Biografien & Erinnerungen
Mein Tagebuch - Von einer "üblen" Reise...

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"Warum sich Arbeit doch lohnen kann"
Veröffentlicht am 02. Dezember 2022, 20 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal ...
Warum sich Arbeit doch lohnen kann

Mein Tagebuch - Von einer "üblen" Reise...

Von einer "üblen" Reise im wahrsten Sinne des Wortes und einer Sammelaktion in der Ferne




oder:



Warum sich Arbeit doch lohnen kann


Beim letzten Mal hatte ich euch ja von meinem Überflug inklusive unglücklicher Landung auf meinem Schlüsselbein erzählt. Ich bin aber auch schon einmal richtig geflogen, in einem Flugzeug. Doch auch dieses Mal verlief nicht alles, wie geplant. Gespannt? Dann lest weiter. Also. Es war in meinem zweiten Lehrjahr als Melkerin in dem Ausbildungsbetrieb Hertefeld. Das liegt bei Nauen. Unsere Brigade hatte das Ziel der Planwirtschaft übererfüllt, also sogar noch besser als gefordert abgeschlossen. Daher spendierte uns die Genossenschaft einen

Tagesausflug nach Budapest, der Hauptstadt von Ungarn. Das war für uns natürlich etwas ganz Besonderes, denn, wie ihr ja bestimmt noch wisst, waren Reisen ins Ausland eher rar. Und wenn es auch nur einen Tag lang war. Damit wir auch was von dem Ausflug hatten, wurden die Hin- und Rückreise natürlich mittels Flug zurückgelegt. Für die meisten von uns eine ganz neue Erfahrung. Und das galt nicht nur für uns Lehrlinge. Nein, auch viele von den Facharbeitern, die uns begleiteten, kamen von kleinen Dörfern und waren noch nie so weit gereist. Geschweige denn in einem Flugzeug gesessen. Wir

waren alle mächtig aufgeregt. Und dann war es endlich soweit. Der langersehnte Tag war angebrochen. Die Abreise mit einem Reisebus zum Flughafen Schönefeld, damals noch ganz ohne Schlagzeilen, startete zwar schon um 3 Uhr morgens, aber das war für uns kein Problem. Erstens mussten wir als Tierpfleger/Melker sowieso um 4 Uhr mit der Arbeit beginnen und zweitens waren die meisten von uns so aufgeregt, dass wir, aus Angst, zu verschlafen, jede Stunde aus dem Schlaf hochschreckten und auf den Wecker schielten. Endlich war es dann soweit und ich sprang aus dem Bett und schnappte mir den

gepackten Rucksack. Wir versammelten uns auf dem Dorfplatz. Nach ungefähr eineinhalb Stunden Busfahrt kamen wir am Flughafen an und wurden auch bald daraufhin abgefertigt. Endlich ging es raus zum Flugfeld, damals noch zu Fuß, da das Flugzeug in direkter Nähe zu den Gebäuden geparkt stand. Ich weiß noch, wie neugierig ich war und es gar nicht erwarten konnte, die Treppe hochzuklettern und das kleine Flugzeug zu besteigen. Es handelte sich um eine russische zwei(?)motorige Propellermaschine. Ähnlich einem sogenannten Rosinenbomber oder der Douglas DC-3. (Falls ihr einmal

nachschlagen wollt) Die Propeller saßen jeweils vorn an den Tragflächen und sahen ganz schön furchteinflößend aus. So für mich als völlig unerfahrene Flugneuling. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr ganz genau, ob das Flugzeug zwei oder vier Propeller hatte, also vielleicht auch jeweils zwei links und zwei rechts. Ich weiß nur noch, dass es eine russische Maschine und Anfang der 80er Jahre war. Und Propeller besaß. Keine Triebwerke. Aber das spielt eigentlich für diese Geschichte keine große Rolle. Also weiter im Text.

Wir bestiegen alle das Flugzeug und stellten erfreut fest, dass wir die einzigen Passagiere waren. Aber die Maschine war auch nicht so groß wie die Modelle heute und nur für eine kleinere Anzahl von Passagieren ausgelegt. Nun ja, wie gesagt, so groß war der Andrang an Passagierenden ja nicht für Flüge ins Ausland. Der Wunsch war schon da, aber so eine Reise musste ja von höherer Stelle abgesegnet werden. Zum Glück galt ich damals noch nicht als fragwürdiges Subjekt, welches von dem Ministerium für Staatssicherheit beziehungsweise einem IM aus meinem

engen Umfeld überwacht werden musste. Denn dann hätte ich die kurzzeitige Ausreise aus der DDR auf keinen Fall genehmigt bekommen. Aber so war alles gut und dem Flug stand auch für mich nichts im Wege. Da die Sitzplätze alle belegt waren von unserem Betriebsangehörigen, musste ich mich auf einen Platz setzen, der sich in der ersten Reihe befand und umgekehrt ausgerichtet war, also mit Blickrichtung in das Flugzeug hinein. Nicht in Flugrichtung. Fand ich aber auch nicht schlimm. Jedenfalls nicht, solange wir noch still am Boden standen. Erst mit zunehmender Fahrt und dem Abheben

