Charly
Als wir einem älteren Tier nach der schmerzlichen Trennung von unserem alten Kater "Mausi" "Mäuschen" nochmals eine Chance geben wollten, ahnten wir nicht, was für einen wunderbaren Hausgenossen wir uns mit diesem schon elfjährigen Kater in die Wohnung geholt hatten.
Es war das Jahr 2017, als unser alter Kater genau am Valentinstag zusammenbrach und wir ihn erlösen lassen mussten.
Danach war nichts mehr, wie es war. Die Wohnung leer und er fehlte an allen Ecken und Enden, trotzdem er die letzten Jahre ein sehr aufwändiger Pflegling gewesen war.
Um Abstand zu gewinnen, fuhren wir erst mal
in Urlaub, aber als wir wieder zu Hause waren, kroch dieses Gefühl der Leere wieder in uns hoch.
Dann stieß ich zufällig bei Ebay in den Kleinanzeigen auf einen Hilferuf, in welchem eine junge Frau für ihren schon älteren Kater eine neue Bleibe suchte, weil dieser sich von der kleinen Tochter gestresst und gestört fühlte.
Da er auf dem Bild fast aussah, wie unser "Mäuschen", meldete ich mich bei ihr und nach einigen Telefonaten fuhren wir nach Leipzig, um den Kater erst mal kennen zu lernen.
Er hieß Charly und Tatjana (Name geändert), so hieß die junge Frau, ließ es sich nicht nehmen, ihn dann im April persönlich bei uns vorbei zu bringen, um sich zu überzeugen, dass er es bei uns auch gut haben würde. Sie
sagte uns, dass sie zwar viele Interessenten für Charly hatte, aber in eine Studenten-WG wollte sie ihn nicht abgeben, denn da hätte er auch nicht die nötige Ruhe gehabt.
Als sie dann zu uns kam und ihn aus der Transportbox ließ, kam er auch sofort heraus und inspizierte erst mal die ganze Wohnung.
Das Katzenklo fand er auch sogleich und nun war es besiegelt, dass er bei uns bleiben konnte.
Er entpuppte sich als ein sehr kluges, gut erzogenes Tier mit großen Augen und glänzendem Fell. Putzen war seine Hauptbeschäftigung, spielen seine zweite
Passion
und er hatte es innerhalb kurzer Zeit geschafft, unsere Herzen zu erobern, obwohl wir immer noch um unser "Mäuschen" trauerten.
Wenn er nicht gerade spielte, sich vor der Balkontür die Sonne auf den Pelz scheinen ließ oder sich putzte, lag er gern bei meinem
Mann auf dem Sofa und kuschelte mit ihm, obwohl Tatjana uns sagte, dass er Männer nicht mag.
Wir verwöhnten ihn nach Strich und Faden.
Besonders gern guckte er fern und zwar, wenn Tierdokus kamen, dann schaute er ganz interessiert, besonders bei Hunden und Vögeln.
Wenn er was zu fressen haben wollte, kam er zu mir, legte seine Vorderpfötchen auf meinen Oberschenkel indem er sich auf die Hinterbeine stellte und mich unverwandt anschaute. Ich nahm dann sein Köpfchen zwischen beide Hände, streichelte ihn und
fragte:
"Na Charly, was willst du denn, zeig es mir."
Dann marschierte er entweder in die Küche wo sich sein Futternapf befand oder ins Bad, wo das Katzenklo stand. Aha, im Bad wollte er mitteilen, das etwas im Katzenklo war, oder er sprang auf den Badewannenrand und bedeutete mir, dass er im Waschbecken zu trinken gedachte und zwar fließendes Wasser aus dem Wasserhahn. Komisch - das hatte sein Vorgänger auch immer gemacht.
Beim Futter haben wir ihn sehr verwöhnt und ihn immer raussuchen lassen, worauf er Appetit hatte. Ich hielt im dann zwei verschiedene Futterbeutel hin und stupste er einen mit der Nase an, dann bekam er eben
diesen.
Er sprang auch nie auf den Tisch, das hatte unser alter Kater zu gern gemacht, da konnte man schimpfen, wie man wollte. Charly war eben sehr gut erzogen, wenn man das von einem Katzentier so behaupten kann.
Vieles, was unser alter Kater gemacht hatte, das machte auch Charly.
