Romane & Erzählungen
Big Business

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"Big Business"
Veröffentlicht am 22. März 2009, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man ...
Big Business

Big Business

Klack, klack, klack, sangen die Sohlen des heute unglaublich selbstbewusst auftretenden Dirk Schirach-Erker im Dreivierteltakt, als er die marmornen Treppenstufen erklomm, immer in Richtung des Chefbüros seines derzeit wichtigsten Kunden. Das heißt, nahm man es genau, handelte es sich um den wichtigsten Kunden seines Chefs, aber im Angesicht seines wirklich unmessbar großen Selbstbewusstseins erschien Dirk diese Tatsache so verschwindend gering, dass er sich doch lieber gleich selbst als großer Boss fühlte. Es ging hier schließlich um den ganz dicken Zaster, und dieser Sachverhalt allein ließ keine andere Herangehensweise zu.

Man würde mitnichten versuchen, es Dirk in den Verhandlungen besonders einfach zu machen. Doch das kam ihm eben gerade recht. Dirk fühlte sich voll und ganz als Kämpfer. Kein Wadenbeißer, ein Bluthund. Ein Mann wie 'ne Fahnenstange. Ein ganzer Kerl. Zumindest sah er sich selbst so, vor allem heute. Ja, heute strahlte Dirks Selbstbewusstsein gefühlt heller als so einige Sonnen in den Weiten des Universums. (Anm.: Das war, was Dirk nicht wissen konnte, insofern sogar richtig - wenngleich auch fatal - als dass der universale Energieerhaltungssatz (kurz: ein Pott Energie für alle), von dem bis dato niemand gehört hatte, dafür sorgte, dass ein solch gigantisches Selbstbewusstsein diversen, weit entfernten Sonnen tatsächlich derart viel Energie abzapfte, dass Fantastilliarden zivilisierter Lebensformen in plötzlich hereinbrechenden Temperaturstürzen ihre Existenz aushauchten. Doch dies ist eine andere, traurige Geschichte voller Entbehrungen, die hier aus absichtlich nicht erläuterten Priorisierungsgründen leider zurücktreten muss.)

Oben angekommen, sah Dirk sich einem langen, geraden Gang gegenüber, an dessen Ende diese eine, große Tür wartete, auf die er all die Jahre hingearbeitet hatte, für die er seinem Boss so oft die stinkenden Lackschuhe geküsst hatte. Dirk hatte diese Chance in jedem Fall gewollt, wollte sich nun profilieren, wollte einmal den großen Max raushängen lassen, wollte die Infusionsnadel am Tropf der Firma sein. Und schließlich hatte sein Chef, dem bereits seit geraumer Zeit die Ohren geblutet hatten, kapituliert und Dirk die leitende Verantwortung für das heikle aber prestigeträchtige Projekt übertragen.

„Ganz große Sache“, hatte Dirk noch am Morgen seiner Frau erklärt, als er zu begründen versucht hatte, weshalb er seit geschlagenen fünf Stunden vor dem Spiegel herumgetanzt war wie eine Primaballerina auf Koks. Und dieser Aufwand, so hatte er schließlich befunden, hatte sich allemal gelohnt: Der unfassbar teure Anzug schimmerte, wann immer sich die Gelegenheit bot, im vorherrschenden Tageslicht, als wollte er sagen: „Hey, hier bin ich, und ich bestehe aus Unmengen von Diamantstaub, den tausend Kinderhände tausend Jahre lang reiben mussten, bis die Finger abfielen.“

Natürlich konnte ein solches Unikat nur von unglaublich teuren Krokodillederschuhen ergänzt werden, deren Material jeweils zehn Exemplaren einer vom Aussterben bedrohten Krokodilart entstammte. Zwar hätte es für das Paar Schuhe locker auch ein Krokodil getan, aber die exzessive Verschwendung der Echsenviecher, so hatte der Händler versichert, würde dafür sorgen, dass die Schuhe ihren exklusiven Seltenheitswert bewahrten. Das hatte für Dirk so logisch wie vielversprechend geklungen, und so hatte er, vor Zufriedenheit hörbar schnurrend, zugeschlagen.