vom Rollfeld änderte sich meine Einstellung schlagartig. Könnt ihr euch vorstellen, was das für ein Gefühl ist, wenn ihr ziemlich schnell rückwärts rollt und plötzlich nach hinten weg und gleichzeitig schräg nach oben gezogen werdet? Mir wurde richtig übel, und das sah man mir wohl auch an. Denn sobald das Zeichen zum Abschnallen aufleuchtete, kam Pelle, ein älterer Melker aus Ebereschenhof zu mir und fragte, ob wir für den Rest des Fluges die Plätze tauschen wollten. Ich sähe irgendwie grün aus im Gesicht. Und ich hatte nichts dagegen und nahm das Angebot freudig

an. Aber nicht nur mir wurde übel bei dem Flug. Denn es rumpelte hin und wieder und Rudi, ein Lehrling aus meinem Jahrgang und mein damaliger Freund, weigerte sich gleich nach der Landung schon mal lautstark, dass er auf keinen Fall zurück fliegen werde. Und wenn er den Weg zurück laufen müsse, in ein Flugzeug bekäme ihn keiner mehr. In Budapest bekamen wir natürlich erst einmal die obligatorische Stadtrundfahrt. Das Einzige, das ich noch weiß: Budapest liegt rechts und links der Donau und es handelte sich dabei

eigentlich einst um zwei eigenständige Städte mit Namen Buda und Pest, die im Laufe der Zeit irgendwann zusammengelegt wurden. Die Hauptstadt Budapest entstand. Mehr ist leider nicht hängengeblieben. Ab mittags hatten wir frei und konnten uns selbstständig in der Stadt umsehen. Ich weiß nicht, ob wir in der Zeit observiert wurden. Aufgefallen ist mir damals nichts, aber es hätte mich auch nicht gewundert. Schließlich waren wir DDR Bürger im Ausland. Und da war die Stasi immer ganz nervös. Ich bummelte mit ein paar anderen

Lehrlingen meines Jahrgangs durch die schönen Gassen der Altstadt und bewunderten nebenbei auch die verschnörkelten Brücken über den breiten Fluss. Wir kauften einige Souvenirs für die Lieben zu Hause und ein paar T-Shirts, um uns später von der großen Masse in der DDR abzugrenzen. Und schauten immer wieder auf die Uhr, damit wir ja nicht die Zeit verpassten, an der wir uns an einem bestimmten Standort wieder treffen wollten. Es war noch genug Zeit für ein Eis in einem der vielen Eisdielen und so genossen wir aus unseren großen Bechern löffelnd das Treiben auf der Straße, das

an unseren Tischen vorbei rauschte. Plötzlich stand ein weiterer Lehrling vor unserem Tisch und fragte, ob wir noch Geld hätten. Damals konnten wir ja für einen Tagesausflug nur eine bestimmte kleine Summe an DDR Mark umtauschen. Wir mussten also genau rechnen, was wir wofür ausgeben wollten. Und da wir nach diesem Tag mit dem Restgeld nichts mehr anfangen konnten, hatte fast jeder von uns seinen Betrag so gut wie möglich verbraucht. Gut für uns, denn so hatten wir das Meiste in der Kürze der Zeit für uns herausgeholt. Schlecht jedoch für einige andere Lehrlinge aus dem ersten

Lehrjahr, die nicht richtig gerechnet hatten und nun in einem anderen Restaurant mit ihren Bieren festsaßen, die sie nicht mehr bezahlen konnten. Und der Kellner wollte sie natürlich nicht gehen lassen. Da wir alle damals natürlich auch noch brav waren, kam niemand auf die Idee, die Zeche zu prellen. (Würde ich mich auch heute noch nicht trauen, aber es ist ja unumstritten, dass sich die Zeiten für manche seit damals diesbezüglich verändert haben). Also schickte man einen der Jungs los, um alle aus unserer Brigade zu suchen und die letzten Forints zusammenzukratzen. Und um unsere

Lehrlinge auszulösen. Das war für alle noch einmal eine aufregende halbe Stunde, ehe wir dann endlich vollzählig und wohlbehalten am vereinbarten Treffpunkt eintrudelten. Irgendwie schafften wir es dann auch, Rudi wieder in das Flugzeug zu bekommen. Ich glaube, eine Wanderung zurück war dann doch nicht mehr so verlockend. Und die paar Bier machten ihn wohl auch mutiger. Mitten in der Nacht kamen wir dann wieder in unserem Lehrlingsheim an und fielen todmüde in die Betten. Zum Schluss möchte ich noch anmerken,

dass ich vier Tage nach dem Betriebsausflug auch ahnte, warum mir im Flugzeug so schlecht geworden war. Es war ein Samstag und ich ging am Mittag mit meinem Einkaufsnetz in die einzige Kneipe des kleinen Ortes, um ein paar Flaschen Brause zu kaufen. Am Tresen stehend wurde mir plötzlich schwarz vor Augen und ich kippte um. Ich war aber sofort wieder voll klar im Kopf, als mein Hintern unsanft auf dem Boden landete. Der Wirt kam um den Tresen herum und meinte lachend, das würde schon einmal passieren, wenn man schwanger ist. Was ich vehement bestritt. Aber er meinte nur, er sehe so was und ich solle mich nur ein paar Minuten

hinsetzen. Dann würde es schon wieder gehen. Und er sollte Recht behalten. Aber davon ein anderes Mal mehr.

