Kurzgeschichte
Religionsfreiheit

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"Religionsfreiheit"
Veröffentlicht am 14. April 2009, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Religionsfreiheit

Religionsfreiheit

RELIGIONSFREIHEIT
               Es war 1944, im letzten Kriegsjahr, als Inge in die Schule eintrat.Ihre Mutter war römisch-katholisch, ihr Vater evangelisch.Als das kleine Mädchen geboren worden war, hatte man es nach dem Glaubensbekenntnis des Vaters in der schönen evangelischen Heilandskirche in Mürzzuschlag zur Taufe getragen.Diese Kirche verfügt über eine Besonderheit, über eine Einmaligkeit: Sie ist die einzige protestantische Kirche mit einem Marienbildnis.Dies nämlich hatte Peter Rosegger, der steirische Dichter, zur Bedingung gemacht, als er das Geld für den Bau des evangelischen Gotteshauses zur Verfügung gestellt hatte.Selbst Katholik und großer Marienverehrer, hatte er im In- und Ausland gesammelt, in Zeitungen zu Spenden aufgerufen und Lesungen gehalten, um die Mittel für den Kirchenbau aufzubringen.Er übergab das Geld der Gemeinde, und im Jahre 1900 konnte das Gotteshaus errichtet werden. 
In dieser “Heilandskirche” wurde Inge nun als Baby getauft.Als sie dann in die Schule eintrat, nahm sie natürlich am evangelischen Religionsunterricht teil.Während der Großteil der Kinder im Klassenzimmer auf den Herrn Pfarrer wartete,  begaben sich die wenigen protestantischen Schülerinnen in einen kleineren Nebenraum,  wo sie der Herr Pastor unterrichtete.Er war ein Mann in mittleren Jahren und selbst Familienvater. Seine Tochter Ingrid besuchte dieselbe Klasse wie Inge. Sie waren sogar ein wenig befreundet, und Inge hatte ihre Klassenkameradin schon einigemal im Pfarrhaus zum gemeinsamen Spiel besucht.Der Pastor gestaltete den Unterricht nüchtern und sachlich. Er war streng. Die Schulanfängerinnen mussten jedesmal lange Absätze auswendig lernen und viel zeichnen. Inge war ein aufgewecktes Mädchen.Bald hatte sie herausgefunden, dass es im katholischen Religionsunterricht viel schöner zugehen sollte.           
Nein, nein, beteuerten die Freundinnen, sie müssten bestimmt nichts lernen und zeichnen. Im Gegenteil, diese Unterrichtsstunde sei eine der schönsten, denn der Herr Pfarrer würde so schöne Geschichten von Jesus und dem Lieben Gott erzählen.Inge glaubte es nicht.“Das schau´ ich mir einmal an!” beschloss sie und blieb während der Religionsstunde in der Klasse sitzen.Es stimmte! Es war wirklich wahr!Der Herr Pfarrer, ein lieber, alter Mann, konnte wunderschön erzählen.Inge war hingerissen - und niemand vermochte sie noch einmal in den kleinen Raum zum protestantischen Religionsunterricht zu bringen.           
Der Pastor schickte ein Mädchen, um sie zu holen. Erfolglos .
“Nein, nein, ich gehe nicht mit. Hier gefällt es mir viel besser!”, entschied die Abtrünnige.Die Frau Lehrerin redete ihr gut zu.Der Pastor selbst kam, um das verlorene Schäfchen zurückzuholen.Alles umsonst! Inge weigerte sich standhaft.Nun wurde die Mutter in die Schule gebeten, um ihre Tochter endlich zur Vernunft zu bringen.Die Frau Mama war Mitglied der katholischen Kirche. Ihr Mann, Inges Vater, vor wenigen Monaten im Krieg gefallen.Es fiel ihr daher leicht, den Entschluss ihrer Tochter spontan zu akzeptieren.Sie leitete die notwendigen Schritte ein, damit ihr kleines Mädchen zum katholischen, und damit zu ihrem eigenen Glauben übertreten konnte. Mutter und Tochter waren gleichermaßen froh über diese Entscheidung und haben sie nie bereut.   

