Vorwort
Dieser Text entstand im Rahmen der drei vorgegeben Wörter im Rahmen von Christianes Schreibeinladung [https://365tageasatzaday.wordpress.com/abc-etueden-kleingedrucktes/].
Folgende Wörter sind vorgegeben:
mutvoll
Rumpelkammer
zehren
[3 Begriffe in maximal 300 Wörtern]
Früher
"Früher war alles anders, war alles besser", höre ich sie ständig jammern. "Ja, ja und früher hatten wir auch einen Kaiser", beliebe ich dann stets zu antworten. Und wenn ich sie frage, was genau denn besser war, dann kommt sie ins Stocken. Sie kann es noch nicht mal genau benennen. Da kommen dann solche Bemerkungen wie "Früher war alles besser, weil es früher war!" Mein Gott, das nennt sie eine Antwort? Sie macht mich rasend, während ich ihre Rumpelkammer aufräume, in ihrem Zauberraum der Nostalgie, wie sie es
nennt.
Dreimal die Woche fahre ich zu ihr, um ihr ein wenig zur Hand zu gehen. Ich versuche ihr wiederzugeben, was sie für uns getan hat. Immerhin ist sie schon 88 Jahre alt. Sie hatte noch nie ein leichtes Leben, stets war sie in Sorge, ob sie uns durchbekommt, während Vater immer nur Gelegenheitsjobs hatte. Er konnte, seit er in Kriegsgefangenschaft war, nie mehr wirklich arbeiten. Nach meinen heutigen Überlegungen schien er mir traumatisiert. Viele Männer, die aus dem Krieg kamen, waren verwundet, wenn auch nicht unbedingt körperlich. Aber die Seele hatte einen Knacks bekommen. Und da waren die Trümmerfrauen, die
alles richteten. Letztendlich sind es immer die Frauen, die die Stärkeren sind. Mutvoll begaben sie sich an den Wiederaufbau.
"Mama!" "Die Zeit jetzt, ist die Bessere! Sie ist geprägt von bester medizinischer Versorgung, die Lebenserwartung ist höher, die Kindersterblichkeit ist weitaus zurückgegangen. Wir haben eine bessere Bildung, es gibt die Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Partnern und vieles mehr. Und du hängst der guten alten Zeit hinterher. Wie kann man von alldem zehren, was du damals besser fandst? Warum hängst du Vergangenem
hinterher?"
"Mein liebes Kind! Mit besser meine ich, dass es noch Werte gab. Alles ist heute so beschleunigt. Der Vergleich zur heutigen Zeit ist dagegen ein trauriger Anblick." ...
[300 Wörter]