Kurzgeschichte
Die Schwiegermutter

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"Die Schwiegermutter"
Veröffentlicht am 16. Juni 2024, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: pixabay kostenlos
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin: durchgeknallt, neugierig, verrückt, wissbegierig, büchersüchtig, eigen, Musik Junkie, extravagant, dickköpfig, zu laut - also ganz normal ...
Die Schwiegermutter

Die Schwiegermutter

Die Schwiegereltern Henry hat ein paar Tage frei. Wir sind zu seinen Eltern gefahren um ihnen zu sagen, dass wir heiraten werden. Harald und Marianne sind das perfekte Paar in einem perfekten Haus, das in einem perfekten Garten steht. Harald ist hoch aufgeschossen und spindeldürr. Meistens guckt er, als hätte er gerade an einer Zitrone gelutscht. Marianne trägt Blümchenkleider und hat ihr Haar streng nach hinten gebunden. Es sieht aus, als würde sie ständig die Augenbrauen hochziehen. 

Henry platzt sofort mit der Neuigkeit

heraus, worauf sie einen langen Blick wechseln. Sie sagen es nicht, aber es ist deutlich zu spüren, dass sie der Meinung sind, dass Henry und ich nicht zusammenpassen. Wahrscheinlich bin ich nicht perfekt genug für ihren Sohn.

Später, beim Mittagessen, bittet Harald mich das Tischgebet zu sprechen. Ich sage, dass ich das lieber nicht machen möchte, worauf mich seine Frau mit einem bitterbösen Blick aufspießt . „Glaubst du nicht an Gott?“, fragt sie. „Er ist bei uns, denn unendlich viele Menschen sind fest im Glauben an ihn.“ „Na ja“, sage ich. „Das Gleiche kann man auch über Allah, Shiva, Vishnu,

Krishna und all die anderen Götter sagen. Ist ein ganz schönes Gewimmel da oben.“ Harald räuspert sich. „So lasst und beten …“ Während des Essens schaut mich Marianne immer wieder kritisch an. „Du bist doch …“ „Getauft, protestantisch“, sage ich schnell. Aufatmen, Erleichterung. „Dann könnt ihr sogar kirchlich heiraten. Warum nicht hier bei uns. Wir richten gern die Hochzeit aus.“ Marianne hat alles im Griff. „Ich bin in der Gemeinde sehr aktiv. Es wird mir eine Freude

sein.“ „Auf einmal?“, denke ich und wundere mich. „Noch diese Woche mache ich einen Termin bei unserem Pfarrer für euch.“ „Wer soll dich zum Altar führen“, fragt Harald dazwischen. „Mein Baba“, antworte ich spontan. Niemand schreit entsetzt auf, niemand schlägt die Hände zusammen. Stattdessen herrscht plötzlich Stille. „Aber dein Vater ist doch sicher Moslem“, flüstert Marianne schockiert. „Na und, darf er deshalb keine christliche Kirche betreten?“, langsam macht die Frau mich wütend, Schwiegermutter in spe oder

nicht. „Los, Henry, unterstütz mich“, denke ich, aber es kommt keine Reaktion. Marianne springt auf und räumt geräuschvoll das Geschirr ab. „Das geht nicht“, sagt sie mit einem Mal. „Wie bitte!“ „Dein Vater in unserer Kirche, das geht nicht.“ Sie wendet sich an ihren Mann. „Sag auch mal was.“ Er senkt den Kopf, als würde er beten. „In unserer Kirche ist … äh …jeder willkommen“, murmelt er schließlich gequält. Mein Smartphone läutet. Meine beste Freundin ist am Apparat. Ich gehe vor die

