Schreibparty 106
Thema: "Novemberbilder"
Einzubringende Worte:
Dankbarkeit, dunkel, Erinnerung, reichhaltig, Vielfalt, ziehen
Öffnung nach 28 Jahren
(c) Text und Cover Schnief
Nachdem Deutschland 1945 kapituliert hatte, gab es vorerst ja vier Besatzungszonen. Im Jahre 1949 wurden zwei deutsche Staaten gegründet, die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR).
Für die DDR wurde die offene Grenze nach West-Berlin zunehmend untragbarer, um wachsende Flüchtlingsströme und zunehmende wirtschaftliche Probleme abzuwenden, riegelte die DDR-Regierung am 13. August 1961 den freien Zugang nach West-Berlin ab.
Dies geschah alles vor meiner Geburt im
Jahre 1962, so wuchs ich der Bundesrepublik Deutschland, mit Bonn als Hauptstadt, auf. Während meiner Kindheit wurde ich selbstverständlich mit der Staatsform der Bundesrepublik vertraut. Erst als wir diese Themen im Geschichtsunterricht behandelten, damals war ich ungefähr 14 Jahre, begann ich mich intensiv dafür zu interessieren. So stellte ich die ersten Fragen, da ja meine Oma mit ihren Kindern aus Erfurt stammte.
"Wann und weshalb habt ihr euch denn entschlossen, die DDR zu verlassen." Meine Oma druckste nur herum, eine anständige Antwort erhielt ich nicht, nur das sie sich bereits in den Fünfzigern
rübergemacht haben.
Schließlich fragte ich meinen Vater, ob in der DDR noch Verwandte von uns lebten. Er erzählte mir, das mein Großvater Hans Friedrich dort noch lebte. Als ich etwa fünf Jahre alt war, wären wir mal dort gewesen, um ihn zu besuchen. Die einzige Erinnerung, die ich daran besitze, ist, dass er einen Garten hatte, indem genau in der Mitte ein Weg war, dass rechts und links davon Gemüse herangezogen wurde. Am Ende des Weges gab es einen gemauerten Brunnen. Mein Vater fing an zu lachen und meinte: „Da hast du mich gefragt, ob in diesem Brunnen ein Froschkönig
lebt.“
So begann ich alles über diese Zeit zu lesen, egal ob es geschichtliches oder irgendwelche Romane waren. Begeistert war ich dann auch von „Alles in Butter“ von Dieter Zimmer.
Meine Eltern hatten gebaut und 1971 siedelten wir nach Erftstadt südwestlich von Köln um, eine Stadt mit vielen Wasserburgen, den Schlössern „Schloss Gracht und „Schloss Gymnich“ sowie viele Seen.
Die Bundesregierung mietete das Schloss Gymnich von 1971 bis 1990 an und beherbergte dort insgesamt 262
Staatsgäste, engte meine und insbesondere die der Gymnicher Bewohner in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Straßen wurden hermetisch abgesperrt, aber von weitem konnten wir erahnen, denn je größer der Zug des Konvois war, wie hoch der jeweilige Besuch im Kurs lag.
Nachdem ich meine Ausbildung beendet hatte, verließ ich mein Elternhaus und zog nach Brühl. Dort hatte ich mir in einem Apartment meine kleine Welt geschaffen, um meine Freiheit zu genießen. Ich verfolgte selbstverständlich die politischen Veränderungen wie das Ende der
sozialliberalen Ära Helmut Schmidts, der durch die Massenproteste gegen seine Nachrüstungsinitiative (Pershings II Raketen) seinen Abschied nehmen musste. Bei den Massenprotesten vereinigten sich kirchliche Kreise, Prominente wie von Weizsäcker, Böll, Grass, Beuys mit Politiker wie Eppler (SPD) und den Grünen zusammen. Es kam immer wieder zu Blockaden bei den Atomwaffenlagern, Munitionsdepots u.s.w. .
Die vielfältigen Ostermärsche entstanden und andere Massendemonstrationen. Dabei wurde mir bewusst, wie brutal auch unsere Ordnungskräfte gegen die
Demonstranten vorgingen. Nach dem Kanzlerwechsel zu Helmut Kohl, setzte dieser die gleiche Außen-und Deutschlandpolitik wie sein Vorgänger fort.
