Biografien & Erinnerungen
Vorwärts in die Vergangenheit - Schreibparty 102

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"Vorwärts in die Vergangenheit - Schreibparty 102"
Veröffentlicht am 19. Mai 2024, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin Martina, Jahrgang '83 und habe eine Tochter. Ich lebe in einem kleinen Dorf in Niedersachsen. Das Schreiben ist für mich ein Ventil meiner Gefühle. In jedem Gedicht steckt also auch ein kleines Stückchen meiner Seele. Die erotischen Kurzgeschichten sind allerdings allesamt reine Fiktion.
Vorwärts in die Vergangenheit - Schreibparty 102

Vorwärts in die Vergangenheit - Schreibparty 102

schreibparty 102



Thema: Damals


Vorgabewörter:

- Herz

- Erinnerung

- kämpfen

- Armaturenbrett

- Strand

- Urlaub

- lachen

- Kartoffeln

- trampen

Vorwärts in die Vergangenheit

Das Wasser im Topf kocht bereits seit geraumer Zeit, daneben stehen die geschälten Kartoffeln. Ich sitze auf den kalten Fliesen, angelehnt an die Küchenzeile und weine bitterlich. Ein Gefühl als würde ich es nie mehr aufhalten können. Meine Gedanken entwickeln sich zu einem Strudel aus Negativität. Erinnerungen kochen hoch. Viele Momente in denen ich zu nichts fähig war, genau wie jetzt. Ohnmächtig beobachte ich mein jüngeres Ich. Das kleine Mädchen, das nie gesehen und gehört wurde. Süß, neugierig und voller Potential. Doch alles was in ihrer Familie zählte war der Schein nach außen und Stärke. Individualität und Gefühle? Fehlanzeige. Jeder Angehörige führte seine eigenen stummen Kämpfe. Macht, Ansehen, Überleben, Anpassen! Da war keine Zeit und kein Verständnis für die kleinen schutzbedürftigen Menschlein. Sie hatten ins

Gemälde der perfekten Großfamilie zu passen. Jegliche Bemühungen wurden in die Formung einwandfrei funktionierender kleiner Erwachsener gesteckt. Am Tisch wurde still gesessen, gegessen was serviert wurde und natürlich geschwiegen wenn die Großen sprachen. Also immer, denn bei einer

4-Generationenfamilie hatte stets einer der Älteren das Wort. Gefördert wurde ich ausschließlich in den Bereichen, die meine Eltern für angemessen hielten, beziehungsweise, die sie für mich vorsahen. Andere Ideen wurden direkt im Keim erstickt. Wer nicht hörte musste fühlen.

Wie oft wollte ich weinen und wagte es nicht. Wie oft war ich wütend und schwieg. Hatte ich überhaupt jemals eigene Träume? Natürlich fuhr diese perfekte Familie auch in den Urlaub und baute Sandburgen am Strand. Damit möglichst wenig Konfliktpotential entstand begannen die Fahrten nachts. Die

Kinder auf die vollgepackte Rückbank gesteckt, auf dem Armaturenbrett die obligatorische Landkarte. Pausen bestanden aus Picknick an Autobahnraststätten. Kaum eine Reise fand nur mit den Eltern statt. Es waren fast immer mehrere Familien mit ihren Kindern dabei. So waren die Kleinen untereinander beschäftigt und die Erwachsenen hatten größtenteils ihre Ruhe, tranken Wein und lachten im Licht der untergehenden Sonne. Das war doch eine schöne Kindheit. Großfamilie, Urlaube, Ausflüge und genügend finanzielle Mittel. Das Blubbern und Zischen über mir holt mich in die Gegenwart zurück. Vor mir am Boden verteilt sich mein Herz in tausend Einzelstücken. Kämpfen, immer nur kämpfen! Um gesehen, um geliebt zu werden - damals wie heute. Am liebsten würde ich in die Vergangenheit trampen um der jüngeren Version meiner Selbst eine Stimme, Halt, Liebe und ein offenes Ohr zu geben.

Diesen Tag erkläre ich zum Beginn meiner ganz persönlichen Reise in die Vergangenheit für eine bessere Zukunft. (c) MR 11.05.2024

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Hörbuch

Über den Autor

matzetino
Ich bin Martina, Jahrgang '83 und habe eine Tochter.
Ich lebe in einem kleinen Dorf in Niedersachsen.
Das Schreiben ist für mich ein Ventil meiner Gefühle. In jedem Gedicht steckt also auch ein kleines Stückchen meiner Seele. Die erotischen Kurzgeschichten sind allerdings allesamt reine Fiktion.

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FranckSezelli Du versuchst, mit dieser gut geschriebenen Geschichte – vielleicht ist es auch ein Essay – Erlebnisse deiner KIndheit aufzuarbeiten, die dich heute irgendwie bedrücken. Es kommt darauf an, nicht zu viel davon mitzuschleppen. Manchmal ist es besser, die Probleme ruhen zu lassen und zu leben. Das Leben spielt in der Gegenwart.
Allles Gute für deine Zukunft, die aus der Vergangenheit erwächst.
LG
Franck
Vor ein paar Monaten - Antworten
Tetris Eine wirklich gute Geschichte, die mich berührt. Aus guten Gründen ...
Gruß
Tetris
Vor ein paar Monaten - Antworten
matzetino Vielen lieben Dank Tetris.

