Kurzgeschichte
Highway to Heaven

0
"Highway to Heaven"
Veröffentlicht am 07. Mai 2024, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

1953 wurde ich in Husum geboren. Ich bin an der Nordsee und in Frankfurt aufgewachsen. Meine große Leidenschaft sind die Literatur und das Schreiben. Zahlreiche Gedichte und Geschichten von mir haben in Anthologien und Gemeinschaftsbüchern ihren Platz gefunden. Seit zehn Jahren schreibe ich Romane, von denen bislang sieben veröffentlicht wurden. In meinen Büchern zeichne ich menschliche Grenzsituationen, die immer von einem Funken Hoffnung ...
Highway to Heaven

Highway to Heaven


Beitrag zur Schreibparty 102 Thema: Damals Vorgabewörter: Herz, Erinnerung, kämpfen, Armaturenbrett, Strand, Urlaub, lachen, Kartoffel, trampen




Text und Covergestaltung: Enya Kummer
Coverbild: Pixabay




Highway to Heaven Es war im Sommer 1979. Ein Mittwoch, ich weiß es noch genau. Das würde mein Tag werden, ich fühlte es. El Paso lag hinter uns, wir waren die ganze Nacht gefahren. Duffy und ich hatten uns in den Traum von Love and Peace der Sechzigerjahre hineinkatapultiert. Und säßen wir jetzt auf Motorrädern wie im Film Easy Rider, wären wir auf der Autobahn zur Hölle. Den Song schrie Duffy unentwegt aus dem Fenster des Bullis. Ich versuchte sie zu überzeugen, dass wir auf dem Highway to Heaven waren. Wegen meinem guten Gefühl.

Duffy lachte, nahm das in ihren Gesang auf, trällerte »Highway to Heaven«, wobei sie die Endung von Heaven verschluckte. Wegen der Silben, sagte sie. Musste ja passen. Irgendwann stieß Blue zu uns, ein Beatnik wie aus den Sechzigern. Tuch um den Kopf, nackter Oberkörper und eine Gitarre über der Schulter. Stand mit erhobenem Daumen am Straßenrand. Wollte trampen. Wir nahmen ihn mit, er war wortkarg, kiffte, lachte die ganze Zeit. Und spielte verdammt gut Gitarre. Ob Blue sein wirklicher Name war, weiß ich nicht. Wir fragten ihn nicht. »Machst du Urlaub?« Duffy drehte den Kopf nach hinten, der Bus schlingerte.

Blue lehnte sich vor, legte ihr die Hand auf die Schulter. »So ähnlich«, er klopfte einen Rhythmus auf den Corpus seines Instruments. »Ich probiere das Leben.«
Noch war es dunkel. Die Beleuchtung des Armaturenbretts funktionierte nicht. Das war egal, es spielte keine Rolle, wie schnell wir fuhren. Wir begegneten niemandem. In der Ferne leuchteten ab und zu kleine Lichter, Zeugnisse menschlichen Lebens. Duffy lenkte den Bus dem Morgen entgegen. Staubiges Land, Steppengebüsch. Und dann San Francisco, die Silhouetten der Häuser noch im Nebel. Doch war die Stadt schon erwacht. Gerüche, kleine Buden, in

denen man geröstete Kartoffeln und Maiskolben anbot. Mädchen in bunten Röcken mit Stirnbändern im Haar. Ein Hauch von California Dreaming. Endlich der Ozean, flirrende Lichtpunkte, Wellen. Orangegefärbte Wolkenberge. Mein Herz klopfte, setzte aus, schlug hart gegen die Rippen. Ocean Beach, verlassen um die Zeit. Wir sprangen aus dem Bus, unsere Klamotten verteilten sich über den breiten Strand. Ich rannte, stürzte mich in die Fluten. Unbeschreiblich das Gefühl. Eine Ahnung von Freiheit, Heaven eben. Später saßen wir im Sand. Ich hatte Mühe, die Erinnerungen niederzukämpfen. Fühlte mich zehn

Jahre zurückversetzt, als ich hier mit Sandy in den Ferien war. Mit Sandy, der sich drei Monate danach den tödlichen Schuss gesetzt hatte. Nein! Leben war jetzt. Mein Tag. Es war Zeit, die Enge der inneren Hölle zu verlassen und dem Himmel eine Chance zu geben.
Blue machte Feuer, woher hatte er bloß das Holz? Er klimperte auf seinem Instrument, nahm die Melodie des Songs auf und Duffy fiel sofort mit ihrer rauen Stimme ein. Dann, plötzlich, sang sie »Highway to Death«. »Spinnst du«, ich fand ja Hell schon schlimm, und nun Death?
»Im Ernst, vorhin im Wasser mit dem

