Biografien & Erinnerungen
Der aus dem Fasse kam - Schreibparty 102

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"Der aus dem Fasse kam - Schreibparty 102"
Veröffentlicht am 08. Mai 2024, 10 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
© Umschlag Bildmaterial: Ian Kahn / FreeDigitalPhotos.net
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Der aus dem Fasse kam - Schreibparty 102

Der aus dem Fasse kam - Schreibparty 102


Erinnerungen werden mit den Jahren immer schöner, geht es Euch auch so? Etwas „normal arbeiten“ im Gegensatz zum Bücherblättern, das war doch immer toll; man sah danach seine nützliche Lei-stung. Dagegen später … Schwamm drüber Um ein wenig Geld zu verdienen, suchten wir nach Ferienjobs. Mußten freilich kämpfen gegen das Verlangen nach Ur-laub im Thüringer Wald, in der Tatra, am Goldstrand oder auf Usedom. Wer drei Wochen in der Brauerei der Stadt aushel-fen konnte, durfte großspurig lachen über die anderen Schüler, welche etwa

Kinderkonfektion verpackten oder ma-schinell geschälte Kartoffeln sortierten. Die Brauerei am Stadtrand bot nämlich bei weitem die besten Löhne und gar sechs Flaschen Deputat pro Tag! Leider war dies für uns noch nicht Volljährige nur Malzbier. Ein Angestellter indes ver-wechselte manchmal die Sorte; doch dazu später. Vom Arzt für tauglich befunden, stand ich nun im heißesten Sommer täglich warm bekleidet in Fässern von zwanzig Hektolitern Volumen, die nach Leerung von Heferesten befreit werden mußten. Wasserstrahl, Schrubber und Lampe ge-hörten zu dieser recht kalten, nassen und

klebrigen Arbeit, von meinem Arbeits-vertrag „Haspulant im Lagerkeller“ genannt. Ob nicht der Braumeister die nächste Füllung des Fasses einleitet, während ich noch drin schrubbe? Das kann er schließ-lich nicht an seinem Armaturenbrett se-hen? Nein nein, lachte der Kollege, die Tür des Tanks bleibt offen, solange ein Lampenkabel heraushängt. Doch verges-sene Schrubber, das käme schonmal vor. Nach drei Wochen hatten sich etliche Flaschen lockend in meinem Kinder-zimmer versammelt, die standen also im Weg, darunter auch etliche nicht

jugendfreie, zudem ohne bekanntes Halbarkeitsdatum. Und während ich mit Abwasch an der Reihe war, allein in der Wohnung – damals arbeitete mein Vater noch wie jeder am Sonnabend – allein stand ich also in der heißen Küche an den großen Waschschüsseln – unseren jungen Lesern sei hier erläutert, man füllte damals eine Schüssel mit kaltem Wasser zum Spülen und die andere mit Spülmittel und Wasser, das man auf dem Gas erhitzt hatte – und nach so vielen gekünstelten Einschüben ahnt Ihr jetzt, ich hatte schlicht Durst. Viel Durst. Es war der fröhlichste und langwierigste Abwasch meines Lebens. Fröhlich sein und singen! Es wurde auch die erste und

letzte Erfahrung, wieviel Alkohol Kopf und Magen wohl akzeptieren … Und das WC befand sich eine halbe Treppe tiefer. Dann erschienen Vater und Oma; ich grüßte sie herzlich und verdrückte mich – gewiß schwankend – ins Bett. Der Abwasch der Familie stand da aber fertig abgetrocknet und korrekt einsor-tiert im Schrank. Ich war halt schon immer ein Steher. Hi©k, 2024

Brubeckfan

Nachbemerkung

Beim Räumen fand ich die Bescheini-gungen des Schularztes sowie des Be-triebsarztes der Brauerei über meine gesundheitliche Tauglichkeit als Has-pulant im Lagerkeller. Genehmigt von Eltern und Schule, durfte ich dreimal jeweils die damals üblichen 43 3/4 Wo-chenstunden leisten (kleiner Seitenblick auf heutige Gewerkschaften ...). Das erbrachte in Lohngruppe 4 ein hübsches steuerfreies Startkapital für die anschlie-ßende Zeit im Studentenwohnheim: Umgerechnet in die Währung BE (Biereinheit) = 50 Pfennige waren es über 1000 gezapfte Halbliter ...

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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KaraList Die Generation Z würde wohl verständnislos mit dem Kopf schütteln. Kein Sabbatical ... die Work-Life-Balance negieren ... das wäre keine Option.
Erinnerungen in einer unterhaltsamen Geschichte festgehalten. Hat Spaß gemacht sie zu lesen, lieber Gerd.
LG
Kara
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Brubeckfan ... und erst der Handyempfang im Tank im Keller ...
Ich bin überrascht, daß meine kleine Episode solchen Anklang findet.

Ich danke Dir herzlich, liebe Kara,
und freue mich natürlich, daß Ihr alle aus dem Winterschlaf zurück seid.
Viele Grüße,
Gerd
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baesta Hihi, das mit dem Abwasch am Waschtisch kenne ich auch noch. Wasser wurde dazu entweder mit dem Tauchsieder oder auf dem Herd erhitzt, wenn das gerade noch Glut drin war.

Viele Grüße
Bärbel
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Brubeckfan Kohleofen, Außenklo usw. kannten wir auch in den 90ern noch, im Prenzl- und Kreuzberg. Wie waren wir dann glücklich über eine Wohnung in Marzahn (Du weißt schon, heute naserümpfend "Platte" genannt).
Viele Grüße!
Gerd
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baesta Nach Berlin hätten mich keine zehn Pferde gebracht. Bin kein Fan von dem Moloch Berlin. Zumindest hatten wir in den 70ern schon eine Wohnung mit Bad und Innentoilette und Wassererwärmung mittels Durchlauferhitzer. Gas war aber auch ganz schön teuer.
Schöne Grüße
B.
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matzetino Schade, dass mir die Erfahrungen von Ferienjobs fehlen... Aber deine ließ mich zumindest schmunzelnd teilhaben. Gerne gelesen.

Liebe Grüße
Martina
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Brubeckfan Faszinierend, wer derzeit mit Rang und Namen hier wieder auftaucht!
Vielen Dank, liebe Martina.
Gerd
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Bleistift 
..."Der aus dem Fasse kam..."
Zuerst dachte ich da an den Philosophen Diogenes, der ja bekanntlich in einem Fass lebte und dort sogar einige eher unzüchtige Dinge auch in aller Öffentlichkeit getrieben haben soll... ...grinst*
Aber dann entpuppte sich die ganze Story, als eine Art Schüler-Job während der Schuferien, wie auch als eine gut geschriebene Geschichte... ...smile*
LG und frohe Pfingsten... ...smile*
Louis :-)
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Brubeckfan Erinnerungen ... Nee so bescheiden wie Diogenes lebten wir nun auch wieder nicht 8-)
Dazu mangelte es schonmal an der südlichen Sonne.
Gruß und Dank,
sagt
Gerd
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FranckSezelli Hallo, eine interessante geschichte. Ja, in den Ferien habe ich auch immer gearbeitet, sobald mein Alter (ab 14 Jahre ?) das erlaubte. Sehr verschiedene Arbeiten habe ich da im Lauf der Jahre kennengelernt.
Und natürlich haben wir auch in gleicher Weise Geschirr aufgewaschen. da hebe ich keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Wie du aber mit Malzbier zu der Alkoholerfahrung gekommen bist, habe ich nicht verstanden.
Im Übrigen fehlt ein Vorgabewort: trampen.
Schade!
Freundliche Grüße
Franck
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