Lisa hatte schulfrei, so begleitete sie ihre Mutter zu einer Beerdigung. Im Trauergottesdienst erzählte der Pastor so einiges über die verstorbene Tante, die Stationen ihres Lebens, ihre Hobby und auch ein wenig über ihre Lebensziele und das sich ihr Lebensmotto auf Glaube, Liebe Hoffnung bezog.
Nach dem Gottesdienst auf dem Weg zum Friedhof fragte sie ihre Mutter, was er damit meinte. "Darf ich dir das später erklären" bat die Mutter Lisa. Lisa
nickte.
Nachdem die Beisetzung erfolgt war, traf sich die Familie und Bekannte zu einem gemeinsamen Leichenschmaus. Im Pfarrheim des Ortes hatten die Kinder der Tante das Sälchen angemietet. Die Erwachsen unterhielten sich, Lisa jedoch fand es etwas langweilig und ausserdem ging ihr dieses "Glaube, Liebe Hoffnung" nicht aus dem Kopf.
Sie fragte ihre Mutter, da diese sich aber mit jemanden unterhielt, versuchte eine ältere Dame, die neben ihr saß, es zu erklären.
"Sieh mal Lisa, deine Großtante war eine gläubige Christin, die ihren Glauben auch sehr offen zeigte. Mit Liebe meinte der Pastor warscheinlich, dass deine Tante immer liebevoll war und ihre Liebe für ihre Familie, und in der Hoffnung, dass sie eines Tages nach ihrem Tod in Paradies kommt, also sozusagen wieder aufersteht und all ihre Lieben
wiedersieht."
"Und ich dachte, sie meinte den Glauben, daß es immer gute Menschen gibt, die füreinander da sind."
Lisa machte ein nachdenkliche Gesicht, doch dann sprach sie weiter, "Ja, das mit der Liebe fand ich auch so und sie liebte ja die Tiere. Was hat aber die Auferstehung mit der Hoffnung zu tun, dass sie jetzt im Paradies ist. Ich dachte da da kommt jemand hin, der immer lieb und sich um andere gesorgt hat wie Tante
Mimi."
"Tante Mimi steht aber erst am jüngsten Tag auf und kommt dann erst ins Paradies", erwiderte die Dame neben Lisa.
Jetzt war Lisa ein wenig verwirrt und schaute ihre Mutter fragend an. Die Mutter gab ihr einen Block und meinte:
"Lisa, frage mal die Anderen hier im Saal, welche Lebensmotto sie besitzen. Schreib sie auf und heute Abend werde ich sie dir dann
erklären."
Lisa dachte einen Moment nach und dann schnappte sie sich den Block und Stift, den ihre Mutter aus der ihrer Tasche genommen hatte. Im Handumdrehen war sie aufgestanden und tippte einen älteren Herrn an. Als er sich zu ihr drehte fragte sie ihn, "Was für ein in Lebensmotto haben Sie?"
Der Mann hatte mitbekommen, wie Lisa nach "Glaube, Liebe Hoffnung" fragte und so antwortete er
ihr:
"Man lebt nicht, wenn man nicht für etwas lebt"
Das verstand Lisa sofort, aber schrieb es auf. Zu dem Herrn sagte sie "Danke" und fragte ihn noch:
"Für wen Leben sie denn?"
Der Mann meinte, "Für meine Familie, Freunde und Bekannte, ebenso für unsere Tiere."
Lisa fragte jeden einzelnen am Tisch und schrieb jede einzelne Antwort auf, als dann beim 2. Tisch ankam, da saßen alles ganz fremde
Leute, die sie noch nicht gesehen hatte. Lisa war ja nicht schüchtern und bat eine Frau, sie möge ihr, ihr Lebensmotto nennen.
"Wer bist du denn?", fragte die Dame.
"Ich bin Lisa und da hinten ist meine Mutter", antwortete sie freundlich und schaute die Dame erwartungsvoll an.
"Wie alt bist du denn, dass du dir schon darüber Gedanken machst?"
"Letzte Woche bin ich Acht Jahre alt geworden und bin in der 3.
Klasse, heute ist schulfrei. Hier mache ich nun eine Umfrage und möchte gerne wissen, was für ein Lebensmotto Sie haben."
"Spielst du denn noch Püppchen oder spielst du lieber ein Instrument?"
"Meine Gerda sitzt auf meinem Bett und ich spiele Blockflöte in der Schule, bekomme aber bald auch Klavierunterricht, ich freue mich jetzt schon darauf", gab Lisa Auskunft.
"Wie bist du denn auf Klavier gekommen?", wollte nun die Frau
wissen.
"Meine Freundin Klara spielt Klavier und das hört sich so schön an, mit ihr kann ich den Flowalzer spielen, hat sie mir beigebracht."
"Das ist aber eine tolle Freundin", erhielt Lisa noch zur Antwort, bekam aber auf ihre ursprüngliche Frage keine Antwort, so fragte sie die Dame, welche direkt neben der Frau saß.
Als Antwort erhielt sie "Leben und leben lassen"
Da Lisa etwas ratlos vor ihr stand erklärte sie es ihr mit folgenden Worten:
"In der Zeit, in der Du selber lebst (da bist) - hast Du die Chance, all das auszuprobieren und auch nach Deinen Wünschen zu gestalten - dafür solltest Du genau das aber auch allen anderen Menschen zugestehen."
"Danke, auch für die Erklärung" bedankte sich Lisa und wollte schon weitergehen, aber da hörte sie ihre Mutter, die nach ihr rief und Lisa ging zu
ihr.