Liebe Grüße
Martina
Vor ein paar Monaten - Antworten
Memory 
Sehr gut ge/beschrieben. Leicht zu lesen und doch sehr tiefgründig.
So ist das mit den Dämonen. Manchmal weiß man gar nicht, wie sie uns beherrschen und plötzlich wird es ganz deutlich.
Aber wie du schon schreibst - wichtig ist, wie man damit umgeht.

Liebe Grüße
Sabine
Dieses Jahr - Antworten
Gast Vielen Dank Sabine.
Einen schönen Sonntag.

Liebe Grüße
Martina
Vor ein paar Monaten - Antworten
Lagadere 

Uff! Ein schwieriges Thema, weil es so komplex ist und weil man seine eigene Kindheit zumeist auch im Kontext mit der Zeit, dem Zeitgeschehen sehen muss.
Die Traumata, die z.B. heute die Kids in der Ukraine anhäufen, mag ich mir gar nicht vorstellen. Und wie viele Generationen es brauchen wird, um den Hass auf Russland zu überwinden - falls das jemals geschieht.
Bei den Palästinensern und Israelis das Gleiche - seit meiner Kindheit , entschuldige den Ausdruck: schlagen die sich im Nahen Osten die Köppe ein und nach diesen Katastrophen am 7. Oktober und dem daraus folgenden Irrsinn, werden sie das auch lange nach uns noch tun.

Zurück zu der "eigenen Nachkriegszeit" - man schleppt so vieles mit sich herum; ich staune immer wieder über die vielen Kleinigkeiten - positive wie negative - die auch heute noch ihre Rolle spielen. Gepaart mit Gefühlen, die man zumeist gar nicht beschreiben kann (was mich als Hobby-Autor besonders wurmt :-)
Das kann irgend so ein dämliches Spielzeug sein, oder ein Ereignis, das man sonst gar nicht weiter beachten würde.

Seufz - man könnte jetzt endlos weiter dazu schreiben, aber du hast das schon sehr eindringlich und sensibel mit deiner Geschichte getan und letztlich muss jeder ohnehin mit seinen "Dämonen" fertig werden.


Um es mit Milvas Worten zu sagen: Hurra! Wir leben noch!

:-)

LG Uli


Dieses Jahr - Antworten
matzetino Lieber Uli,
auch dir danke ich für deine ausführliche Antwort. Du sagst es, ein jeder hat seine eigenen Dämonen in unterschiedlichen Ausführungen... Wichtig ist es diese zu erkennen und nicht als Entschuldigung für alles zu missbrauchen.

Liebe Grüße
Martina
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Kornblume Hallo Martina,
ich weiß nicht, wie alt Du bist.. Deine Kurzgeschichte hat mich in die Vergangenheit versetzt. Ich wuchs in einem kleinen Dorf, in der ehemaligen DDR auf. Der Krieg mit Hunger ,Not und Elend noch gut in den Köpfe der Eltern und Großeltern. Für sie war es wichtig, uns alle zu ernähren und selbst über die Runden zu kommen. Im eigenen Garten wuchs das Gemüse, Obst wurde vom Baum oder Beet gegessen(meist ungewaschen) den Rest kochte man ein oder verarbeitete es zu Marmelade. 2 Schweine wurden geschlachtet, Hühner gehalten. Da blieb für Zärtlichkeiten und individuelle Gespräche wenig Zeit.(War damals auch nicht üblich. Die Wünsche von uns Kindern waren bescheiden. Mäkelei am Tisch gab es nicht. Gespräche über Politik und die Probleme der Erwachsene fanden vor und mit uns Kindern nicht statt. Man orientierte sich an Nachbarn, Freunden und Verwandtschaft. Puppenwagen, Fahrrad, Spielzeug wurden weiter vererbt. Bei Masern wurden alle Kinder des Dorfes zusammengehalten (Masernparty) damit alle Kinder zur gleichen Zeit vom Arzt, der jedesmal einige Kilometer mit dem Fahrrad fahren mußte, behandelt werden konnten und die Krankheit schnell vorbei war.
Ich empfand meine Kindheit trotzdem als glücklich, war zufrieden und hatte Spaß.
Der Rückblick auf Dein Leben, hat auch mich zum Rückblick animiert.
Grüße von Martina an Martina
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matzetino Hallo liebe Martina,
ich bin frische 40 *zwinker*. Als unglücklich würde ich meine Kindheit auch nicht unbedingt bezeichnen. Allerdings hat einiges aus dem Verhalten meiner Vorfahren dazu beigetragen, aus denen heutige meiner "Probleme" resultieren. Diese gilt es nun zu erkennen und für mich umzuwandeln. Ich danke dir sehr für deine herzliche und ausführliche Antwort.

Liebe Grüße
Martina
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AngiePfeiffer Eine so wahrhaftige Geschichte , ich kann sei so gut nachvollziehen!
Gefällt mir sehr gut,
LG
Angie
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