Für den morgigen Nikolaustag
Im Dienste des Nikolaus
Im Stall des Nikolaus herrscht Aufregung. Aber nicht etwa eine feierliche Vorfreude auf den Nikolaustag. Nein, es liegt etwas anderes in der Luft. Grauy der jüngste Esel befindet sich im Streik.
Eigentlich sollte es ein ganz besonderes Jahr werden für Grauy. Denn er darf in diesem Jahr zum ersten Mal mit zu den Kindern. Dafür hatte ihn sein Vater von klein auf trainiert. Er übte stundenlang wie es sich anfühlt mit Paketen beladen zu gehen. Was zu beachten ist, wenn Kinder ihn streicheln oder füttern wollen. All seine reiche Erfahrung gab
Weissohr der Eselsvater seinen Söhnen mit.
Und nun stand da sein Jüngster und erklärte trotzig, er komme nicht mit. Stur wie Esel eben sein können. Da nützte weder reden noch schelten. Am Abend vor dem Nikolaustag nahm Weissohr seinen Sohn zur Seite. Sie legten sich nebeneinander ins Stroh.
Da begann Vater Esel zu erzählen: " Als ich so klein war wie Du, hatte ich ein schweres Leben. Meine Familie und ich lebten bei einem Müller. Er war ein böser Mann. Er liebte weder Menschen noch Tiere. Wir mussten uns fast zu Tode schuften. Kriegten kaum zu Essen und lebten in schlecht gepflegten Ställen. Wenn er betrunken nach Hause kam, schlug er uns mit einem Stock. So kam es, dass ich
eines Tages von so einem Schlag ein lahmes Bein bekam. Anstatt dass der Müller mit mir zum Arzt ging, oder wenigstens mein Bein versorgte, fluchte er vor sich hin. Er könne keinen lahmen Esel gebrauchen. Am Besten sei man schlachte ihn. Das gebe wenigstens Fleisch zu Weihnachten. Es wurde mir Angst und Bange und in der folgenden Nacht machte ich kein Auge zu. Es war die Nacht zum 6. Dezember. Ich wusste dass der Nikolaus hier an der Mühle vorbei kam. Lange vor der Zeit hielt ich Ausschau nach ihm. Als er endlich zu sehen war, fing ich an laut zu schreien und klagen. Der Esel des Nikolaus hörte mich und fing an ganz stark gegen meine Richtung zu ziehen. Der Nikolaus war darob verwundert, dass sein treuer Gefährte nicht locker liess.
Als sie bei mir waren, erzählte ich dem Esel des Nikolaus mein ganzes Leid. Aber wie sollten wir nun die ganze Geschichte dem Nikolaus erklären. Wir sprachen ja nicht die Sprache der Menschen. Während wir noch überlegten kam plötzlich der Müller in den Stall. Barsch fragte er was da los sei. Der Nikolaus sah ihn mit seinen gütigen Augen an und und fragte ihn, wie es ihm gehe. Natürlich konnte der Müller wieder nur klagen und jammern. Wie es doch ein Hundeleben sei, dass er nur schuften müsse den ganzen Tag. Jetzt habe er zu allem Übel auch noch einen verkrüppelten Esel. Der Nikolaus blieb ganz ruhig und fragte was das Tier denn kosten solle. Er werde das arme Tier mit zu sich nach Hause nehmen. Natürlich verlangte der Müller
einen Wucherpreis. Aber der Nikolaus liess sich auch davon nicht beirren, weil ihm das kranke Tier in der Seele leid tat. Grauy, mein Sohn, Du kannst Dir nicht vorstellen was für eine Freude und Erleichterung das war. In dieser Nacht durfte ich dann zum ersten Mal im Dienste des Nikolaus stehen. All die Freude und Liebe der Kinder taten meiner verwundeten und geschlagenen Seele so wohl. Nie habe ich vergessen was der Nikolaus für mich getan hat. Er hat mein Leben gerettet und ihm wieder einen Sinn und eine Aufgabe gegeben. Nun mein Sohn hoffe ich, dass Du durch meine Geschichte alles mit anderen Augen siehst."
Am nächsten Morgen trat der Nikolaus in den
Stall um seine Esel zu holen. Und wer stand da in der vordersten Reihe und konnte es kaum abwarten mit Paketen beladen zu werden? Richtig geraten. Es war Grauy, dem es von dieser Stunde an eine Ehre war im Dienste des Nikolaus zu stehen. ❤️
@Karin Balmer
Foto: pexels