Bei einem wirklich so unglaublich teuren Outfit waren natürlich keine Weihnachtsgeschenke mehr für Frau und Tochter drin gewesen (Geburtstage und Hochzeitstag waren auch allenfalls im Hause Schmalhans gefeiert worden), doch, so hatte Dirk sich selbst zu beschwichtigen gewusst, was waren schon die paar Tränen der Enttäuschung im Gegensatz zu all der materiell fußenden Freude, die eine baldige Gehaltserhöhung mit sich bringen würde, wenn Dirk erst mal einen der komfortablen Bürostühle mit automatischer Höhenverstellung in der Chefetage wärmen dürfte? Dirk verdrängte den Gedanken an den fast greifbaren Geldsegen vorerst und ging in Gedanken vorsichtshalber noch einmal seinen akribisch ausgearbeiteten Plan durch.

Keine zwanzig Meter trennten Dirk von der finalen Tür, und so stand er schweigend im Gang, zerschnitt unbewusst mit prüfenden Blicken die Luft, als wäre sie weich gewordene Butter, und grübelte nach, während sein Anzug schimmerte, was der Stoff hergab. Eine von Ehrfurcht erfüllte Ruhe umgab ihn dabei. Ein Mann und sein Koffer im wilden Westen des Big Business. Die Ruhe hätte in diesem Moment gern ein passendes Lied angestimmt, wollte ihrem Namen aber doch alle Ehre machen.

Schnell stellte Dirk fest, dass er, wie eigentlich zu erwarten gewesen war, alle Details des Plans im Kopf hatte. Alles, aber auch wirklich alles, war wasserdicht und bis ins kleinste Detail durchdacht. Musste es auch sein, denn sein Chef hatte ihm gesagt, dass dieser besonders wichtige Kunde leider auch besonders schwierig war und man ihm, so hatte er es ausgedrückt, doch besonders gut zureden musste. Kommunikative Kompetenz und ein gut bemessenes Entgegenkommen waren angesagt, ein wenig Schleim und ab und an eine bewundernde Verneigung (immer im Wechsel) – alles Talente, die Dirk besonders ausgezeichnet lagen, wie er selbst fand.

Sich seines Sieges völlig sicher, setzte Dirk seinen Weg in Richtung Tür fort und schenkte sich selbst, wie auf Kommando komm raus, sein schönstes Lächeln. Beim Strahlen seiner unbeschreiblich weißen Zähne (passend zu den unbeschreiblich anmutenden Attributen seines Anzugs und der Schuhe) erschrak die Luft und hellte sich augenblicklich auf. Zugegeben, das Zahnwerk war alles andere als echt, aber in Anbetracht des wirklich weißen Weiß war das durchaus eine tolle Sache. (Anm.: Gott hatte gerade eigentlich ein Pferd modellieren wollen, als er noch mal nachgezählt und festgestellt hatte, dass laut Fünfjahresplan bereits genügend Pferde vorhanden gewesen waren. So hatte er versucht, zu retten, was zu retten war und aus dem angefangenen Gaul eben Dirk gebastelt. Dieser hatte das penetrante Pferdegebiss bereits vor Jahren in der weisen Voraussicht ersetzen lassen, dass keine Firma der Welt gern Fury im Vorstand haben würde.)

Einige vornehm und gleichmäßig klackende, krokodillederne Schritte später war es schließlich so weit: Nur noch Zentimeter des trist gestalteten Ganges trennten Dirk von der Tür zum Chefbüro. „Rohrschlach - Unternehmensführung“, stand in dicken, goldenen Lettern an der Tür. Dirk atmete noch einmal ziemlich sportlich anmutend durch, fuhr sich mit der Hand durch sein schwarz nachgefärbtes Haupthaar, dessen Locken er am Morgen, so geduldig wie gnadenlos, mit geschätzten zwei Kilogramm Pomade zu Tode gegelt hatte, und klopfte schließlich ehrfürchtig und zugleich nachdrücklich an die massive Holztür. Völlige Stille. Dirks Anzug und die Goldlettern an der Tür glitzerten derweil um die Wette. Dann rief plötzlich eine matt und auf ihre Art geheimnisvoll klingende Stimme auf der anderen Seite der Tür: „Ja, bitte. Kommen Sie doch herein!“