Als 1986 Michail Gorbatschow seine historische Rede seine Reformkonzepte zu Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) beim 70. Jahrestag, anlässlich der Oktoberrevolution, hielt, begann der langsame Zusammenbruch der Sowjetunion. Begeistert saß ich vor dem Fernseher und verfolgte das reichhaltige Geschehen. Mit Freunden und der Familie diskutierten wir oder fragten uns, meint der es
ehrlich?
Genauso gespannt verfolgte ich, als erstmals in der Geschichte beider Staaten Erich Honecker 1987 die Bundesrepublik besuchte und das im Anschluss zahlreiche politische Häftlinge aus den DDR- Gefängnissen freigelassen wurden. Sogar wurde zeitweise der Schießbefehl an den Grenzen zur Bundesrepublik ausgesetzt. Der deutsch - deutsche Reiseverkehr wuchs deutlich und etliche Städtepartnerschaften sind zustande gekommen, was mich persönlich sehr freute, da sehr viele Familien auseinandergerissen in zwei Staaten, mit der bewachten und verminten Grenze,
lebten.
Durch die Umgestaltung der Sowjetunion und des ganzen Ostblocks, wurden die DDR-Bürger glücklicherweise mutiger und Reiseanträge schnellten in die Höhe, dieses konnte man aber nur zwischen den Zeilen aus den Berichten entnehmen.
Als dann Michail Gorbatschow im Juli 1989 vor dem Europarat eine Rede hielt, leitete er damit das Ende des kalten Krieges ein. Er schloss seine Ansprache mit den Worten:
“Die Europäer können die Herausforderung des kommenden Jahrhunderts nur unter Vereinigung ihrer
Anstrengungen gerecht werden.(….)Sie brauchen ein Europa. Ein friedliches und demokratisches, das all seine Mannigfaltigkeit erhält und sich an allgemeine humanistische Ideale hält, aufgeblüht und der ganzen restlichen Welt die Hand reicht. Ein Europa, das sicher in den morgigen Tag schreitet. In einem solchen Europa sehen wir unsere Zukunft“
Diese Worte gaben mir Hoffnung, vielleicht gibt es ein Europa ohne irgendwelche Raketen, wir waren bis jetzt ja irgendwie ein Pufferland!
Kurz darauf kam es im Schloss Gymnich
am 25. August 1989 zu einem Geheimtreffen der ungarischen und deutschen Staatschefs, welches die Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1989 für die Botschaftsflüchtlinge aus Ungarn zur Folge hatte. Diese Bilder und Berichte verfolgte ich sehr gespannt im Fernsehen und ich freute mich unheimlich für diese Menschen.
Die friedlichen Montagsmärsche und Lichterketten in den Kirchen und ihren Umgebungen wurden laufend gesendet. Ich war beeindruckt, dass die Menschen in der DDR solche Aktionen durchführen
konnten, ohne inhaftiert zu werden, da mir ja von klein auf eingetrichtert wurde, dass jegliche freie Meinungsäußerung oder Taten, doch sofort mit jahrelanger Inhaftierung bestraft wurde.
Bei letzten Jahrestag der DDR wurden sogar Stimmen im Hintergrund laut, die Gorbi, Gorbi riefen, als Erich Honecker seine Rede hielt. So als wollten sie schreien „Hilf uns“. All dies bekam ich durch Medien mit.
Kurz darauf wurde Honecker durch Krenz ersetzt, doch die Massenproteste gingen weiter und schließlich kapitulierte die DDR-Führung und verkündete die
Öffnung der Berliner Mauer am 09.11.1989.
Die Medien berichteten ausführlich über die vor Glück strahlenden Menschen, wie sie sich in die Arme fielen, überglücklich und voller Dankbarkeit im Westen ziehen zu dürfen und mir liefen vor Freude die Tränen über die Wangen.
Vielleicht haben wir das Glück, wirklich einmal in einem Europa zu leben, so wie es Michail Gorbatschow bereits in seiner Rede aussprach und die dunkle Phase zurzeit überwinden können.