Kurzgeschichte
Meine Frau, die Ilsebill

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"Meine Frau, die Ilsebill"
Veröffentlicht am 08. März 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Meine Frau, die Ilsebill

Meine Frau, die Ilsebill

Beschreibung

was will uns dieses Märchen sagen? Ein kleines Mädchen macht es deutlich ...

Meine Frau, die Ilsebill
   

„Der Fischer und seine Frau“ ist das Lieblingsmärchen meiner Enkelin Petra.

Egal, welche Märchenfiguren ich wachrufe, zum Schluss will sie immer die Geschichte  von dem armen Fischer-Ehepaar hören.

Wie der Mann einen Fisch fängt, der sprechen kann. Wie dieser um sein Leben bettelt und verspricht, den Fischer dafür reich zu beschenken.

Der Mann wünscht sich, statt in der armseligen Fischerhütte endlich in einem schönen Haus zu wohnen, und wirft den Fisch zurück ins Wasser.

Und siehe da, vor ihm steht tatsächlich ein schmuckes Landhaus.

Seine Frau, die Ilsebill, ist jedoch sehr unbescheiden. Nach kurzer Zeit hat sie auch mit dem Haus keine Freude mehr und verlangt, ihr Mann soll vom Fisch ein vornehmes Stadtpalais fordern. Sie bekommt es.

Ilsebill wünscht sich immer noch mehr. Das Stadtpalais wird zur Burg, dann zum Schloss.

Der Fischer wäre wohl zufrieden, allein, er gibt dem Drängen seiner Frau nach und ruft jedes Mal den Fisch.

   „Meine Frau, die Ilsebill,

    will nicht so, wie ich es will.“,

klagt er und trägt dem Fisch deren Wünsche vor.

Doch auch mit dem Schloss ist Ilsebill nach kurzer Zeit unzufrieden. Sie will Königin, und dann gar Kaiserin sein. Wieder ruft der Fischer nach dem Fisch und berichtet traurig:

   „Meine Frau, die Ilsebill,

   will nicht so, wie ich es will.

   Sie möchte nun sogar Königin sein.“

Der Fisch ist ärgerlich, aber er macht sie auch noch zur Königin, und dann sogar zur Kaiserin.

Doch abermals ruft der Fischer nach einiger Zeit nach dem verwunschenen Fisch:

   „Meine Frau, die Ilsebill,                

   will nicht so, wie ich es will –

   stell dir vor, jetzt verlangt sie sogar,

   der Liebe Gott zu sein.“

Da wird der Fisch aber richtig zornig und nimmt dem Fischer und seiner Frau, der Ilsebill,  wieder alles weg. Das Schloss, die Pagen, das Gesinde – alles ist mit einem Schlag  verschwunden. Der Fischer und seine Frau, die Ilsebill, stehen wieder vor ihrer armseligen Fischerhütte ....
 

Dieses Märchen ist offensichtlich Petras Lieblingsmärchen. Vielleicht auch, weil ich davon einen entzückenden Zeichentrickfilm auf einer Videokassette besitze. Immer, wenn Petra bei uns ist, will sie diese Aufzeichnung sehen. Einmal, manchmal zweimal pro Tag.  Wenn es nach Petra ginge, würde sie sich den kurzen Film fünf- oder auch zehnmal täglich ansehen.
 

Draußen regnet es. Wir sitzen  gemeinsam im Wohnzimmer. Petra verfolgt am Fernsehschirm  zum wiederholten Male die Geschichte von dem Fischer und seiner Ilsebill. Mein Mann füllt  einen Lottoschein aus.

„Wenn wir nur auch einmal etwas gewinnen würden!“, murmelt er vor sich hin. „Dann könnten wir das Wohnzimmer neu einrichten oder uns eine Brause mit Dampfdüsen kaufen, die du dir so wünscht.“

„Ein neuer Computer, so einer mit ganz flachem Bildschirm wäre auch nicht schlecht.“, kontere ich.

„Ein schickes Auto noch besser – was würdest du von einem BMW halten?“, träumt mein Mann.

Petra schaut uns entsetzt an.

„Nein“, haucht sie verschreckt, „Omi, gelt, das ist nicht wahr. Das meint ihr nicht echt.“

„Nicht echt?“, fragt Opa. „Das wäre doch schön. Was würdest denn du dir wünschen, wenn wir einen Lotto-Sechser gewinnen sollten?“

Petra schaut uns unsicher an und schüttelt ratlos ihr Köpfchen.
 

