Kurzgeschichte
Der Schimmel

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"Der Schimmel"
Veröffentlicht am 15. Mai 2009, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Laßt jedem Individuum, gleich welches Aussehen, welche Interessen, welche Religion und welcher Herkunft die Möglichkeit der freien Entfaltung seines Lebens und gönnt ihm die Suche nach seinem eigenen Glück. Freut euch wenn Menschen fröhlich sind und tröstet sie bei Trauer. Versucht die Gedanken anderer Menschen zu begreifen und behandelt jeden, wie Ihr behandelt werden möchtet. Vielleicht wird die Welt dann besser.
Der Schimmel

Der Schimmel

Diese kleine Geschichte handelt von einem Schimmel.
 
Nein- weder von dem Schimmel, der sich hartnäckig in mancher Küche oder Bad verbirgt, noch von dem Schimmel, welcher dem Gorgonzola  seinen betörenden Geschmack verleiht. Ich möchte heute über ein Pferd berichten. 
 
Doch sehe ich mich genötigt auch hier nochmals einzugrenzen. Es handelt sich weder um Fury (welcher ohnehin schwarz war) noch um das letzte Einhorn, welches Dir Deine Wünsche erfüllt, noch um Storms Schimmelreiter.
 
Es handelt sich um den einzigen Schimmel, welchen ich gerne gefoltert, gequält und beim Abdecker sehen möchte: Den Amtsschimmel.
 
Begonnen hat die ganze Geschichte heute morgen. Ein Bekannter bat mich sein neu erworbenes Fahrzeug für ihn zuzulassen. Dieser üble Mensch wusste sehr wohl warum er mich darum bat.
Er wollte sich wohl das Wochenende nicht selbst vermießen und dachte den Pfalzgrafen könne nichts und niemanden aus der Ruhe bringen.
 
Ich begab mich wohlgemut  und frohgelaunt auf den Weg zur Zulassungsstelle. Bewaffnet mit allen Unterlagen, welche ich glaubte den beamteten Menschen dort vorlegen zu müssen. Ich vergaß jedoch, dass sich die zuständige Behörde in Hessen befand. Zwar am südlichsten Zipfel dieses unsäglichen Bundeslandes, aber immer noch in Hessen. Ich habe nichts gegen die Hessen - ich bin sogar der Ansicht, dass sich jeder Bundesbürger einen Hessen halten dürfe - jedoch ist diese, meine Ansicht seit heute vormittag stark ins Wanken geraten. Sollte man diesen Menschenschlag nicht doch besser ausrotten?
 
Meine Wenigkeit begab sich also zum Informationsschalter. Die dort hinter einem Stehpult residierende ältere Dame hatte ein Wurstbrötchen neben sich liegen und schaute mich an wie ein Terrier, dem man seinen Knochen wegnehmen wollte: "Ja bitte" knurrte der Terrier mich an. Ich wollte freundlich zu erkennen geben, dass ich nicht an ihrem Frühstück, sondern an einer KFZ-Zulassung interessiert sei. "Lassen Sie es sich schmecken und verhelfen Sie mir bitte zu zwei Nummernschilder" lächelte ich sie an.
 
"Haben Sie alles was Sie brauchen" ertönte es zwischen zwei Fetzen Schinkenwurst heraus. Der festen Überzeugung, die Wahrheit zu sagen  entglitt mir einstrammes "Ja". Ich konnte es gerade noch verhindern militärisch stramm zu stehen. Die Anwesenheit in einer hessischen Behörde hinterließ bei mir wohl bereits die ersten Spuren. Der Terrier händigte mir einen Zettel mit der Nummer 85 aus und erklärte mir zu warten bis diese Nummer erscheint. Auf der Anzeige erschien gerade die Nummer 64.
 
Ich rechnete mir aus, dass die etwa zehn von mir gesichteten Sachbearbeiter wohl ein halbes Stündlein brauchen würden um die vor mir befindlichen 20 Antragsteller zu befriedigen, nahm mir einen Kaffee aus dem Automaten und nahm auf einer unbequemen Holzbank Platz. 
 
Ich schaute nach links. Ein älterer Herr saß da, vertieft in ein dickes Buch mit nahezu tausend Seiten, der Schutzumschlag wieß es als "Herr der Ringe" aus. Rechts von mir, eine junge Dame - wohl Studentin - bearbeitete ihren Laptop und schrieb wohl an ihrer Diplomarbeit. Dies hätte mir zu denken geben sollen: Wenn Menschen eine Behörde betreten und dicke Bücher oder Laptops mitbringen sollte man daraus schließen, dass es länger als ein halbes Stündlein dauern könnte.
 
