Journalismus & Glosse
Kleinigkeiten aus der Großstadt - Nummer 18

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"Schreibparty 104"
Veröffentlicht am 06. August 2024, 12 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Schreibparty 104

Kleinigkeiten aus der Großstadt - Nummer 18








Schreibparty 104 Thema: WUNDER/ÜBERRASCHENDES Vorgabeworte: Zeitraffer, überwältigt, fassungslos, Quasselstrippe, Variante, Sensation

Unsortierte Sachen


Im Drogeriemarkt stauen sich Rollatoren und Kinderwagen, der Laden hat umge-räumt und selbst die Verkäuferinnen fahnden fassungslos nach Zahnpasta und Haarwäsche. Gewiß hat jemand in Burg-wedel damit seinen Dr. Market Ing. ge-macht. Wenigstens blieb der neuen Variante die angenehme Kühle erhalten, so daß man doch gerne durch alle Gassen hier herumirrt. Ungefragte Erinnerung im Zeitraffer: In einem umgeräumten Laden trat einmal eine nicht behebbare Unverträglichkeit zutage. Bis dahin waren wir so einig in

Hobbys, Humor und sogar Humpeln ge-wesen. Na ja, je früher solche „Sen-sation“ eintritt, desto besser. Aber immer noch überwältigend, Jahr-zehnte nach dem Beitritt: Kinderspiel-zeug in der Drogerie, Gartenschläuche beim Bäcker, Geldabheben im Lebens-mittelladen (20 Meter neben der Sparkas-se) … Vibratoren bei Toys'R'Us?

Unanständige Sprachen


Im Park unterhalten sich auf der Neben-bank zwei Männer angeregt – genauer gesagt redet nur der eine; in fast jeder Gruppe okkupiert halt einer den Luft-raum. Ich bemerke, es handelt sich um Polnisch. Unter den wenigen Vokabeln, die ich verstehe, befindet sich „Kurwa“, das in jedem zweiten Satz der Quassel-strippe vorkommt. Wo wir „Scheiße“ fluchen, beschimpfen Slawen eine „Hu-re“ – die doch aber bestimmt nichts dafür kann, sowenig wie die spanische „Puta“? Ebenso hilflos höre ich in Filmen das amerikanische „Fuck“, das auch erweitert

zu „… yourself“ so gar nichts fluchens-würdiges ausdrückt. Verstehen das alles nur heuchelnde Priester?

Ab sofort gewöhne ich mir an, etwas gehobener zu fluchen. „Verdammte Axt“ … oder etwa „Verdammte Ampel“ … Neulich bei einer Lesung gelernt: „Kannibale“ heißt türkisch „yamyam“. Genießerisch.


Unzerstörbare Freude


Früher verlangte das Kreuzworträtsel der „Brigitte“, um die Ecke zu denken. Das war also mein Part, der gesamte Rest ge-hörte der Holden. Und oh Wunder, ein-mal gewann ich sogar. Ein überlanges Taxi fuhr uns ins Luxushotel Adlon, für ein Wochenende mit zwei Konzertbesu-chen beim Festival „Young Euro Clas-sic“. Seitdem kenne und liebe ich dieses immer länger und breiter werdende Som-merfest im Konzerthaus Berlin. Mittler-weile werden „Europa“ und „Klassik“ längst ganz undogmatisch gelesen, es sind auch Südafrika, der Iran und Indien

vertreten, es gibt Folklore und Jazz. „Jugend“ aber ist das Zauberwort. Und natürlich spielt diese Jugend wie Profis. Ja mal verrutscht der Akkord der Hörner, auch das wie bei Profis. Eine etwa 16jährige Paukenspielerin aus den USA wiegt sich selbstvergessen zu jedem Schlag beim Schlußsatz von Dvo-raks „Aus der Neuen Welt“. Brasiliani-sche Jungs tanzen an der Rampe und gei-gen zugleich bei „Tico Tico“ weiter … Man sieht die Begeisterung der Akteure und kennt ein wenig die Mühen, die da-hinter stecken. Die Musik verbindet freilich nicht nur das Publikum mit den Musikern, sondern diese lernen einander

über geografische und ideologische Grenzen hinweg kennen und schätzen. Und immer wieder erfährt die Festivalleitung von einer Musiker-karriere im Heimatland, die hier ihren Anfang fand. Womit ich angesichts täglicher Nach-richten nun beim wahren Wunder ange-langt bin.