Langsam wird es Abend.  Mein munteres, kleines Mädchen ist beim Nachtmahl sehr still. Dann bringe ich sie ins Bett und erzähle ihr eine Gute-Nacht-Geschichte.

Petra schlingt ihre Ärmchen um meinen Hals.

„Omi“, flüstert sie, „Omi, ihr meint das aber nicht wirklich? Oder?

Ihr habt so ein schönes Haus, so einen schönen Garten – und ich bin so gern bei euch.

Wenn ihr wirklich so viele Wünsche habt, dann geht es euch vielleicht wie dem Fischer und seiner Frau? Bitte, Oma, seid nicht unbescheiden!“

Ich streichle über ihr Haar.

„Das war ja bloß Spaß.“, versuche ich, sie zu beruhigen.

Mehr bringe ich nicht über meine Lippen. Ich kann Petra nur fest an mich drücken .....

und denke mir: Wie wahr! Es soll uns niemals schlechter gehen als jetzt.

Welch ein glückliches Leben dürfen wir doch führen!


Und dennoch: Sind wir nicht alle ein bisschen wie Ilsebill und wollen immer mehr und mehr?

Andrerseits: Wo wären wir jetzt, wenn die Menschen nicht dieses Streben hätten? Vielleicht würden wir noch als Steinzeitmenschen in Höhlen hausen und zufrieden sein, dass wir Wildtiere erlegen und zu essen haben?
 

 

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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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FSBlaireau Vielleicht wäre das mit den Höhlen - ja nicht die schlechteste Lösung oder? Das Märchen vom Fischer habe ich ebenfalls immer gerne gemocht. VG Falk
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Hallo Mukk, -
Zitat: (Original von ulla am 08.03.2009 - 21:26 Uhr) eine Geschichte zum Nachdenken hast du uns da erzählt,
Zufriedenheit ist´s wohl, was zählt.
lg in deine Nacht
ulla


Liebe Ulla, das hast du wirklich schön gesagt - nur wer zufrieden ist, kann das Glück oder das Erreichte auch genießen und sich daran erfreuen.
Ebenfalls liebe Grüße in deine Nacht - und süße, zufriedene Träume! Danke dir herzlich!
Liebe Grüße
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Hallo Mukk, - eine Geschichte zum Nachdenken hast du uns da erzählt,
Zufriedenheit ist´s wohl, was zählt.
lg in deine Nacht
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Es geht halt - Zitat: (Original von Edlistrate am 08.03.2009 - 10:08 Uhr) wie meistens auf der Welt nicht um ein entweder-oder, sondern um die Kunst Maß zu halten,
um die Frage "Was will ich wirklich".
Wer weiß, vielleicht hat der Fisch ja auch den letzten Wunsch der Frau erfüllt. Gott ist in jedem, selbst in der kleinsten Fischerhütte.
LG .... Gerlinde

Liebe Gerlinde, danke dir ganz lieb für deinen ausführlichen Kommi - "Es kommt halt immer auf das richtige Maß an!" wollte ich als Schluss-Satz schreiben, habe es aber bewusst unterlassen.
Mit herzlichen Grüßen
Ingrid

Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Sehr warmherzig... -
Zitat: (Original von erato am 08.03.2009 - 13:31 Uhr) und mit großer Tiefe geschrieben. Bin wie immer - von deinen Kalenderblättern des Lebens beeindruckt.*****
Liebste Grüße
Thomas


Freue mich immer über deinen Besuch und deine lieben Zeilen, danke dir herzlichst!
Mit ganz lieben Grüßen
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Gefällt - Zitat: (Original von Seni am 08.03.2009 - 13:41 Uhr) mir ganz prima. Ist so sensibilisierend. Es ist wichtig, nicht aus dem Blick zu verlieren, was einem wirklich wichtig ist. (-:
Lieber Gruß,
Ines
Liebe Ines, habe mich über deinen Besuch und den netten Kommi sehr gefreut. Danke dir herzlich.
Liebe Grüße
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: mehr und mehr... -
Zitat: (Original von Luap am 08.03.2009 - 09:12 Uhr) regt zum Denken an... toll geschrieben!

LG, Luap


Danke dir herzlich fürs lesen und deine lieben Zeilen.
Liebe Grüße
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
erato Sehr warmherzig... - und mit großer Tiefe geschrieben. Bin wie immer - von deinen Kalenderblättern des Lebens beeindruckt.*****
Liebste Grüße
Thomas
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