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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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mukk Re: Ach wenn es die -
Zitat: (Original von 3balmers am 16.04.2009 - 15:39 Uhr) weisen Mütter nicht gäbe, die genau spüren was für das Kind das Richtige ist. Und manchmal brauchen sie für ihren Entschluss auch Mut und Zivilcourage. Meine Mutter hat mich beispielsweise aus einer Schule genommen, in welcher ich von Lehrern Demütigungen erleiden musste und von Klassenkameraden geplagt wurde. An der neuen Schule blühte ich dann auf.
Wieder ein toller Text von Dir und gern gelesen
LG Karin


Danke, liebe Karin, habe mich über deine Zeilen sehr gefreut, denn ganz genau so ist es.
Liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
3balmers Ach wenn es die - weisen Mütter nicht gäbe, die genau spüren was für das Kind das Richtige ist. Und manchmal brauchen sie für ihren Entschluss auch Mut und Zivilcourage. Meine Mutter hat mich beispielsweise aus einer Schule genommen, in welcher ich von Lehrern Demütigungen erleiden musste und von Klassenkameraden geplagt wurde. An der neuen Schule blühte ich dann auf.
Wieder ein toller Text von Dir und gern gelesen
LG Karin
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Liebe Ingrid, in der Beurteilung der Religionen - Zitat: (Original von Phantasus am 14.04.2009 - 13:40 Uhr) stimme ich Thomas zu. Eine andere Frage ist die nach der großen sinnlichen Anziehungskraft der katholischen Religion, speziell die der Marienverehrung. Dafür hier ein Beispiel, das wohl alles erklärt:
Ich seh dich in tausend Bildern

Ich seh dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.

Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennnbar süßer Himmerl
Mir ewig im Gemüte steht.

Novalis
Du hast sehr anschaulich erzählt ***** Herzliche Grüße von Ekki

Lieber Ekki, irgendwie wollte ich gar keine Debatte über Religionen auslösen. Lies, bitte, meine Antwort bei Mariannes Kommi.
Für mich sind alle Religionen, so lange sie nicht in Fanatismus ausarten oder im Namen ihres Gottes Greueltaten verüben, die Suche des Menschen nach etwas Höherem, der alles in der Hand hält, dem sie verschiedene Namen geben, zu dem sie beten oder um Hilfe bitten...
Danke dir auch für das Gedicht von Novalis und die Mühe, die du dir gemacht hast.
Ich wünsche dir einen schönen Abend bei deiner Leslampe, aber wahrscheinlich schläfst du schon.
Liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Religionsfreiheit -
Zitat: (Original von Luap am 14.04.2009 - 18:54 Uhr) Ich mag die Geschichten von früher.
Ja, früher wurden die Religionen oft eingetrichtert, was nicht gut war. Aber heute kümmert sich niemand mehr darum, was doch eigentlich noch schlimmer ist!
Religionsfreiheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen, da darf es keine Zwänge geben...

LG, Luap


Lieber Luap, herzlichen Dank für deinen lieben Besuch und die netten Zeilen. Stimme dir voll zu.
Und Geschichten von früher liebe ich auch sehr, hörte immer sehr interessiert zu, wenn ältere Menschen erzählten, über die damaligen Lebensumstände, Gepflogenheiten oder originelle Charaktere.
Mit lieben Grüßen
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Religionsfreiheit -
Zitat: (Original von Luap am 14.04.2009 - 18:54 Uhr) Ich mag die Geschichten von früher.
Ja, früher wurden die Religionen oft eingetrichtert, was nicht gut war. Aber heute kümmert sich niemand mehr darum, was doch eigentlich noch schlimmer ist!
Religionsfreiheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen, da darf es keine Zwänge geben...

