Biografien & Erinnerungen
Berlin - Da hab ich mal gewohnt - Fünf Wohnungen, fünf Häuser

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"Berlin - Da hab ich mal gewohnt - Fünf Wohnungen, fünf Häuser"
Veröffentlicht am 05. Mai 2009, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!
Berlin - Da hab ich mal gewohnt - Fünf Wohnungen, fünf Häuser

Berlin - Da hab ich mal gewohnt - Fünf Wohnungen, fünf Häuser

Beschreibung

Auf Besuch in der Vergangenheit

Berlin - Da hab ich mal gewohnt …

 

Nach Berlin habe ich mich mit neunzehn selbst verpflanzt. Erst dort bin ich geworden, was ich seither mehr oder weniger geblieben bin. Ich war jetzt neugierig auf die Häuser, in denen ich seinerzeit gelebt hatte. Zweierlei Vergleiche waren zu ziehen: die Gegenwart der Vergangenheit gegenüberzustellen und die Erinnerung an die Orte den Orten selbst. 

 

Ich habe zum Beispiel nicht mehr gewusst, wie prächtig die neobarocke Hausfassade meiner ersten Unterkunft an der Uhlandstraße aussieht. Nun, ich hatte da nur ein Zimmer im Hinterhaus, das natürlich Gartenhaus hieß – doch von Garten damals keine Spur. Ich weiß noch, dass ich vom Zimmerfenster gern durch eine Häuserlücke in die Fasanenstraße hineinsah. Dabei fiel mein Blick auf die rote Außenbeleuchtung einer Bar, die ich nie betreten habe. Ich ging jetzt um den Block und fand zwar die Bar nicht mehr, dafür einen schönen Garten in der Baulücke und mitten im Garten das heutige Literaturhaus. In Bulgakows „Der Meister und Margarita“ spielt ein solches Literatenhaus eine große Rolle, dieses hier scheint mir für eine Verfilmung des Stoffs bestens geeignet. Vielleicht haben auch sie eine gute Küche.

 

Von der Charlottenburger Uhlandstraße bin ich an den Anfang der Keithstraße in Schöneberg gezogen, in ein Institut, das sich Boardinghaus nannte. Die Gebräuche dort muten heute seltsam an: In den winzigen Appartements gab es kein Telefon nach draußen. Wer zu sprechen gewünscht wurde, den rief die Concierge per Hausapparat an den großen in ihrer Loge. Und dann fasste man sich lieber kurz. Die Mieter oder vielmehr Gäste besaßen auch keinen Haustürschlüssel. Wenn ich um vier morgens aus den Bars nach Hause kam, musste ich klingeln. Oft hatte die Concierge selbst die ganze Nacht mit Freunden durchzecht und öffnete mir mit schrillem Lachen. Lachte sie über mich? Das Haus, obwohl erst in den Sechzigern gebaut, steht nicht mehr. Das erfüllt mich jetzt mit Befriedigung.

 

Bleibe Nr. 3 war ein großes Zimmer im obersten Stock eines Gründerzeithauses nahe am Wilmersdorfer Hohenzollernplatz. Die großen Wohnungen waren fast alle aufgeteilt und jedes Zimmer mit eigener Kochecke ausgestattet, nur die Parterrewohnung komplett an eine große Familie vermietet. Von allen Berliner Vierteln, in denen ich mal untergekommen bin, gefällt mir dieses heute am besten. Es ist eine auf bequeme, unaufdringliche Weise noble Gegend. Am Haus stellte ich außen keine größeren Veränderungen fest. Doch vermute ich stark, dass keiner der damaligen Bewohner noch dort lebt. Und selbst wenn – jene stattlichen jungen Familiensöhne aus dem Erdgeschoss wären heute selbst alte Männer.

 

Von Wilmersdorf bin ich dann nach Moabit gezogen, in meine erste richtige Wohnung. Allerdings hätte ich da gar nicht wohnen dürfen. Diese verzwickte Geschichte kursiert unter dem Titel „Drei Zimmer, Küche, Bad“ schon länger im Internet. Leider musste ich jetzt hören, dass jener, der mir die Wohnung damals überlassen hat, weder in Berlin noch überhaupt unter den Lebenden mehr weilt. Ich stand vor der frisch renovierten Fassade und wunderte mich: Das Haus war höher, als ich es in Erinnerung gehabt hatte. Gewöhnlich geht es uns doch umgekehrt.

 

Dann meine letzte Berliner Wohnung, wieder in der Keithstraße, in einem damals neuen Haus, dicht am Landwehrkanal. Vier Jahre habe ich dort gewohnt, fast die Hälfte meiner Zeit in der Stadt. Bis auf eine leichte Aufhellung der Fassade erschien mir alles unverändert – als schrieben wir noch das Jahr 1976. Ich stand vor dem Hauseingang, genau da, wo uns damals, mich und meinen amerikanischen Freund, ein Unbekannter eines Morgens fotografiert hatte und dann rasch weggefahren war. Ich habe nie erfahren, wer es war und was er damit bezweckte. Auch diese Geschichte habe ich beschrieben: „Soldatenliebe“ heißt der Text.

 

Ich mache mir jetzt klar, dass der Großteil meines Lebens sich schon in Literatur verwandelt hat oder sich noch laufend darin verwandelt. Texte bleiben übrig, wenigstens eine Weile, Texte und Zeichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

Abendschoen
Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!

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Abendschoen Re: Re: Re: nun mußt de -
Zitat: (Original von Boris am 05.05.2009 - 21:33 Uhr) mir fiel auf, dass du bei der Filmkritik viel detailierter, viel tiefer bist.
Haben die Häuser außer ihrer Lokalität und den Menschen (wobei du wenige beschreibst) nich noch so besonder Eigenheiten (z.B. den Gruch von Bohnerwachs)?

