Hoppel wollte unbedingt Osterhase werden, irgendwann später, wenn er groß genug war, das heißt, wenn seine Ohren lang genug waren.
Genau wie sein Vater und vorher schon sein Großvater mit einem Buckelkorb voll bunt bemalter Eier ganz zeitig in der Früh über die Wiesen zu hoppeln und für die Kinder Ostereier zu verstecken, das stellte er sich sehr aufregend vor.
Wenn Hoppel in den Spiegel sah, fand er sich eigentlich gar nicht so klein, bis auf seine Ohren, die waren wirklich kurz. So sehr er sich auch bemühte, sie wollten und wollten nicht wachsen.
Jeden Morgen kämmte und putzte er sie so sorgfältig er nur konnte, doch vergebens, es fehlte immer noch ein Zentimeter auf das Mindestmaß, das am Schultor mit Kreide eingezeichnet war.
„Hab Geduld, Hoppel! Du wirst sehen, eines Tages hast du genau so schöne, lange Ohren, wie dein Vater und ich, dann darfst du mit zu den Kindern“, versuchte ihn seine Mutter immer wieder zu trösten, doch wirklich helfen konnte sie ihm auch nicht.
Seine Eltern legten großen Wert auf eine gute Ausbildung, darum musste er jeden Tag in die Hasenschule. Laufen und Haken schlagen waren seine Lieblingsgegenstände, doch Ostereier bemalen, das gefiel ihm überhaupt nicht.
Das war doch eher etwas für Mädchen und außerdem vollkommen unnötig, denn man konnte die Eier ja auch fertig im Supermarkt kaufen, fand er.
„Was ein richtiger Osterhase sein will, der sammelt die Eier im Hühnerhof ein und bemalt sie dann eigenhändig, bevor er sie verteilt.“ So hörte er es jeden Tag zuhause, denn seine Eltern hielten viel von Tradition. Nie wäre es seinem Vater in den Sinn gekommen, ein Osterei aus dem Supermarkt in ein Nest zu legen. Fabrikware zu verteilen, fand er unter seiner Würde.
Für einen richtigen Lausbuben wie Hoppel, war es aber viel lustiger mit den Eiern Fußball zu spielen, als sie sorgfältig zu bemalen. Zerbrach eines dabei, nahm er sich einfach ein neues, es waren ja genug da.
Eine Zeitlang ging alles gut, bis eines Tages Meister Pinsel, sein Klassenlehrer hinter ihm stand, gerade als er mit einem kräftigen Schuss ein rotes Ei in den großen Korb befördern wollte. Dummerweise zersprang es dabei in tausend Stücke.
Na, das gab vielleicht ein Donnerwetter.
So wütend hatte er Meister Pinsel noch nie gesehen.
„Ja Hoppel, sag was fällt denn dir ein? Weißt du denn nicht, wie kostbar ein Ei ist und wie schwierig man jetzt in der Osterzeit frische Ware bekommt? Du bist hier, um zu lernen wie man die Farben ordentlich mischt und die Eier kunstvoll bemalt und was machst du? - Fußball spielen? Schäm dich! Aus dir wird wohl nie ein ordentlicher Osterhase. Um den Schaden wieder gut zu machen, besorgst du dir ein frisches Ei und wirst es morgen unter meiner Anleitung bemalen. Und jetzt geh!“
Oje, das klang für Hoppel gar nicht gut.
Woher sollte er denn ein frisches Ei nehmen? Schenken würde ihm niemand eines und Geld hatte er keines. Wie sollte er das Mama erklären?
Betrübt schlich er nachhause und verkroch sich sofort hinter seinem Bett.
„Hoppel, was ist mit dir? Kommst du nicht mit uns auf die Löwenzahnwiese? Fehlt dir etwas? Bist du krank?“ Mutter klang sehr besorgt - so kannte sie ihren Hoppel nicht.
„Mama, ich muss morgen ein frisches Ei in die Schule mitbringen, weil mir eines zerbrochen ist“, gestand er zaghaft.
„Ja, wie konnte denn das passieren“, wollte sie wissen.
