Schönen Gruß vom Weihnachtsmann, soll ich ausrichten. SCHÖNE BESCHERUNG
Mit frostigem Blick und puterrot gefrorener Nase wärmte der Weihnachtsmann seine kalten Finger an der Tasse. »Kinderpunsch! – seufz! – Ein echter Grog wäre mir jetzt lieber! Das Fest ist vorbei, der Braten gegessen. Und die Geschenke? Geschenkt oder schon wieder umgetauscht. Mach, dass du endlich raus kommst, Michael! Ich habe Feierabend.«
Sein Sekretär schüttelte kapriziös mit dem Kopf. Dann schloss er hinter sich die Tür. Endlich kehrte die gewünschte himmlische Ruhe in des Weihnachtsmanns Gemach ein.
Vom Flur drang verhaltenes Stimmengewirr und das Stampfen fester Stiefel. Die
bezaubernden Melodien, die seit Menschengedenken am Heiligabend durch das Weihnachtshaus wehten und mit den ersten Schneeflocken durch den Kamin entwischten, um fast lautlos auf die Erde niederzugehen, kehrten eine nach der anderen zurück. Sie verzogen sich müde. Kling, Glöckchen, klingelingeling.
»Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet«, seufzte der Weihnachtsmann.
Was hatten die Menschen sich wieder alles gewünscht und was hatten sie stattdessen bekommen! Er erinnerte sich mit Grausen. Wie so oft war es einfach nicht mit rechten Dingen zugegangen. Die Wenigsten erhielten das Gewünschte! Dabei hatte doch Michael alles im Griff gehabt! Oder etwa nicht?
Der Eine hatte sich einen Wagen für die örtliche Feuerwehr gewünscht, aber nur ein paar neue Schuhe erhalten. Ein Anderer hatte ein raffiniertes Schmuckstück für seine Liebste bestellt; sie fand aber nur einen Spielzeugring im Päckchen. Wieder ein Anderer hätte gerne eine neue Mikrowelle bekommen, stattdessen hatte er nur warme Socken gefunden. Mancher hatte sich nichts sehnlicher gewünscht als einen Kuss für seine Seele oder gleich eine ganze Handvoll auf den Mund. Doch da blieben die Geschenke fern. Auch einen neuen Ofen hatte er auf dem Schlitten mitgenommen, der war aber in einer scharfen Rechtskurve heruntergefallen und an einer Steilküste zerschellt. Eine Riesenkiste,
die obendrauf festgezurrt gewesen war, hatte der Gusseiserne leider mitgenommen. »Nun bekommen die Armen nicht einmal mehr ein Pflaster für ihre Seelennot.«
Der Weihnachtsmann wiegte den Kopf traurig hin und her. Dann straffte er die Schultern und lächelte. »Nach dem Fest ist vor dem Fest.«
Mit der Rechten zog er einen Flachmann aus seiner Pyjamajacke, öffnete das Fläschchen, roch genüsslich mit den Augen rollend daran und kippte einen ordentlichen Schluck zu dem heißen Fruchtsaft in die Tasse. Mit einer bunten Zuckerstange vom halbleeren Weihnachtsteller rührte er darin.
»Der Stoff, aus dem die Träume sind.« Allein beim Gedanken an den ersten Schluck rann
ihm ein wohliges Gefühl seine Kehle hinab.
Bleiern lasteten die Lider auf seinen Augen. War es schon Tag oder dauerte die Nacht ewig? Als er sich aufsetzen wollte, stöhnte er schmerzerfüllt. Einzig eine Hand fand von Zeit zu Zeit zu seinem Glück. Er nahm es zärtlich an wie ein geliebtes Wesen. Der letzte Schluck spülte den Staub von seiner Zunge. Einer entrückten Maske gleich segelte er aus dem Delirium direkt in die starken Arme seines Sekretärs, der zu Dreikönig noch einmal nach dem Rechten gesehen hatte.
Michael stieg müde die Stufen zu seiner Dachkammer empor. Wenig später schloss sich seine Tür und er legte eine neue Platte auf. Über die morgengrauen Flure ertönte: »Spiel mir das Lied vom Tod.«