Journalismus & Glosse
Smarthome

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"Neues Wohnen im Land der Übertreibungen, wo Faulheit wieder an Bedeutung gewinnt."
Veröffentlicht am 21. März 2023, 16 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Da sich bei Mystorys vieles verändert hat, ist es wohl an der Zeit, auch in meinem Outfit etwas zu verändern. Nun, was gibt es über mich zu sagen. Nein, ich bin kein Katzentier, das schreiben kann, nur mein Kater ist der Schönere von uns beiden und ein wenig eitel darf man doch noch sein, oder? Ich habe nicht den Ehrgeiz von allen verehrt und geliebt werden zu wollen, das klappt sowieso nie. Mir genügt es, wenn man mich nimmt so wie ich bin, ...
Neues Wohnen im Land der Übertreibungen, wo Faulheit wieder an Bedeutung gewinnt.

Smarthome

Smarthome


Habe lange an dieser fiktiven Geschichte geschrieben, die nicht so ganz ernst gemeint ist, aber dennoch ein Bild dessen zeigen soll, was passiert, wenn wir nur noch von der Technik beherrscht werden.


Viel Spaß beim Lesen.

Also wenn ich das Wort "Smart" höre, dann weckt das so einige Assoziationen in mir, denn das erinnert mich an den gelackten Schönling mit Maßanzug und steifer Fliege am Hals, der sich als Versicherungsmakler vorstellte und uns damals eine Risikolebensversicherung aufschwatzte, aus der wir nur mit Verlust wieder raus gekommen sind. Aber das nur mal so nebenbei. Also, mein Bekannter Horst prahlte einst, dass er sich ein Smartphone kaufen wolle, weil er im Lotto fast Zehn Mio. Euronen gewonnen hatte.

Mir stockte der Atem. Was will der mit einem Smartphone für so viele Mille. Und weil ich so zweifelnd schaute und ihn fragte, was er mit

so einem teuren Gerät anstellen wolle, meinte er: "Das ist kein Gerät, das ist ein Haus!" Ich kam ins Staunen: "Ein Haus???" "Ja ein Haus, das alles selber macht!" Ich staunte noch mehr und vor meinem inneren Auge entstand ein Bild von einem Haus, das auf drei Hühnerbeinen steht, wie das von der Hexe Babajaga:

"Ein Haus, das alles selber macht? Wie geht denn das?" Er erklärte es mir weitschweifig:

"Ja, da wird alles nur noch digital gesteuert, egal ob du die Heizung schon mal aus der Ferne voreinstellen kannst, die Sonnenschutzrollos selbständig runter fahren, wenn es draußen zu heiß wird, oder der Kühlschrank einfach nachbestellt, was fehlt. Dazu fährt den ganzen Tag ein Saugroboter durch und saugt jedes Stäubchen weg. Ein anderer Roboter räumt die Spülmaschine ein und aus. Eine Lichtsteuerung gibt es auch. Dann sage ich nur <Siri, mach Licht an, oder Licht aus> und muss keinen Schalter mehr bedienen. Auch wenn sich Gäste ansagen, muss ich nicht extra zur Haustür gehen, auch die öffnet mirSiri auf Zuruf." "Aha", meinte ich, "und was machst du,

wenn der Strom mal ausfällt?" Er guckte, als hätte ich ihn nach der nächsten Sintflut gefragt. "Dafür gibt es ja ein Notstromaggregat, das springt sofort an, wenn der Strom weg ist." Ich bohrte weiter:

"Aber das Notstromdings hat doch bestimmt auch nicht ewig Strom, wenn auch das nicht mehr funktioniert, was machste dann?" "Dafür gibt´s doch auf dem Dach noch Sonnenkollektoren", wies er mich zurecht. Nun, dann möge ihm ewig die Sonne

scheinen, dachte ich mir, wagte aber nicht das auch noch anzusprechen, denn dann kramt er womöglich noch ein Windrädchen aus und erklärt mir ausschweifend die Funktionsweise. Na gut, einige Wochen später meldete er sich stolz wieder und meinte, ich könne ihn ja mal besuchen und sein neues Smarthome begutachten. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Die Neugier siegte und ich besuchte ihn. Ich klingelte und sogleich öffnete sich die Tür. Ich vermutete ihn dahinter und hatte schon die Hand parat, um ihm guten Tag zu sagen. Aber hinter der Tür stand nur ein komisches Ding, das aussah, wie ein Kegel auf Rollen mit zwei Greifarmen und einem riesigen, einem Auge

