Die Schwiegereltern
Henry hat ein paar Tage frei. Wir sind zu seinen Eltern gefahren um ihnen zu sagen, dass wir heiraten werden.
Harald und Marianne sind das perfekte Paar in einem perfekten Haus, das in einem perfekten Garten steht.
Harald ist hoch aufgeschossen und spindeldürr. Meistens guckt er, als hätte er gerade an einer Zitrone gelutscht. Marianne trägt Blümchenkleider und hat ihr Haar streng nach hinten gebunden. Es sieht aus, als würde sie ständig die Augenbrauen hochziehen.
Henry platzt sofort mit der Neuigkeit
heraus, worauf sie einen langen Blick wechseln. Sie sagen es nicht, aber es ist deutlich zu spüren, dass sie der Meinung sind, dass Henry und ich nicht zusammenpassen. Wahrscheinlich bin ich nicht perfekt genug für ihren Sohn.
Später, beim Mittagessen, bittet Harald mich das Tischgebet zu sprechen. Ich sage, dass ich das lieber nicht machen möchte, worauf mich seine Frau mit einem bitterbösen Blick aufspießt . „Glaubst du nicht an Gott?“, fragt sie. „Er ist bei uns, denn unendlich viele Menschen sind fest im Glauben an ihn.“
„Na ja“, sage ich. „Das Gleiche kann man auch über Allah, Shiva, Vishnu,
Krishna und all die anderen Götter sagen. Ist ein ganz schönes Gewimmel da oben.“
Harald räuspert sich. „So lasst und beten …“
Während des Essens schaut mich Marianne immer wieder kritisch an.
„Du bist doch …“
„Getauft, protestantisch“, sage ich schnell.
Aufatmen, Erleichterung.
„Dann könnt ihr sogar kirchlich heiraten. Warum nicht hier bei uns. Wir richten gern die Hochzeit aus.“ Marianne hat alles im Griff. „Ich bin in der Gemeinde sehr aktiv. Es wird mir eine Freude
sein.“
„Auf einmal?“, denke ich und wundere mich.
„Noch diese Woche mache ich einen Termin bei unserem Pfarrer für euch.“
„Wer soll dich zum Altar führen“, fragt Harald dazwischen.
„Mein Baba“, antworte ich spontan.
Niemand schreit entsetzt auf, niemand schlägt die Hände zusammen. Stattdessen herrscht plötzlich Stille.
„Aber dein Vater ist doch sicher Moslem“, flüstert Marianne schockiert.
„Na und, darf er deshalb keine christliche Kirche betreten?“, langsam macht die Frau mich wütend, Schwiegermutter in spe oder
nicht.
„Los, Henry, unterstütz mich“, denke ich, aber es kommt keine Reaktion.
Marianne springt auf und räumt geräuschvoll das Geschirr ab. „Das geht nicht“, sagt sie mit einem Mal.
„Wie bitte!“
„Dein Vater in unserer Kirche, das geht nicht.“ Sie wendet sich an ihren Mann. „Sag auch mal was.“
Er senkt den Kopf, als würde er beten. „In unserer Kirche ist … äh …jeder willkommen“, murmelt er schließlich gequält.
Mein Smartphone läutet. Meine beste Freundin ist am Apparat. Ich gehe vor die
Tür.
„Na, wie läuft es? Ich wette die Schreckschraube hat einen Schock bekommen“, lacht sie.
„Nur zur Info: Du brauchst sofort meine Hilfe, es ist ein dringender Notfall. Blinddarmdurchbruch oder besser eine Sturzgeburt“, flüstere ich.
„So schlimm? Ich habe es dir gesagt, halt dir diese Schwiegereltern bloß vom Hals.“
Wieder im Haus bemühe ich mich, zerknirscht auszusehen. „Ich muss sofort los! Es tut mir so schrecklich leid! Meine Freundin … ihr Kind …“
Und zu Henry: „Ich nehme das Auto, ja. Du kommst einfach mit dem Zug
zurück.“
Er holt den Schlüssel, begleitet mich hinaus.
„Feigling“, sagt er – ein Glück er grinst.
Ich grinse zurück: „Deine Eltern, dein Problem. Meine Eltern, mein Problem.“