Krimis & Thriller
Themsewasser

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"Themsewasser"
Veröffentlicht am 18. Mai 2009, 10 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Über den Autor:

Bin mittlerweile neunundvierzig und habe den Eindruck nie erwachsen zu werden. Sei's drum. Wenn es mir gut geht, schreibe ich. Wenn nicht, fällt mir auch nichts ein.
Themsewasser

Themsewasser

Wer Albert Pierrepoint bei der Ausführung seines Broterwerbs begegnete, hatte zumeist keine Muße sich sein Gesicht einzuprägen. Mr. Pierrepoint war von der schnellen Sorte und keiner seiner Kunden besaß genügend Zeit für ein kleines Schwätzchen, selbst wenn ihnen der Sinn danach gestanden hätte. Durchschnittlich fünfzehn Sekunden vergingen, von der ersten Begegnung, bis ihr lebloser Körper am Ende eines Hanfseiles einen Meter über der Erde auspendelte. Albert dachte selten über seine Kunden nach und wusste außer ihrem Gewicht und der Körpergröße, aus denen er die nötige Fallhöhe ermittelte die zum Bruch des sechsten Halswirbels erforderlich war, nichts über sie.

Und so hatte er erstrecht keinerlei Vorstellung davon, dass in dem Augenblick da Linken Farlow in die Tiefe sauste, Inspector Matthew Holland seinem einzig überlebenden Opfer, die mit einem schwarzen Handschuh bekleidete, feingliedrige Hand mitfühlvoll drückte. „Es ist einfach schrecklich!“, entfuhr es begleitet von einem zarten Seufzer der bildhübschen Ruby. Holland hüstelte und suchte in seiner geheuchelten Betroffenheit passende Worte. „Drei Frauen haben sterben müssen, bevor dieses Untier hinter die wohlverdienten Gitterstäbe von Wandsworth, dem berüchtigten Londoner Gefängnis, gelandet ist und wenn ich bedenke, dass auch sie hätten...“. Der Inspector schluckte.

„All die armen Seelen“, meinte sie versonnen und ließ eine ihrer blonden Locken um den Zeigefinger kreisen“, erst glaubten sie an die große Liebe per Inserat, dann wurden sie ihrer Ersparnisse und letztlich auch noch ihres Lebens beraubt“.
 „Und sie sind der Held, der ihn seiner gerechten Strafe zugeführt hat“, hauchte Ruby und blickte Holland dankbaren in die Augen. Matthew glaubte zu fühlen, wie sich seine 159 Zentimeter Körpergröße beinahe verdoppelten. Verlegen zwirbelte er die Enden seines gepflegten Oberlippenbartes. „Gut nur“, dachte er, „das ich am Morgen einen Teil meiner Ersparnisse abgehoben, zum Barbier gegangen bin und selbst die Kosten für einen getragenen, aber alles in allem vorzeigbaren Zweiteiler nicht gescheut habe“. Eine Hand an den Fensterrahmen gelehnt, betrachtete er das Panorama. Big Ben schien zum Greifen nah. Für einige Augenblicke tauchte er in den warmen Teich angenehmer Gedanken an seinen Coup und lies die Erinnerungen seine Seele umspülen. Nur einen einzigen Moment hatte er in die kalten schwarzen Augen gesehen, nur den Bruchteil einer Sekunde, aber dieser hatte ausgereicht sein Herz einige Atemzüge lang zu vereisen. „Schuldig“, schien in tiefroten Lettern eingemeißelt auf seiner Iris zu stehen. Matthew konnte den Reflex aufzuschreien, mit dem Finger auf ihn zu deuten und den Mann zu entlarven, der seit Monaten zentrales Gesprächsthema der halben Stadt war, nur mühsam unterdrücken. Die Karten waren verteilt und ihm war soeben ein Royal Flush zugespielt worden. Sein Gegner würde ahnungslos unterliegen, ja wusste nicht einmal, dass er mit am Spieltisch war. Matthew gefiel dieser Vergleich, schon deshalb, weil er keinerlei Einsatz zu tätigen brauchte während sein Widersacher soeben sein Leben verspielt hatte. Beinahe spielerisch hatte er die Handschellen aus der Tasche gezogen und dem völlig überrumpelten Farlow angelegt. Drei Frauen hatten sie in bleicher Leblosigkeit innerhalb des letzten halben Jahres aus der Themse gezogen. Bei der vierten war der Mörder unvorsichtig geworden. Eine letzte Faser ihres Lebensfadens hatte er übersehen und an die hatte Ruby Lorenz sich geklammert, so dass es ihr gelang sich aus dem schwarzen Wasser des Flusses zu retten. Fast schien es nur ein Papyrussieg gewesen zu sein. Einige klare Minuten am Abend im Krankenhaus, dann war sie in einen todesähnlichen Schlaf gefallen, aus dem sie erst nach zwei Tagen erwacht war. „Eine mondförmige Narbe unter dem rechten Auge“, erklärte sie immer wieder. Und das der Mann nach Theaterschminke roch. An mehr könne sie sich beim besten Willen nicht erinnern. Beinahe zwei Wochen hatte Matthew jede noch so kleine Bühne der Stadt aufgesucht, hatte mit Schauspielern und Theaterbesitzern gesprochen, aber nichts erreicht. Bis ein anonymer Hinweis auf einen Mann aufmerksam machte, der Angestellter einer Firma für Theaterschminke war und bei dringendem Bedarf, die Waren selbst an die Kunden auslieferte.
Grimmig dachte Matthew daran, wie dieser abstoßende Kerl seine Unschuld wieder und wieder beteuerte. Wie er tobte, bettelte und log. Aber was konnte er schon gegen die klaren Beweise unternehmen. Besitzgegenstände aller drei Frauen waren in einer versteckten Kiste auf dem Dachboden seines Hauses gefunden worden. „Ich habe diese Sachen nie zuvor gesehen, die sind mir untergeschoben worden.“, beteuerte er in einer schon fast impertinenten Aufrichtigkeit. Aber von einer solch außergewöhnlichen Narbe wie er sie besaß, gab es in ganz England keine zweite. So hatte es auch der Richter im Old Bailey gesehen und ihn nach nur zwei Tagen Gerichtsverhandlung in die Todeszelle geschickt. Matthew schüttelte sich angeekelt.