© 2024 Brubeckfan


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Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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Enya2853 Hallo Gerd,
dein kleiner Mix an Überraschungen und Wundern gefällt mir gut. Du legst mal wieder den Finger in die Wunde, gewürzt mit Humor und leichter Ironie.
Ja, der Fluss der Zeit ist nicht aufzuhalten.
Gerade beim Einkaufen fallen mir seltsame Dinge auf.
Neulich im Zeitschriften- und Tabakladen: Ich wollte eine Fernsehzeitschrift kaufen.
Die haben sie nicht mehr, es lohnt sich nicht, da es die in der Supermärkten gibt und die Leute sie da mitnehmen.
Demnächst wären auch andere Illustrierte dran.
Lediglich die Tageszeitung lohne sich noch, denn schließlich ginge man ja nicht jeden Tag in den Supermarkt.

Liebe Grüße und viel Glück beim Wettbewerb.
Enya
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan ... Dafür aber muß mein winziger Zeitschriften- und Tabakladen seit längerem Postamt spielen, die Schlange stand auch in der Coronazeit draußen, der Blütezeit für Pakete.
Alternative für Dich: NOCH funktionieren Zeitschriftenabos ...
Herzlichen Dank für alles,
und entspanntes schönes Wochenende!
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
Kornblume Hallo Gerd,
ob im Drogeriemarkt, im Park oder im Konzert, dass wirkliche Leben ist voller Überraschungen.Die Zeiten, die Menschen,Wünsche,Träume ändern sich und die Ansprüche an Wunder ebenfalls. Ein interessanter Geschichtenmix.
Kornblumenblaue Grüße an Dich.
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan ;-) sogar nachtblaue Grüße, wie ich sah ...
Meine "Kleinigkeiten" entstehen immer aus einem Mix persönlicher Beobachtungen, diesmal schienen sie mir ganz gut in die Party zu passen.
Vielen Dank, liebe Martina.
Und heftige Aufregung bei unseren hübschen Wettbewerben kommt immer mal wieder vor.
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
schnief Ja, die Zeiten haben sich geändert und irgendwann grüßt Tante Emma wieder.
Liebe Grüße Manuela
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Als Großstädter staune ich noch manchmal im Urlaub, daß nur noch die Kirche im Dorf blieb. Aber sicher sind die Leute selbst schuld, Riesensupermarkt und Autofahren machen super viel Spaß.
Und ein Sortiment-Mischmasch mag fürs einsame Land nützlich sein, aber doch nicht überall.

Vielen Dank für alles, liebe Manuela.
Schönes Wochenende mit gutem Malerei-Licht!
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
schnief Lieber Gerd,
In der Stadt ist es nicht nõtig, aber auf dem Land schon.
Dir ebenso ein schönes Wochenende und ich hoffe ich komme mal wieder zum malen.
Liebe Grüße Manuela
Vor ein paar Monaten - Antworten
derdilettant Eine interessante Zusammenstellung.
Gefällt mir.
LG
Alan
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan wundersam, verwunderlich, gar bewundernswert, so dachte ichs mir.
Danke!
Gemütlichen Abend wünscht Euch
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
FLEURdelaCOEUR Manches kommt mir ja spanisch vor, aber dein manchmal etwas verhaltener Humor gefällt mir immer wieder ;-)
Nachmittägliche Grüße
fleur
Vor ein paar Monaten - Antworten
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