Dornröschen wurde wach geküsst.
Es war wie im Märchen.
Vor genau achtundfünfzig Jahren nahmen der König und seine Königin ihre Tochter mit zu einem Ball.
„Du bist jetzt fast erwachsen meine Kind, und so werden wir uns einmal umsehen im weiten Land ob wir einen passenden Gemahl für dich finden“. Aber Dornröschen wollte eigentlich noch nicht heiraten, sie war ja erst fünfzehn Jahre und spielte lieber mit Puppen. Das sagte sie auch dann.
„Vater ich bitte Euch lasst mich nur zu Hause, ich will auch artig sein und keine Nähnadel in die Hand nehmen.“ Ihr war einmal prophezeit worden, dass dabei ein Unglück geschehe. „Nix da, meine Schöne heute müssen wir uns bei Deinem Oheim sehen lassen.
Frau, wo sind Eure Dienerinnen? Holt die feinsten Kleider und schmückt mir meine Prinzessin.“
So kam es, dass das Kind in einem wunderschönen hellblauen Taftkleid mit gelben Margariten bestickt vor ihm stand. Irgendetwas aber fehlte. Noch war sie zu jung um sie mit Schmuck zu behängen. Eine passende Schleife in ihren blonden Locken, ja das war genau das richtige.
Als sie sich im Spiegel betrachtete wurde ihr ganz eigen zu mute. ‚Das bin ich, diese strahlenden blauen Augen hatte ich die schon immer?’
Nun war der König zufrieden.
Alle Blicke waren auf sie gerichtet, als sie durch das Portal schritten. Schnell drängten sich die jungen Prinzen um das schüchterne Mädchen. Als der erste Ton der Kapelle erklang, verneigte sich vor ihr ein wunderschöner Edler.
„Prinzessin, darf ich’s wagen?“ Glutröte überzog ihr Gesichtchen, und hilflos schaute sie zu ihrem Vater. Der aber lächelte ihr aufmunternd zu. Nun tanzte sie selbstvergessend mit dem jungen Adligen.
Später, lange schon waren fast alle Gäste gegangen, tanzten sie immer noch, bis der König der Kapelle einen Wink gab. Wie aus einem Traum erwachend standen sich die beiden nun gegenüber.
Zaghaft fragte nun der Prinz den König, ob er vielleicht, und eventuell, aber sicherlich, wenn möglich, die Prinzessin nach Hause begleiten dürfe. Es seien nur ein paar Schritte. Gnädig wurde es ihm erlaubt.
So ging das Königspaar ungefähr einhundert Meter hinter ihnen. Der Prinz aber war schon drei Jahre älter als das Mädchen und auch im Küssen erfahren. So raubte er ihr den ersten Kuss.
Sie dachte sie müsste versinken,
der Himmel war nahe,
die Erde tat sich auf,
Sonnenstrahlen zogen sie ins All.
Eine elementare Gewalt brach über sie herein.
Sie hatte keine andere Empfindung.
Ihr Körper war in einem einzigen Chaos.
Dieser eine Kuß bewirkte, dass sie sich ihrer Fraulichkeit bewusst wurde.
Rasch schlüpfte sie ins Schloss als ihre Eltern nahten. Ihre Mutter ging ihr nach und fand sie weinend und total aufgelöst auf ihrem Bett. „Was ist geschehen, Liebling“, fragte sie. Schluchzend antwortete die Prinzessin
“jetzt bekomme ich ein Kind“.
Und da sie noch nicht gestorben ist, kann sie den Kuss auch nicht vergessen