An der Decke gewahr ich ein Fernsehgerät. Der Ton war leise, aber an den Bildern konnte ich erkennen, dass man zur Belustigung der Wartenden N24 eingeschaltet hatte. Es war ein Freitag morgen. Die Zeit zu der N24 durchgehend Börsennachrichten und Analysen der zu erwartenden Aktienkurse sendet. Ich schaute mich um und beobachtete das wartende Publikum: Junge Türken welche, nachdem sie einem armen TÜV-Prüfer zuvor Prügel angedroht hatten, nun ihren tiefergelegten BMW 316 Baujahr 1992 zulassen wollten - ein streng riechendes Bäuerlein wollte seinen Traktor anmelden und viele junge Azubis im Blaumann wurden von ihren Chefs geschickt die Verkäufe des letzten Tages behördlich zu melden.
 
Alles in Allem - das absolut interessierte Publikum für N24 am Freitag morgen.
 
Meine geschätzte halbe Stunde weitete sich aus. Sie weitete sich sogar sehr aus - bis auf über 2 Stunden. Ich hatte eben die Rechnung ohne die Arbeitsauffassung hessischer Verwaltungsangestellter gemacht.
 
Irgendwann, zwischen dem 5. und 6. Kaffee und dem damit einhergehenden 3. Urinieren schrie mich die Anzeige lautlos an: "Nummer 85 zu Platz 4". Mein Gott, war ich glücklich. Die Weihnachtsbescherung eines 7-jährigen hätte nicht diese Glücksgefühle auslösen können wie bei mir, als diese Anzeige erschien. 
 
Ich gegab mich zu Platz 4, wünschte einem strengblickenden Herrn einen sonnigen und netten Freitag und nahm Platz. Ich war sicher nun bald über meine Begehrlichkeit, nämlich 2 gestempelte Nummernschilder verfügen zu können. Doch weit gefehlt.
 
"Ist das Fahrzeug für sie selbst?" lautete die erste gestrenge Frage. "Nein - aber ich habe eine Vollmacht" erwiderte ich voller Stolz ihm ein Schnippchen geschlagen zu haben. 1:0 für den Pfalzgrafen. "TÜV und Abgasuntersuchung auch dabei" kam die Retourkutsche. War dies nun eine Frage oder eine Feststellung? Aus dem gemurmelten Tonfall war es nicht ersichtlich. Aus Angst den Herrn zu verärgern - ich befand mich immerhin schon geraume Zeit in behördlichen Gebäuden - überhörte ich diesen Satz geflissentlich. "Ah -da ist es ja" beantwortete er seine Frage irgendwann selbst. 2:0 für den Pfalzgrafen.
 
"Ausweiß desjenigen auf den das Fahrzeug zugelassen wird" lugte er unter seiner Lesebrille hervor. Dies war keine Frage sondern ein Befehl.  Ich schaute den Herrn an, schaute insbesondere nach Ärmelschonern und war froh keine an ihm zu finden. So konnte ich gewiß sein nicht durch ein Zeitloch ins 19. Jahrhundert geschleudert worden zu sein.
 
"Habe ich als Kopie dabei" frohlockte ich. Froh mitgedacht zu haben sah ich schon das 3:0 für den Pfalzgrafen. "Kopie geht nicht, ich brauche das Original" lächelte er mich verschmitzt an. Ich war bestürzt als ich sah, dass er nun in aller Ruhe die Unterlagen zusammenpackte und mir, um mich wegzuschicken, wieder zuschob.
 
"Mein Bekannter hatte keine Zeit zu kommen, sonst hätte er nicht mich geschickt. Und seinen Ausweiß hat er, wie es das Gesetz befiehlt, bei sich. Stellen sie sich vor er muß sich einer Amtsperson gegenüber indentifizieren und kann dies nicht". Nun schaute er mich an und tat dies, was Beamte in einer solchen Situation immer zu tun pflegen: Er schickte mich zu seinem Vorgesetzten.
 
Nach einer weiteren Viertelstunde im  Büro eines hessischen Beamten war ich bereit zum Suizid. Erst als der oberste Beamte dieser Zulassungsstelle meinen Drang zum Selbstmord in meinen Augen sah, erbarmte er sich meiner und gab seinem Untergebenen die Anweisung die Zulassung zu genehmigen. Der Grund war wohl weniger die Sorge um  meine Gesundheit , als die Sorge vor der Schlagzeile in der morgigen Bild-Zeitung: "Mann zerstückelt sich selbst in hessischer Zulassungsstelle".
 
Nach über 3 Stunden verließ ich diesen Ort. Der ältere Herr laß noch immer im "Herr der Ringe" und die Studentin hat ihre Doktorarbeit wohl zur Professur ausgeweitet. 
 
Ich selbst beschloß auf dem Heimweg mein eigenes Auto mindestens noch 10 Jahre zu fahren und wenn es dann den Weg alles irdischen geht denn Rest meines Weges auf einem Schimmel zu reiten
 
 
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