„Einfach so. Ich habe gar nichts gemacht, Mama.“
Wohl war ihm nicht bei dieser Lüge und sein Kopf wurde dabei dunkelrot.
„Einfach so, zerbricht kein Ei. Schau mir bitte in die Augen und sag die Wahrheit, Hoppel.“
Ihre Stimme klang so streng, dass Hoppel weinerlich alles beichtete und dann bat:
„Mama, bitte hilf mir. Mir tut ja das alles so leid. Woher soll ich denn jetzt ein Ei bekommen?“
„Gut, wenn du mir versprichst, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt, will ich dir dieses eine Mal helfen, aber wirklich nur dieses eine Mal. Ich habe da noch von früher eine gute Bekannte, die Henne Berta. Sie lebt auf einem Bauernhof und war immer sehr freundlich und hilfsbereit, wenn ich mit deinem Vater zum Eier einsammeln unterwegs war. Vielleicht kann sie uns helfen.“
Noch vor dem Morgengrauen machten sich beide auf den Weg .
Auf dem Bauernhof schliefen noch alle, auch der Haushund, nur im Hühnerstall brannte schon Licht.
Berta freute sich sehr über Mamas Besuch und nachdem sich beide lange und gebührend begrüßt hatten, kam Mama auf den eigentlichen Grund ihres Besuches zu sprechen.
Da wurde Berta sehr nachdenklich.
„Jetzt, in der Karwoche sind wir leider restlos ausverkauft. Komm, schau in mein Nest. Kein einziges Ei ist mehr übrig geblieben, alles haben die Hasen schon abgeholt. Nur das letzte von gestern liegt noch hier, das habe ich dem Bauern versprochen, denn er gibt mir immer ausreichend Futter. Aber ich habe da eine Idee“, fügt sie nach einer kleinen Pause hinzu, „der Bauer kommt wahrscheinlich erst am Abend, um das Ei abzuholen, bis dahin lege ich eben ein neues.. Hier nehmt, aber seid vorsichtig, damit es nicht zerbricht.“
Überglücklich bedankten sich beide und machten sich mit dem Ei auf den Rückweg.
Doch sie hatten nicht mit Bello, dem Haushund gerechnet. Der war nämlich inzwischen erwacht und stürzte sich nun erbost auf die vermeintlichen Eierdiebe.
„Lauf Hoppel! Schnell, schnell!“ rief Mama, doch Bello war schneller und hatte Hoppel schon an den Ohren gepackt.
„Dir werde ich geben, du räuberischer Hasenbub. Hier wird nicht geklaut, denn hier sorge ich für Ordnung. Darum werde ich dich jetzt an deinen Löffeln bis zum Bauern ziehen. Wuff! Wuff!“, schrie er wütend und zog und zog an Hoppels Ohren.
Die ganze Geschichte hätte noch schlimm enden können, wäre nicht Berta rechtzeitig zur Stelle gewesen: „Halt ein, Bello! Es hat schon alles seine Richtigkeit. Ich selbst habe den beiden das Ei geschenkt. Es sind doch alte Freunde von mir.“
Verdutzt hielt Bello inne und murmelte etwas, was wie eine Entschuldigung klang.
Mama und Hoppel mussten sich nun sehr beeilen, denn es wurde schon hell. Zeit für Hoppel, in die Schule zu gehen.
Dort erwartete ihn eine riesige Überraschung.
Denn als er diesmal an der Ohrmarke vorbeikam, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Seine Löffel passten genau darunter, nicht ein einziger Millimeter fehlte.
„Meine Ohren! Meine Ohren, sie sind endlich länger geworden. Nun bin ich ein richtiger Osterhase und muss nicht mehr in die Schule gehen, sondern darf, wie alle anderen, die Kinder beschenken. Hurra! Hurra!“, jubelte er und hopste vor lauter Freude hin und her.
Der verdutzte Bello jedoch, fand am Ostersonntag ein wunderschönes, rotes Osterei mit dem Abdruck einer kleinen Hasenpfote in seiner Hundehütte.