Das Mädchen, das ich kenne
Im Club ist es wie immer. Klein, stickig, die Stimmung aufgeheizt, was nicht zuletzt auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Ein kurzer Blick in die Menge bestätigt das. Die Menschen bewegen sich zum Rhythmus der Musik, die unaufhörlich aus den Boxen röhrt.
Ich gehe mir etwas zu trinken holen. Gegenüber von mir hängt ein Typ über der Bar, ein Bier steht vor ihm. Er wird den Abend nicht ohne die große Kotzerei überstehen, soviel ist klar. Die Frau hinter dem Tresen fragt mich, was ich möchte. „Ein Astra“, sie geht zum Kühlschrank, öffnet ihn, und nimmt eine Flasche heraus. Mit einem kurzen Griff zum Flaschenöffner öffnet sie die Flasche und mit einem noch kürzeren hat sie meine Karte und macht ihren Strich.
Mit dem ersten Schluck Bier geht mein Blick wieder zu dem Typen, der weder laufen, geschweige denn stehen kann und trotz allem noch ein Bier vor sich stehen hat. Er hängt dort immer noch rum, sein Kopf gestützt von seinem gefährlich schwankenden Arm. Seine andere Hand versucht nach seinem Bier zu greifen, während er mit einem Mädchen spricht.Ich kenne dieses Mädchen. Es ist nicht das Kennen, was viele darunter verstehen. So kenne ich weder ihren Namen, noch weiß ich, wie alt sie ist oder wo sie wohnt. Es ist viel mehr so, dass wir uns einige Male begegnet sind und uns auch schon mal miteinander unterhielten.Warum wir uns einander jedoch nie vorstellten, weiß ich nicht. Es kam einfach nie dazu. Ich nehme einen weiteren Schluck.
Der Alkohol bewirkt, dass die Stimmung auch auf mich übergeht. Wenn alle ausrasten, warum nicht mitmachen? Also ab auf die Tanzfläche und rumzappeln, alle machen mit. In feucht-schwüler Luft werden verschwitzte Körper aneinander gerieben, Bier wird verschüttet und versifft den Boden, der mittlerweile einen matschig, braunen Überzug hat. Nüchtern betrachtet ist dieses Ritual natürlich eher fragwürdig.
Der Alkohol scheint seine komplette Wirkung noch nicht richtig entfaltet zu haben, das Tanzen langweilt mich und die Musik reizt einen auch nicht allzu sehr, hier weiter zwischen den Alkohol-Leichen seine Glieder durch die Luft schwingen zu lassen. Also zurück an die Bar, das Gehirn weiter vernebeln, damit ich die Musik besser finde oder sie erst gar nicht mehr wahrnehme.
Auf halber Strecke begegne ich dem Mädchen, das ich „kenne“. Sie starrt mich an, ich starre zurück. Sie jetzt anzusprechen wäre ein leichtes, so wie sie mich ansieht, will sie auf nichts anderes hinaus. Sie fragen, ob sie Lust hat ein Bier mit mir zu trinken, nein sagen würde sie nicht. Statt die leichte Chance zu ergreifen entscheide ich mich jedoch, das Bier alleine zu trinken, schließlich wird sie, wenn ich zurückkomme, immer noch da sein.
Gesagt, getan, ich komme zurück und das Mädchen ist immer noch da, hat nur ihre Position um ein paar Meter von der Tanzfläche verschoben. Aber jetzt ist sie nicht mehr allein, sie flirtet mit einem Typen, er interessiert mich nicht weiter. Allerdings stelle ich fest, dass es jetzt um einiges schwerer sein wird, sie von dem Kerl loszueisen, wenn nicht sogar unmöglich. Ich hätte die erstbeste Chance ergreifen sollen, denn das Ende des Abends ist für beide von uns absehbar: Sie nimmt den Typen mit nach Haus. Ich gehe allein.