So schlief der alte gern in unserem Schlafzimmer auf dem hohen, fast bis zur Decke reichenden Kleiderschrank und auch Charly zog es irgendwann dahin. Er hüpfte erst aufs Bett, dann auf die Fensterbank, von da auf den daneben stehenden kleineren Herrenschrank, dann auf das Regal darüber
und von da auf den Kleiderschrank. Manchmal sah man kaum was von ihm, außer einem halben Ohr oder seiner Schwanzspitze.
Wenn ich am Couchtisch bei meinen Kreuzworträtseln saß und ein Glas Wasser vor mir stehen hatte, kam Charly, setzte sich neben mich, bekam einen immer längeren Hals und reckte seine Nase zum Wasserglas hin.
Sagte ich "Nein", zog er sich sofort zurück und guckte mich seinen großen Augen fragend an, als wollte er sagen: "Oooch, das hätte ich auch gern mal gekostet."
Manchmal packte ihn der Übermut und er jagte mit hoch aufgerichtem aufgeplustertem
Schwanz in der Wohnung umher - von der Balkontür ins Bad, dann ins Kinderzimmer und wieder ins Wohnzimmer oder in die Schlafstube, hüpfte ins Bett und guckte übermütig.
Er war auch sehr neugierig. Kamen wir vom Einkaufen nach Hause, wartete er schon an
der Vorsaaltür. Das hatte auch sein Vorgänger schon gemacht. Wie Katzen das spüren können, dass die Dosenöffner nach Hause kommen, obwohl die noch gar nicht im Haus sind, wird wohl immer ein Rätsel bleiben.
Wenn wir dann in der Wohnung waren musste er erst mal alle Taschen inspizieren, ob nicht
was für ihn dabei war. Meistens hatten wir etwas dabei, entweder Katzenstäbchen oder Schleck-Snacks und er bekam seine Portion auf einem kleinen Tellerchen serviert.
Die Katzenstäbchen mochte er besonders, denn seine vorherige Dosenöffnerin hatte ihm beigebracht, Pfötchen zu geben und als Belohnung ein kleines Stückchen zu bekommen. Da Charly mit einem Hund aufgewachsen war, hatte er sich wohl von dem viel abgeschaut.
Wollte man aber ein zweites Mal, dass er Pfötchen gab, dann streikte er, drehte den Kopf weg und gab zu verstehen, dass er nicht gedachte, dieser Forderung nachzukommen.
Dann bekam er den Rest in das Fummelbrett und aus den kleinen Gläschen, die dort befestigt waren, holte er sich den im Nu mit seinen Pfötchen raus. Dabei nahm er die Krallen zuhilfe und führte den Snack damit zum Maul.
Ach ich liebte sie so sehr, seine kräftigen weichen Pfötchen und streichelte sie gern, wenn er neben mir saß und mich beobachtete.
Besonders gern mochte er Taschen. Wenn ich ihm eine hinhielt, sprang er hinein und ich konnte ihn damit schaukeln. Das hätte ich stundenlang machen können aber er war doch ziemlich schwer und so tat mir beizeiten der
Rücken weh.
Dann kam das Jahr 2021 und ich merkte, dass
es ihm nicht mehr so gut ging. Er erbrach häufiger und so ging ich mit ihm zum Tierarzt. Er machte eine ganzheitliche Blutuntersuchung für ältere Tiere und ich erfuhr, dass er auch, wie sein Vorgänger, eine Schilddrüsenüberfunktion hatte und Tabletten nehmen musste.
Nun mit Zwang eine Tablette in eine Katze zu bekommen, funktioniert nur einmal, dann ist es erst mal vorbei. Also musste ich mir was einfallen lassen. Ich kaufte Rinderhack, machte daraus kleine Bällchen und schob die Tablette hinein. Damit ging es einige Zeit auch gut, bis er das Hack auch über hatte, nur noch dran schnupperte und dann stehen ließ.
Also probierte ich es mit frischem
Hähnchbrustinnenfilet.
Da hatte ich das Richtige entdeckt. Das fraß er mit Vorliebe. Also schnitt ich kleine Stückchen, bohrte mit dem Messer eine kleine Tasche hinein in welchem ich die Tablette versteckte und das klappte lange Zeit ganz prima.