Zitat: (Original von Abendschoen am 05.05.2009 - 21:15 Uhr)
Zitat: (Original von Boris am 05.05.2009 - 18:43 Uhr) noch nach Osten kommen - da wohnts sich besser!

LG boris


Vielleicht probiere ich das auch noch aus, aber nicht heute und nicht morgen. - Arno Abendschön -


Deine Beobachtung dürfte zutreffend sein. Als Erklärung: Bevor ich über einen Film schreibe, habe ich ihn mir jeweils häufiger mit großer Konzentration angesehen - und ich schreibe über Filme nur, wenn sie mich stark berühren. Der Text hier bezieht sich nur auf einmaliges Wiedersehen mit Fassaden, das mir nicht so nahe ging wie ein guter Film. - Arno Abendschön -
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Re: nun mußt de - mir fiel auf, dass du bei der Filmkritik viel detailierter, viel tiefer bist.
Haben die Häuser außer ihrer Lokalität und den Menschen (wobei du wenige beschreibst) nich noch so besonder Eigenheiten (z.B. den Gruch von Bohnerwachs)?

Zitat: (Original von Abendschoen am 05.05.2009 - 21:15 Uhr)
Zitat: (Original von Boris am 05.05.2009 - 18:43 Uhr) noch nach Osten kommen - da wohnts sich besser!

LG boris


Vielleicht probiere ich das auch noch aus, aber nicht heute und nicht morgen. - Arno Abendschön -
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Abendschoen Re: nun mußt de -
Zitat: (Original von Boris am 05.05.2009 - 18:43 Uhr) noch nach Osten kommen - da wohnts sich besser!

LG boris


Vielleicht probiere ich das auch noch aus, aber nicht heute und nicht morgen. - Arno Abendschön -
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Boris nun mußt de - noch nach Osten kommen - da wohnts sich besser!

LG boris
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Gunda Re: Re: Ach ... -
Zitat: (Original von Abendschoen am 05.05.2009 - 18:19 Uhr)
Zitat: (Original von Gunda am 05.05.2009 - 17:51 Uhr) ... jetzt hast du mir den schönen Kommentar, der sich beim Lesen in meinem Kopf bereits materialisierte, kaputtgemacht ... Genau das fiel mir nämlich dazu ein, was du in deinem letzten Satz schreibst: Einer sammelt Fotos, mit denen er Ereignisse und/oder Abschnitte seines Lebens kommentiert und ein Anderer verwandelt diese Eindrücke in Texte ...
Wie immer in Texte, die mir in ihrer sachlichen und doch farbig gestalteten Art sehr gefallen.

Lieben Gruß
gunda


Danke, Gunda. Und wo, bitte, hätte ich diesen Text entzweischneiden sollen? Übrigens habe ich festgestellt, dass dein FKK-Text Nr. 2 öfter angeklickt wurde als Teil 1. Seltsam, nicht? Ich habe das allerdings bei eigenen Fortsetzungssachen auch schon bemerkt. Der Leser ist und bleibt unberechenbar. - Arno Abendschön -


Ich sag doch gar nicht, dass du diesen Text hättest teilen sollen, Arno. Du hast ja REcht, wen es wirklich interessiert, der liest es auch.

Dass eine Fortsetzung öfter angeklickt wird, kann ganz einfach daran liegen, dass DIE Leser, die den ersten Teil gelesen haben, natürlich auch den zweiten Teil inhalieren möchten, DIE Leser, die erst beim zweiten Teil dazugestoßen sind und beim Anlesen merken, dass er vllt interessant sein könnte, lesen dann natürlich zuerst den ersten Teil - und klicken den zweiten Teil zum Abschluss nochmal an ;-))
Na? War das eine logische Folgerung?
Ach, es gibt -zig andere Erklärungen.
lg
g.
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Ach ... -
Zitat: (Original von Gunda am 05.05.2009 - 17:51 Uhr) ... jetzt hast du mir den schönen Kommentar, der sich beim Lesen in meinem Kopf bereits materialisierte, kaputtgemacht ... Genau das fiel mir nämlich dazu ein, was du in deinem letzten Satz schreibst: Einer sammelt Fotos, mit denen er Ereignisse und/oder Abschnitte seines Lebens kommentiert und ein Anderer verwandelt diese Eindrücke in Texte ...
Wie immer in Texte, die mir in ihrer sachlichen und doch farbig gestalteten Art sehr gefallen.

Lieben Gruß
gunda


Danke, Gunda. Und wo, bitte, hätte ich diesen Text entzweischneiden sollen? Übrigens habe ich festgestellt, dass dein FKK-Text Nr. 2 öfter angeklickt wurde als Teil 1. Seltsam, nicht? Ich habe das allerdings bei eigenen Fortsetzungssachen auch schon bemerkt. Der Leser ist und bleibt unberechenbar. - Arno Abendschön -
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Ach ... - ... jetzt hast du mir den schönen Kommentar, der sich beim Lesen in meinem Kopf bereits materialisierte, kaputtgemacht ... Genau das fiel mir nämlich dazu ein, was du in deinem letzten Satz schreibst: Einer sammelt Fotos, mit denen er Ereignisse und/oder Abschnitte seines Lebens kommentiert und ein Anderer verwandelt diese Eindrücke in Texte ...
Wie immer in Texte, die mir in ihrer sachlichen und doch farbig gestalteten Art sehr gefallen.

Lieben Gruß
gunda
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