Fasching
Wortvorgabe:
Ablenkungsmanöver
Baggersee
Biedermeierschränkchen
Federkleid
Firlefanz
Fischkonservenfabrik
Fußfessel
Kirchturmspitze
Liebe
Luxusproblem
Ohrring
Räumungsklage
Sachertorte
Tanzte
Fasching liebte sie schon, als sie ein Kind war. Sie erinnerte sich gerne an diese unbeschwerte Zeit, an die Vorfreude, wenn Mutter ihre Faschingskostüme nähte. Mutter war ja von Haus aus Schneiderin. Und immer
wenn Mutter nähte, fiel ihr das Kinderlied ein "Ein Schneider fing `ne Maus, ein Schneider fing `ne Maus, ein Schneider fing `ne Mausemaus, Mi-Ma-Mausemaus, ein Schneider fing `ne Maus." Und sie sang es im Takt zum Rattern der Nähmaschine.
Sie erinnerte sich an ein Jahr, als sie unbedingt ein Federkleid wollte, eines das in Regenbogenfarben leuchtete. Ihre Freundin würde zum Faschingsfest als Unterwasserkönig gehen. Wie blöd war das denn, dachte sie damals. Schließlich war sie ja ein Mädchen. Egal, sie wollte sich erst einmal so richtig um ihre Verkleidung kümmern. Dazu musste sie
ihre Mutter überreden mit ihr in die Stadt zu gehen, denn zu ihrem Kostüm mussten unbedingt ein Ohrring in Silber und in Gold her. Doch ihre Mutter machte ihr einen Strich durch die Rechnung und meinte, dass so ein Firlefanz nicht gekauft wird. Immer dann, wenn sie sich etwas ganz doll wünschte, legte ihre Mutter eine unsichtbare
Fußfessel um. Bei aller Liebe, sie würde an die Ohrringe kommen, egal wie, grummelte sie damals vor sich hin. In der Kleinstadt, in der sie lebte, gab es einen Juwelier und dort hatte sie erst welche gesehen, die ihr besonders gut gefielen. Aber ihr Sparschwein gab nichts her,
also musste sie sich etwas überlegen, wie sie an Geld kam. Mutter hob in der untersten Schublade ihres Biedermeierschränckchen unter den vielen Brokatdeckchen Geld in einem Briefumschlag auf. Der Plan, etwas davon zu nehmen, reifte immer mehr ihn ihr. Nun saß Mutter aber ständig an ihrer Nähmaschine, die nicht unweit vom Biedermeierschränkchen stand und das hieß ein Ablenkungsmanöver zu zelebrieren.
Meister Zufall kam ihr über den Weg gelaufen, als der Postmann klingelte. Sie freute sich wie eine Schneekönigin, als sie hörte, dass Mutter für den nächsten Tag eine Einladung zum Tanztee von
ihrer besten Freundin bekam. Ha, hoffentlich bleibt sie lange weg und gönnt sich auch mal mehr als bloß eine Sachertorte, dachte sie.
Der Tag wollte und wollte nicht enden, nervös blickte sie immer wieder auf die Uhr. Die Zeiger schienen sie anzugrinsen und mit jedem Tick tack scheinbar zu verhöhnen. Nach gefühlten Ewigkeiten brach der Abend an und so früh und so gerne ist sie noch nie zu Bett gegangen. Sie dachte bei sich, wenn ich ganz schnell einschlafe, dann ist auch schon gleich der nächste Tag da.
Gegen 6:30 klingelte ihr Wecker…es war Montagmorgen. Genauer gesagt
Rosenmontag. Sie schlug die Augen auf, räkelte sich und überlegte gerade, was sie geträumt hatte. Ohjeee, wieder so ein Traum aus ihrer Kindheit. Sie musste das unbedingt einmal analysieren lassen. Normal war das nicht, dass sie immer den gleichen Traum hatte. Sie ging in die Stube und schaute Richtung Biedermeierschränkchen, welches sie von ihrer Mutter geerbte hatte. Sie zog an der untersten Schublade und nahm den Brief heraus, der dort schon seit Ewigkeiten lag. Und obwohl sie Zeile für Zeile kannte, las sie ihn dennoch.
"Mein liebes Kind!"
„Natürlich habe ich gemerkt, dass du an meiner Geldreserve warst und ich bin
stolz auf dich, dass du nichts genommen hast, auch wenn die Verlockung noch so groß war. Ich weiß, wie sehr du dir Ohrringe gewünscht hast…"
Neben diesem Brief lagen sie also, die damals heißersehnten Ohrringe. Einer in Gold, der andere in Silber.
Wie gut, dass sie noch einmal in die Schublade geschaut hatte. Denn ihr fehlte noch eines wichtigen Accessoires für das heutige Faschingsfest... die Ohrringe. Das Faschingsfest stand ganz unter dem Motto "Unterwasserwelten" und sie würde als Unterwasserkönigin gehen.