Jedoch als der Krieg in der Ukraine begann, bekam der Tierarzt das russische Medikament gegen die Schilddrüsenüberfunktion nicht mehr und Charly bekam ein deutsches Präparat, welches die gleichen Inhaltsstoffe haben sollte.
Aber damit begann das Dilemma.
Ich konnte diese Tabletten zwar auch noch in dem Hähncheninnenfilets verstecken und er
nahm sie auch, jedoch jetzt fing er an, sich fast täglich zu erbrechen und auch sein Appetit ließ nach. Seine hintere Rückenpartie wurde immer schmaler und die Hüftknochen traten stärker hervor, als sonst.
Er kuschelte zwar nach wie vor mit uns, spielte auch noch mit seinen Spielzeugen, aber ich merkte, dass es ihm nicht mehr so gut ging.
Eine erneute Blutuntersuchung, die ich anlässlich einer Zahnsteinentfernung bei ihm machen ließ, brachte hervor, dass die Schilddrüsenwerte sich eher verschlechtert hatten und das, obwohl er täglich seine Tablette bekommen hatte.
Drei Tage vor dem 3. Advent wurde es dann
ganz schlimm. Er verweigerte Nahrung und Trinken. Also ging es wieder zum Tierarzt. Der gab ihm vier Spritzen und spät abends fing Charly wenigsten an etwas Wasser zu schlecken. Ich schöpfte Hoffnung, aber am nächsten Tag wurde es noch schlimmer. Er fing an, sich zu verstecken, wohl vor den Medikamenten (Antibiotika und ein flüssiges Schilddrüsenmittel), die ich ihm natürlich jetzt unter Zwang verabreichen musste, wobei mein Mann ihn festhalten musste und ich ihm die Medikamente ins Mäulchen gab. Nun versteckte er sich nur noch, entweder in einer Ecke, oder hinter dem Sofa. Er brachte es sogar fertig, noch ein letztes Mal auf unseren fast bis zur Decke reichenden Kleiderschrank hochzuklettern. Das war, wie bei unserem
ersten Kater, lange sein Lieblingsschlafplatz tagsüber, aber seit es ihm schlechter ging, war er schon lange Zeit nicht mehr hinauf geklettert.
Dann fing er an zu schreien, also rief ich am 3. Advent wieder den Tierarzt an und konnte nachmittags nochmals zur Behandlung kommen. Da bekam er sechs Spritzen, vier davon waren ziemlich groß und das war eine Flüssigkeit zur Bekämpfung seiner Dehydrierung.
Zu Hause angekommen schleppte unser Liebling sich wieder ins Bad und legte sich vor seinem dort stehenden Wassernapf hin, trank aber nicht. Ich massierte ihm den Bauch und versuchte, seine Blase auch etwas anzuregen, aber er hatte wohl Schmerzen, also ließ ich das. Trug ihn ins Wohnzimmer und gab ihm da nochmals etwas Rotlicht.
Doch dann fing er an zu zittern und schrie auch wieder qualvoll. Gegen 21.00 Uhr rief der Tierarzt nochmals an und fragte, wie es ihm geht. In dem Moment hörte er auch sein Schreien und er bot an, dass wir gleich noch hinkommen könnten, damit er ihn erlöst.
Das haben wir dann auch gemacht, denn wir wollten nicht, dass er noch bis zur regulären
Sprechstunde am Montag Nachmittag leiden sollte.
Wir weinten beide, als unser Liebling, der uns so viel Freude gemacht hatte, seinen letzten Atemzug tat.
Nun ist die Wohnung wieder so leer.
Er steht nicht mehr an der Wohnungstür, wenn wir vom Einkaufen nach Hause kommen.
Er schläft nicht mehr auf meinen Füßen. Er spielt nicht mehr mit seinem Raschelspielzeug und bringt uns nicht mehr zum Lachen.
Ach Charly du fehlst uns und wurdest nur 16 Jahre alt. Nächstes Jahr wärest Du im April siebzehn geworden.
Nun hat er in unserem Garten neben dem Grab von unserem ersten Katerchen seine
letzte Ruhestätte gefunden.
Schlaf wohl kleiner Freund. Wir werden immer an Dich denken.
(Wer möchte kann ihm auf YouTube beim Spielen zuschauen. Hier zwei Links:
https://www.youtube.com/watch?v=8vQiEwq2Df0
https://www.youtube.com/watch?v=qMBNWrZOxkI)