Tür. „Na, wie läuft es? Ich wette die Schreckschraube hat einen Schock bekommen“, lacht sie. „Nur zur Info: Du brauchst sofort meine Hilfe, es ist ein dringender Notfall. Blinddarmdurchbruch oder besser eine Sturzgeburt“, flüstere ich. „So schlimm? Ich habe es dir gesagt, halt dir diese Schwiegereltern bloß vom Hals.“ Wieder im Haus bemühe ich mich, zerknirscht auszusehen. „Ich muss sofort los! Es tut mir so schrecklich leid! Meine Freundin … ihr Kind …“ Und zu Henry: „Ich nehme das Auto, ja. Du kommst einfach mit dem Zug

zurück.“ Er holt den Schlüssel, begleitet mich hinaus. „Feigling“, sagt er – ein Glück er grinst. Ich grinse zurück: „Deine Eltern, dein Problem. Meine Eltern, mein Problem.“

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Tetris
Ich bin: durchgeknallt, neugierig, verrückt, wissbegierig, büchersüchtig, eigen, Musik Junkie, extravagant, dickköpfig, zu laut - also ganz normal ...

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Brubeckfan Es ist eine alte Geschichte, doch ist sie ewig neu, schrieb schon Heinrich Heine, der übrigens eigentlich Heri mit Vornamen hieß.
Ja ganz schönes Götter-Gewimmel da oben, oder vielleicht ist es doch immer nur derselbe eine.
Der Text ist Dir jedenfalls wieder sehr anschaulich gelungen (ständig die Augenbrauen ...)

Viele Grüße!
Gerd
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Tetris Danke schön, Gerd.
Die alte Geschichte, nur dass die ab und zu Götter wechseln.
Gruß
Tetris
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Lagadere 

Liebe Tetris,
zum Inhalt kann ich leider nicht viel sagen (was selten vorkommt!:-), jedenfalls nix, was über das von Enyas Kommi hinausgeht.
Heiraten war nie ein Thema und dass zwischen Religionen Konflikte herrschen und schon immer geherrscht haben, will mir sowieso nicht in den Kopf.
Dass früher zwei sich nicht lieben -geschweige denn heiraten - durften, weil einer Protestant und der andere Katholik war - gut. Früher haben die ja in den Himmel geguckt, sich am Kopf gekratzt und gemurmelt: "Häh? Wieso ist das jetzt hell? Vor ein paar Stunden war es doch noch dunkel...."
Aber heute haben ja selbst Querdenker Zugang zu allen Informationen - und wenn die Schrift groß genug ist und der Text abgefasst ist wie für Dreijährige....

Nun hab ich doch was getippt.
:-)

LG Ul

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Tetris Lieber Uli,
es ist schön, wieder mal von dir zu hören/lesen!
Zugang zu allen Informationen ... aber man muss bereit sein, über den Tellerrand zu gucken. Scheint ein Problem zu sein.

Danke fürs Lesen und Tippen ;o) - es freut mich.
Gruß
Tetris
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sugarlady Eine sehr ansprechende Geschichte. Sie bringt die Probleme unserer Zeit auf den Punkt. Heiraten sollte man immer aus Liebe.
Lieben Gruß Andrea
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Tetris Das stimmt. Heiraten aus Liebe. Aber leider heiratet man die Familie mit.
Danke und Grüße
Tetris
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Enya2853 Gefällt mir sehr gut, deine Geschichte.
Du hast das Problem der Verbohrtheit sehr locker beschrieben.
Leider ist es ja oft so, dass diejenigen, die sich christlich nennen, ganz rasch mal unchristlich handeln oder denken.

Ähm, war es nicht Jesus, der sich bewusst den Andersgläubigen oder Nichtgläubigen zugewandt hat? Das hätte man Marianne mal vor Augen führen müssen.
Liebe Grüße
Enya
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Tetris Liebe Enya.
Danke für Kommentar & Geschenk.
Man kann es nur locker sehen, sonst ist man selbst verbohrt. Wer braucht das schon.
Letztendlich hat sie sich nicht auf ihn/seine Familie (die man leider mitheiratet) eingelassen, das wäre nicht gut gegangen.
Grüße
Tetris
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Drehpunkt Anner Zitrone lutschen entschuldigt vieles.Denn das süsseste von allen kann plötzlich sehr bitter sein.
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Tetris Na dann, her mit den Zitronen.
Bitterkeit kann heilsam sein.
Gruß
Tetris
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