Die Mutter wollte nach Hause fahren und beim Verlassen des Raumes rief Lisa in der Tür stehend ein lautes Danke und Tschüss.
Während der Autofahrt erzählte Lisa ihr, dass die Leute ganz unterschiedliche Lebensmottos besitzen und das manche es ihr erklärten, andere hätten keine Lust gehabt etwas zu sagen und meinten dann, genau wie Frau Meier oder Herr Hase.
"Ja Lisa, das war eine schöne Erfahrung, die du machen konntest und als Reporterin hast du dich ganz toll präsentiert. Wir schauen nachher deine Liste durch und wenn du noch Fragen hast, erklären entweder Papa oder ich dieses Lebensmottos. Einverstanden?"
"Ja", antwortete Lisa.
Erst am Abend fiel Lisa der Block mit den aufgeschrieben Lebenmottos wieder ein, denn als sie daheim ankamen, klingelte ihre Freundin Klara und holte sie zum Spielen
ab.
Stolz zeigte sie ihrem Vater die lange Liste und begann sie vorzulesen:
"- Genieße jeden Tag!
- Ordnung ist das halbe Leben
- Vertraue auf Gott
- Man lebt nicht, wenn man nicht für etwas lebt."
- Eigene Wege sind schwer zu beschreiten. Sie entstehn ja erst beim Gehen
- Offen jedem begegnen, keine Vorurteile anderen gegenüber
- Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!
- Schließt sich eine Tür, öffnet sich
eine Andere
- Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel anders setzen.
- Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.
- Wende dich der Sonne zu, dann fällt der Schatten hinter dich.
- Es ist besser, zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat
- Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
- Das Leben ist wie zeichnen – nur ohne Radiergummi.
- Wo ein Wille ist, ist auch ein
Weg
- Alles, was ich beginne, kann ein Erfolg werden.
- Sorge dich nicht um morgen, es raubt dir die Kraft für heute
- Erlaube dir selbst glücklich zu sein
--
Manche haben einfach gesagt, ich habe das gleiche Motto."
"Wow, das sind ja eine Menge unterschiedliche Mottos für ihr Leben", meinte der Vater.
Lisa hatte noch Fragen und wollte noch wissen, was bedeutet "Erlaube dir selbst glücklich zu
sein".
Der Vater schaute Lisa an und versuchte es mit den Worten:
"Bestrafe dich nicht selbst, besonders wenn man einen Fehler gemacht hat, der später unwichtig wird, zum Beispiel, weil eine verhauen Klassenarbeit bei zukünftigen ausgeglichen werden kann. Auch dumme und freche Bemerkungen von Mitschülern, die dich herunterziehen wollen."
"Ach, das habe ich jetzt
verstanden", erwiderte Lisa. Lisa überflog ihre Liste und wollte weitere Fragen stellen, aber ihre Mutter sagte, "Essen ist fertig".
Die Familie setzte sich an den Abendbrottisch.
Während des Essens erzählte die Mutter ein wenig von der Beerdigung und den Leuten, die sie seit Jahren nicht getroffen hatte.
Lisa blieb die ganze Zeit still und man merkte, dass sie grübelte.
"Lisa, was ist, sonst bist du doch nicht still, war es so schlimm?",
wollte der Vater wissen.
"Nein, es war schon komisch, als die wunderschöne verzierte Holzkiste in die Erde gelassen wurde und ganz viele weinten. Aber als wir dann in dem Saal saßen, wurde ganz viel erzählt. Da fällt mir noch eine Frau ein, die sagte "Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine Andere.""
"Und das verstehst du nicht?" erkundigte sich der Vater.
"In etwa, sie hat es mir auch an Beispielen erklärt" erwiderte Lisa.
"Und welche Beispiele hat sie denn genannt, dass du grübelst", wollte der Vater nun wissen.
"Man wüsste nie wozu es gut wäre, so ungefähr sagte sie es, und dazu gibt es viele Beispiele. Eine Freundin, die keine ist, oder ein Wunsch, der nicht erfüllt wird. Manchmal klappt etwas nicht und es passiert etwas viel Besseres. So in etwa erklärte sie es mir."
"Gut, sie hat es mit wenigen Worten gesagt und meinte, es kann passieren das man eine Freundin jemanden nennt, der aber nur einen ausnutzt und schlecht über einen spricht, dann schließt man die Türe zu oder anders gesagt, man beendet die Freundschaft. Man findet eine neue Freundin und eine neue Tür öffnet sich. Und zum Wunsch, leider kann nicht jeder Wunsch erfüllt werden, weil er vielleicht nicht zu bezahlen ist, aber ein Anderer ist erfüllbar, so öffnet sich wieder eine Tür.
Das ist so wie Stolpersteine, die man umgehen oder zur Seite räumt
und in deinem Leben wirst du sicher noch viele Steine finden", versuchte der Vater es mit anderen Worten zu erklären.
Lisa schaute ihre Eltern an und meinte plötzlich:
"Ich glaube ich habe auch ein Lebensmotto!"
Bevor die Eltern etwas fragen konnten, schoss es aus Lisa:
"Glaube, Liebe, Hoffnung! - Ich glaube ich habe die liebsten Eltern und habe die Hoffnung, dass ihr immer da seid und das ich nie Klara die Tür vor der Nase schließen
muss!"
Die Mutter zog Lisa zu sich auf den Schoss und drückte ihr liebevoll ein Kuss auf die Stirn.