Der obligatorische Besuch bei den Eltern.
Mutter ist noch in der Küche.
„Funk mir nicht dazwischen, geh schon zu Baba ins Wohnzimmer.“
Ich habe es aufgegeben. Dann also ins Wohnzimmer.
Auf dem kleinen Beistelltisch …
(Jawohl, sowas haben meine Eltern noch. Der komische Tisch gehört seit der Steinzeit zur Wohnungseinrichtung. Genauso wie der häßliche, gedrehte schmiedeeiserne Aschenbecherhalter, den mein Vater selbst gemacht hat. Der Trümmer steht schon ewig neben seinem Fernsehsessel, obwohl er gar nicht
raucht.)
Ich schweife ab. Also – auf dem Beistelltisch entdecke ich die Tageszeitung, die uns unglaublich bildet. Vor allem in Sachen Mord, Totschlag, Titten und Frauen hinten rum.
Eine der fetten Schlagzeilen springt mir sofort ins Auge:
„Gruß aus Bayern! Söder versteigert sein Ei!“ Daneben ein Bild vom Bayern-Söder, der grinsend ein großes Schokoladenei präsentiert.
Verwundert nehme ich die Zeitung auf. „Was für eine dämliche Schlagzeile“, sage ich. „Wieso liest du sowas?“
Mein Vater runzelt die Augenbrauen, dann grinst er. „Ist doch klar, der aus
Bayern hat genug davon. Er kann gut eins abgeben. Das ist ein Mann! Übrigens ist das eine gute Zeitung. Sie informiert mich und ich muss nicht so viel lesen.“
„Baba“, sage ich. „Das ist eine Zeitung, die Meinung macht. Das kann man doch nicht glauben, was die drucken.“
„Aber der aus Bayern, der Dings, der Söder, ist ein Kerl. Der sollte mal auf den Tisch hauen, dann wird das auch was mit der Regierung.“
Ich seufze. Mein Vater hat seine eigene, oft nicht achvollziehbare Meinung. Die Erfahrung lehrt mich, dass es nicht möglich ist mit ihm zu diskutieren, sonst verzettelt man sich total.
Also sage ich nur lapidar: „Mehr als zwei Eier haben die Kerle in Bayern auch nicht.“
Mein Vater guckt mich streng an. „Woher willst du das denn wissen?“
Tetris, Geduld! Ermahne ich mich. „Was meinst du wie alt ich bin?“, frage ich freundlich.
„Egal! Du bist ein Mädchen! Deshalb darfst du nicht so reden“, sagt er streng.
Boh, ehrlich … „Ich bin über dreißig, mindestens!!!“
„Egal, es gehört sich nicht solche Worte in den Mund zu nehmen!“
Der Gedanke, der mir jetzt kommt lässt mich
grinsen.
Mein Vater guckt richtig, richtig finster. „Wieso lachst du? Etwas mehr Respekt! Wieso hast du dir überhaupt die schönen langen Haare abschneiden lassen?“
Ne? Wieso jetzt Haare?
Tetris, Geduld.
Also säusele ich mit sanfter Stimme: „Die Haare habe ich mir vor vielen Jahren abschneiden lassen, falls du dich erinnern kannst. Gleich nachdem ich hier ausgezogen war. Kurze Haare sind praktisch und flott und überhaupt mag ich es so viel lieber.“
„Schau dir deine Mutter an. Sie hat schöne lange Haare. Die würde sie nie abschneiden
lassen!“
Ein Kichern ist zu hören. Meine Mutter steht in der Wohnzimmertür. „Du solltest nicht mit deinem Baba diskutieren. Du verzettelst dich nur.“
Sie blinzelt mir zu. „Deine Frisur ist prima. Mir gefällt sie gut. Vielleicht lasse ich mir auch so eine Frisur machen.“
Mein Vater öffnet den Mund, aber bevor er etwas sagen kann, legt meine Mutter los: „Und du solltest endlich mal akzeptieren, dass unsere Tochter erwachsen ist.“
Baba guckt, schluckt, sagt nichts.
Das ist bemerkenswert …