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Szenen im Wartezimmer - Vor und nach der Staroperation

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"Szenen im Wartezimmer - Vor und nach der Staroperation"
Veröffentlicht am 25. Februar 2009, 6 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Über den Autor:

Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!
Szenen im Wartezimmer - Vor und nach der Staroperation

Szenen im Wartezimmer - Vor und nach der Staroperation

Beschreibung

Einzelbeobachtungen aus einer großen Augenarztpraxis

In der großen Augenarztpraxis gibt es eine Reihe von Warteräumen. Selbst die schmalen Gänge sind bestuhlt, dennoch werden die Sitzplätze oft knapp. Von weither kommen die Patienten, um sich untersuchen, behandeln und vor allem operieren zu lassen. Das Gedränge in den Durchgängen und vor den Tresen erinnert an die Versorgung von Menschenmassen in einem Krisengebiet der Dritten Welt. Dabei ist es nicht einfach, überhaupt einen Termin zu bekommen. An einem Vormittag finden dreißig Operationen statt.
 
Die Sprechstundenhelferinnen - ihre Zahl ist gewiss zweistellig - arbeiten sehr angespannt. Ab und zu eilt eine von ihnen durch die Wartezimmer und ruft die Namen von Patienten aus. Hat sie wieder einen gefunden, malt sie ihm mit Tintenstift ein Kreuz neben das kranke Auge. So ähnlich markiert man Schafe vor der Schur oder Bäume vor der Fällung. Manchmal träufelt die Helferin einem Kranken Tropfen in ein Auge. "Halt, nicht dieses", wehrt ein Patient ab, "das ist doch mein Glasauge. Das andere bitte." Nachher lacht er: "Darauf fallen sie oft herein."
 
Ein Stuhl wird stets frei gehalten. Er steht vor dem Eingang zum Operationstrakt, auf ihm ruhen sich die eben Operierten kurze Zeit aus, wenn sie herausgeführt werden. Im Zehn-Minuten-Takt kommen sie zurück, mit grünem Umhang, Operationshaube und Stoffüberschuhen. Rasch tritt der Angehörige, der sie in die Praxis begleitet hat und bald darauf wegbringen wird, zum Patienten oder der Patientin. Die ersten Worte nach der Operation werden gewechselt. In diesem Augenblick wird ein Stück Innenleben sichtbar, aus dem Grad der Zuwendung ablesbar. Eine Helferin nimmt Umhang, Haube und Überschuhe fort. 
 
Auf einmal wird es noch enger. Ein Krankentransport schafft sich Raum. Sie bringen im Rollstuhl eine Greisin, ihr Gatte geht nebenher. Die kleine alte Frau ist derart in sich zusammengesunken, dass sie nur noch Kindergröße hat. Sie ist still, fast apathisch. Ihr Mann dagegen wirkt sehr gesund, er ist drahtig und behände. "Für den Rollstuhl ist hier aber kein Platz", stellt eine Sprechstundenhelferin klar. Der kurzgeschorene, stiernackige Krankentransportmann sagt: "Sie kann auf normalem Stuhl sitzen, sie hat einen Rollator, ich bring ihn her." Dann trägt er den Rollstuhl zwischen den zurückweichenden Menschen hinaus. Die Greisin sitzt dann auf einem Stuhl zwischen anderen wartenden Patienten, ihr Mann steht neben ihr oder geht ein wenig vor ihr auf und ab. 
 
Die beiden sind um die achtzig und gehören offensichtlich einem gut situierten hanseatischen Bürgertum an. Sie sind sehr sorgfältig gekleidet, doch ohne jede Extravaganz. In ihrer Schicht ist es sonst nicht üblich, in der Öffentlichkeit durch auffälliges Benehmen auf sich aufmerksam zu machen. Doch die jahrzehntelang beachteten Alltagsgesetze gelten nun für sie nicht mehr. Die Frau ist jetzt ängstlich, verwirrt, sie stößt kleine, besorgte Klagelaute aus. Und er, der solide, zurückhaltende hanseatische Gatte, tut, was er sonst peinlich vermeidet: Er agiert vor fremden Menschen wie auf einer Bühne, spricht laut und überdeutlich, unterstreicht mit vielen Gesten, was er ihr Beruhigendes sagt: "Nein, ich gehe doch nicht fort. Ich bleibe hier bei dir, bis du fertig bist. Ganz bestimmt bleibe ich in deiner Nähe." Und um sie noch mehr zu besänftigen, fügt er hinzu: "Du warst doch schon mal hier, erinnerst du dich? Alles ging so leicht, war so schnell vorbei - da hast du gesagt: Machen wir es bald auch auf der anderen Seite ..." Sie scheint sich nicht zu erinnern. 
 
