Kurzgeschichte
Bleichgesicht Macht Ferien

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"Bleichgesicht Macht Ferien"
Veröffentlicht am 19. Mai 2007, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

All I can say is that we have two personalities and they are both really nice...
Bleichgesicht Macht Ferien

Bleichgesicht Macht Ferien

Drei Wochen Sommerurlaub in Amerika: ruhig, entspannt und ausgeglichen, sagen sie. Von wegen, sage ich.

Schon die Fahrt zum Flughafen am Abreisetag scheint mich naives urlaubsreifes Schulkindchen zu verhöhnen und macht jegliche Vorfreude zunichte. Lautes Autogehupe, stetiges doch langsames Fünfmeter-Vorwärtsgerolle, gestresste Autoinsassen und stickige Autoabgase. Hinfort mit dem Urlaubsfeeling. Nach etlichen Ministauss wie durch ein Wunder endlich am überfüllten Flughafengebäude angekommen, ist es immer noch nicht besser. Vergebliches Parkplatz- und Gepäckwagengesuche, sinnloses Schlangestehen am Ticketschalter und Gatefinden im Rennen. Und wofür die ganze Eile? Für eine dreiviertel Stunde Wartezeit in der Abflughalle 12a.

Erste Hürde genommen, direkt auf zur nächsten. Zu spät gebucht heißt leider auch mit dem Vorlieb nehmen, was übrig bleibt. Hat mein Vater das je gesagt bekommen? Er jedenfalls hat jetzt den Gangplatz ganz vorn neben einer mageren alten Dame, die weder hören noch reden und somit auch nicht nerven kann. Ich dagegen sitze elf Reihen dahinter zwischen Bonnie und Clyde. So sieht es jedenfalls aus. Nur das Clyde in diesem Falle ein fetter Ami im Tiefschlaf ist, dessen glänzendes mit einer dreckigen Baseballkappe versehnes Denkzentrum soeben auf meine Schulter gesackt ist. Und Bonnie, links von mir, hat zwar einen circa drei Monate alten Säugling auf dem Arm, der nebenbei erwähnt das dringende Bedürfnis verspürt mit seinem trommelfellzerfetzendem Geschrei alle wandelnden Klischees auch Stewardessen genannt, herbeizulocken, trägt aber auch eine verspiegelte Sonnenbrille, ein Handy im Walkytalky-Safari-Style und ich meine in ihren Männershorts die Ausbuchtung eines Revolvers gesehen zu haben. Aber so etwas hätte man hier niemals hereinschmuggeln können. Oder doch? Und wenn es wie in Nick of Time ist, bei dem alle samt Pilot unter einer Decke stecken?

Ich weiß bis heute nicht, wie ich den zehnstündigen Flug überlebt habe, zumal Bonnie gefühlte hundert Mal zur Toilette musste und es gefühlte null Mal geschafft hat, ihre Klamotten wieder komplett anzuziehen. Clyde ist nur zu den Mahlzeiten aufgewacht, verschlang diese mit Händen und Füßen und ich gab ihm auch noch meine pappigen Spaghetti, aus Angst er hätte sich sonst auf mich gesetzt. Stattdessen ließ er wieder nur satt und zufrieden seine schwitzende Stirn auf meine Schulter fallen.

Wie auch immer, ich bin hier in Amerika, dem Land der tausend Möglichkeiten und endlich Optimistin. Jawohl.

,,Hier ist es so schön, ich glaub ich verlängere unseren Urlaub oder lasse mich krank schreiben, um länger zu bleiben”, meint mein Vater mir mitteilen zu müssen. ,,Dad, im Moment haben wir keine günstige Wirtschaftslage, um seinen Chef zu hintergehen”, antworte ich im einen Augenblick, doch schon im nächsten werde ich von einem solchen Prachtexemplar von Jungen geblendet, das mir das Argument, ich müsse außerdem rechtzeitig zur Schule erscheinen, im Hals stecken bleibt. Und es scheint außerdem so, als würde ich meine Stimme sobald nicht wiederfinden, da sich der Typ auch noch ganz dreist in den Strandkorb direkt vor mir setzt und sich die Sonne ins eh schon unfair braungebrannte Gesicht scheinen lässt.

