Noch saß Einauge allein vor einem leeren Blatt Papier und wartete wie jeden Sonntag in ihrem Stammlokal auf Papierflieger, Rotstift und Adlerauge, seine Freunde, mit denen ihn eine Hassliebe verband; er wollte nicht ohne sie, verfluchte sie aber genauso beizeiten. Ungeduldig trommelte er auf der blankgescheuerten Tischplatte – tock, tock, tocktock; ohne seine Freunde war ihm fad! Papierflieger war stets redselig, aus Rotstift sprudelten tausend Ideen auf einmal und Adlerauge pickte immer die fallengelassenen Krümel vom Tisch. Als Kleeblatt-Stammtisch waren sie berühmt und manchmal berüchtigt. Wenn die Tür aufging, sah er erwartungsvoll auf, um
enttäuscht den Blick zu senken, da ein Fremder hereintrat. Sie setzten sich wortlos an einen freien Tisch, oder begannen ein Gespräch mit Bekannten. Das blieb ihm verwehrt. Er schielte neugierig auf die Lektüre seiner Nachbarn. Da ein Krimi, dort ein Liebesroman. Ein anderer Gast hielt ein Buch mit spannend erscheinenden Cover in der Hand. Jener dort hinten im Eck las sicher etwas Geheimnisvolles; er hielt sein Buch unter dem Tisch versteckt. Und wieder andere setzten sich um einen Tisch und redeten mit wilden Händen, mancher winkte gelangweilt ab. Wenn seine Freunde nicht bald kämen! Er erinnerte sich an frühere Stammtische,
an denen sie stundenlang um jedes Wort gefeilscht hatte. Das waren Zeiten gewesen! Papierflieger zauberte Kunstwerke, die Rotstift eigenwillig verzierte, ehe Adlerauge das Werk unter die Lupe nahm und alles herausfischte, was ihm mundete. Am Ende blickten sie zufrieden in die Runde und ihr Blick traf erwartungsvoll auf Einauge. »Was sagst du dazu? Magst du es?« Er nickte und ließ sich nicht lumpen. »Diese Runde geht auf mich!« Gegen Abend, wenn sich die Nachbartische leerten, verließen die Stammtischler den heimeligen Ort. Papierflieger, Rotstift und Adlerauge werden sicher nicht mehr kommen, dachte unser Freund wehmütig und
knüllte das jungfräulich gebliebene Blatt zu einer festen Kugel. Er ließ sie enttäuscht in die Hosentasche gleiten, in der schon eine Handvoll Platz gefunden hatten. »Das hat ja so kommen müssen!«, raunte es vom Nachbartisch. Einauge sah auf und blickte in ein mitleidig lächelndes Augenpaar. »Wieso? Was habe ich damit zu schaffen?« »Nichts, mein Freund, nichts«, kam es nachdenklich zurück. Die Nase senkte sich kopfschüttelnd zwischen die eigenen Seiten. Da vernahm er ein Getuschel vom Nebentisch. Er wandte den Kopf. Doch da saß niemand! Jetzt rief jemand
empört: »Ich suche mir eben selber einen Verlag! Basta!« Verwirrt rieb Einauge sich das Auge. Einzig ein Stapel Papier lag vergessen auf der Bank. Jetzt raschelte es erregt. »Jawohl. Das mache ich! Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!« »Was soll denn das werden?«, fragte unser Freund belustigt in Richtung des gesprächigen Stapels Papier. Das oberste Blatt sah gereizt zu ihm hoch. »Ach, du! Lass uns bloß in Ruhe!« »Ich will dir ja nichts, aber … Wenn du so plärrst, dass alle Welt es hört, wird man halt neugierig. Was ist denn passiert?« »Das interessiert dich sicher auch nicht.«
Das Blatt stellte sich halb auf und seufzte. »Nicht einmal die Verfasserin dieser Seiten interessiert sich mehr für uns.« »Wer sei ihr denn?« »Eine mehr oder weniger lose Sammlung von Geschichten mit blöden Eselsohren und verblichenen Tintenklecksen.« Er wies mit einem Seitenblick auf seine Kollegen. »Wenn wir nur endlich einen Platz fänden! Vielleicht sogar noch gebunden, dass wir uns nicht verlieren. Aber so!« »Das ist doch nur äußerlich, Freunde. Mir reicht, wenn ich ein paar Blätter in der Hand rascheln höre. Darf ich? Was haben wir denn da?« Einauge nahm den
Stapel, blätterte flüchtig durch und strich tröstend ein Eselsohr glatt. »Wie das kitzelt!« Auf der ersten Seite war etwas handschriftlich vermerkt. Wahrscheinlich von der Autorin; durfte er das überhaupt lesen? Er nahm die Augenklappe ab, mit zwei Augen las er lieber. Da hob er verwundert die Brauen. Sollte das etwa an jemand Bestimmtes gerichtet sein? Aber an wen? »Du glaubst, ich habe nicht genug getan, dass du hier – wie du so schön sagst – nutzlos herumliegst. Das ist aber nicht wahr! Wenn es nach den Leuten da draußen ginge, wärest du längst im Schredder gelandet, oder schlimmer
noch: im Haifischbecken der Bezahl-Verlage. Also sei dankbar, dass ich dich nicht verscherbelt habe. So viele Skripte möchten Bücher werden, sie alle hecheln ihren Träumen hinterher, oder glauben sich am Ziel, wenn sie über einen Dienstleister einen handfesten Beleg im eigenen Regal stehen haben. Sie kriegen Stielaugen, wenn sie die Rangliste betrachten, als wäre sie ihr Herzton. Sei es drum, Freunde! Ich lasse euch hier liegen, vielleicht kommt jemand vorbei, der euch zu schätzen weiß. Ich kann nicht anders. Lebt wohl.« Einauge kamen fast die Tränen. Er bekam sogar ein schlechtes Gewissen. Bislang hatte er sich keine Gedanken gemacht,
