Das Chaos Gen
Man sagt ja, Familien ähneln sich, aber wenn ich mir meine Kinder ansehe, frage ich mich oft, ob sie miteinander verwandt sein können. Jeder ist komplett anders - und trotzdem gehören wir zusammen.
Der Rebell - oder: Wer braucht schon Hilfe?
Mein Sohn war schon immer der Typ "Ich mach das selbst - und besser als alle anderen sowieso". Hilfe? Braucht er nicht. Er hat sich sogar mal gewünscht, nie wieder krank zu sein - und zack
blickte auf seine Selbstständigkeit und hatte ein Unternehmen in Sachen Autofragen angemeldet.Wenn ich ihn frage, ob es ihm gut geht, grinst er nur: "Na klar". Ich bin mir nicht sicher, ob er Krankheitsanzeichen einfach ignoriert oder einen Pakt mit höheren Mächten geschlossen hat. Wahrscheinlich letzteres. Sein Schutzengel ist auf trapp. Einmal ist er mit seinem Motorrad in den Regen gekommen und auf glatter Fahrbahn auf einen Acker gerutscht. Als ich fragte, wie das passiert ist, meinte er nur lachend. "Hecke auf - Hecke zu!" Das Motorradfahren überlässt er jetzt anderen.
Während mein Freund und ich uns also mit Fersensporn, Tennisarm, verstauchten Füßen und Rückenschmerzen durch die Woche quälen, steht er daneben, vollkommen gesund, vollkommen selbstständig - und wahrscheinlich überzeugt davon, dass wir unser Elend nur durch "falsches Denken" heraufbeschworen haben.
Die Desinfektionsbeauftragte - oder Urlaub mit Lachgarantie
Meine mittler Tochter hingegen ist der Typ "ich desinfiziere erst mal das Hotelzimmer". Man weiß ja nie, was sich in unsichtbaren Ecken versteckt. Ihr
Mann und ihre beiden Söhne haben längst gelernt, das mit Humor zu nehmen. Bevor sie überhaupt an den Pool denken können, wird erstmal alles mit Sagrotan getränkt - inklusive der Fernbedienung. Jedes Jahr das gleiche Ritual. Jedes Jahr schüttelt der Rest der Familie den Kopf. Und sie? Sie bleibt überzeugt, dass ihr System der einzig wahre Schutz vor unsichtbaren Gefahren ist.
Die Fitness-Queen -oder: Schönheit liegt in der Familie
Mein jüngste Tochter ist eine Erscheinung, immer auf Figur bedacht,
immer sportlich, immer auf Gesundheit achtend.Und als ob das nicht schon genug wäre, scheint das irgendwie ansteckend zu sein. Ihre beiden Kinder?Könnten Models sein - ohne Witz. Wenn sie als Familie irgendwo auftauchen, denken alle, sie seien gerade aus einer Hochglanzwerbung entstiegen. Und während ich mit meinem dick geschwollenen Fuß auf dem Sofa lag und mein Freund mit seinem Tennisarm versuchte, seine Kaffeetasse zu heben, war sie wahrscheinlich gerade dabei, einen neuen Smoothy-Trend zu testen oder eine neue Fitness-Challence zu starten.
Und dann gibt es da noch uns.
Mein Freund und ich stehen da - zwei humpelnde, stöhnende Gestalten, die unfreiwillig in den Rentnermodus gewechselt haben. Er hält sich stöhnend den Arm, ich humpel mit meinem dicken Fuß durch die Gegend. Während wir uns gegenseitig unser Elend klagen, schauen unsere Kinder uns an - jeder auf seine Art.
Mein Sohn, nach Krebs wieder völlig gesund und davon überzeugt, dass man nur richtig denken muss und wir uns unsere Gebrechen ins Leben gerufen haben. Mein mittlere Tochter, kurz
davor, uns mit Desinfektionslösung einzusprühen - man weiß ja nie, ob das ganze vielleicht ansteckend ist. Mein jüngste Tochter? Wahrscheinlich überlegt sie gerade, ob ein paar Yoga-Übungen unsere Beschwerden lindern könnten oder Reiki.
Und wisst ihr was? Ich liebe sie alle. Jede Eigenart, jede Macke. Jeder geht seinen eigenen Weg - und genau das macht unsere Familie aus.
Aber eins ist sicher: Sollte irgendjemand von ihnen jemals behaupten, alt werden sei eine Kopfsache, werde ich sie mit meinem dick geschwollenen Fuß treten.