Himmel über mir, das wäre ein Augenblick zum Sterben gewesen.« Sie streckte die Arme in die Luft, breitete sie wie Flügel auseinander. Blue summte, klimperte, das Lachen schien ihm ins Gesicht gemeißelt. »Und nun? Wohin wollen wir?« Duffy warf ein Hölzchen ins Feuer. »Mexiko«, sagte Blue, »das Kreuz des Südens sehen.« Oja, Highway to Heaven. Ich wusste es. Mein Tag.

0

Hörbuch

Über den Autor

Enya2853
1953 wurde ich in Husum geboren. Ich bin an der Nordsee und in Frankfurt aufgewachsen. Meine große Leidenschaft sind die Literatur und das Schreiben. Zahlreiche Gedichte und Geschichten von mir haben in Anthologien und Gemeinschaftsbüchern ihren Platz gefunden. Seit zehn Jahren schreibe ich Romane, von denen bislang sieben veröffentlicht wurden. In meinen Büchern zeichne ich menschliche Grenzsituationen, die immer von einem Funken Hoffnung begleitet werden. Letztes Jahr wurde mein erstes autobiografisches Werk veröffentlicht: Wenn der Raps blüht.
Zurzeit arbeite ich an der Fortsetzung. Arbeitstitel: Storchenjahre.
Ich habe Mathematik, Psychologie und Pädagogik studiert und war im Bildungsbereich tätig.
Inzwischen genieße ich das Rentendasein und die Beschäftigung mit meinen Enkelkindern. Ich bin außerdem als Lektorin und Korrektorin tätig.

Leser-Statistik
17

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Gast Hallo Enya,
deine Geschichte spiegelt Jugenderlebnisse pur. Leichtigelit, aber auch Leichtsinn und die Suche nach dem Sinn des Lebens begleitet von ein bisschen Schwermut finden sich in deinen Zeilen. Sehr gut geschrieben.
Herzliche Grüße
Franck
Vor ein paar Monaten - Antworten
Enya2853 Lieben Dank, Franck, für alles. Ja, ein bisschen Risiko war schon dabei. Aber vor allen waren es diese Leichtigkeit und das Erfüllen jugendlicher Sehnsucht, die bis heute in der Erinnerung vorherrschen.
Viele Grüße
Enya
Vor ein paar Monaten - Antworten
FranckSezelli Wieder einmal das Einloggen versäumt ...
Franck
Vor ein paar Monaten - Antworten
matzetino Schön und wehmütig zugleich. Die Geschichte macht Lust auf mehr...

Liebe Grüße
Martina
Dieses Jahr - Antworten
Enya2853 Liebe Martina,
ich sage ganz herzlichen Dank.
Hab eine schöne Woche.
Liebe Grüße
Enya
Dieses Jahr - Antworten
Darkjuls Liebe Enya, das Leben ist jetzt. Deine Geschichte gefällt mir gut und ich kann diesem Motto nur zustimmen. Liebe Grüße Marina
Dieses Jahr - Antworten
Enya2853 Ganz herzlichen Dank, liebe Marina.
Einen lieben Gruß in den Abend.
Enya
Dieses Jahr - Antworten
schnief Du beschreibst die Leichtigkeit des Lebens so treffend, in der man sich unwillkürlich in die Jugend zurück versetzt fühlt.
Liebe Grüße Manuela
Dieses Jahr - Antworten
Enya2853 Ganz herzlichen Dank, liebe Manuela. Freue mich, wenn es dir gefällt.
Komm gut ins Wochenende.
Liebe Grüße
Enya
Dieses Jahr - Antworten
FLEURdelaCOEUR Liebe Enya, ich habe deine Sommrrgeschichte aus Kalifornien sehr gern gelesen. Du beschreibst alles so anschaulich, dass man nicht selbst dort gewesen sein muss, um sich hineinversetzen zu können. (Nur wie die Sonne dort an der Westküste am Morgen vermeintlich aus dem Meer herauswächst, will sich mir nicht so recht erschließen).
Auf jeden Fall solltest du auch an deinem Romanprojekt festhalten, ich drücke dir die Daumen!
Liebe Grüße
fleur
Dieses Jahr - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
23
0
Senden

171291
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung