Kurzgeschichte
Der Koffer

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"Der Koffer"
Veröffentlicht am 21. März 2024, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Melinda Nagy - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Einen kürzen Abschnitt meines Lebens verbrachte ich in Deutschland und seitdem in die deutsche Sprache verliebt geblieben. Das sind etliche Jahre her. Um die Sprache lebendig zu halten, skizziere ich Zwergprosastücke auf Deutsch. Trotz aller Mühe lässt sich ein bisschen Rost nicht vermeiden. Ich bin seit Jahrzehnten in Südkalifornien ansässig.
Der Koffer

Der Koffer

Der Koffer

An den Gepäckbändern der internationalen Flughäfen wiederholt sich regelmäßig das gleiche Szenario. Gespannt wartet man mit anderen Fluggästen auf seinen Koffer, währenddessen rattert und quietscht das sich drehende Band, beladen mit Koffern. Die glücklichen Finder nehmen ihren Koffer lächelnd vom Band, andere stellen ihn wieder drauf. Man freut sich, wenn man den eigenen Koffer sieht, um gleich wieder ein langes Gesicht zu machen, wenn ein Koffer nur so aussieht wie der eigene. Voller Zuversicht, dass es keine zwei

gleich aussehenden Koffer auf demselben Flug und mit derselben Markierung geben kann, hatte ich den Griff meines Koffers mit zwei bunten Kabelbindern verziert. Eine ganze Weile flog ich zwischen den USA und lateinamerikanischen Metropolen hin und her und freute mich jedes Mal, wenn ich meinen Koffer schon von weitem an den Kabelbindern erkannte. Einmal, auf einem Langstreckenflug von Los Angeles nach Rio de Janeiro, mit Zwischenlandungen in Dallas Fort Worth Airport und Miami International Airport, gab es in Miami eine Panne. Über den Lautsprecher verkündete eine weibliche Stimme, dass sich der Flug AA1280 nach

Rio de Janeiro um zwei Stunden verspäte, ein defektes Radargerät im Flugzeug müsse ausgetauscht werden, das Ersatzteil werde gerade per Kurier eingeflogen. Um die Verspätung aber nicht unnötig zu verlängern, werde das Radargerät aus einem Flugzeug des gleichen Typs ausgebaut, das gerade nicht im Einsatz sei. Sofort zückte ich mein Handy und informierte meinen brasilianischen Geschäftskollegen Joao, der mich vom Flughafen in Rio abholen sollte. Nach etwas mehr als zwei Stunden hob unser Flugzeug endlich ab. Langstreckenflüge wie dieser haben eine belastende Wirkung auf den Körper.

Manche vertreiben sich die Zeit mit Lesen, die Jüngeren schauen sich Videos an, ein paar Passagiere überarbeiten ihre Vortragsfolien, die meisten schlafen einfach. Ich döse vor meinem aufgeklappten Laptop, als mich die Durchsage aufschreckt, dass wir gleich auf dem internationalen Flughafen von Rio landen. Die Abfertigung am Einreiseschalter verlief reibungslos, bei der Gepäckausgabe das Übliche und auch bei der Gepäckkontrolle gab es keine Probleme. Frohen Mutes stolzierte ich mit meinem Koffer, der mit zwei bunten Kabelbindern versehen war, aus dem Gebäude. Draußen standen viele

Menschen hinter der Absperrung. Als ich mich umsah, entdeckte ich den großen Joao, der geduldig auf mich wartete. Wir gingen zum Parkplatz, wo er sein Auto geparkt hatte. Der Stadtverkehr durch Rio hatte sich schon etwas beruhigt. Nach einer dreiviertel Stunde stand ich an der Hotelrezeption und checkte ein. Joao wartete im Hotelrestaurant auf mich, während ich meinen Koffer aufs Zimmer brachte. Während des Abendessens besprachen wir das Programm meines Besuchs. Es war kurz vor Mitternacht, als wir uns verabschiedeten. Die ganze Zeit über hatte ich versucht, mir den Jetlag nicht anmerken zu lassen. Jetzt freute ich mich

darauf, endlich abschalten zu können. Halbverschlafen fummelte ich am Schloss meines Koffers herum, konnte ihn aber nicht öffnen. Verwundert sah ich genauer hin. Der Koffer sah aus wie meiner, zwei bunte Kabelbinder schlängelten sich um den Griff. Aber auf dem Namensschild stand nicht mein Name. Der Koffer gehörte einem John Smith aus New York. Ich rief Joao an, er holte mich ab und wir fuhren mit dem falschen Koffer zurück zum Flughafen. Erleichtert stellte ich fest, dass John Smith meinen Koffer bereits im Fundbüro abgegeben hatte.

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Über den Autor

merrillius
Einen kürzen Abschnitt meines Lebens verbrachte ich in Deutschland und seitdem in die deutsche Sprache verliebt geblieben. Das sind etliche Jahre her.
Um die Sprache lebendig zu halten, skizziere ich Zwergprosastücke auf Deutsch.
Trotz aller Mühe lässt sich ein bisschen Rost nicht vermeiden. Ich bin seit Jahrzehnten in Südkalifornien ansässig.

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sorrynocoffee 
Was für ein „Abenteuer in Rio“ (Belmondo). Vielleicht hätte der ein oder andere einen guten Tausch gemacht. Ich würde einen Vorher-Koffer einem Nachher-Koffer vorziehen. Da wäre bestimmt nur schmutzige Wäsche drin. Wie ich mitbekommen habe, sind GPS-Tracker inzwischen erlaubt. Das erleichtert die Suche ungemein.

Grüßle,
sonoco
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merrillius Es gibt allerlei Geschichten über verlorene Koffer. Gar keine schlechte Idee, das mit dem GPS-Tracker aber ist schon vorgekommen, dass man in Sydney sitzt und der Koffer noch in New York rumliegt.
Schöne Grüße, merrillius
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"Der Koffer"
...ha, na wenn das kein Zufall ist, dann weiß ich nicht, wie man den Begriff 'Zufall' anders noch besser definieren kann... ...smile*
Auch diese kleine Geschichte hat mir wieder gut gefallen, Merrillius... :-)
Many greetings to you in the Redlands, my friend...
Louis :-)

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Gast Hallo Louis, alter Freund wie erfreulich von dir zu lesen. Auch unwahrscheinliche Zufälle können passieren.
Liebe Grüße, Merrill
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Tetris Koffer weg! Diese Erfahrung habe ich auch schon mal gemacht. Leider ist mein Koffer erst nach vier Wochen wieder aufgetaucht.
Eine interessante Geschichte
Gruß Tetris
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merrillius Ich danke dir für den netten Besuch, es freut mich, dass du die Geschichte interessant findest.
Herzliche Grüße, merrillius
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sugarlady Eine flüssig geschriebene Geschichte. Sie gefällt mir!
L.G. Andrea
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merrillius Es freut mich sehr, dass die Geschichte dir gefällt. Danke für den Besuch!
Herzliche Grüße, merrillius
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schnief Gott sei Dank bekommt jeder seinen Koffer. tolle Geschichte
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merrillius Leider passiert nicht selten auf internationalen Flügen. Das Gepäck ist entweder vorher oder nachher oder auch nie eingetroffen.
Liebe Grüße, merrillius
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