ähnlichen Ding in der Mitte des Kopfendes, das mich mit Blechstimme anschnarrte: "Bitte folgen sie mir, aber erst Schuhe ausziehen." Es walzte voran in einen großen, spärlich eingerichteten Raum mit weiß gefliestem Fußboden und da lag in bequemer Pose auf einer grau-beigen riesenhaften Eck-Couch mein Bekannter Horst. Ich erkannte ihn kaum wieder. Er hatte in den paar Monaten, in denen ich ihn nicht gesehen hatte, mindestens einen Zentner an Gewicht zugelegt und einen Bauchumfang, bei dem ich zweifelte, dass er überhaupt noch durch die Tür passt.


"Setz dich doch", forderte er mich auf und zeigte auf einen Sessel, der gegenüber der Couch stand und eher zum Schlafen als zum Sitzen einlud. "Möchtest du was trinken", fragte er mich, "vielleicht einen Kaffee?" Naja, für Kaffee bin ich ja immer zu haben und so nickte ich. "Siri", brüllte er, "sag mal der Kaffeemaschine dass sie einen frischen Kaffe aufbrühen soll und dem Robbi, dass er ihn an den Tisch bringen soll." Ich hörte, wie ein Mahlwerk anfing die

Kaffeebohnen zu bearbeiten und ein feiner Kaffeeduft umwedelte schon als Vorgeschmack meine Nase. Das Dings, was mich schon am Eingang angeschnarrt hatte, kam auch sogleich angewalzt, hatte eine Tasse mit duftenden Kaffee in seinen handähnlichen Greifwerkzeugen und stellte diese vor mir auf den Marmortisch. Der Kaffe schmeckte, da gab es nix zu meckern. Wir unterhielten uns noch eine Weile, aber das Thema Smarthome wurde mir dann doch etwas zu ausschweifend, so verabschiedete ich mich nach einer reichlichen Stunde von Horst und begab mich wieder in die Realität

meines altgewohnten Nichtsmarthomes. Ein paar Wochen später klingelte es bei mir. Draußen stand Horst. Ich guckte ihn verdattert an, weil ich nicht vermutet hatte, dass er sich jemals wieder von seiner bequemen Couch erheben und auch noch ein paar Schritte laufen würde. Sein zerknirschtes Gesicht sprach Bände. Er hatte also Probleme! "Na, komm schon rein," meinte ich zu ihm,"und sag, was los ist." "Das verdammte Haus hat mich ausgesperrt, aber es geht mir schon lange auf

den Nerv." sprudelte es aus ihm hervor und er hatte dabei Tränen in den Augen. "Diese Woche hatte ich es gewagt, bei dem schönen Sonnenschein mal in den Garten zu gehen und nach dem Rechten zu sehen. Wollte mal prüfen, ob der Mähroboter seine Arbeit auch richtig macht.

Mein Smartphone ließ ich im Haus, weil ich ja die Türe offen gelassen hatte. Doch der dämliche Saugroboter hat wohl die Türe zugeschlagen und nun komme ich nicht mehr rein, weil der Türöffner mich angeblich nicht erkennt und mich nicht reinlässt. Er antwortet auf mein Klingeln immer nur << Bitte melden sie sich an>>, aber wie soll ich mich anmelden, wenn das verdammte Smartphone

im Haus liegt. Nun bin ich wohl obdachlos, kann nicht mal die Techniker anrufen, dass die mir helfen ins Haus zu kommen. Außerdem scheint das ganze Haus zu spinnen," fuhr er fort, "denn immer wenn ich auf der Toilette war, meldete die mir, ich soll mal einen Arzt aufsuchen, da meine Ausscheidungen nicht mehr den Standardwert aufweisen würden. Der Kochroboter spinnt auch, denn der kocht mir immer was, worauf ich grade keinen Appetit habe und meint, dass er mich auf Diät gesetzt hat, weil ich für meine Größe zu schwer geworden sei. Selbst der Kaffeeautomat serviert mir nur noch Tee, weil der angeblich meiner Gesundheit zuträglicher sein soll. Mein Fitnessarmband mahnt mich jeden Abend, dass ich noch keine

