeinsatz verwischt.
Nachdem Sven Lindström die Tür zu seiner Wohnung aufgeschlossen hatte, fingerte er nach dem Lichtschalter. Noch bevor der ihn betätigen konnte, legte sich eine Hand auf seinen Arm und drückte ihn ruhig aber unnachgiebig an die Wand. Kein Licht, nur vom Fenster her kam ein bläulicher Schimmer, der sein Wohnzimmer ins Zwielicht tauchte, aber den Flur nicht erhellen konnte.
Sven Lindström blieb überraschend ruhig, sagte kein Wort, auch der andere schwieg. Sven Lindström spürte, wie eine Hand ihn abtastete, seinen Körper vorsichtig drehte, den anderen Arm hinter den Rücken führte und dann die Handschellen zuschnappen ließ.
«Nicht reden!», kam ein sanft geflüsterter Befehl nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er roch den unbekannten Atem, fühlte die Wärme eines Körpers und gehorchte der Stimme. Mit fast unmerklichem Druck auf seinen Nacken lenkte ihn eine Hand zu einem Stuhl, dessen Schatten sich vor dem einzigen Fenster des Wohnraumes abzeichnete. Langsam senkte sich sein Körper, fast gewaltlos geführt, auf den Sitz.
«Wer bist du?», fragte Lindström ebenso leise wie sein Gegenüber.
«Der, den ihr so sehnsüchtig sucht», kam es fast flüsternd.
«Ferch?»
«Genau!»
Sven Lindströms Schweiß fühlte sich kalt an, diese sanfte Macht flößte ihm Angst ein. Er ahnte, dass der andere es nicht nötig hatte, laut zu werden und Gewalt anzudrohen, er übte sie einfach aus und Lindström hatte nichts dagegen zu setzen.
«Was willst du von mir?»
Diese Frage war nicht geeignet, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden, das wusste er.
«Frieden! Das, was jeder Mensch sucht, Frieden!»
Sven Lindström schnaufte durch die Nase, weil er zu hyperventilieren begann.
«Frieden für dich und für mich!», hauchte die Stimme, jetzt ganz nahe an seinem Ohr, «… und für deine Kleine.»
Ein Stich ging durch Lindströms Brust.
«Ich möchte, dass du alles tust, damit ihr nichts geschieht.»
Gerade durch diese ruhige Verbindlichkeit wirkte die unausgesprochene Drohung.
Sven Lindström fühlte sich völlig unfähig, sein erworbenes psychologisches Geschick bei diesem Mann einzusetzen. Nie hatte er sich so ausgeliefert gefühlt.
«Wir machen ein Geschäft, ohne Vertrag, nur auf der Basis von Vertrauen», sagte die Stimme.
Sven Lindström versuchte den Kopf zu wenden und
den anderen anzuschauen.
«Nein, nicht hersehen!»
Jetzt hörte Lindström nur das ruhige, entspannte Atmen des Mannes.
«Ich werde dich verlassen. Du wirst zu deinen Leuten fahren. Sie werden das Nötige tun, damit Ruhe einkehrt, Ruhe für dich und für mich! Habe ich das so gesagt, dass du es verstehst?»
Die Frage war überflüssig. Die Stimme hatte ihm das Gefühl gegeben, dass er jetzt überleben würde. Sie vermittelte ihm, dass alles gut werden könnte, niemand weiter leiden müsste, wenn er nur …
«Was?», fragte der andere, als ob er seine Gedanken erraten hätte.
… einfach aufhören würde, ihm nachzustellen.
«Siehst du. Es ist ganz einfach.»
Der Atem entfernte sich langsam, die Körperwärme verschwand. Sven Lindström wagte nicht sich zu rühren. Dann hörte der die Tür sanft ins Schloss fallen.
Er musste sich übergeben, sein Atem ging stoßweise und unregelmäßig.
Das Licht von draußen hatte den bläulichen Schimmer verloren. Er sah Sterne. Der Schein einer Straßenlaterne wurde von der Zimmerdecke matt reflektiert.
Der Geruch des Erbrochenen löste weitere Krämpfe in seinem Magen aus. Schwerfällig erhob er sich und schlurfte zum Telefon, musste sich niederknien, um mit dem Mund den Hörer zu erfassen und abzuheben. Mit der Nasenspitze wählte er Annas Privatnummer.
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