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Über den Autor

vagabundinchen
...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal in der Woche Linedance und probiere gerne mal was Neues aus. Freundschaften sind mir sehr wichtig. Wenn ihr mir schreiben wollt, dann traut euch ruhig. Ich beiße nicht.
Ansonsten viel Spaß beim Lesen...

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Brubeckfan Budapest ist eine sehr schöne Stadt, die Beweise von Macht und Reichtum der Vergangenheit sind deutlich erhalten. Ich hab mir damals lieber Kekse und Obst eingepackt, um die paar Forint in den Plattenladen zu bringen. Während westdeutsche Pensionäre aus diversen Bussen stiegen und selbstverständlich in edle Lokale einfielen, ja und?

Und der Sitz der Stewardess als Schwangerschaftstest, das solltest Du patentieren lassen. So ganz ohne Pharma und Chemie ...

Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Hallo Gerd, stimmt, Budapest ist wunderschön mit der Architektur der Gebäude und anderer Bauwerke. Und auch das Restaurant, in dem wir gespeist hatten, sah toll aus, mit der Größe insgesamt und der ausgefallenen vergoldeten Wandverkleidung. Und die Musiker, die von Tisch zu Tisch gingen und Volkslieder spielten, kannte ich bis dahin auch nicht. Insgesamt also ein sehr schöner und prägender Ausflug.
Und zweitens: Da ich inzwischen nie wieder rückwärts geflogen bin, weiß ich natürlich nicht sicher, ob mir nur deshalb schlecht wurde, weil ich schwanger war. Aber es wäre natürlich möglich. :-)
Stimmt, lieber Gerd, so ein Schwangerschaftstest ist ohne Chemie, aber dafür doch recht teuer und (in der heutigen Zeit nicht zu unterschätzen) auch nicht besonders nachhaltig und ressourcenschonend... Also lieber doch nen Schwangerschaftstest aus der Apotheke?
LG und eine schöne Adventszeit
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Da hast Du ja wirklich was "erlebt". Habe trotz meines Alters noch nie in einem Flugzeug gesessen, geschweigen denn damit geflogen. Hatt 1. nie das nötige Geld und 2. gar keine Lust mich in die Luft zu erheben. Ins Ausland bin ich auch nur nach Tschechien und Polen gekommen und das ging mit Zug, Bus oder später mit dem eigenen Auto. Ach so, einmal war ich in Luxenburg und einmal in Liechtenstein (beider waren Tagestour)en mit dem Reisebus. Das waren aber meine gesamten "Weltreisen". Mehr muss ich aber nicht haben.
Danke für diese nette Geschichte.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Hallo Bärbel, na immerhin. In Tschechien und Polen war ich ja auch, aber Luxemburg und Liechtenstein kenne ich noch nicht persönlich. Also hast du mir da etwas voraus.
LG und eine schöne Adventszeit
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Bei so einer Tagestour, kann man nicht allzu viel von Land und Leuten kennelernen. Zumindest in Luxenburg waren die Preise schon damals "himmlisch", also man konnte nix kaufen. Und in Liechtenstein waren wir nur auf einer Alm in einem kleinen Bergbauerndorf, wo es Mittagessen gab. Danach konnte man ein paar Kühe bestaunen und zurück ging´s wieder.
Einen schönen 3. Advent
wünscht Dir Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Mein Tagebuch - Von einer "üblen" Reise..."
nun, das beste daran war wohl, dass man auch mal etwas anderes zu sehen bekam,
als nur immer den 'Zaun' von innen... ...smile*
Übrigens, es ist völlig egal, ob Propeller oder Turbine, oder auch eine Kombination aus beiden,
es bleiben jedoch immer DIE TRIEBWERKE an einem Flugzeug... ...smile*
LG und eine schöne Advent-Zeit
Bleistift :-)

Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Hups, ja, da habe ich mich wohl etwas umständlich ausgedrückt. Ich weiß ja, eine Turbine ist auch eine Art Propeller, nur eben umbaut, also mit Verkleidung drum herum. Aber wie auch immer, du weißt schon, was ich meine... Smile*

Und ja, Budapest ist schon eine ganz andere Klasse gewesen als das, was ich bis dahin gesehen hatte. Ich meine, damals war eine Fahrt in die große Stadt Berlin schon für mich ein Erlebnis.... Nicht vergleichbar mit diesem Betriebsausflug...
LG und auch dir eine schöne Adventszeit
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
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