Zehntausend Schritte auf dem Laufband getätigt hätte und dass das Bett sich erst runter klappt, wenn ich diese absolviert hätte. Ich werde also auf Schritt und Tritt nur noch getrimmt und das nervt ganz schön, sag ich dir." "Außerdem habe ich gestern mal in mein Konto geschaut" fügte er nach einer Pause hinzu, "und da bekam ich fast einen Herzkasper. Mein Geld ist fast weg, nur noch Abbuchungen für alles Mögliche und ich kann es nicht mal nachprüfen. Kannst Du mich wenigstens mal telefonieren lassen, ich hab mich entschieden, das Haus wieder zu verkaufen. Soll jemand anderes damit glücklich werden."

Er führte ein kurzes Gespräch, bedankte sich bei mir und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Ich dachte nur noch:


<<Naja, früher beherrschte der Mensch die Technik, jetzt ist es umgekehrt.>>,>

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Hörbuch

Über den Autor

baesta
Da sich bei Mystorys vieles verändert hat, ist es wohl an der Zeit, auch in meinem Outfit etwas zu verändern. Nun, was gibt es über mich zu sagen. Nein, ich bin kein Katzentier, das schreiben kann, nur mein Kater ist der Schönere von uns beiden und ein wenig eitel darf man doch noch sein, oder? Ich habe nicht den Ehrgeiz von allen verehrt und geliebt werden zu wollen, das klappt sowieso nie. Mir genügt es, wenn man mich nimmt so wie ich bin, manchmal etwas bissig, manchmal ernsthaft, machmal übermütig, aber niemals bösartig.
Diesen Aphorismus kann ich nur ans Herz eines jeden Menschen legen: Sich selbst bekriegen - der schwerste Krieg.Sich selbst besiegen - der allerschönste Sieg! - Friedrich Freiherr von Logau
(1604 - 1655), deutscher Jurist, Satiriker, Epigramm- und Barockdichter, Pseudonym: Solomon von Golaw)

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Luap Ja, so kann es gehen. Ich kenne auch einen, der nicht mehr in sein Haus hinein konnte, weil das smarte System etwas verwirrt war.
Und alles wird noch viel smarter. KI lässt sich nicht mehr aufhalten. Davor habe ich Angst, denn KI wird in die vollkommene Überwachung führen und wird nichts vergessen. Es bleibt zu hoffen, dass uns Menschen das Ganze nicht entgleitet ...

Liebe Grüsse
Paul
Vergangenes Jahr - Antworten
baesta Lieber Paul,
danke Dir und verzeih die späte Antwort. Sehe erst jetzt, dass Du meine Persiflage gelesen hast. Danke auch für den Favo.
Ja, die KI ist schon etwas, vor dem wir uns doch hüten sollten.
Aber so ist das, wenn eine digital schon allzu sehr verseuchte Menschheit den eigenen Verstand, der ihnen von Mütterchen Natur mitgegeben wurde, nicht mehr zu nutzen weiß.
"Wenn sich Künstliche Intelligenz eines Tages fragt, ob natürliche menschliche Intelligenz überhaupt existiert, dann haben wir sicher verpasst, rechtzeitig den Stecker zu ziehen." (Kersten Kämpfer)
UND: "Künstliche Intelligenz ist keine Alternative für natürliche Dummheit, aber eine sinnvolle Ergänzung." (Helmut Glaßl)

Liebe Grüße
Bärbel
Dieses Jahr - Antworten
Memory 
Liebe Bärbel,
meine lange Antwort habe ich gerade wieder gelöscht, sie war zu persönlich :)
Was aber hierher passt ... Wenn nicht sehr bald Pflegeroboter in großen Massen ihre Arbeit in Pflegeeinrichtungen aufnehmen, sehr ich für uns alle schwarz. Und das ist leider nicht witzig gemeint.
Lieben Gruß
Sabine
PS. Deine Geschichte habe ich trotzdem gern gelesen :)
Vergangenes Jahr - Antworten
baesta Liebe Sabine, Pflegeroboter schön und gut. Abe wo willst Du die Dinger einsetzen? Meine Schwiegertochter arbeitet auch in der Pflege und ich weiß, wie es da zugeht. Ich für mein Teil möchte nicht dauernd über so ein Ding stolpern und wenn bei denen mal was durchbrennt, dann ist der Schaden bestimmt auch nicht eben gering.
Technik gut und schön, aber nur wenn sie dem Menschen auch nützt und nicht ihn beherrscht.
Danke Dir, dass Du meine Geschichte trotzdem gelesen hast.