Dirk öffnete die Tür, trat einen Schritt vor und setzte kämpferisch zum Gespräch an: „Guten Tag Herr Rohrschlach. Mein Name ist Schirach-Erker. Wir haben gestern Morgen telefoniert. Ich möchte...“ Das antrainierte Siegerlächeln fiel Dirk augenblicklich aus dem Gesicht, als wäre es nur eine Briefmarke, die man zu sparsam bespuckt hatte, und schon war all das zurecht gezimmerte Auftreten dahin. Er verzog das Gesicht dermaßen, dass er, trotz seiner Premiumzähne, einem Pferd nicht unähnlich war. Selbst sein Anzug beschloss, angesichts dessen, was sich ihm darbot, das Schimmern vorsichtshalber einzustellen: Das Zimmer war von einem gigantischen, fortdauernd pulsierenden Anus ausgefüllt, der in feierlich gestalteten Mustern von zentimeterdicken Haaren umrahmt wurde. „Ich erinnere mich, Herr Schirach-Erker“, sprach der Anus leise und bedächtig. „Treten Sie doch ein. Wie ich sehe, sind Sie gut gegelt. Sehr schön, wirklich sehr schön.“ Die dicken Haare erzitterten vor Entzücken. „Möchten Sie zuerst einen Kaffee, oder sollen wir gleich beginnen?“
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PhanThomas
Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man trifft mich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Das scheint auf manche Menschen dermaßen gruselig zu wirken, dass die Plätze in der Bahn neben mir grundsätzlich frei bleiben. Und nein, ich stinke nicht, sondern bin ganz bestimmt sehr wohlriechend. Wer herausfinden will, ob er mich riechen kann, der darf sich gern mit mir anlegen. ich beiße nur sporadisch, bin hin und wieder sogar freundlich, und ganz selten entwischt mir doch mal so etwas ähnliches wie ein Lob. Nun denn, genug zu mir. Oder etwa nicht? Dann wühlt noch etwas in meinen Texten hier. Die sind, äh, toll. Und so.

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PhanThomas Re: PhanThomastisch -
Zitat: (Original von seelchen am 04.06.2009 - 12:25 Uhr) ja genau, grosse Klasse. Du weisst ja, wie gern ich deine Sachen lese. Die sind immer so herrlich treffsicher auf dem wunden Punkt, dass man sich nicht mehr rauswinden kann und bis ans Ende lesen muss!

Ein Satz gefällt mir besonders gut, und zwar der da: "Einige vornehm und gleichmäßig klackende, krokodillederne Schritte später war es schließlich so weit:" - herrlich!

ich erzittere auch vor entzücken,
bin aber kein borstiges haar :-)))))))
Huhu seelchen,

auch dir lieben Dank. Wie gesagt, ist z.T. aus dem Leben gegriffen. Und das Finale, nun das ist bei einer kleinen Diskussion beim Abendbier mit Freunden entstanden. Die Idee war einfach zu göttlich. ;-)

Liebe Grüße
PhanThomas

PS: Ich weiß, dass du kein eklig borstiges Haar bist. Hätte mich auch sehr gewundert. ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: schöne Geschichte -
Zitat: (Original von Boris am 04.06.2009 - 11:23 Uhr) da muß man halt durch, wenn man hoch will!

LG Boris
Hallo Boris,

lieben Dank. Und Recht hast du. Ist quasi, öhm, aus dem Leben gegriffen. Man kriegt ja so Einiges mit. ;-)

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
Boris schöne Geschichte - da muß man halt durch, wenn man hoch will!

LG Boris
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Muhaha -
Zitat: (Original von LadyLy am 23.03.2009 - 09:29 Uhr) Die Geschichte war wahnsinnig gut, hab jede Zeile genossen. Hatte sie ja gestern schon gelesen und war begeistert, es fehlte mir allerdings an Zeit für einen vernünftigen Kommentar.