LG, Luap


Lieber Luap, herzlichen Dank für deinen lieben Besuch und die netten Zeilen. Stimme dir voll zu.
Und Geschichten von früher liebe ich auch sehr, hörte immer sehr interessiert zu, wenn ältere Menschen erzählten, über die damaligen Lebensumstände, Gepflogenheiten oder originelle Charaktere.
Mit lieben Grüßen
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Religions ... - undZitat: (Original von MarianneK am 14.04.2009 - 14:19 Uhr) Bin schon lange aus der kath. Kirche ausgetreten und glaube an keine Religion mehr. Das heißt aber nicht dass ich nicht an Gott glaube, er ist für mich da. Nur dazu brauche ich keine Kirche, denn den Glauben daran hat die Kirche mir genommen. Da wir nach dem Krieg nach Bayern kamen, musste ich in Nördlingen in eine Klosterschule gehen und dies vier Jahre lang, es war die Hölle. Anschließend noch zwei Jahre in einer kath. Mädchenschule und diese Lehrerin, Fräulein Ivan, war die reinste Hölle. Als wir dann 1953 nach Esslingen gezogen sind, kam ich in eine gemischte Klasse mit versch. Religionen und da erlebte ich das erste mal die Freiheit eines Unterricht und auch keine Schläge mehr. Keine 15 Tatzen fast täglich auf die Fingeroberseite mehr. Selbst heute fühle ich noch die sichtbaren Narben und unsichtbaren auf der Seele die eine scheinheilige Religion bei mir hinterließ.
Du hast die vielleicht schöne Seite des Glaubens erlebt, ich die schlecht davon.

Einen lieben Gruß
Marianne


Liebe Marianne, danke dir für deinen eingehenden Kommentar. Eigentlich wollte ich gar keine Debatte über Religionsfreiheit auslösen. Ich wollte erzählen, wie konsequent und dickschädelig ich, eher nachgiebig und zurückhaltend, damals als kleines Mädchen war und mich durch nichts davon abbringen ließ, lieber bei dem netten alten Herrn Pfarrer Geschichten zu hören als zu lernen. Ich hatte Glück, dass meinen Mutter gerade dieser Konfession angehörte - sonst wäre es vermutlich nicht möglich gewesen.,
Deine Schilderung hat mich sehr betroffen gemacht.
Ich habe solche Erzählungen leider schon öfters gehört.
Mit ganz lieben Grüßen und einem sanften Streicheln über deine Hände
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: ich als heide -
Zitat: (Original von Tilly am 14.04.2009 - 19:53 Uhr) fand den messwein immer sauer den wir in der kirche als kinder gemopst haben

thomas
trotzdem schön


Das kommt daher, dass dieser Wein meistens naturbelassen ist - oder sein soll.
Stelle für dich meine Geschichte "Der Messwein" ins Forum.
Lieben Gruß
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
Tilly ich als heide - fand den messwein immer sauer den wir in der kirche als kinder gemopst haben

thomas

trotzdem schön
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Religionsfreiheit - Ich mag die Geschichten von früher.
Ja, früher wurden die Religionen oft eingetrichtert, was nicht gut war. Aber heute kümmert sich niemand mehr darum, was doch eigentlich noch schlimmer ist!
Religionsfreiheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen, da darf es keine Zwänge geben...

LG, Luap
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Religions ... - Bin schon lange aus der kath. Kirche ausgetreten und glaube an keine Religion mehr. Das heißt aber nicht dass ich nicht an Gott glaube, er ist für mich da. Nur dazu brauche ich keine Kirche, denn den Glauben daran hat die Kirche mir genommen. Da wir nach dem Krieg nach Bayern kamen, musste ich in Nördlingen in eine Klosterschule gehen und dies vier Jahre lang, es war die Hölle. Anschließend noch zwei Jahre in einer kath. Mädchenschule und diese Lehrerin, Fräulein Ivan, war die reinste Hölle. Als wir dann 1953 nach Esslingen gezogen sind, kam ich in eine gemischte Klasse mit versch. Religionen und da erlebte ich das erste mal die Freiheit eines Unterricht und auch keine Schläge mehr. Keine 15 Tatzen fast täglich auf die Fingeroberseite mehr. Selbst heute fühle ich noch die sichtbaren Narben und unsichtbaren auf der Seele die eine scheinheilige Religion bei mir hinterließ.
Du hast die vielleicht schöne Seite des Glaubens erlebt, ich die schlecht davon.

Einen lieben Gruß
Marianne
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