Liebe Grüße
Bärbel
Vergangenes Jahr - Antworten
Memory Ach, wenn wenigstens einer bemerkt, dass man stolpert, ist es doch nicht schlecht.
Außerdem würde ich mir lieber von so einem das Essen bringen oder das Bett machen lassen, als ewig darauf zu warten. Ich denke ernsthaft, dass Roboter in der Pflege gezwungerndermaßen Zukunft haben.
Lieben Gruß noch einmal
Vergangenes Jahr - Antworten
schnief Eine sehr gute Erzählung, die ich mit einem Grinsen gelesen habe, denn das Ende seines Glücks selbst beim vergessenen Aufladen des Smartphones kann solch ein Szenario hervorrufen.
Bequemlichkeit hin oder her, die KI sollte man nur bis zu einem gewissen Punkt zulassen.

Liebe Grüße Manuela
Vergangenes Jahr - Antworten
baesta Richtig erkannt. Frage mich, was wir machen, wenn dieser schon so oft zitierte Blackout eintritt. Immer mehr Elelktrik ist nicht immer gut. Zu Silvester gab es mal einen netten Kurzfilm mit Anke Engelke, die mit einem fremden Mann in einer Sparkassenfiliale eingeschlossen war, weil die automatischen Türoffner nicht funktionierten. Auch bei uns hat es bei DM schon so einen Vorfall gegeben. Da kommt man ganz schön is Schwitzen.
Danke Dir, auch für die Geschenke.

Liebe Grüße
Bärbel
Vergangenes Jahr - Antworten
FLEURdelaCOEUR So hat jeder Fortschritt einerseits seine begeisterten Anhänger und andrerseits Skeptiker. Ich erinnere mich noch, dass meine Großtante noch in der Nachkriegszeit Angst hatte, wir könnten vom Radio abgehört werden, Fernseher gabs da noch nicht. Meine Oma, ihre Schwester, hatte hingegen viele elektrische Geräte in ihrem damals modernen Haushalt.
Seit wir aus unserem Haus ausgezogen sind, benutze ich dankbar einen elektrischen Wäschetrockner, da es in unserem Wohnblock weder im Keller noch draußen einen Trockenplatz gibt. Auch einen Geschirrspüler habe ich mit der Einbauküche des Vorbesitzers übernommen. Bei dem derzeitigen Arbeitskräftemangel muss man als nicht mehr gesunder älterer Mensch über jegliche Hilfe froh sein, auch Roboter, z.B. zum Betten beziehen und elektronische Geräte eingeschlossen. Besonders gefiel mir, dass die digitale Küche offenbar auch selbständig "Diät" zum Abnehmen oder für Diabetiker zubereitet ;-)))
Tja, und dass man auch mal ausgesperrt wird, das habe ich bei unserem Mazda schon 1990 erlebt.
Man muss ja nicht faul sein, kann aber seine Zeit sinnvoller nutzen oder ist als alter/gehandicapter Mensch einfach dankbar, dass es diese elektronisch gesteuerten Haushaltshelfer gibt.
Liebe Bärbel, für mich gilt auch hier, die Dosis macht's! Man muss ja nicht gleich übertreiben. ;-)))

Liebe Grüße
fleur
(noch ohne Thermomix, aber einen digitalen Schuhputzer hätte ich gerne)
Vergangenes Jahr - Antworten
baesta Upps, da war meine lange Antwort auf einmal weg, weil sich Firefox verabschiedet hatte. Du hast natürlich Recht. Die Dosis macht´s.
Hab ja auch viele Geräte u.a. auch einen Brotbackautomat, den ich aber gar nicht so oft benutze und der eigentlich nur Platz wegnimmt..
Danke Dir für den ausführlichen Kommi und die digitalen Geschenke.

Liebe Grüße
Bärbel
Vergangenes Jahr - Antworten
HarryAltona Drum prüfe wer sich ewig bindet, sag ich da nur.. Denn wer sich selbst der Kontrolle andient hat es nicht besser verdient.
lg... harryaltona
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