Okay, Rohrschlach hab ich gerade geschafft und danach war auch der andere Name lösbar. Ich lache die ganze Zeit schon, aber nun noch ein wenig mehr. Wo nimmst du bloß immer diese Ideen her? Brilliant, einfach brilliant.

Die Geschichte gehört eindeutig mit in das Buch!

Liebe Grüße
Lychen

Hallo Ly,

vielen Dank. :-) Ich hab noch ein paar Umbauten an der Geschichte vorgenommen (nochmals vielen Dank an Gunda) und sie heute noch mal reingestellt. Aber im Wesentlichen war sie gestern schon genauso.

Die Idee entstand übrigens in einer Bierlaune unter Kollegen. Jemand machte einen Kommentar in diese Richtung, und ich fand das so toll, dass sich dann letztlich der Plot für die Geschichte entwickelte.

Sollte ich tatsächlich bald mal genügend Material für ein Büchlein zusammenbekommen, kommt diese Geschichte natürlich mit rein. :-) Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
LadyLy Muhaha - Die Geschichte war wahnsinnig gut, hab jede Zeile genossen. Hatte sie ja gestern schon gelesen und war begeistert, es fehlte mir allerdings an Zeit für einen vernünftigen Kommentar.

Okay, Rohrschlach hab ich gerade geschafft und danach war auch der andere Name lösbar. Ich lache die ganze Zeit schon, aber nun noch ein wenig mehr. Wo nimmst du bloß immer diese Ideen her? Brilliant, einfach brilliant.

Die Geschichte gehört eindeutig mit in das Buch!

Liebe Grüße
Lychen
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Wieder ... -
Zitat: (Original von Gunda am 22.03.2009 - 20:29 Uhr) ... ein Super-Text ohne KOmmentare?
Hmm, du musst mal ein bisschen mehr Werbung für dich machen.

Den ganzen Text über habe ich mich gefragt, worin das Ganze wohl gipfeln würde ... ohne aber die leiseste Ahnung zu haben, obwohl mich der Name "Rohrschlach" schon hätte stutzig machen müssen.
Grins: Nachdem ich dieses Anagramm entschlüsselt hatte, ging mir auch auf, woher Dirk seinen seltsamen Nachnahmen hatte *laut*lach*.
Herrlich auch das gegelte Haupthaar, dass deinem Protagonisten den Eintritt enorm erleichtern dürfte ...
Köstlich amüsiert.
Lieben Gruß
Gunda

PS: Ein paar Winzigkeiten orthographischer Art und Ausdrucksform haben sich eingeschlichen.


Hallo Gunda,

lieben Dank. Hast du also meine kleinen Anagramme entschlüsselt? ;-) Auf Schirach-Erker bin ich besonders stolz.

Ja, ich hatte den Text heute Nacht schon zweimal vorn gelistet online. Dann waren aber noch Dinge drin, die ich ausbügeln wollte. Ich stelle ihn morgen früh noch mal vorn gelistet ein. Eigentlich nicht meine Art, aber dies hier ist ja ein neuer Text.

Uh, falls du noch mal reinschauen solltest und auf Anhieb einige der Fehlerchen finden und mir mitteilen könntest, wäre ich sehr froh. In seinen eigenen Geschichten leidet man leider oft unter "Betriebsblindheit".

Liebe Grüße
PhanThomas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Wieder ... - ... ein Super-Text ohne KOmmentare?
Hmm, du musst mal ein bisschen mehr Werbung für dich machen.

Den ganzen Text über habe ich mich gefragt, worin das Ganze wohl gipfeln würde ... ohne aber die leiseste Ahnung zu haben, obwohl mich der Name "Rohrschlach" schon hätte stutzig machen müssen.
Grins: Nachdem ich dieses Anagramm entschlüsselt hatte, ging mir auch auf, woher Dirk seinen seltsamen Nachnahmen hatte *laut*lach*.
Herrlich auch das gegelte Haupthaar, das deinem Protagonisten den Eintritt enorm erleichtern dürfte ...
Köstlich amüsiert.
Lieben Gruß
Gunda

PS: Ein paar Winzigkeiten orthographischer Art und Ausdrucksform haben sich eingeschlichen.

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