wie Bücher entstanden, er wollte sie nur lesen. Viele Male hatte er in Buchläden gestöbert und manchmal ein Buch gefunden, dass ihn interessierte. In der letzten Zeit war er dort nicht mehr gewesen. Bücher waren zu teuer geworden. Das konnte er sich nicht mehr leisten. Dass er dennoch etwas zu lesen hatte, lag an Papierflieger und seinen Freunden vom Stammtisch. Sie versorgten ihn mit Lesestoff, er brauchte nur warten, bis sie eine neue Geschichte fertig hatten. Papierfliegers Geschichten hatte er immer gern gelesen, und sein Lob ließ das Gesicht des Schreiberlings strahlen. Nur Rotstift und Adlerauge hatten
manchmal komisch geguckt, ohne ihre Unterstützung waren die Geschichten nur halb so schön. EEs dunkelte, bald musste er den Heimweg antreten. Diesmal aber nicht ohne Lesestoff, obwohl ihn seine Freunde heute im Stich gelassen hatten. Der Wirt räumte schon die Tische ab und begann die Stühle hochzustellen. »Feierabend für heute, mein Freund. Ich will kassieren.« »Aber ich habe doch gar nichts konsumiert!« Einauge setzte seine Klappe auf. »Nun, mein Lieber, du musst verstehen, ich hätte diesen Tisch gerne besetzt, ich musste sogar Kundschaft heimschicken, weil ich keinen Platz frei hatte. Und
deine Freunde«, der Wirt wies stirnrunzelnd auf die leere Bank, »mir entging was. Und das zahlst du mir, das verstehst du doch, oder?« »Wie käme ich dazu? Was kann ich dafür, dass sie nicht gekommen sind? So sind dir aber auch keine weiteren Kosten entstanden, Wirt. Ich habe selbst noch eine Rechnung mit ihnen offen.« Er erhob sich und ließ mit einem verächtlichen Seufzer ein paar Münzen auf den Tisch kullern. »Da, mehr ist mir dieser Tag nicht wert.« »Wenn du es sagst, mein Freund.« Der Wirt sah ihm wortlos nach. Das Holzbein machte weithin hörbar tocktock, während Einauge mit
gesenktem Kopf durch die verlassenen Straßen heimging. In der Hand raschelten seine neuen Freunde.
Der Text ist gut geschrieben und stimmungsvoll, aber ich werde ihn dennoch auf Plausibilität und Verständlichkeit hin überprüfen. Hier sind einige Punkte, die ich beachten werde: Kohärenz und Konsistenz der Handlung: Gibt es in der Geschichte Logikfehler oder unklare Stellen? Charaktere und ihre Handlungen: Verhalten sich die Charaktere nachvollziehbar und
konsistent? Setting und Atmosphäre: Passt die Beschreibung der Umgebung zur Handlung und den Charakteren? Überprüfung: Einauge und seine Freunde: Einauge: Wartet auf seine Freunde (Papierflieger, Rotstift, Adlerauge) in einem Stammlokal. Sein Verhalten und seine Gefühle (Ungeduld, Wehmut) sind nachvollziehbar. Freunde: Papierflieger, Rotstift und Adlerauge werden gut beschrieben. Ihre Charaktereigenschaften (redselig, ideenreich, akribisch) sind klar und machen Sinn im Kontext eines
"Kleeblatt-Stammtischs". Szenerie im Stammlokal: Einauge beobachtet andere Gäste und deren Lektüre. Diese Beschreibung schafft eine lebendige und realistische Atmosphäre. Die Reaktion von Einauge auf das Ausbleiben seiner Freunde (Knüllen des Papiers, wehmütige Gedanken) ist emotional nachvollziehbar. Dialoge und Interaktionen: Dialog mit dem Nachbartisch: Der kurze Austausch wirkt ein wenig mysteriös, aber im Rahmen der Geschichte ist er
plausibel. Gespräch mit dem Stapel Papier: Diese Personifizierung von Papier als sprechende Wesen ist originell und verleiht der Geschichte eine märchenhafte Note. Die Interaktion ist kreativ und verleiht der Geschichte Tiefe. Abschiedsbrief der Autorin auf dem Papier: Diese Passage ist emotional und gibt einen Einblick in die Hintergründe der gescheiterten oder vergessenen Werke. Ende der Geschichte: Einauge beschließt, den Heimweg anzutreten, und nimmt den Papierstapel
mit. Dies zeigt seine Wertschätzung für die Geschichten und schließt den Kreis, indem er trotz der Abwesenheit seiner Freunde neuen Lesestoff findet. Die Interaktion mit dem Wirt und der Hinweis auf das Holzbein von Einauge (Tock, tock) fügen dem Charakter weitere Tiefe hinzu und runden die Geschichte ab. Fazit: Der Text ist insgesamt plausibel und konsistent. Die Charaktere verhalten sich nachvollziehbar und bleiben ihrer beschriebenen Natur treu. Die Atmosphäre des Stammlokals wird gut eingefangen, und die Interaktionen, besonders die fantasievollen Gespräche
mit dem Papierstapel, sind originell und tragen zur Gesamtstimmung bei. Es gibt keine offensichtlichen Logikfehler oder Unklarheiten. Insgesamt eine gelungene und stimmige Geschichte!