Dies ist eine der Situationen in denen ich vor mir selbst nicht mehr sicher bin und mein Vater versagt als Retter leider kläglich, da er selbst gerade eine Südländerin im knappen Bikini im seichten Wasser entdeckt hat, die seine gesamte Aufmerksamkeit stiehlt.

Eine anstrengende halbe Stunde voller Überlegungen, welches wohl meine Schokoladenseite ist und Bemühungen den Adonis nicht dämlich anzustarren hatte leider doch noch das dicke Ende zur Folge.

Der Strandkorb ihm gegenüber wird frei und ich stürme hin, rücke den schweren Strandkorb vergeblich um Unauffälligkeit bemüht in seine Richtung und lege mich graziös, was natürlich gleichbedeutend mit ungemütlich und unnatürlich ist, hinein. Wieso denke ich nie nach, wenn ich handle? Ich kann ja wohl nicht davon ausgehen, er würde sich nicht wundern, warum ich mir die Sonne von hinten gegen die Korbrückseite scheinen lasse. Typische Dämlichkeit bei Koexistenz und Anblick eines unerreichbaren Objektes der Begierde.

Anderthalb Wochen spiele ich dieses Spiel mit Tom. Ja, ich habe in der Zwischenzeit herausgefunden, wie er heißt und muss ihn nun nicht mehr mit Namen bezeichnen, die mir peinlicher sind als meine geheime Barbiesammlung auf dem Dachboden.

Dieser “Verknallt-auf-den-ersten-Blick”-Zustand ist ohnehin schon diskriminierend, unerträglich und bei meiner Person einfach inakzeptabel. Ich bin nicht hübsch und auch nicht intelligent und wie wir alle wissen muss man als Mädchen wenigstens eines der beiden Dinge sein, um mit der Tatsache rechnen zu dürfen, man könnte irgendwann einmal interessant für ein männliches Geschöpf sein.

Liebe macht Hoffnung heißt es und deswegen setze ich meine Kennlernstrategie fröhlich fort bis zu dem Tag, an dem bei uns im Hotel eine Poolparty veranstaltet wird. Mein Vater ist zum Glück zu Hause am amerikanischen Sportkanal hängen geblieben und deswegen nehme ich mir all die Freiheiten, die ich nur dann genießen kann, wenn keiner den Babysitter spielt. Cooler Cocktailkonsum, lustiges Gelaber, mutige Machenschaften. Kurzum ich spreche ihn an. Was heißt hier sprechen? Ich schreie ihm ein “Hi foreigner” zu und versuche es gar nicht erst bei der Lautstärke einen Tick Sülzsound in meine Worte mit einfließen zu lassen.

Er erinnere sich an mich, teilt er mir mit. Gutes Zeichen! Ich sei doch die, die nun schon drei Wochen Urlaub hier mache, aber noch kein Stück Sommerbräune bekommen habe, weil sie ihren Strandkorb immer von der Sonne wegdrehe. Traurige Tatsache! Blödmann! Shit, hat er also doch bemerkt! Am liebsten will ich im Boden versinken, aber das ist unmöglich da ich mit meiner blöden Masche schon so tief gesunken bin, dass es nicht weiter abwärts geht.

Nun ja, das - vor einem Jahr - war der Moment in meinem Leben in dem ich zynisch wurde und im Überschalltempo zu meinem gewohnten pessimistischen Lebensstil zurückkehrte. Sicher, aussichtslos, aber sicher und ehrlich im Gegensatz zu diesen Wolke 7- Himmelsflügen. Und hey, ich warte immer noch auf den Tag, an dem Tom auftaucht, mit zwei Strandkörben und nem Selbstbräuner und sich für die Demütigung entschuldigt.

Bis bald,

KJ

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