Der Duft von Veilchenparfüm drang betörend in Matthew Nase und holte ihn auf angenehme Weise zurück in die Wirklichkeit. Sollte er sich jetzt in diesem bewegenden Augenblick erklären und ihr seine zärtlichen Gefühle beichten? Die Ausführung seines Gedankens wurde jedoch jäh durch ein unbarmherziges Klopfen an der Wohnungstür vereitelt.
„Oh das wird Winston sein“, erklärte Ruby in ihrer unschuldigen Art. Matthew zog seine Stirn kraus. „Butler, Winston Butler“, ergänzte Ruby. Seine Augenbrauen zogen sich ungläubig zusammen. „Der Winston Butler?“, fragte er konsterniert. Ruby drehte sich um und beschenkte ihn mit einem reinen Lächeln. „Nun ja, da seine Unschuld feststand, sah ich kein Hindernis mehr ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Und dabei sind wir uns halt ein wenig näher gekommen. Matthews amouröse Hoffnungen zerflossen wie Bienenwachs in einem Brenntiegel. Ausgerechnet Winston Butler, dieser geistlose Schönling, derjenige der als möglicher Täter lange Zeit an erster Stelle gestanden hatte. Die Hausangestellte eines der Opfer glaubte ihn, am Tage des Verschwindens ihrer Herrin, in ihrer Begleitung gesehen zu haben. Matthew konnte es kaum fassen, er selbst hatte die Beiden nach der Gerichtsverhandlung auch noch einander vorgestellt. Einen vergänglichen Moment dachte er daran um Ruby zu kämpfen, aber ein kurzer Seitenblick auf den jungen sportlichen Körper, das ebenmäßige Gesicht, sowie die vollen lockigen Haare, ließ ihn schnell die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens begreifen. Wenn der Inspector eine wirkliche Stärke besaß, dann die, dass er in der Lage war eine unweigerliche Niederlage vorauszusehen und zu akzeptieren. Mit erhobenem Kopf ging er steifen Schrittes in Richtung Wohnungstür, tippte andeutungsweise an seinen schwarzen Bowler, öffnete die Etagentür und betrat das Treppenhaus. „Warum wollen sie denn schon gehen?“, rief Ruby ihm hinterher, aber das Schließen der Haustür war Antwort genug. Ruby trat neben Winston, der am Fenster stand und Matthew beobachtete, der soeben einem vorbeifahrenden Taxi winkte. „Armer Matthew!“, dachte sie nachdenklich, drehte sich um und fuhr entsetzt zusammen. Winston war hinter sie getreten und gerade im Begriff seine Hände um ihren Hals zu legen. „Musst du mich so erschrecken!“. Ohne ihn weiter zu beachten, ging sie an ihm vorbei ins Schlafzimmer. Auf dem unbenutzten Bett lagen zwei gepackte Reisekoffer. Die Schränke waren offen und lediglich einige Kleiderbügel hingen einsam an der messingfarbenen Kleiderstange. „Du bist wieder mal überempfindlich“, hörte sie Winstons enttäuschte Klage aus dem Wohnzimmer. Die Worte prallten an Ruby ab wie Wasser auf Ölzeug. Sie musste plötzlich an die eisigen Fluten der Themse denken und schüttelte sich unbewusst. Allein schon aus dieser Erinnerung heraus, wollte sie fort von London. „Hättest Du nicht etwas später kommen können, es war absolut unnötig, dass der Inspector uns zusammen sehen musste“, fragte sie übellaunig. „Hast Du wenigstens die Zeitungen und die Fahrkarten besorgt?“,. Winston betrat das Schlafzimmer und winkte mit zwei Pariser Tageblätter die sie ihm im vorbeigehen aus der Hand riss. „Ich habe schon eine Vorauswahl getroffen“, rief er ihr nach. Ruby verdrehte die Augen. „Bestimmt betrifft seine Vorauswahl wieder mal ausschließlich die körperlichen Vorzüge der Damen“, dachte sie und verspürte einen unangenehmen Anflug von Eifersucht. Resigniert schlug sie begleitet von einem Seufzer die erste Zeitung auf und suchte, bis sie die Seite mit den Heiratsanzeigen fand. 


 

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Geminus
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Tania Wow ! - Wer hat den Text redigiert ?
So ganz ohne rechtschreibfehler ... !!!
Gemeiner Kommentar,
aber manches ist halt gemein im Leben.
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Hallo Norbert, - wenngleich kein Freund langer Texte am PC, so hat mich diese Story dennoch gefesselt. Warum kommt sie mir so bekannt vor? Hast du sie schon mal an anderer Stelle veröffentlicht?
Auf alle Fälle klasse formuliert.
LG
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Hallo lieber Norbert - Ich habe mich ja soooooo gefreut, wieder etwas von Dir lesen zu dürfen! Ich glaube Du weisst noch, dass ich Deine Geschichten liebe! Diese ist auch wieder genial geschrieben!
glg von mir, Conny :)
Vor langer Zeit - Antworten
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