Immer wieder gehen alte Menschen unsicher, ängstlich in den Operationsraum hinein und kommen später etwas erleichert und von fremder Hand gestützt wieder heraus, einen ganzen Vormittag lang. 
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Hörbuch

Über den Autor

Abendschoen
Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!

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Abendschoen Re: Hab grad auch -
Zitat: (Original von Edlistrate am 25.02.2009 - 20:33 Uhr) meine Wartezimmergeschichte wieder eingestellt.
Kann mir das von Dir geschilderte Wartezimmer auch gut vorstellen.
LG .... Gerlinde


Nun, dieser freundlichen Aufforderung werde ich doch sogleich nachkommen ... Danke für den Kommentar - Arno Abendschön -
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: du hast sehr genau -
Zitat: (Original von Boris am 25.02.2009 - 19:05 Uhr) draufgeschaut,
da hat die Prozedur schon etwas beklemmendes.

LG JFW

Ja, war beklemmend. Und danke für die Reaktion. - Arno -
Vor langer Zeit - Antworten
Edlistrate Hab grad auch - meine Wartezimmergeschichte wieder eingestellt.
Kann mir das von Dir geschilderte Wartezimmer auch gut vorstellen.
LG .... Gerlinde
Vor langer Zeit - Antworten
Boris du hast sehr genau - draufgeschaut,
da hat die Prozedur schon etwas beklemmendes.

LG JFW
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Abendschoen Re: Zunächst ... -
Zitat: (Original von Gunda am 25.02.2009 - 18:44 Uhr) ... mein Standardspruch unter deinen Texten:
Schön, wieder von dir zu lesen ;-)), Qualität wie immer ...

Du glaubst gar nicht, Herr Abendschön, wie unglaublich gut ich deine Beobachtungen nachvollziehen kann, habe gerade in der vergangenen Woche meine Mutter in eine solche Praxis mit OP-Betrieb begleitet. Nur die Szene mit dem Glasauge habe ich verpasst, aber ansonsten hätte man glauben können, wir hätten im gleichen Wartezimmer gesessen ...

Lieben Guß
Gunda


Danke, Gunda, für die Reaktion. Ja, es ist ein Massengeschäft, und manche von uns werden auch selbst einmal in das Innere des Heiligtums gelangen, vermute ich. Das sind die zwei Seiten der Medaille: einerseits Routineeingriff mit hoher Präzision, andererseits für den Patienten von größter vitaler Bedeutung. - Arno Abendschön -
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Gunda Zunächst ... - ... mein Standardspruch unter deinen Texten:
Schön, wieder von dir zu lesen ;-)), Qualität wie immer ...

Du glaubst gar nicht, Herr Abendschön, wie unglaublich gut ich deine Beobachtungen nachvollziehen kann, habe gerade in der vergangenen Woche meine Mutter in eine solche Praxis mit OP-Betrieb begleitet. Nur die Szene mit dem Glasauge habe ich verpasst, aber ansonsten hätte man glauben können, wir hätten im gleichen Wartezimmer gesessen ...

Lieben Guß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Obwohl mich Krankheiten -
Zitat: (Original von Tilly am 25.02.2009 - 17:20 Uhr) krank machen,
es liest sich.

Thomas

Danke. Fühle mich sehr geschmeichelt. - Arno Abendschön -
Vor langer Zeit - Antworten
Tilly Obwohl mich Krankheiten - krank machen,
es liest sich.

Thomas
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